ECLI:DE:BFH:2024:U.130824.IR1.21.0
BFH I. Senat
KStG § 8b Abs 8, KStG § 34 Abs 7 S 8 Nr 2, KStG § 14 Abs 1, KStG § 19 Abs 1, KStG § 26, GewStG § 36 Abs 7 S 4, KStG § 16, StVergAbGProtUmsG
vorgehend FG Münster, 09. October 2020, Az: 10 K 2222/17 K
Leitsätze
1. NV: Soweit § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG-Korb II i.V.m. Satz 6 der für die Jahre 2001 bis 2003 modifizierten Fassung des § 8b Abs. 8 KStG-Korb II vorsieht, dass bei der Ausübung des Blockwahlrechts von Kranken- und Lebensversicherungsunternehmen "negative Einkünfte" einer Organgesellschaft nicht dem Organträger zugerechnet werden, bezieht sich dies auf den Gesamtbetrag der Einkünfte aus sämtlichen Einkunftsquellen und nicht nur auf die Einkünfte im Sinne des § 8b KStG.
2. NV: Die Weiterleitung tariflicher Steuerermäßigungen der Organgesellschaft auf die Ebene des Organträgers (§ 19 Abs. 1 KStG) setzt die Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft beim Organträger voraus.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 09.10.2020 - 10 K 2222/17 K wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft über die Zurechnung von Einkommen und die Anrechnung ausländischer Quellensteuern, nachdem für das Jahr 2001 (Streitjahr) das sogenannte Blockwahlrecht für Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen ausgeübt worden war.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin der X-AG, die im Streitjahr Organträgerin der Y-AG war. Die Y-AG erzielte im Streitjahr ein negatives Einkommen (… DM [… €]). Darin waren nach den Angaben der Klägerin (positive) Dividenden und Veräußerungsgewinne im Sinne des § 8b des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (KStG) von … DM (… €) enthalten, die mit einer ausländischen Quellensteuer von … DM (… €) belastet waren.
Die Y-AG machte von dem Blockwahlrecht nach § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz (Korb II-Gesetz) vom 22.12.2003 (BGBl I 2003, 2840, BStBl I 2004, 14) ‑‑KStG-Korb II‑‑ Gebrauch und behandelte die ausländischen Beteiligungserträge zu 80 % als steuerpflichtig und zu 20 % als steuerfrei.
Das ursprünglich zuständige Finanzamt … erließ für das Streitjahr einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geänderten Körperschaftsteuerbescheid, in dem es die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft wegen der Ausübung des Blockwahlrechts nicht mehr anerkannte. Im Rahmen des hiergegen gerichteten Einspruchsverfahrens ergingen weitere Änderungsbescheide, zuletzt am 24.05.2017, in denen der durch die Verschmelzung der X-AG auf die Klägerin zuständig gewordene Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) die Organschaft zwischen der X-AG als Organträgerin und der Y-AG als Organgesellschaft anerkannte, aber wegen der Ausübung des Blockwahlrechts eine Zurechnung des insgesamt negativen Einkommens der Y-AG ‑‑und in der Folge auch eine Anrechnung ausländischer Quellensteuern‑‑ ablehnte. Das insofern weitergeführte Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) Münster wies die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 09.10.2020 - 10 K 2222/17 K (Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 396) als unbegründet ab.
Das negative Einkommen der Y-AG sei ungeachtet der grundsätzlich bestehenden Organschaft nicht nach § 14 Abs. 1 KStG der Organträgerin zuzurechnen, da die Y-AG das Blockwahlrecht ausgeübt habe und die Ausnahmeregelung des § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 2 KStG-Korb II i.V.m. Satz 6 der für das Streitjahr modifizierten Fassung des § 8b Abs. 8 KStG-Korb II Anwendung finde. Dies ändere sich auch nicht, sofern die im (Gesamt-)Einkommen enthaltenen Einkünfte aus Dividenden und Veräußerungsgewinnen im Sinne des § 8b Abs. 1 und 2 KStG positiv gewesen sein sollten.
