ECLI:DE:BFH:2024:U.200224.VIIR2.23.0
BFH VII. Senat
ZK Art 236 Abs 1, EWGV 2913/92 Art 236 Abs 1, EGV 1472/2006 , EUV 1294/2009 , EUV 2016/1395 , EUV 2016/1647 , EUV 2016/1731 , EGV 384/96 Art 2 Abs 7 Buchst b, EGV 384/96 Art 9 Abs 5
vorgehend FG München, 24. October 2013, Az: 14 K 3714/12
Leitsätze
1. NV: Soweit die Verordnung (EG) Nr. 1472/2006 (VO 1472/2006) und die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1294/2009 (DVO 1294/2009) durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) für ungültig erklärt wurden, weil die Kommission der Europäischen Union (EU) nicht über die Anträge einzelner ausführender Hersteller auf Marktwirtschafts- und individuelle Behandlung entschieden hatte, war die EU-Kommission berechtigt, das Antidumpingverfahren wiederaufzunehmen, die Prüfung der Anträge nachzuholen und neue Antidumpingzollverordnungen zu erlassen. Die aufgrund der VO 1472/2006 und der DVO 1294/2009 entrichteten Abgaben blieben daher gesetzlich geschuldet im Sinne von Art. 236 Abs. 1 des Zollkodex.
2. NV: Eine nochmalige Mitteilung des festzusetzenden Antidumpingzolls ist nach Erlass der neuen Antidumpingzollverordnungen (Durchführungsverordnung (EU) 2016/1395, Durchführungsverordnung (EU) 2016/1647 und Durchführungsverordnung (EU) 2016/1731) nicht erforderlich, weil die Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Antidumpingzolls nicht vollständig entfallen war, die EU-Kommission gemäß Art. 266 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zur Umsetzung des EuGH-Urteils verpflichtet war und die Höhe des Antidumpingzollsatzes auch nach nochmaliger Prüfung durch die EU-Kommission unverändert geblieben ist.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 25.04.2016 - 14 K 336/16 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Im Zeitraum vom 07.04.2006 bis zum 01.04.2011 führte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China (China) und der Sozialistischen Republik Vietnam (Vietnam) in das Zollgebiet der Gemeinschaft ein und ließ diese zum zollrechtlich freien Verkehr abfertigen. Für diese Einfuhren entrichtete die Klägerin Antidumpingzoll in Höhe von insgesamt … €.
Im Rahmen des Antidumpingverfahrens wurde für einige ausführende Hersteller, unter anderem auch solche, die die Klägerin beliefert hatten, in China und in Vietnam ein Stichprobenverfahren durchgeführt. Andere ebenfalls zur Kooperation bereite Zulieferer der Klägerin wurden bei der Stichprobenauswahl nicht berücksichtigt. Folgende Fabrikanten hatten die Klägerin bei den streitgegenständlichen Einfuhren beliefert und einen Antrag auf marktwirtschaftliche Behandlung (MWB) bei der Europäischen Kommission (Kommission) gestellt: …
Die von der Klägerin beantragte Erstattung des Antidumpingzolls lehnte der Beklagte und Revisionskläger (Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) mit Bescheid vom 05.07.2012 ab, weil die Verordnung (EG) Nr. 1472/2006 des Rates vom 05.10.2006 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China und Vietnam ‑‑VO 1472/2006‑‑ (Amtsblatt der Europäischen Union ‑‑ABlEU‑‑ 2006, Nr. L 275, 1) durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 02.02.2012 - C-249/10 P, EU:C:2012:53 nur in Bezug auf bestimmte Hersteller für nichtig erklärt worden sei, von denen die Klägerin keine Schuhe importiert habe.
Im Einspruchsverfahren reduzierte die Klägerin die ursprünglich höhere Summe der beantragten Erstattung auf Antidumpingzoll in Höhe von … €. Mit Einspruchsentscheidung vom 13.11.2012 wies das HZA den Einspruch der Klägerin zurück, wogegen diese Klage zum Finanzgericht München (FG) erhob (Az. 14 K 3714/12).
