BFH I. Senat
KStG § 8 Abs 3 S 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, KStG VZ 2007 , BGB § 397
vorgehend FG Köln, 12. März 2014, Az: 10 K 62/12
Leitsätze
1. NV: Der Verzicht auf Forderungen kann als Beitrag zur Sanierung eines Unternehmens ausschließlich betrieblich veranlasst sein und schließt dann die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung aus .
2. NV: Auf die Beantwortung der als rechtsgrundsätzlich bedeutsam geltend gemachten Frage, ob auch das Verjährenlassen von Forderungen als konkludenter Forderungsverzicht und damit Sanierungsbeitrag gewertet werden kann, kommt es nicht an, wenn eine verdeckte Gewinnausschüttung bereits deswegen vorliegt, weil der behauptete Sanierungsbeitrag nicht Gegenstand einer klar und eindeutig im Voraus getroffenen Vereinbarung (Sonderanforderungen bei beherrschenden Gesellschaftern) war .
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 13. März 2014 10 K 62/12 wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, stellt u.a. Drucksachen her. Ihre Gesellschafter sind zu je 50% A und B. Diese sind in demselben Verhältnis an der C-GmbH beteiligt. Aus Lieferverträgen standen der Klägerin erhebliche Ansprüche gegen die C-GmbH zu. Diese leistete jedoch keine Zahlungen. Schließlich buchte die Klägerin ihre Forderungen mit der Begründung erfolgswirksam aus, dass, worüber kein Streit besteht, mittlerweile Verjährung eingetreten sei. Zu einer vergleichbaren Verjährung der Ansprüche gegenüber der C-GmbH war es bereits zwei Jahre zuvor gekommen.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) behandelte die Ausbuchung als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Seines Erachtens hätte ein ordentlicher Geschäftsleiter dafür Sorge getragen, dass nicht erneut Forderungen verjähren.
Das Finanzgericht (FG) Köln schloss sich mit seinem Urteil vom 13. März 2014 10 K 62/12 dieser Beurteilung an. Die Revision gegen sein Urteil ließ es nicht zu.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt.
1. Soweit die Klägerin das Fehlen von Entscheidungsgründen i.S. der §§ 105 Abs. 2 Nr. 6, 119 Nr. 6 FGO, einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten, mangelnde Sachaufklärung und schließlich eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, werden Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht schlüssig geltend gemacht.
Sämtliche gerügten Verfahrensverstöße hängen damit zusammen, dass der Sachvortrag der Klägerin, wonach der Verzicht auf die prozessuale Durchsetzung der Forderung ein Beitrag zur Sanierung eines Geschäftskunden gewesen sei, aus ihrer Sicht vom FG nicht berücksichtigt, nicht weiter aufgeklärt bzw. ohne Urteilsbegründung zurückgewiesen worden sei.
Indes geht aus der Beschwerdebegründung selbst hervor, dass das FG in den Urteilsgründen das Hauptargument der Klägerin, wonach die Forderungen aus betrieblichen Gründen nicht im Prozesswege geltend gemacht worden seien, als nicht überzeugend gewürdigt hatte. Mit den betrieblichen Gründen war ersichtlich das Vorbringen der Klägerin angesprochen, wonach der Verzicht auf die prozessuale Durchsetzung ein Beitrag zur Sanierung eines Geschäftskunden gewesen sei, dessen Weiterarbeit habe sichergestellt werden müssen. Die Begründung des FG war zwar recht knapp gehalten, aber sie war durchaus vorhanden. Eine bloß lückenhafte oder kurz gefasste Urteilsbegründung begründet aber keine Verletzung der §§ 105 Abs. 2 Nr. 5, 119 Nr. 6 FGO (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2014 I B 101/13, BFH/NV 2015, 201, m.w.N.). Ferner sind im Streitfall keine besonderen Umstände ersichtlich, die dafür sprechen könnten, dass das Gericht das aktenkundige Vorbringen der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben könnte (vgl. dazu Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 14. Dezember 2006 VIII B 108/05, BFH/NV 2007, 741; Senatsbeschluss vom 7. November 2012 I B 172/11, BFH/NV 2013, 561). Auch dies verdeutlichen der Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils. Schließlich scheidet auch eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 76 Abs. 1 FGO) nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin aus. Denn nach dem vom FG eingenommenen Rechtsstandpunkt, auf den maßgeblich abzustellen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Dezember 2012 I B 8/12, BFH/NV 2013, 703), war die behauptete Sanierung der Schwestergesellschaft nicht von der Klägerin, sondern von den Gesellschaftern zu leisten. Ausgehend von dieser Rechtsauffassung kam es ersichtlich auf die Aufklärung der näheren Umstände der beabsichtigten Sanierung nicht an. Im Kern macht die Klägerin mit ihren Verfahrensrügen lediglich geltend, dass das FG ihrem Sach- und Rechtsvortrag zur betrieblichen Veranlassung des "Verjährenlassens" der Forderungen nicht gefolgt ist. Dieser vermeintliche Fehler ist materiell-rechtlicher Art und kann die Revisionszulassung wegen eines Verfahrensverstoßes nicht rechtfertigen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 741).