Hiervon ausgehend entfalle die Möglichkeit einer Anrechnung ausländischer Quellensteuern nach § 19 Abs. 1 i.V.m. § 26 KStG, da es für die erforderliche Höchstbetragsberechnung nach dem in Bezug genommenen § 34c des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) auf die Verhältnisse der Organträgerin X-AG ankomme. Der X-AG seien aber keine ausländischen Einkünfte der Y-AG zuzurechnen, so dass die bei der X-AG festzusetzende Körperschaftsteuer nicht auf diese Einkünfte entfallen könne. Selbst wenn ‑‑wie vom FA angenommen‑‑ 20 % der angefallenen Dividenden und Veräußerungsgewinne zunächst der X-AG zuzurechnen und erst dort nach § 15 Nr. 2 i.V.m. § 8b Abs. 1 und 2 KStG steuerfrei zu stellen sein sollten, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit erübrige sich eine abschließende Prüfung. Entsprechendes gelte für die Höhe der tatsächlich angefallenen ausländischen Quellensteuern.
Die Klägerin macht mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den Bescheid über Körperschaftsteuer für das Jahr 2001 vom 24.05.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.06.2017 dahin zu ändern, dass der Organträgerin das Einkommen ihrer Organgesellschaft Y-AG von - … DM beziehungsweise - … € vollständig zugerechnet wird und im Rahmen einer vollständigen Umsetzung der Organschaft anschließend das Einkommen der Organträgerin um 20 % der Bezüge nach § 8b Abs. 1 KStG und der Gewinne nach § 8b Abs. 2 KStG (20 % von … DM beziehungsweise … €) gemindert sowie die bei der Y-AG angefallenen ausländischen Quellensteuern von … DM beziehungsweise … € nach § 19 Abs. 1 i.V.m. § 26 KStG auf die Körperschaftsteuer der Organträgerin angerechnet werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der X-AG im Streitjahr das negative Einkommen der Y-AG nicht nach § 14 Abs. 1 KStG zuzurechnen war und deshalb auch keine Anrechnung der von der Y-AG getragenen ausländischen Quellensteuern in Betracht kam.
1. Zwischen der X-AG als Organträgerin und der Y-AG als Organgesellschaft bestand im Streitjahr eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft im Sinne der §§ 14 ff. KStG. Dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht mehr im Streit, so dass der Senat von weiteren Ausführungen absieht.
2. Ungeachtet dessen kam es im Streitjahr nicht zu der in § 14 Abs. 1 KStG als Rechtsfolge vorgesehenen Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft Y-AG bei der Organträgerin X-AG. Das FG ist insofern zutreffend davon ausgegangen, dass diese Rechtsfolge der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft aufgrund der Ausübung des Blockwahlrechts und eines negativen (Gesamt-)Einkommens beziehungsweise eines negativen Gesamtbetrags der Einkünfte aus sämtlichen Einkunftsquellen der Y-AG nach der speziellen Regelung des § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG-Korb II i.V.m. Satz 6 der für das Streitjahr modifizierten Fassung des § 8b Abs. 8 KStG-Korb II ausgeschlossen war.
a) Durch die Einführung des § 8b Abs. 8 KStG-Korb II hat der Gesetzgeber im Rahmen des Halb- beziehungsweise Teileinkünfteverfahrens eine Sonderregelung für Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen geschaffen. Danach sind die Absätze 1 bis 7 dieser Vorschrift nicht auf Anteile anzuwenden, die bei diesen Unternehmen den Kapitalanlagen zuzurechnen sind. In der Folge waren Bezüge, Gewinne und Gewinnminderungen, die von diesen Absätzen erfasst werden, bei Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen grundsätzlich ab dem Veranlagungszeitraum 2004 (§ 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 1 KStG-Korb II) vollen Umfangs steuerpflichtig.
