ECLI:DE:BFH:2025:B.110325.VIIIB5.24.0
BFH VIII. Senat
FGO § 116 Abs 3 S 3, FGO § 155, ZPO § 293, FGO § 115 Abs 2 Nr 3
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 28. November 2023, Az: 8 K 1798/22
Leitsätze
NV: Eine ordnungsgemäße Rüge, das Finanzgericht (FG) habe seine Pflicht zur Ermittlung ausländischen Rechts gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 293 der Zivilprozessordnung verletzt, erfordert insbesondere die Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), dass das FG sein Ermessen zur Wahl des geeigneten Beweismittels nicht sachgerecht ausgeübt und die ihm eröffneten Erkenntnisquellen nicht genutzt habe.
Tenor
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 28.11.2023 - 8 K 1798/22 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Ein Grund zur Zulassung der Revision im Sinne des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt nicht vor oder ist nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt worden.
1. Die Revision ist nicht wegen Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) legen nicht substantiiert dar, dass die Voraussetzungen des Zulassungsgrunds erfüllt sein könnten.
a) Die schlüssige Rüge einer Divergenz erfordert die Darlegung, dass das Finanzgericht (FG) bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung als ein anderes Gericht, unter anderem der Bundesfinanzhof (BFH) oder ein FG, vertritt. Das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der bezeichneten Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt. Es müssen zudem die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein, die abweichend beantwortete Rechtsfrage muss im Revisionsverfahren geklärt werden können und eine Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich sein (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 04.06.2024 - VIII B 37/23, BFH/NV 2024, 944, Rz 4; vom 24.10.2023 - VIII B 70/22, BFH/NV 2024, 34, Rz 14).
b) Die Kläger haben eine Divergenz des FG-Urteils zu einer anderen Entscheidung nicht entsprechend diesen Anforderungen dargelegt. Die Kläger machen geltend, das FG habe gegen die Rechtsprechungsgrundsätze verstoßen, die der Senat mit Urteil vom 14.02.2022 - VIII R 32/19 (BFHE 276, 223, BStBl II 2023, 101) im ersten Rechtsgang zur Zuflussfiktion bei beherrschenden Gesellschaftern aufgestellt habe. Damit rügen die Kläger lediglich die aus ihrer Sicht fehlerhafte Anwendung ‑‑nicht weiter konkretisierter‑‑ tragender Rechtssätze aus der genannten Entscheidung im Streitfall als Einzelfall.
c) Soweit die Kläger geltend machen, dass das FG nicht einmal versucht habe, den "neuen Leitsatz" des BFH richtig umzusetzen, worin ein schwerwiegender Rechtsanwendungsfehler liege, trifft dies nicht zu. Das FG hat für seine Entscheidung die vom Senat für den Zufluss von Kapitalerträgen aufgestellten rechtlichen Maßstäbe herangezogen und seiner Würdigung sowohl das rechtliche Kriterium der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über den Gewinnanteil als auch die neuen tatsächlichen Erkenntnisse des Sachverständigen zugrunde gelegt.
2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die von den Klägern geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wird nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügend dargelegt.
a) Macht ein Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO geltend, so hat er zunächst eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen. Dafür ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert; nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt (BFH-Beschluss vom 29.11.2022 - VIII B 141/21, BFH/NV 2023, 143, Rz 21). Des Weiteren muss die Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darlegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 08.08.2019 - X B 117/18, BFH/NV 2019, 1219, Rz 13; vom 16.01.2024 - VIII B 141/22, BFH/NV 2024, 405, Rz 16).
b) Die Kläger halten die Fragen für grundsätzlich bedeutsam, ob
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Hindernisgründe für eine Ausschüttung zeitbezogen (Zeitpunkt sei das Vorliegen des Gewinnverwendungsbeschlusses) festzustellen seien,
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das Vorliegen der Hindernisgründe zu einem Wegfall der Fiktion und somit zur Anwendung des Zuflusses durch beispielsweise Gutschrift auf dem Konto führe und
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ob für die Beurteilung der Hindernisgründe nur die Tatsachen ausschlaggebend seien, die bereits am Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses verwirklicht gewesen seien.