2. Die gerügte Divergenz zum Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 29. Juni 1995 4 K 1587/93 (Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 1995, 1074) ist nicht ordnungsgemäß dargelegt. Es fehlen substantiierte Ausführungen zur Vergleichbarkeit der Sachverhalte (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2014 I B 169/13, BFH/NV 2015, 234, m.w.N.). Während das FG Rheinland-Pfalz einen rechtsgeschäftlich zwischen Gläubiger und Schuldner vereinbarten Teilverzicht auf Forderungen aus Lieferungen und Leistungen zu beurteilen hatte, geht es im Streitfall um das einseitige Nichtgeltendmachen von Forderungen vor dem zivilrechtlichen Verjährungsstichtag. Die Klägerin behauptet zwar, dass darin ein konkludenter Verzicht zu erkennen sei. Das versteht sich ohne nähere Darlegungen aber nicht von selbst. Denn im Verzicht ist regelmäßig ein Erlassvertrag i.S. des § 397 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu erblicken (vgl. Erman/E. Wagner, BGB, 14. Aufl., § 397 Rz 1). Es handelt sich damit um eine ausgehandelte rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner. Ein solcher Erlass kann, wenn er ‑‑regelmäßig im Zusammenwirken mit anderen Gläubigern‑‑ in der Absicht ausgesprochen wird, den Schuldner geschäftlich und finanziell gesunden zu lassen, als ‑‑dann betrieblich veranlasste‑‑ Sanierungsmaßnahme zu beurteilen sein (vgl. Gosch, KStG, 2. Aufl., § 8 Rz 1200). Im Streitfall hat das FG gerade nicht festgestellt, dass dem ‑‑wiederholten‑‑ Nichtergreifen verjährungsunterbrechender Maßnahmen ein vergleichbarer rechtsgeschäftlicher Erklärungsinhalt zukam. Weder der Schuldner noch andere Gläubiger waren Teil einer wie auch immer gearteten Sanierungsvereinbarung, die vor dem Hintergrund einer substantiiert aufgeklärten wirtschaftlichen Situation des Schuldnerunternehmens getroffen wurde.
3. Soweit die Klägerin der Rechtsfrage rechtsgrundsätzliche Bedeutung beimisst, ob ein Sanierungsbeitrag nur dann anzunehmen sei, wenn dieser durch eindeutige Erklärung eines Verzichts erfolge, oder ob ein Sanierungsbeitrag infolge einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ebenfalls dann anzunehmen sei, wenn dieser durch Nichtgeltendmachung und Eintritt der Verjährung einer Forderung gegenüber dem Schuldner erfolge, fehlt es an der erforderlichen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit (zu den Darlegungsanforderungen insoweit z.B. Senatsbeschluss vom 12. März 2014 I B 167/13, BFH/NV 2014, 1092, m.w.N.). Die Beschwerdebegründung setzt sich mit der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung und Literatur zum Fragenkreis der Sanierung nicht auseinander und versäumt damit die Antwort auf die naheliegende Frage, ob das aufgeworfene Rechtsproblem angesichts der fehlenden rechtsgeschäftlichen Grundlage des "Verzichts" und der fehlenden Mitwirkung der anderen Gläubiger nicht bereits in einem für die Klägerin nachteiligen Sinne als geklärt betrachtet werden muss. Der ertragsteuerrechtliche Sanierungsbegriff war bereits Gegenstand zahlreicher Entscheidungen des BFH (BFH-Urteile vom 18. Dezember 1990 VIII R 39/87, BFHE 164, 404, BStBl II 1991, 784; vom 14. Juli 2010 X R 34/08, BFHE 229, 502, BStBl II 2010, 916). Auch die Literatur (z.B. Gosch, a.a.O., § 8, Rz 1200; Blümich/Rengers, § 8 KStG Rz 900 "Sanierung"; Schallmoser in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rz 380 "Sanierung") und die finanzgerichtliche Rechtsprechung (vgl. z.B. Urteil des FG Rheinland-Pfalz in EFG 1995, 1074; Urteil des FG Münster vom 9. Juli 2002 1 K 430/99 F, EFG 2003, 30) haben sich zum Themenkreis vGA und Sanierung geäußert. Neue Argumente, die den Meinungsstand beeinflussen könnten, sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
Es fehlt ferner an der erforderlichen Darlegung der sog. Entscheidungserheblichkeit oder Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage (vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. Oktober 2003 III B 14/03, BFH/NV 2004, 224; vom 18. März 2005 IX B 193/04, BFH/NV 2005, 1342; vom 5. Dezember 2007 VIII B 79/07, BFH/NV 2008, 732; vom 15. Oktober 2008 II B 74/08, BFH/NV 2009, 125; Senatsbeschluss vom 2. April 2014 I B 130/13, BFH/NV 2014, 1085, m.w.N.). Für die Entscheidung des Streitfalls kommt es nicht allein darauf an, ob das Verjährenlassen von Forderungen als konkludenter Forderungsverzicht und damit Sanierungsbeitrag gewertet werden kann. Die Annahme einer vGA muss in Anbetracht der beherrschenden Stellung von A und B und ihrer gleichgerichteten Interessen bereits unter dem Gesichtspunkt ernstlich erwogen werden, dass der behauptete Sanierungsbeitrag nicht Gegenstand einer klar und eindeutig im Voraus getroffenen Vereinbarung war (zu den Sonderanforderungen beim formellen Fremdvergleich vgl. etwa Wilk in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 8 KStG Rz 144). Dazu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.