Auf ein Vorabentscheidungsersuchen des FG (FG München, Beschluss vom 24.10.2013 - 14 K 3714/12, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ‑‑ZfZ‑‑ 2014, Beilage 2014, Nr. 4, 49) entschied der EuGH mit Urteil vom 04.02.2016 - C-659/13 und C-34/14, EU:C:2016:74, die VO 1472/2006 sei ungültig, soweit sie gegen Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und Art. 9 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22.12.1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern ‑‑GrundVO‑‑ (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1996, Nr. L 56, 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 461/2004 des Rates vom 08.03.2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 384/96 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern und der Verordnung (EG) Nr. 2026/97 über den Schutz gegen subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABlEU 2004, Nr. L 77, 12) geänderten Fassung verstoße. Weiterhin entschied der EuGH, dass die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1294/2009 des Rates vom 22.12.2009 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in Vietnam und in der Volksrepublik China, ausgeweitet auf aus der Sonderverwaltungsregion Macau versandte Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder, ob als Ursprungserzeugnisse der Sonderverwaltungsregion Macau angemeldet oder nicht, nach einer Auslaufüberprüfung nach Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates ‑‑DVO 1294/2009‑‑ (ABlEU 2009, Nr. L 352, 1) im gleichen Umfang ungültig sei wie die VO 1472/2006. Außerdem urteilte der EuGH, Art. 236 Abs. 2 des Zollkodex (ZK) sei dahin auszulegen, dass die vollständige oder teilweise Ungültigerklärung einer Verordnung, mit der Antidumpingzölle eingeführt worden seien, durch den Richter der Europäischen Union (EU) weder ein unvorhersehbares Ereignis noch höhere Gewalt im Sinne dieser Bestimmung darstelle.
Daraufhin nahm das FG das Verfahren unter dem Aktenzeichen 14 K 336/16 wieder auf. Auf die Anfrage des FG, ob das HZA unter diesen Umständen eine Erstattung des Antidumpingzolls in Betracht ziehe, beantragte das HZA mit Schreiben vom 17.03.2016 die Aussetzung des Verfahrens. Mit der Durchführungsverordnung (EU) 2016/223 der Kommission vom 17.02.2016 zur Einführung eines Verfahrens zur Prüfung bestimmter, von ausführenden Herstellern aus China und Vietnam eingereichter Anträge auf Marktwirtschaftsbehandlung und individuelle Behandlung, und zur Durchführung des Urteils des Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C-659/13 und C-34/14 ‑‑DVO 2016/223‑‑ (ABlEU 2016, Nr. L 41, 3) habe die Kommission die nationalen Zollbehörden angewiesen, einen Erstattungsantrag nach Art. 236 ZK an die Kommission weiterzuleiten, wenn er darauf basiere, dass ein nicht in die Stichprobe einbezogener ausführender Hersteller einen Antrag auf MWB oder individuelle Behandlung (IB) gestellt habe. Die nationalen Zollbehörden seien danach gehalten, die Veröffentlichung der einschlägigen Durchführungsverordnung der Kommission zur Wiedereinführung der Zölle abzuwarten, bevor sie über den Antrag auf Erstattung oder Erlass von Antidumpingzöllen entschieden. Eine Erstattung von Antidumpingzöllen an die Klägerin sei daher nicht möglich.
Unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils vom 04.02.2016 - C-659/13 und C-34/14, EU:C:2016:74 beantragte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zuletzt noch die Erstattung von Antidumpingzoll in Höhe von … €. In inhaltlicher Hinsicht bezog sich der Erstattungsantrag nur auf die Einfuhren von den eingangs genannten Herstellern. Diese hatten einen MWB-Antrag gestellt und waren von dem Vorabentscheidungsersuchen des FG (FG München, Beschluss vom 24.10.2013 - 14 K 3714/12, ZfZ 2014, Beilage 2014, Nr. 4, 49) erfasst.
Das FG verpflichtete das HZA in der hier angefochtenen Vorentscheidung (FG München, Urteil vom 25.04.2016 - 14 K 336/16) zur Erstattung von Antidumpingzoll in Höhe von … € und urteilte, das HZA habe zu Unrecht die Erstattung des Antidumpingzolls abgelehnt, weil der EuGH mit Urteil vom 04.02.2016 - C-659/13 und C-34/14, EU:C:2016:74 die maßgebende Antidumpingverordnung in Bezug auf diese Hersteller für ungültig erklärt habe und es dem ursprünglichen Bescheid des HZA über die Erhebung eines Antidumpingzolls daher an einer gesetzlichen Grundlage fehle. Eine andere Rechtsgrundlage für die Erhebung des Antidumpingzolls liege nicht vor. Es sei zwar möglich, dass die Kommission nach der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Verordnung das Antidumpingverfahren als nicht abgeschlossen behandle und