Für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003 ‑‑und damit auch für das Streitjahr‑‑ gewährte § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG-Korb II rückwirkend ein einheitlich bis zum 30.06.2004 auszuübendes Wahlrecht zur Anwendung des § 8b Abs. 8 KStG-Korb II in einer modifizierten Fassung (Blockwahlrecht). Danach beschränkte sich die Steuerpflicht auf 80 % der betroffenen Bezüge, Gewinne und Gewinnminderungen. Darüber hinaus enthielt die modifizierte Fassung des § 8b Abs. 8 KStG-Korb II in den Sätzen 5 und 6 folgende zusätzliche Regelungen: "Negative Einkünfte des Rückwirkungszeitraums dürfen nicht in Veranlagungszeiträume außerhalb dieses Zeitraums rück- oder vorgetragen werden. Auf negative Einkünfte des Rückwirkungszeitraums ist § 14 Abs. 1 nicht anzuwenden."
b) Auf Grundlage der für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ist das Blockwahlrecht nach § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG-Korb II im Streitfall wirksam ausgeübt worden. Zwischen den Beteiligten besteht hierüber auch kein Streit, weshalb der Senat von weiteren Ausführungen absieht.
c) Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG-Korb II i.V.m. Satz 6 der für das Streitjahr modifizierten Fassung des § 8b Abs. 8 KStG-Korb II, der als Rechtsfolge eine Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft Y-AG bei der Organträgerin X-AG (§ 14 Abs. 1 KStG) ausschließt, lagen im Streitfall vor. Das FG hat zutreffend entschieden, dass sich der dort verwendete Begriff "negative Einkünfte" auf den ‑‑im Streitfall negativen‑‑ Gesamtbetrag der Einkünfte aus sämtlichen Einkunftsquellen bezieht und nicht nur auf die ‑‑im Streitfall gegebenenfalls positiven‑‑ Einkünfte aus Dividenden und Veräußerungsgewinnen im Sinne des § 8b KStG (vgl. auch Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 8b KStG Rz 631; Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 8b Rz 616; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 8b Rz 556; Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 8b Rz 772; Schick in Erle/Sauter, KStG, 3. Aufl., § 8b KStG Rz 406; Dötsch/Pung, Der Betrieb 2004, 151, 155 f.; a.A. Roser in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 21 Rz 22a).
aa) Dieses Verständnis folgt insbesondere aus dem Wortlaut und der Systematik der zugrunde liegenden Normen.
(1) Der allgemeine Begriff "Einkünfte" umfasst grundsätzlich sämtliche Einkünfte und ist nicht auf bestimmte Einkünfte beschränkt. Eine solche Einschränkung hätte der Gesetzgeber durch den Zusatz "Teile von" (vgl. z.B. § 50d Abs. 9 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen vom 20.12.2016, BGBl I 2016, 3000, BStBl I 2017, 5) oder ‑‑wie in den übrigen Absätzen des § 8b KStG und in Satz 1 der durch § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG-Korb II modifizierten Fassung des § 8b Abs. 8 KStG-Korb II‑‑ durch eine Bezugnahme auf die Bezüge, Gewinne und Gewinnminderungen im Sinne des § 8b KStG zum Ausdruck bringen müssen.
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die unterschiedliche Bedeutung der Begriffe "Einkünfte" und "Einkommen" berufen, wie sie insbesondere aus § 2 Abs. 1 bis 4 EStG deutlich wird. Dies folgt bereits daraus, dass Kapitalgesellschaften nach § 8 Abs. 2 KStG ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen. Damit kann sich der Begriff "Einkünfte" hier nicht wie in § 2 Abs. 1 bis 4 EStG auf bestimmte Einkünfte einzelner Einkunftsarten beziehen.
(2) Dass es auf den Gesamtbetrag der Einkünfte aus sämtlichen Einkunftsquellen ankommt, wird durch weitere systematische Argumente bestätigt.
