ECLI:DE:BFH:2025:B.080425.VIIIB79.24.0
BFH VIII. Senat
EStG § 2 Abs 2 S 2, EStG § 9 Abs 1, EStG § 20 Abs 4 S 1, EStG § 20 Abs 9 S 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 116 Abs 3 S 3, GG Art 3 Abs 1, EStG VZ 2020
vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt , 11. July 2024, Az: 4 K 725/21
Leitsätze
1. NV: Das Werbungskostenabzugsverbot gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist auch gegenüber Beziehern höherer Kapitalerträge, denen Werbungskosten (hier: aus Vermögensverwaltergebühren) deutlich oberhalb des Sparerpauschbetrags erwachsen, eine grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässige typisierende Regelung im System der abgeltend besteuerten Kapitalerträge.
2. NV: Macht der Beschwerdeführer geltend, die typisierende Regelung des Werbungskostenabzugsverbots in § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG führe nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung, muss er sich zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung mit der zu dieser Frage ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auseinandersetzen und darlegen, unter welchen bislang nicht erörterten Gesichtspunkten diese Rechtsfrage einer neuerlichen Überprüfung bedarf sowie verdeutlichen, ob und unter welchen Gesichtspunkten diese Frage im steuerlichen Fachschrifttum umstritten ist.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 11.07.2024 - 4 K 725/21 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen des vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) sind nicht erfüllt.
1. Die Darlegung der Voraussetzungen dieses Zulassungsgrundes verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer zweifelhaften abstrakten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärungsfähig ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit gegebenenfalls veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen. Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung für erforderlich gehalten wird. Eine weitere beziehungsweise erneute Klärung der Rechtsfrage kann zum Beispiel geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 06.03.2019 - VIII B 94/18, BFH/NV 2019, 935, Rz 3).
2. Nach diesem Maßstab sind die Voraussetzungen für eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung im Streitfall nicht erfüllt.
a) Das Finanzgericht (FG) hat mangels erhobener und durchgreifender Verfahrensrügen für den Senat bindend gemäß § 118 Abs. 2 FGO festgestellt, dass es sich bei der dem Kläger in Rechnung gestellten Vermögensverwaltergebühr der A-GmbH um Kosten gehandelt hat, die weder einzeln noch in Form einer darin enthaltenen pauschalen Transaktionspauschale den im Jahr 2020 (Streitjahr) getätigten Aktienerwerben als Anschaffungsnebenkosten und den getätigten Aktienveräußerungen als Veräußerungskosten zugeordnet werden können. Das FG hat die im Streitjahr gezahlte Vermögensverwaltergebühr daher insgesamt als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eingeordnet, die unter das Abzugsverbot gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG fallen. Zu den abgeflossenen Gebühren bei der X-Bank hat das FG den Streitfall für den Senat dahingehend bindend gewürdigt, dass sich die Aufwendungen ebenfalls nicht bestimmten Aktienerwerbs- oder Aktienveräußerungsgeschäften zuordnen lassen. Auch diese Aufwendungen hat das FG, soweit sie vom Kläger getragen worden sind, als gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG nicht abzugsfähige Werbungskosten behandelt.
b) Der Kläger macht in der Beschwerdebegründung geltend, die im Streitjahr gezahlten Vermögensverwaltergebühren (ohne ausgewiesenen pauschalen Transaktionskostenanteil) seien als Werbungskosten gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG in vollem Umfang nicht abzugsfähig, pauschale Vermögensverwaltergebühren mit ausgewiesenem Transaktionskostenanteil könnten sich nach der Rechtspraxis (Verweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ‑‑BMF‑‑ vom 18.01.2016, BStBl I 2016, 85, Tz. 93 und 95; heute BMF-Schreiben vom 19.05.2022, BStBl I 2022, 742, Tz. 93 und 95) aber im Wege einer schätzweisen Zuordnung zur Hälfte als Anschaffungsneben- und Veräußerungskosten gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG steuermindernd auswirken. Die Leistungen des Vermögensverwalters seien unabhängig von der Abrechnungsart jedoch bei der Betreuung der Aktienerwerbe und Aktienveräußerungen identisch. Der Senat entnimmt dem Vorbringen bei wohlwollender Auslegung, dass der Kläger die verfassungsrechtliche Rechtsfrage aufwirft, ob das vollständige Abzugsverbot für Vermögensverwaltergebühren gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG, die einkommensteuerrechtlich als Werbungskosten einzuordnen sind, ihn in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt.
c) Der Kläger erläutert jedoch nicht, dass die aufgeworfene verfassungsrechtliche Rechtsfrage noch klärungsbedürftig ist.
aa) Der Gesetzgeber hat die Grundentscheidung getroffen, bei den Einkünften aus Kapitalvermögen Aufwendungen, die als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG einzuordnen sind, dem Abzugsverbot gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG zu unterwerfen und nur den Abzug eines Sparerpauschbetrags zuzulassen. Soweit Vermögensverwaltergebühren (einzeln abgerechnet oder als pauschale sogenannte All-In-Fees) Werbungskosten sind, unterliegen sie dem Abzugsverbot.