wiederaufnehmen könne, wenn der festgestellte Fehler nicht zur Nichtigkeit des gesamten Verfahrens führe. Es sei jedoch zu beachten, dass es die Aufgabe der innerstaatlichen Stellen sei, für ihre Rechtsordnung die Konsequenzen aus einer Feststellung der Ungültigkeit zu ziehen. Dies bedeute, dass das HZA verpflichtet sei, die streitgegenständlichen Antidumpingzölle unabhängig von weiteren von der Kommission zu ergreifenden Maßnahmen (zunächst) zu erstatten. Auch in einem Parallelverfahren seien den von der Ungültigkeit der VO 1472/2006 und der folgenden DVO 1294/2009 betroffenen Importeuren die Zölle erstattet worden. Zudem habe es der EU-Rat mit Durchführungsbeschluss des Rates vom 18.03.2014 zur Ablehnung des Vorschlags für eine Durchführungsverordnung des Rates zur Wiedereinführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China, die von Brosmann Footwear (HK) Ltd., Seasonable Footwear (Zhongshan) Ltd., Lung Pao Footwear (Guangzhou) Ltd, Risen Footwear (HK) Co. Ltd. und Zhejiang Aokang Shoes Co. Ltd. hergestellt werden ‑‑Beschluss 2014/149/EU‑‑ (ABlEU 2014, Nr. L 82, 27) abgelehnt, einem Vorschlag der Kommission zur Verabschiedung einer Durchführungsverordnung des Rates zur Wiedereinführung eines endgültigen Antidumpingzolls in Bezug auf die genannten Hersteller zu folgen. Würde ein bereits im Jahr 2011 ausgelaufenes Antidumpingverfahren mit der rückwirkenden Wiedereinführung eines Antidumpingzolls wiederaufgenommen, wäre der jeweilige Importeur möglichen Fehlern der Kommission nahezu schutzlos ausgeliefert. Die DVO 2016/223 greife auch deshalb nicht ein, weil die nationalen Behörden im Streitfall bereits über die Erstattung entschieden hätten und ausschließlich das nationale Gericht, das keinen Weisungen der Kommission unterliege, die Entscheidung der Behörde zu überprüfen habe. Schließlich komme die vom HZA begehrte Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht.
Mit Beschluss vom 20.04.2016 - 4 K 1099/14 Z richtete das Finanzgericht Düsseldorf ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH mit der Frage nach der Gültigkeit der DVO 2016/223.
Mit der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1395 der Kommission vom 18.08.2016 zur Wiedereinführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China, die von Buckinghan Shoe Mfg Co. Ltd., Buildyet Shoes Mfg., DongGuan Elegant Top Shoes Co. Ltd., Dongguan Stella Footwear Co. Ltd., Dongguan Taiway Sports Goods Limited, Foshan City Nanhai Qun Rui Footwear Co., Jianle Footwear Industrial, Sihui Kingo Rubber Shoes Factory, Synfort Shoes Co. Ltd., Taicang Kotoni Shoes Co. Ltd., Wei Hao Shoe Co. Ltd., Wei Hua Shoe Co. Ltd. und Win Profile Industries Ltd. hergestellt werden, sowie zur Durchführung des Urteils des Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C-659/13 und C-34/14 ‑‑DVO 2016/1395‑‑ (ABlEU 2016, Nr. L 225, 52) wurde ein endgültiger Antidumpingzoll eingeführt auf die während der Geltungsdauer der VO 1472/2006 und der DVO 1294/2009 erfolgten Einfuhren von näher bestimmten Schuhen mit Oberteil aus Leder (vgl. Art. 1 und Anh. II).
Mit der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1647 der Kommission vom 13.09.2016 zur Wiedereinführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in Vietnam, die von Best Royal Co. Ltd., Lac Cuong Footwear Co., Ltd., Lac Ty Co., Ltd., Saoviet Joint Stock Company (Megastar Joint Stock Company), VMC Royal Co. Ltd., Freetrend Industrial Ltd. und dem mit ihm verbundenen Unternehmen Freetrend Industrial A (Vietnam) Co., Ltd., Fulgent Sun Footwear Co., Ltd., General Shoes Ltd, Golden Star Co., Ltd., Golden Top Company Co., Ltd., Kingmaker Footwear Co. Ltd., Tripos Enterprise Inc. und Vietnam Shoe Majesty Co., Ltd. hergestellt werden, sowie zur Durchführung des Urteils des Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C-659/13 und C-34/14 ‑‑DVO 2016/1647‑‑ (ABlEU 2016, Nr. L 245, 16) wurden die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder weiterer Hersteller in den Antidumpingzoll einbezogen.
Mit der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1731 der Kommission vom 28.09.2016 zur Wiedereinführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China und Vietnam, die von General Footwear Ltd. (China), Diamond Vietnam Co. Ltd. und Ty Hung Footgearmex/Footwear Co. Ltd. hergestellt werden, sowie zur Durchführung des Urteils des Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C-659/13 und C-34/14 ‑‑DVO 2016/1731‑‑ (ABlEU 2016, Nr. L 262, 4) wurden nochmals die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder weiterer Hersteller in den Antidumpingzoll einbezogen.