Das FG habe, so die Kläger, seine Entscheidung nicht nur an Tatsachen, die bereits im Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses verwirklicht gewesen seien, orientiert, sondern auch später verwirklichte Tatsachen in seine Beurteilung der Hindernisgründe mit einbezogen, indem es Ausschüttungen und zeitraumbezogene Größen, die sich erst nach dem Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses verwirklicht hätten, betrachtet habe.
c) Die Kläger legen mit ihrem Vorbringen keine klärungsbedürftige und klärbare abstrakte Rechtsfrage dar, sondern machen geltend, die Würdigung des FG, der Kläger habe mit der Beschlussfassung jeweils die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die fälligen Gewinnansprüche erlangt, weil dem kein Auszahlungshindernis nach kroatischem Gesellschafts- sowie Insolvenzrecht entgegen gestanden habe, welches der Kläger nicht habe beeinflussen können, sei rechtsfehlerhaft (vgl. zur Einkleidung einer einzelfallbezogenen Rüge eines Rechtsfehlers in eine abstrakte Fragestellung auch BFH-Beschluss vom 04.05.2021 - VIII B 121/20, BFH/NV 2021, 1329, Rz 3 f.). Das Vorbringen, die Vorentscheidung sei rechtsfehlerhaft, stellt im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ‑‑abgesehen vom hier nicht vorliegenden Fall eines schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehlers des FG‑‑ keinen Zulassungsgrund dar (BFH-Beschluss vom 16.01.2024 - VIII B 141/22, BFH/NV 2024, 405, Rz 17, m.w.N.).
d) Der weitere Vortrag der Kläger, die Rechtsprechung zur Annahme eines Zuflusses von Gewinnausschüttungen bei beherrschenden Gesellschaftern ausländischer Kapitalgesellschaften im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Ausschüttung führe zu Beeinträchtigungen der Niederlassungsfreiheit, genügt nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Darlegung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
Wird die Unvereinbarkeit einer Rechtsnorm mit dem Unionsrecht geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer unter anderem substantiiert darlegen, mit welcher Vorschrift des Unionsrechts die angefochtene Entscheidung seiner Ansicht nach unvereinbar ist. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den Vorgaben des Unionsrechts und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, des BFH und gegebenenfalls auch eine Befassung mit der dazu vom FG im angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung (vgl. BFH-Beschluss vom 21.03.2018 - I B 63/17, BFH/NV 2018, 838, Rz 8).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Eine mögliche Verletzung der Niederlassungsfreiheit haben die Kläger nicht dargelegt. Insbesondere haben sich die Kläger nicht damit auseinandergesetzt, dass das FG in seiner Entscheidung ausgeführt hat, dass sich die Frage, ob und in welcher Höhe der Kläger aufgrund seiner Beteiligung an der X d.o.o. Einkünfte erzielt habe, nach deutschem Recht ‑‑und damit nach denselben Maßstäben, die für Gesellschafter inländischer Gesellschaften gelten‑‑ beurteile.
Sollte der Vortrag der Kläger darauf abzielen, dass das FG die Grundsätze über den Zufluss von Gewinnanteilen bei beherrschenden Gesellschaftern fehlerhaft angewendet habe, indem es nicht nur Tatsachen, die bereits im Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses verwirklicht waren, sondern auch später verwirklichte Tatsachen in seine Beurteilung der Hindernisgründe mit einbezogen habe, würde dies ebenfalls nicht den Darlegungsvoraussetzungen genügen. Hierin läge eine Rüge der fehlerhaften Rechtsanwendung im Einzelfall, die eine Zulassung der Revision nicht begründen kann.