Zum einen verweist das FG zutreffend auf § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 2 KStG-Korb II i.V.m. Satz 5 der für das Streitjahr modifizierten Fassung des § 8b Abs. 8 KStG-Korb II. Danach wird für die Beschränkung des Verlustvor- und -rücktrags nach § 10d EStG ebenfalls der allgemeine Begriff "Einkünfte" verwendet. Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10d EStG folgt, dass damit diejenigen negativen Einkünfte gemeint sind, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen worden sind (so ausdrücklich auch der ursprünglich vom Finanzausschuss des Deutschen Bundestags vorgesehene Entwurf des § 34 Abs. 7 Satz 8 und 9 KStG-Korb II, BTDrucks 15/1684, S. 4 und 9). Ein entsprechendes Verständnis muss dann aber auch für den folgenden Satz 6 der für das Streitjahr modifizierten Fassung des § 8b Abs. 8 KStG-Korb II und den darin geregelten Ausschluss der Zurechnung von negativen Einkünften nach § 14 Abs. 1 KStG gelten. Im Übrigen bezieht sich die Rechtsfolge des Satzes 6 (Nichtanwendung der Zurechnung nach § 14 Abs. 1 KStG) auf eine Gesamtgröße (Einkommen). Dies spricht dafür, dass sich auch die Ausgangsgröße ("negative Einkünfte") auf eine Gesamtgröße bezieht, zumal es in den vorherigen Sätzen 1 bis 4 der für das Streitjahr modifizierten Fassung des § 8b Abs. 8 KStG-Korb II um die "Ermittlung des Einkommens" geht. Die Sätze 5 und 6 können somit als Regelungen über besondere Rechtsfolgen für das unter Berücksichtigung der Sätze 1 bis 4 ermittelte Einkommen angesehen werden.
Zum anderen weist das FG zutreffend auf § 36 Abs. 7 Satz 4 des Gewerbesteuergesetzes i.d.F. des Korb II-Gesetzes (GewStG-Korb II) hin, der an den Antrag nach § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG-Korb II anknüpft und die Anwendung des § 14 Abs. 1 KStG auf "Fehlbeträge" im Rückwirkungszeitraum 2001 bis 2003 ausschließt. Damit wird auf § 10a des Gewerbesteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (GewStG) Bezug genommen, nach dem es um Fehlbeträge geht, die sich "bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags" ergeben haben. Dies ist nach § 10 Abs. 1 GewStG der (gesamte) Gewerbeertrag, für den ein Steuermessbetrag festzusetzen ist. Der Einwand der Klägerin, es sei kein selbständiger gewerbesteuerrechtlicher Regelungszweck erkennbar, spricht deshalb aus systematischer Sicht gerade dafür, dass auch der Begriff der Einkünfte in § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG-Korb II nicht auf einen Teilbetrag beschränkt sein kann.
Der weitere Einwand der Klägerin, dass die Verortung in § 8b Abs. 8 KStG-Korb II statt in § 14 KStG für die Beschränkung des Begriffs "Einkünfte" spreche, überzeugt ebenfalls nicht. Da es lediglich um die Möglichkeit einer rückwirkenden Anwendung des § 8b Abs. 8 KStG-Korb II in modifizierter Form geht, lag es für den Gesetzgeber nahe, sämtliche damit verbundenen Regelungen in § 34 Abs. 7 KStG-Korb II zusammenzufassen.
bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin sprechen auch die Gesetzeshistorie und der Zweck des Gesetzes für ein umfassendes Verständnis des Begriffs "Einkünfte".
(1) Mit der Einführung des § 8b Abs. 8 KStG-Korb II sollte im Fall von Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen die Wechselwirkung mit § 21 Abs. 1 Nr. 1 KStG berücksichtigt werden. Nach dieser Vorschrift waren Zuführungen zu den Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen steuerlich als Betriebsausgaben abziehbar. Deren Höhe richtete sich aber nach dem Ergebnis des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, so dass es letztlich zu einer doppelten Begünstigung kam (Steuerfreiheit der Einkünfte nach § 8b Abs. 1 und 2 KStG und gleichzeitig Erhöhung der steuerlich abziehbaren Betriebsausgaben). Im Fall von Teilwertabschreibungen auf Beteiligungen trat ein gegenläufiger Effekt ein (steuerliche Nichtberücksichtigung der Teilwertabschreibungen nach § 8b Abs. 3 KStG und gleichzeitig Minderung der steuerlich abziehbaren Betriebsausgaben). Diese Effekte sollten ab dem Veranlagungszeitraum 2004 durch § 8b Abs. 8 KStG-Korb II vermieden beziehungsweise abgemildert werden (BTDrucks 15/1684, S. 9).