Das HZA führt zur Begründung seiner Revision aus, das angefochtene FG-Urteil verletze materielles EU-Recht, weil es ‑‑das HZA‑‑ nach der DVO 2016/223 verpflichtet sei, den streitigen Antidumpingzoll nicht zu erstatten. Es müsse die Bewertung der MWB- und IB-Anträge durch die Kommission und gegebenenfalls die Wiedereinführung des Antidumpingzolls zum angemessenen Satz abwarten. Es sei zwar zutreffend, dass die streitgegenständlichen Hersteller der Klägerin von dem Vorabentscheidungsersuchen des FG erfasst gewesen seien. Allerdings stehe nicht zweifelsfrei fest, ob diese Hersteller MWB- beziehungsweise IB-Anträge gestellt hätten. Darüber hinaus habe es noch nicht bestandskräftig über die Erstattung entschieden. Die DVO 2016/223 greife im Streitfall sehr wohl ein. Abgesehen davon habe das Finanzgericht Düsseldorf es ‑‑das HZA‑‑ in einem gleich gelagerten Fall nicht zur Erstattung des Antidumpingzolls verpflichtet, sondern dem EuGH noch vor dem Erlass der Vorentscheidung ein Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt. Die DVO 2016/223 regle nicht nur solche Fälle, die von den nationalen Zollbehörden zu entscheiden seien, sondern auch solche Streitfälle, die bereits bei einem Gericht anhängig seien. Die Gültigkeit der DVO 2016/223 sei somit eine wesentliche rechtliche Vorfrage für die vom Gericht zu treffende Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit.
Das HZA beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.Sie regt an, den EuGH um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Es sei Sache der nationalen Behörden und Gerichte, die Voraussetzungen der Erstattung zu prüfen. Das HZA und das FG seien aufgrund dessen, dass die VO 1472/2006 und die DVO 1294/2009 für nichtig erklärt worden seien, befugt und verpflichtet gewesen, den Sachverhalt dahin zu prüfen und zu entscheiden, ob ihre Lieferanten die MWB- beziehungsweise IB-Anträge gestellt hätten oder nicht. Die Behauptung des HZA, es stehe nicht fest, ob die Hersteller MWB- beziehungsweise IB-Anträge gestellt hätten, müsse als unzulässiger Tatsachenvortrag im Revisionsverfahren zurückgewiesen werden. Nachdem die Antidumpingverordnungen für nichtig erklärt worden seien, hätte das HZA die zu Unrecht vereinnahmten Antidumpingzölle zurückerstatten müssen. Darüber hinaus sei die DVO 2016/223 an diejenigen Zollbehörden gerichtet, die über Rückerstattungsanträge zu befinden hätten. Im Streitfall habe das HZA jedoch den Rückerstattungsantrag mit der Entscheidung vom 05.07.2012 endgültig abgelehnt. Diese Ablehnung sei Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens und habe nur durch ein Urteil für rechtswidrig oder rechtsgültig erklärt werden können. Die in der DVO 2016/223 den Zollbehörden auferlegte Pflicht, die rechtswidrigen Zölle nicht zu erstatten, führe zum Fortbestand der VO 1472/2006, obwohl diese rückwirkend für nichtig erklärt worden sei. Ein solches Vorgehen verstoße gegen primäres EU-Recht. Die GrundVO sei ferner als sekundäres Recht dem ZK nicht übergeordnet. Die Verordnungen, mit denen auf die Einfuhren ihrer Zulieferer rückwirkend Antidumpingzölle verhängt worden seien, seien ferner mit der DVO 2016/223 untrennbar verbunden. Es sei erforderlich, die Frage nach der Gültigkeit dieser Verordnungen dem EuGH vorzulegen. Die GrundVO dürfe die unmittelbaren Wirkungen einer ex tunc-Nichtigerklärung der VO 1472/2006 hinsichtlich der Rückzahlung unrechtmäßiger Zölle nicht verhindern. Ferner dürfe die DVO 2016/223 keine Bedingungen beziehungsweise Ausnahmen bezüglich der Anwendung von Art. 236 ZK schaffen. Außerdem sei der Rat und nicht die Kommission für den Erlass der drei nachträglich erlassenen Antidumpingverordnungen zuständig gewesen. In den Fällen Brosmann Footwear (HK) Ltd. und Zhejiang Aokang Shoes Co. Ltd. habe der Rat den Vorschlag der Kommission zur Wiedereinführung von Zöllen abgelehnt. Sie könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Kommission die drei Verordnungen ohne Zuständigkeit erlassen habe, um eine ähnliche Ablehnung zu vermeiden. Hinzu komme, dass die GrundVO "in der zum Zeitpunkt des Erlasses der VO 1472/2006 im Jahre 2006 oder im Jahr 2016 geltenden Fassung" keine Vorschriften enthalten habe, die eine Wiedereröffnung des abgeschlossenen Schuhverfahrens, die erneute Bewertung der MWB- und IB-Anträge und des rückwirkenden Wiedererlasses von außer Kraft getretenen Zöllen erlaubt hätten. Die Untersuchung habe auch deshalb nicht wieder eröffnet werden können, weil das Schuhverfahren mit Auslaufen der Zölle am 31.03.2011 abgeschlossen gewesen sei. Die rückwirkende Verlängerung von Antidumpingzöllen sei nicht erlaubt. Die Verordnungen hätten außerdem Rückwirkung und verstießen gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit sowie der Nichtdiskriminierung. Die Kommission missbrauche ihr Ermessen.