3. Die Revision ist auch nicht wegen des gerügten Verfahrensfehlers einer Verletzung der Pflicht des FG, von Amts wegen das maßgebliche ausländische Recht gemäß § 155 FGO, § 293 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zu ermitteln, zuzulassen.
a) Die Kläger machen geltend, dass es sich dem FG auf der Basis des Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen, dass das kroatische Insolvenzrecht deutlich umfassendere Pflichten an den Geschäftsführer stelle. Zu diesen Pflichten hätte das FG weitere Feststellungen hinsichtlich der Auslegung und Anwendung der kroatischen Vorschriften treffen müssen. Das FG habe weder die rechtlichen Hindernisse noch die tatsächlichen Hinderungsgründe hinreichend erforscht.
b) Dieser Vortrag der Kläger genügt nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
aa) Es gehört gemäß § 155 FGO i.V.m. § 293 ZPO zu den Aufgaben des FG als Tatsacheninstanz, das einschlägige ausländische Recht festzustellen. Wie das FG das ausländische Recht ermittelt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dabei lassen sich die Anforderungen an Umfang und Intensität der Ermittlungen des Tatrichters nur in sehr eingeschränktem Maße generell-abstrakt bestimmen. An die Ermittlungspflicht sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je komplexer oder je fremder das anzuwendende Recht im Vergleich zum eigenen ist. Aufgrund einer entsprechenden Verfahrensrüge ist zu prüfen, ob das FG die Ermittlungen frei von Verfahrensmängeln durchgeführt hat, insbesondere das ihm eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausgeübt und die ihm eröffneten Erkenntnisquellen genutzt hat. Die Voraussetzungen einer solchen Verfahrensrüge sind gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO darzulegen (BFH-Beschluss vom 20.09.2022 - VIII B 82/21, BFH/NV 2022, 1295, Rz 23, m.w.N.).
bb) Im Streitfall haben die Kläger weder dargelegt, dass das FG sein Ermessen zur Wahl des geeigneten Beweismittels nicht sachgerecht ausgeübt, noch dass es das von ihm eingeholte Sachverständigengutachten zum kroatischen Gesellschafts- und Insolvenzrecht nicht umfassend ausgewertet hätte. Die Kläger legen auch nicht dar, dass dem FG weitere Erkenntnisquellen zur Verfügung gestanden hätten, die es nicht berücksichtigt habe. Im Gegenteil durfte das FG nach Aktenlage nach der Einholung des Sachverständigengutachtens seine Möglichkeiten, die für den Streitfall maßgeblichen Regelungen des kroatischen Gesellschafts- und Insolvenzrechts zu ermitteln, als ausgeschöpft ansehen.
c) Sollte die Rüge der Kläger dahingehend zu verstehen sein, dass das FG aus ihrer Sicht die Erkenntnisse des Sachverständigen unzutreffend gewürdigt und die Zahlungsfähigkeit der X d.o.o. zum Zeitpunkt der jeweiligen Beschlussfassung über die Gewinnausschüttung auch unter Berücksichtigung der im zweiten Rechtsgang vom Kläger vorgelegten weiteren Unterlagen zu Unrecht bejaht hat, könnte dies der Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Einwendungen gegen die finanzgerichtliche Tatsachen- und Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Nachprüfung durch den BFH im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich entzogen (BFH-Beschluss vom 20.11.2024 - IX B 77/23, Rz 24). Zwar kann die Revision abweichend davon gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO auch wegen eines schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehlers zuzulassen sein. Selbst wenn die Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG rechtsfehlerhaft wäre, ist sie im Sinne dieses Zulassungsgrunds aber weder gänzlich unvertretbar noch willkürlich noch begründet sie eine greifbare Gesetzeswidrigkeit der Vorentscheidung.
4. Der Senat sieht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO von einer Darstellung des Tatbestands und einer weiteren Begründung ab.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.