Um etwaige Existenzgefährdungen der Steuerpflichtigen im Fall von umfangreichen Teilwertabschreibungen auszuschließen, wurde für die betroffenen Unternehmen darüber hinaus in § 34 Abs. 7 KStG-Korb II die Möglichkeit geschaffen, die Regelungen des § 8b Abs. 8 KStG-Korb II auf Antrag schon rückwirkend für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003 anzuwenden. Zur Sicherung des Steueraufkommens wurden aber verschiedene Einschränkungen und Modifizierungen vorgesehen. Hierzu gehörten zum einen die einheitliche Ausübung des Wahlrechts für den gesamten Rückwirkungszeitraum und zum anderen der Ausschluss von Verlustvor- und -rückträgen in Veranlagungszeiträume außerhalb des Rückwirkungszeitraums sowie der Ausschluss einer Zurechnung von negativen Einkünften beim Organträger nach § 14 Abs. 1 KStG.
(2) Unter Berücksichtigung dieses Zwecks ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass sich Satz 6 der für das Streitjahr modifizierten Fassung des § 8b Abs. 8 KStG-Korb II auf den (negativen) Gesamtbetrag der Einkünfte aus sämtlichen Einkunftsquellen bezieht.
Hierfür spricht insbesondere die Regelung eines Blockwahlrechts für insgesamt drei Veranlagungszeiträume. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber ein rückwirkendes Wahlrecht schaffen, gleichzeitig aber auch eine unnötige Minderung des Steueraufkommens vermeiden wollte. Insbesondere sollte ein Hin- und Herwechseln zwischen den Rechtslagen in den einzelnen Veranlagungszeiträumen vermieden werden (Senatsbeschluss vom 16.12.2020 - I R 23/18, BFH/NV 2021, 944). Die Maßgeblichkeit des Gesamtbetrags der Einkünfte aus sämtlichen Einkunftsquellen deckt sich mit einer solchen pauschalen Betrachtungsweise. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass nach § 14 Abs. 3 KStG i.d.F. des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes vom 19.12.2001 (BGBl I 2001, 3922, BStBl I 2002, 32) ab dem Veranlagungszeitraum 2002 ein Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen ohnehin keine Organgesellschaft mehr sein konnte.
Aufgrund der pauschalen Betrachtung über drei Veranlagungszeiträume kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass es im Streitjahr zu einer effektiven Steuererhöhung komme, die dem Regelungszweck widerspreche. Sofern bei einer Gesamtbetrachtung der Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003 kein steuerlicher Vorteil erzielt wird, hätte es frei gestanden, das Blockwahlrecht nicht auszuüben. Wird es aber ausgeübt, kann nicht eingewendet werden, in einzelnen Veranlagungszeiträumen (wie dem Streitjahr) schlechter zu stehen als ohne Ausübung des Blockwahlrechts.
3. Auf dieser Grundlage hat das FG auch zu Recht entschieden, dass im Streitjahr eine Anrechnung ausländischer Quellensteuern nicht in Betracht kommt.
a) Die Anrechnung ausländischer Quellensteuern der Organgesellschaft Y-AG auf Ebene der unbeschränkt steuerpflichtigen Organträgerin X-AG richtet sich nach § 19 Abs. 1 KStG. Sind bei der Organgesellschaft die Voraussetzungen für die Anwendung besonderer Tarifvorschriften erfüllt, die einen Abzug von der Körperschaftsteuer vorsehen, sind nach dieser Vorschrift die Tarifvorschriften beim Organträger so anzuwenden, als wären die Voraussetzungen für ihre Anwendung bei ihm selbst erfüllt. Zu den hiervon erfassten Tarifvorschriften gehört auch die Anrechnung einer der deutschen Körperschaftsteuer entsprechenden ausländischen Steuer auf die deutsche Körperschaftsteuer nach § 26 KStG i.V.m. § 34c EStG.
Aus § 19 Abs. 1 KStG folgt, dass die Organgesellschaft dem Grunde nach die Voraussetzungen einer Anrechnung nach § 26 KStG i.V.m. § 34c EStG erfüllen muss. Hinsichtlich der Anrechnung der Höhe nach kommt es dagegen auf die Verhältnisse des Organträgers an. Hierzu gehört auch die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags nach § 26 KStG i.V.m. § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG (vgl. Liekenbrock in Herrmann/Heuer/Raupach, § 19 KStG Rz 24 und 26; Brandis/Heuermann/Rode, § 19 KStG Rz 15).
b) Das FG hat die Voraussetzungen für die von der Klägerin begehrte Anrechnung ausländischer Quellensteuern im Ergebnis zutreffend abgelehnt.