Mit Urteil vom 15.03.2018 - C-256/16, EU:C:2018:187 hat der EuGH die Gültigkeit der DVO 2016/223 bestätigt.
Daraufhin hat die Klägerin ihren Vortrag im Revisionsverfahren dahingehend ergänzt, dass dieses EuGH-Urteil die DVO 2016/223 und damit lediglich eine Verfahrensregelung betreffe. Die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Durchführungsverordnungen könne nicht fingiert werden.
Mit Beschluss vom 28.12.2018 - VII R 15/16 hat der erkennende Senat das Verfahren bis zur Entscheidung über das Vorabentscheidungsersuchen Rechtssache C-612/16 und die Nichtigkeitsklagen Rechtssachen T-781/16, T-782/16 und T-861/16 ausgesetzt.
Nachdem der EuGH über die Rechtssachen C-612/16 mit Urteil vom 19.06.2019, EU:C:2019:508 und das Gericht der Europäischen Union über die Rechtssache T-781/16 mit Urteil vom 09.06.2021, EU:T:2021:328 (Entscheidung über Rechtsmittel mit Urteil vom 08.09.2022 - C-507/21 P, EU:C:2022:649) entschieden haben und die Rechtssache T-782/16 und T-861/16 durch Löschung aus dem Register erledigt worden ist, hat der erkennende Senat das vorliegende Verfahren unter dem neuen Aktenzeichen VII R 2/23 fortgeführt.
Nach richterlichem Hinweis auf das Senatsurteil vom 13.12.2022 - VII R 13/20 (BFHE 279, 374) hat die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen dahingehend ergänzt, dass die Aussage des Senats, das HZA sei nach Erlass der DVO 2016/1647 und der Durchführungsverordnung (EU) 2016/2257 der Kommission vom 14.12.2016 zur Wiedereinführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China, die von Chengdu Sunshine Shoes Co. Ltd., Foshan Nanhai Shyang Yuu Footwear Ltd. und Fujian Sunshine Footwear Co. Ltd. hergestellt werden, sowie zur Durchführung des Urteils des Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C-659/13 und C-34/14 (ABlEU 2016, Nr. L 340, 1) nicht zu einer erneuten Festsetzung des Antidumpingzolls durch Erlass eines neuen Einfuhrabgabenbescheids verpflichtet gewesen, nach Erlass des EuGH-Urteils vom 08.09.2022 - C-507/21 P, EU:C:2022:649 neu zu bewerten sei. Die Wiedereinführung der Antidumpingzölle sei notwendige Voraussetzung für die Festsetzung und Mitteilung der Zollschuld. Nach Wiedereinführung der Rechtsgrundlage auf EU-Ebene bedürfe es der Berechnung und Mitteilung des Abgabenbetrags auf mitgliedstaatlicher Ebene. Es hätte damit zwingend der neuerlichen buchmäßigen Erfassung nach Art. 217 ZK und der Mitteilung an den Zollschuldner auf Grundlage von Art. 221 Abs. 1 ZK bedurft. Gegebenenfalls sei hierzu der EuGH anzurufen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Vorentscheidung verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Sie ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Senat entscheidet nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 90a FGO durch Gerichtsbescheid.
1. Nach Art. 236 Abs. 1 ZK werden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war oder entgegen Art. 220 Abs. 2 ZK buchmäßig erfasst wurde. Die geltenden Zollvorschriften und somit auch Art. 236 Abs. 1 ZK sind gemäß Art. 1 Abs. 4 VO 1472/2006 beziehungsweise Art. 1 Abs. 5 DVO 1294/2009 auf die in diesen Verordnungen festgelegten Antidumpingzölle anzuwenden.
Im Streitfall schuldete die Klägerin den entrichteten Antidumpingzoll, weil die von ihr im noch betroffenen Zeitraum vom 21.12.2008 bis 31.03.2011 aus China und Vietnam eingeführten und zum zollrechtlich freien Verkehr (vgl. Art. 201 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 ZK) angemeldeten Schuhe sowohl im Zeitpunkt der buchmäßigen Erfassung (Art. 217 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK) als auch ‑‑in der überwiegenden Zahl der Fälle‑‑ im Zeitpunkt der Zahlung einem Antidumpingzoll nach der VO 1472/2006, verlängert um einen Zeitraum von 15 Monaten durch Art. 2 DVO 1294/2009 bis 31.03.2011, unterlagen. Die Klägerin ist als Anmelderin nach Art. 201 Abs. 3 Satz 1 ZK Schuldnerin des Antidumpingzolls.
Das HZA hat der Berechnung des Antidumpingzolls zu Recht den allgemeinen Antidumpingzollsatz in Höhe von 16,5 % für die aus China eingeführten Schuhe und in Höhe von 10 % für die aus Vietnam eingeführten Schuhe auf den Nettopreis frei Grenze der Union, unverzollt, zugrunde gelegt (Art. 1 Abs. 3 VO 1472/2006, Art. 1 Abs. 3 DVO 1294/2009). Ein unternehmensspezifischer Antidumpingzollsatz war für die hier betroffenen ausführenden Hersteller (…) nicht vorgesehen, weil die Kommission für die nicht in die Stichprobe einbezogenen Ausführer keine individuelle Entscheidung über MWB-Anträge gemäß Art. 2 Abs. 7 Buchst. b GrundVO i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 2117/2005 des Rates vom 21.12.2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 384/96 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABlEU 2005, Nr. L 340, 17) beziehungsweise der neueren Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30.11.2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern ‑‑kodifizierte Fassung‑‑ (ABlEU 2009, Nr. L 343, 51) getroffen (Erwägungsgründe 60 ff. VO 1472/2006) und auch keine IB nach Art. 9 Abs. 5 GrundVO gewährt hatte (Erwägungsgründe 82 ff. VO 1472/2006).
Die Berechnung des Antidumpingzolls und die Tarifierung der eingeführten Waren wurden von der Klägerin nicht in Frage gestellt, weshalb der Senat insoweit von weiteren Ausführungen absieht.
2. Für die Entstehung des streitgegenständlichen Antidumpingzolls besteht eine Rechtsgrundlage. Der Rechtsgrund für die buchmäßige Erfassung beziehungsweise Zahlung des Antidumpingzolls ist nicht infolge der Beanstandung der VO 1472/2006 und der DVO 1294/2009 durch den EuGH und der anschließenden Wiederaufnahme des Antidumpingverfahrens durch die Kommission nachträglich entfallen.
a) Mit Urteil vom 04.02.2016 - C-659/13 und C-34/14, EU:C:2016:74 erklärte der EuGH die VO 1472/2006 und die DVO 1294/2009 zwar für ungültig, soweit sie gegen Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und Art. 9 Abs. 5 GrundVO verstießen, weil der Rat und die Kommission nicht über die Anträge auf MWB und IB der nicht in die gemäß Art. 17 GrundVO gebildete Stichprobe einbezogenen chinesischen und vietnamesischen ausführenden Hersteller entschieden hatten.
Infolgedessen nahm die Kommission entsprechend ihrer Verpflichtung aus Art. 266 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union das Antidumpingverfahren in dem Stadium wieder auf, in dem die Regelwidrigkeit eingetreten war, und erließ die DVO 2016/223. Diese Vorgehensweise hält der erkennende Senat für unionsrechtskonform, sodass zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Senatsurteil vom 13.12.2022 - VII R 13/20 (BFHE 279, 374, Rz 29) verwiesen wird. Abgesehen davon hat der EuGH die Gültigkeit der DVO 2016/223 mit Urteil vom 15.03.2018 - C-256/16, EU:C:2018:187 bestätigt (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 13.12.2022 - VII R 13/20, BFHE 279, 374, Rz 30 ff.; vgl. auch EuGH-Urteil vom 11.01.2024 - C-517/22 P, EU:C:2024:9, Rz 51 und 57).
Mit der DVO 2016/1647 hat die Kommission u.a. für …, und mit der DVO 2016/1395 u.a. für …, sowie mit DVO 2016/1731 u.a. für …, einen endgültigen Antidumpingzoll in Höhe von 10 % (Art. 1 Abs. 3 DVO 2016/1647 i.V.m. Anh. II zur DVO 2016/1647; Art. 1 Nr. 3 DVO 2016/1731) beziehungsweise 16,5 % (Art. 1 Abs. 3 i.V.m. Anh. II zur DVO 2016/1395) auf den Nettopreis frei Grenze der Union, unverzollt, eingeführt. Im Ergebnis werden somit die streitgegenständlichen Einfuhren von diesen drei nachträglich erlassenen Verordnungen erfasst. Die neu geregelten Zollsätze entsprechen den Zollsätzen, die mit den vom EuGH beanstandeten Antidumpingverordnungen VO 1472/2006 und DVO 1294/2009 festgesetzt worden waren. Mit dem Erlass der DVO 2016/1647, der DVO 2016/1395 und der DVO 2016/1731 hat die Kommission die vom EuGH festgestellten Mängel des Antidumpingverfahrens beseitigt und dieses endgültig abgeschlossen.
Auf den Einwand des HZA, es sei nicht unstreitig, dass die hier betroffenen Ausführer einen MWB- oder IB-Antrag gestellt haben, kommt es daher im Ergebnis nicht mehr an.
b) Die vom EuGH beanstandeten Verordnungen wurden nicht in vollem Umfang für ungültig erklärt, sondern nur insoweit, als der Rat und die Kommission gegen die Vorgaben der GrundVO verstoßen hatte.
Infolge des Erlasses der unionsrechtskonformen DVO 2016/1647, DVO 2016/1395 und DVO 2016/1731 wurden die VO 1472/2006 und die DVO 1294/2009 insofern ersetzt, als ein endgültiger Antidumpingzoll auf die während der Geltungsdauer jener Verordnungen erfolgten Einfuhren von bestimmten Schuhen wiedereingeführt wurde und die vom EuGH beanstandeten Verfahrensfehler geheilt wurden. Somit beruhte die Entstehung der Antidumpingzölle infolge der Annahme der Zollanmeldungen zum zollrechtlich freien Verkehr nach Art. 201 Abs. 2 ZK für die von der Klägerin eingeführten Schuhe und die Festsetzung des Antidumpingzolls auf einer wirksamen Rechtsgrundlage, mit der Folge, dass der Antidumpingzoll im Sinne von Art. 236 ZK gesetzlich geschuldet war.
Auch eine teilweise Erstattung kommt im Streitfall nicht in Betracht, weil die Höhe der festgesetzten Antidumpingzollsätze im Vergleich zur VO 1472/2006 und der DVO 1294/2009 unverändert geblieben ist.
Dass die Wiederaufnahme eines Verwaltungsverfahrens und die wirksame Wiedereinführung von Antidumpingzöllen nicht dazu führen, dass die sofortige und vollständige Erstattung zuvor entrichteter Antidumpingzölle geboten ist, hat der EuGH schließlich auch in seinem Urteil vom 11.01.2024 - C-517/22 P, EU:C:2024:9, Rz 58 ff. bestätigt.
c) Die Wiedereinführung der Antidumpingzölle verstößt weder gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes noch gegen das Rückwirkungsverbot. Insofern wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Senatsurteil vom 13.12.2022 - VII R 13/20 (BFHE 279, 374, Rz 38 ff.) verwiesen (vgl. auch EuGH-Urteil vom 11.01.2024 - C-517/22 P, EU:C:2024:9, Rz 62).
3. Das HZA war nach Erlass der DVO 2016/1395, DVO 2016/1647 und DVO 2016/1731 nicht zu einer erneuten Festsetzung des Antidumpingzolls durch Erlass eines neuen Einfuhrabgabenbescheids gegenüber der Klägerin verpflichtet.
a) Gemäß Art. 221 Abs. 1 ZK ist der Abgabenbetrag dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist. Diese Mitteilung an den Zollschuldner darf gemäß Art. 221 Abs. 3 ZK nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Diese Frist ist während der Dauer eines Rechtsbehelfsverfahrens ausgesetzt.
Dass das HZA der Klägerin den Antidumpingzoll ursprünglich nicht innerhalb der Frist nach Art. 221 Abs. 3 ZK mitgeteilt hätte, hat die Klägerin nicht vorgebracht, sodass davon auszugehen ist, dass diese Frist eingehalten wurde.
Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Einfuhrabgabenbescheide im Sinne von § 125 der Abgabenordnung bestehen ebenfalls nicht.
b) Eine nochmalige Mitteilung des auf die Einfuhren der Klägerin entfallenden Antidumpingzolls war aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Streitfalls (vgl. EuGH-Urteil vom 19.06.2019 - C-612/16, EU:C:2019:508, Rz 84 ff.) nach Überzeugung des erkennenden Senats nicht geboten.
aa) Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Antidumpingzolls dem Grunde nach nicht entfallen war (s. oben), weil die VO 1472/2006 und die DVO 1294/2009 ‑‑abgesehen von den punktuellen Beanstandungen durch den EuGH‑‑ grundsätzlich wirksam geblieben sind. Mit dem Erlass der DVO 2016/1395, DVO 2016/1647 und DVO 2016/1731 hat die Kommission die vom EuGH festgestellten Verfahrensfehler beseitigt, aber keine inhaltlichen Änderungen an der VO 1472/2006 beziehungsweise der DVO 1294/2009 vorgenommen und insbesondere entgegen der Auffassung der Klägerin keinen neuen Antidumpingzoll eingeführt. Insbesondere hat die Kommission auch nach nochmaliger Prüfung der MWB- und IB-Anträge der hier in Rede stehenden Ausführer keinen unternehmensspezifischen Antidumpingzollsatz für diese eingeführt, sodass der Antidumpingzollsatz und dementsprechend die Höhe des geschuldeten Antidumpingzolls unverändert geblieben sind. Somit kommt auch eine teilweise Erstattung ‑‑unabhängig davon, ob diese überhaupt zulässig wäre‑‑ nicht in Betracht.
bb) Abgesehen davon ist die Entstehung der Zollschuld von der Mitteilung ihres Betrages unabhängig; die Mitteilung hat keinen Einfluss auf die Existenz der Zollschuld. Der Betrag der Einfuhrabgaben bleibt daher im Sinne von Art. 236 Abs. 1 ZK auch dann gesetzlich geschuldet, wenn er dem Zollschuldner nicht gemäß Art. 221 Abs. 1 ZK mitgeteilt wurde (vgl. EuGH-Urteil vom 20.10.2005 - C-247/04, EU:C:2005:628, Rz 26 ff.).
c) Die teilweise Ungültigerklärung der VO 1472/2006 und der DVO 1294/2009 begründete auch keine Verpflichtung der nationalen Zollbehörden zur vorübergehenden Erstattung sowie zur erneuten Mitteilung des Antidumpingzolls. In dem EuGH-Urteil vom 04.02.2016 - C-659/13 und C-34/14, EU:C:2016:74 wurde eine solche Verpflichtung nicht ausgesprochen. Vielmehr ergab sich aus dieser Entscheidung lediglich die Verpflichtung der Kommission, die zu Unrecht nicht berücksichtigten MWB- und IB-Anträge nachträglich zu prüfen und das Antidumpingverfahren an der Stelle wiederaufzunehmen, an welcher der Fehler aufgetreten war. Darüber hinaus stand einer vorübergehenden Erstattung die DVO 2016/223 entgegen, deren Gültigkeit der EuGH ‑‑wie bereits ausgeführt‑‑ mit Urteil vom 15.03.2018 - C-256/16, EU:C:2018:187 bestätigt hat.
d) Da im Streitfall aufgrund der DVO 2016/223 der von der Klägerin gezahlte Antidumpingzoll nicht (vorübergehend) erstattet wurde, liegt der Sachverhalt auch anders als in den EuGH-Urteilen vom 02.02.2012 - C-249/10 P, EU:C:2012:53 und vom 15.11.2012 - C-247/10 P, EU:C:2012:710, in denen aufgrund der Nichtigerklärung der Antidumpingverordnungen im Hinblick auf diese Ausführer eine Erstattung erfolgt war (vgl. dazu Erwägungsgrund 10 DVO 2016/223, mit Verweis auf Beschluss 2014/149/EU).
e) Entgegen den Ausführungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 03.08.2023 erfordert auch das EuGH-Urteil vom 08.09.2022 - C-507/21 P, EU:C:2022:649 keine erneute Mitteilung des Antidumpingzolls an die Klägerin. Der EuGH weist ausdrücklich darauf hin, dass sich andere Einführer, denen der Antidumpingzoll erstattet wurde, in einer anderen Situation als die Kläger in dem Verfahren C-507/21 P befinden (Rz 73), denen die gezahlten Abgaben aufgrund der Wiedereinführung der Antidumpingzölle nicht erstattet werden konnten (Rz 68). Im Ergebnis sind die Kläger dieses Verfahrens in derselben Situation wie die Einführer, denen die Antidumpingzölle erstattet und später wieder auferlegt wurden (Rz 79). Aus dieser Entscheidung geht somit hervor, dass der EuGH eine erneute Mitteilung der Abgaben nur dann in Betracht zieht, wenn der Antidumpingzoll zuvor erstattet wurde.
Die Antidumpingzölle wurden im Streitfall buchmäßig erfasst und diese buchmäßige Erfassung wurde nicht aufgehoben. Eine nochmalige buchmäßige Erfassung kommt auch aus diesem Grund vorliegend nicht in Betracht.
4. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht ‑‑wie bereits ausgeführt‑‑ nicht, weil der erkennende Senat die hier zu beurteilenden Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einführung und Ergänzung der Antidumpingzölle durch die oben genannten EuGH-Entscheidungen als geklärt ansieht (vgl. EuGH-Urteile vom 06.10.1982 - 283/81, EU:C:1982:335, Slg. 1982, 3415, Rz 16 und vom 06.10.2021 - C-561/19, EU:C:2021:799). Auch insoweit wird auf die Ausführungen des erkennenden Senats in seinem Urteil vom 13.12.2022 - VII R 13/20 (BFHE 279, 374) verwiesen. Hinzu tritt der Umstand, dass auch das EuGH-Urteil vom 11.01.2024 - C-517/22 P, EU:C:2024:9 ‑‑und damit die jüngere Rechtsprechung des EuGH‑‑ diese Rechtsauffassung stützt.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.