Daraus kann sich je nach der Rendite des Steuerpflichtigen und der Höhe der Vermögensverwaltergebühr eine Bruttobesteuerung der positiven Kapitalerträge ergeben, wenn die nicht abzugsfähige Vermögensverwaltervergütung die positiven Kapitalerträge übersteigt. Auch kann sich bei einer Bruttobesteuerung des Aktienveräußerungsgewinns unter dem gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG aufgrund des fehlenden Werbungskostenabzugs für die Vermögensverwaltergebühr eine höhere Belastung als bei einer hypothetischen Besteuerung des Aktienveräußerungsgewinns im progressiven Tarif nach § 32a EStG (nach Abzug der tatsächlichen Werbungskosten im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens gemäß § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG) ergeben. Die steuerliche Mehrbelastung im Rahmen des gesonderten Tarifs könnte auch nicht durch einen Antrag auf Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG vermieden werden, da der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten auch bei einer Hinzurechnung der Kapitalerträge zu den tariflich zu besteuernden Kapitalerträgen im Rahmen des Veranlagungswahlrechts ausgeschlossen wäre (BFH-Urteile vom 28.01.2015 - VIII R 13/13, BFHE 249, 125, BStBl II 2015, 393; vom 02.12.2014 - VIII R 34/13, BFHE 248, 51, BStBl II 2015, 387).
bb) Die Rechtsprechung des BFH hat sich mit dem Einwand, dass das Werbungskostenabzugsverbot in § 20 Abs. 9 EStG als Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip verfassungswidrig sein soll, bereits mehrfach auseinandergesetzt. Das Werbungskostenabzugsverbot gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG ist nach dem Stand der Rechtsprechung auch gegenüber Beziehern höherer Kapitalerträge wie dem Kläger, denen Werbungskosten (hier: aus der Vermögensverwaltergebühr) deutlich oberhalb des Sparerpauschbetrags erwachsen, als eine grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässige typisierende Regelung im System der abgeltend besteuerten Kapitalerträge zu beurteilen.
Der Senat hat sich zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Werbungskostenabzugsverbots in § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG darauf gestützt, mit der abgeltenden Besteuerung der Kapitalerträge habe der Gesetzgeber nicht nur eine erhebliche steuerliche Entlastung, sondern auch eine deutliche Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens von Kapitaleinkünften erreichen wollen; Bestandteil der Vereinfachung sei auch das Abzugsverbot in § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG (BFH-Urteil vom 28.01.2015 - VIII R 13/13, BFHE 249, 125, BStBl II 2015, 393, Rz 26). Er hat hierzu insbesondere auf die Gesetzesbegründung zu § 20 Abs. 9 EStG (vgl. BTDrucks 16/4841, S. 57) verwiesen, die lautet: "Der Ansatz der tatsächlichen Werbungskosten ist grundsätzlich ausgeschlossen. Dabei wird [über den Sparerpauschbetrag] sowohl eine Typisierung hinsichtlich der Höhe der Werbungskosten in den unteren Einkommensgruppen vorgenommen, als auch berücksichtigt, dass mit einem relativ niedrigen Proportionalsteuersatz von 25 Prozent die Werbungskosten in den oberen Einkommensgruppen mit abgegolten werden." Mit der Senkung des Steuertarifs von zuvor bis zu 45 % auf nunmehr 25 % für positive Kapitalerträge habe der Gesetzgeber auch für die Bezieher höherer Kapitaleinkünfte eine verfassungsrechtlich anzuerkennende Typisierung der Werbungskosten vorgenommen (BFH-Urteile vom 28.01.2015 - VIII R 13/13, BFHE 249, 125, BStBl II 2015, 393, Rz 29; vom 02.12.2014 - VIII R 34/13, BFHE 248, 51, BStBl II 2015, 387, Rz 12, 13 [die anschließende Verfassungsbeschwerde wurde gemäß §§ 93a, 93b des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) nicht zur Entscheidung angenommen, s. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 24.03.2016 - 2 BvR 878/15]; vom 01.07.2014 - VIII R 53/12, BFHE 246, 332, BStBl II 2014, 975, Rz 13, 14). An dieser verfassungsrechtlichen Beurteilung der Regelung in § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG hat der Senat in der Folge festgehalten (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.2018 - VIII R 7/15, BFHE 263, 216, BStBl II 2019, 231, Rz 31).
cc) Angesichts dessen hätte der Kläger erläutern müssen, warum die bisherige verfassungsrechtliche Beurteilung des Abzugsverbots in § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG für Bezieher höherer Kapitalerträge mit erheblichen nicht abzugsfähigen Werbungskosten einer erneuten Überprüfung bedarf.
Hat der BFH in einer früheren Entscheidung begründet, warum er eine Norm nicht für verfassungswidrig hält, muss in der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Verfassungsmäßigkeit dargelegt werden, warum eine erneute Klärung der Frage geboten sein könnte. Denn wenn die vom Beschwerdeführer angeführten Gründe bei erneuter Überprüfung eine abweichende Beurteilung nicht rechtfertigen und der beschließende Senat ‑‑weil er nicht von der Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden Normen überzeugt ist‑‑ den Rechtsstreit in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 1 BVerfGG aussetzen und dem BVerfG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorlegen dürfte, muss die Nichtzulassungsbeschwerde abschlägig beschieden werden (z.B. BFH-Beschluss vom 06.03.2019 - VIII B 94/18, BFH/NV 2019, 935, Rz 4).
Der Kläger legt keine durchgreifenden neuen Gesichtspunkte dar. Er setzt sich mit dem tragenden Argument des Senats nicht auseinander, bei Beziehern höherer Kapitalerträge mit deutlich oberhalb des Sparerpauschbetrags liegenden Werbungskosten sei die typisierende Abzugsfähigkeit von Aufwendungen nur bis zur Höhe des Sparerpauschbetrags durch den Vereinfachungszweck der abgeltenden Besteuerung von Kapitalerträgen und den Tarifvorteil bei der Besteuerung der positiven Kapitalerträge gerechtfertigt. Dass die Kapitalerträge des Klägers (zum Beispiel aus erfolgreichen Aktienveräußerungen) auf Beratungsleistungen des Vermögensverwalters beruhen, die in Gestalt einer Festvergütung und einer variablen Erfolgsbeteiligung zu vergüten sind, stellt die Verfassungsmäßigkeit des typisierenden vollständigen Werbungskostenabzugsverbots nicht in Frage. Treten aufgrund der deutlich oberhalb des Sparerpauschbetrags liegenden Werbungskosten die geschilderten Besteuerungsfolgen auf oder ist die Nachsteuerrendite des Klägers reduziert, beruhen diese überdies maßgeblich auf den Vereinbarungen mit den Vermögensverwaltern, die der Kläger trotz Geltung des Werbungskostenabzugsverbots getroffen hat. Der Kläger legt schließlich auch nicht dar, ob, und wenn ja, unter welchen Gesichtspunkten für Bezieher höherer Kapitalerträge mit Werbungskosten deutlich oberhalb des Sparerpauschbetrags im Schrifttum Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG geäußert werden.
3. Soweit der Kläger auf das BMF-Schreiben vom 18.01.2016 (BStBl I 2016, 85, Tz. 93 und 95; heute BMF-Schreiben vom 19.05.2022, BStBl I 2022, 742, Tz. 93 und 95) verweist und eine weitere aus seiner Sicht verfassungswidrige Ungleichbehandlung behauptet, handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Der Kläger sieht nach dem Verständnis des Senats eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung darin, dass Transaktionskosten aus sogenannten All-In-Fees mit Transaktionskostenanteil bei Kreditinstituten nach der Verwaltungspraxis anteilig zu den Anschaffungsneben- und den Veräußerungskosten im Sinne des § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG gehören könnten, die Beratungskosten aus Vermögensverwaltungsverträgen anderer Vermögensverwalter diesen jedoch nicht zugeordnet werden könnten.
Mit diesem Vorbringen wird keine verfassungsrechtliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung begründet. Der Kläger behauptet insoweit nicht, durch eine gesetzliche Regelung in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt zu sein. Die angesprochenen Regelungen des BMF-Schreibens enthalten Grundsätze zur Sachverhaltsermittlung, nach denen die Finanzverwaltung Transaktionskosten, die in pauschalen All-In-Fees mit einem vertraglich definierten Transaktionskostenanteil enthalten oder aus einer Erträgnisaufstellung ersichtlich sind, pauschalierend und schätzweise als Anschaffungsneben- und als Veräußerungskosten gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG einordnet. Der Senat könnte die Regelungen des § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG und des § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG in dem angestrebten Revisionsverfahren wegen dieser Verwaltungsgrundsätze nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 1 BVerfGG dem BVerfG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorlegen.
4. Der Senat sieht von der Darstellung eines Tatbestandes und von einer weiteren Begründung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 EStG ab.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.