Maßgebend ist hierfür die Besonderheit des Streitfalls, dass zwar die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft nach §§ 14 ff. KStG erfüllt waren, die Ausübung des Blockwahlrechts aber nach § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG-Korb II i.V.m. Satz 6 der für das Streitjahr modifizierten Fassung des § 8b Abs. 8 KStG-Korb II dazu führte, dass die in § 14 Abs. 1 KStG vorgesehene Rechtsfolge der Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft Y-AG bei der Organträgerin X-AG nicht eintrat. Damit fehlt eine Grundvoraussetzung für die Anwendung des § 19 Abs. 1 KStG. Denn die mit dieser Vorschrift bezweckte Weiterleitung tariflicher Steuerermäßigungen der Organgesellschaft auf die Ebene des Organträgers basiert auf dem Gedanken, dass aufgrund der organschaftlichen Einkommenszurechnung die endgültige Besteuerung auf die Ebene des Organträgers verlagert wird. Deshalb wird die Vorschrift in der Literatur zu Recht als "Ergänzung zur Einkommenszurechnung" bezeichnet (Neumann in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 19 Rz 1). Dem entsprechend wird in § 19 Abs. 4 Satz 2 der ab 31.07.2014 geltenden Fassung des Körperschaftsteuergesetzes für den Fall der entsprechenden Anwendung von Abs. 1 bis 3 auf Organträger-Personengesellschaften ausdrücklich auf das dem Organträger zuzurechnende Einkommen abgestellt.
Der Einwand der Klägerin, im Fall von Ausgleichszahlungen an Minderheitsgesellschafter nach § 16 KStG bleibe es ebenfalls bei einer Anwendung der Tarifvorschriften beim Organträger nach § 19 Abs. 1 KStG, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dieser Fall ist mit einem vollständigen Ausschluss der Rechtsfolge des § 14 Abs. 1 KStG nicht vergleichbar. Bei Anwendung des § 16 KStG bleibt es für das übrige Einkommen bei einer Zurechnung nach § 14 Abs. 1 KStG und damit bei einer grundsätzlichen Verlagerung der Besteuerung auf den Organträger (s.a. Brandis/Heuermann/Rode, § 19 KStG Rz 8).
c) Auf dieser Grundlage ist es nicht zu beanstanden, dass das FG nicht abschließend geklärt hat, ob der konkrete Betrag der ausländischen Quellensteuern zutreffend ermittelt worden ist. Darüber hinaus erübrigen sich Ausführungen des Senats zu den Einzelheiten der Voraussetzungen des § 26 KStG i.V.m. § 34c EStG und der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags (zuletzt Senatsurteil vom 15.03.2023 - I R 8/20, BFHE 280, 138, BStBl II 2024, 264; vgl. hierzu auch Brandis/Heuermann/Pohl, § 26 KStG Rz 88 ff.; Siegers in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 26 KStG Rz 104; Staats in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 26 Rz 60 und 70 ff.; jeweils m.w.N.).
Letzteres gilt auch hinsichtlich des Teilbetrags von 20 % der Dividenden und Veräußerungsgewinne, die nach § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG-Korb II i.V.m. Satz 1 der für das Streitjahr modifizierten Fassung des § 8b Abs. 8 KStG-Korb II steuerfrei bleiben. Das FA ist insoweit unzutreffend in einem ersten Schritt von einer Einkommenszurechnung nach § 14 Abs. 1 KStG und in einem zweiten Schritt von einer Steuerfreistellung auf Ebene der Organträgerin X-AG nach § 15 Nr. 2 KStG i.V.m. § 8b Abs. 1 und 2 KStG ausgegangen. Stattdessen ist nach Satz 6 der für das Streitjahr modifizierten Fassung des § 8b Abs. 8 KStG-Korb II die Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft nach § 14 Abs. 1 KStG insgesamt ausgeschlossen, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte aus sämtlichen Einkunftsquellen ‑‑wie im Streitfall‑‑ negativ ist.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
5. Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO).