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auf der Richterbank liegen Barett und Arbeitsmappe, dahinter ein Richterstuhl, auf dem eine Robe hängt

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Urteil vom 07. November 2023, VIII R 13/21

Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteilen vom 07.11.2023 VIII R 7/21 und VIII R 16/22 - Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags

ECLI:DE:BFH:2023:U.071123.VIIIR13.21.0

BFH VIII. Senat

AO § 38, EStG § 18 Nr 1 S 1, EStG § 20 Abs 1 Nr 7, EStG § 22 Nr 3, BGB § 346, BGB § 348, BGB § 357b, EStG § 2 Abs 1 S 1 Nr 3, EStG § 2 Abs 1 S 1 Nr 5, EStG § 2 Abs 1 S 1 Nr 7, EStG VZ 2017

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 14. September 2020, Az: 10 K 1468/19

Leitsätze

1. NV: Der Bezug eines Nutzungsersatzes im Rahmen der reinen Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags nach Widerruf (vor Anwendbarkeit des § 357a Abs. 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ‑‑BGB‑‑ a.F.; jetzt § 357b BGB) begründet keinen steuerbaren Kapitalertrag, da er nicht auf einer erwerbsgerichteten Tätigkeit beruht und mithin nicht innerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre angefallen ist.

2. NV: Das infolge des Widerrufs entstandene Rückgewährschuldverhältnis ist bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ertragsteuerlich als Einheit zu behandeln.

3. NV: An der Steuerbarkeit fehlt es unabhängig davon, ob das ursprüngliche Darlehen (anteilig) einem Betriebsvermögen oder dem Privatvermögen zuzurechnen war. Der Nutzungsersatz kann weder im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit noch der Einkünfte aus Kapitalvermögen einer erwerbsgerichteten Tätigkeit zugeordnet werden.

4. NV: Der Nutzungsersatz ist auch nicht gemäß § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes steuerbar.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 14.09.2020 - 10 K 1468/19 und die Einspruchsentscheidung vom 08.05.2019 aufgehoben.

Der Einkommensteuerbescheid 2017 vom 04.01.2019 wird dahingehend geändert, dass bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 32d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ein Betrag von 6.723 € ‑‑je hälftig bei der Klägerin und beim Kläger‑‑ nicht bei den laufenden Kapitalerträgen angesetzt wird.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten aufgegeben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei der von einer Bank aufgrund widerrufener Darlehensverträge gezahlten Nutzungsentschädigung für bereits erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen um steuerbare Einkünfte handelt.

  2. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden für das Jahr 2017 (Streitjahr) als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie nahmen im Jahr 2004 zwei Darlehen bei der X-Bank in Höhe von 30.000 € und in Höhe von 80.000 € zur Finanzierung eines Umbaus ihrer eigengenutzten Immobilie in Anspruch. Ab dem Jahr 2012 nutzte die Klägerin für ihr Einzelunternehmen ein häusliches Arbeitszimmer im Haus und machte unter anderem 10 % der entrichteten Zinsen als Betriebsausgaben geltend.

  3. Mit Schreiben vom 13.06.2016 widerriefen die Kläger unter Verweis auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung ihre auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen. Die X-Bank erkannte den Widerruf an und erstattete im Streitjahr den Klägern den von ihr berechneten Nutzungsersatz in Höhe von 6.723 € abzüglich Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag.

  4. Die Kläger gaben in ihren Anlagen KAP zur Einkommensteuererklärung für das Streitjahr den von der X-Bank gezahlten Nutzungsersatz in Höhe von 6.723 € je hälftig bei der Klägerin und beim Kläger an. Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 16.10.2018 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) den Nutzungsersatz in Höhe von 6.723 € neben weiteren nicht streitgegenständlichen Kapitalerträgen als Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 32d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG), wobei er beim Kläger und der Klägerin jeweils den Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 801 € abzog. Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein und wandten sich gegen die Besteuerung des Nutzungsersatzes.

  5. Am 04.01.2019 erließ das FA aus hier nicht streitigen Gründen einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr. Den Einspruch wies es mit Entscheidung vom 08.05.2019 im Übrigen als unbegründet zurück und führte hierzu aus, dass eine Änderung der Steuerfestsetzung auch nicht zuungunsten der Kläger vorzunehmen sei. Zwar sei der Nutzungsersatz anteilig als Betriebseinnahme anzusehen und entgegen der bisherigen Veranlagung nicht dem gesonderten Tarif nach § 32d Abs. 1 EStG, sondern der Tarifbesteuerung nach § 32a EStG zu unterwerfen; es greife insoweit aber § 1 Abs. 1 der Kleinbetragsverordnung, da die dortige Betragsgrenze nicht überschritten werde.

  6. Die Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 1979 mitgeteilten Gründen keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat entschieden, dass der von der X-Bank gezahlte Betrag in Höhe von 6.723 € als Nutzungsersatz für die an die X-Bank erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu besteuern sei. Es sei keine anteilige Betriebseinnahme für den Nutzungswertersatz zu erfassen. Dem stehe aufgrund der höheren Tarifbelastung dieser Einkünfte das Verböserungsverbot im finanzgerichtlichen Verfahren entgegen.

  7. Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Bundesrechts.

  8. Die Kläger beantragen,
    das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 14.09.2020 - 10 K 1468/19 und die Einspruchsentscheidung vom 08.05.2019 aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 04.01.2019 dahingehend zu ändern, dass ein Betrag in Höhe von 6.723 € ‑‑je hälftig bei der Klägerin und beim Kläger‑‑ als nicht steuerbar behandelt wird.

  9. Das FA beantragt,
    die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Der im Rahmen der Rückabwicklung der Darlehensverträge von der X-Bank an die Kläger geleistete Nutzungsersatz in Höhe von 6.723 € kann nicht anteilig als Betriebseinnahme der Klägerin bei deren Einkünften aus selbständiger Tätigkeit berücksichtigt werden und ist auch kein steuerbarer Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (unter II.1.). Die Rückabwicklung der Darlehensverträge führt bei den Klägern ferner nicht zu Einkünften aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG, sodass sich die Vorentscheidung auch nicht gemäß § 126 Abs. 4 FGO im Ergebnis als richtig darstellt (unter II.2.). Die Sache ist spruchreif (unter II.3.). Der Senat gibt der Klage wie beantragt statt.

  2. 1. Die Entscheidung des FG, dass der im Rahmen der Rückabwicklung der Darlehensverträge von der X-Bank an die Kläger geleistete Nutzungsersatz für Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 6.723 € zu einem Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führt, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Nutzungsersatz kann weder anteilig gemäß § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG als Betriebseinnahme der Klägerin bei deren Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit noch insgesamt als Kapitalertrag berücksichtigt werden. Er ist nicht steuerbar, da er nicht auf einer erwerbsgerichteten Tätigkeit der Kläger beruht und mithin nicht innerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre erzielt worden ist.

  3. a) Im Streitfall haben die Kläger und die X-Bank nach den Feststellungen des FG die Darlehensverträge einvernehmlich rückabgewickelt und in ihre Einigung ausschließlich die wechselseitigen Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis einbezogen.

  4. b) Der von den Klägern vereinnahmte Nutzungsersatz in Höhe von 6.723 € ist nicht steuerbar. Im Streitfall ist die Rückabwicklung der Darlehensverträge nach den in den Urteilen des Senats vom 07.11.2023 - VIII R 7/21 und VIII R 16/22 (BFHE 282, 555) dargelegten Maßstäben keine steuerbare erwerbsgerichtete Tätigkeit. Das Rückgewährschuldverhältnis ist bei wirtschaftlicher Betrachtung ertragsteuerlich als Einheit zu behandeln. Dies gilt unabhängig davon, ob die Rückabwicklung ‑‑wie im Streitfall‑‑ einvernehmlich, durch Vergleich, durch zivilgerichtliches Urteil oder auf andere Weise vollzogen wird. An der Steuerbarkeit fehlt es auch unabhängig davon, ob das ursprüngliche Darlehen (anteilig) einem Betriebsvermögen oder dem Privatvermögen zuzurechnen war. Der Nutzungsersatz kann weder im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit noch der Einkünfte aus Kapitalvermögen einer erwerbsgerichteten Tätigkeit zugeordnet werden.

  5. 2. Die Entscheidung des FG stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO). Der von der X-Bank geleistete Nutzungsersatz ist nicht nach der Regelung zu den Einkünften aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG steuerbar, da es sich bei der Rückabwicklung der Darlehensverträge wie dargestellt nicht um einen Leistungsaustausch in der Erwerbssphäre handelt. Wegen der weiteren Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auch insoweit auf seine Urteile vom 07.11.2023 - VIII R 7/21 und VIII R 16/22 (BFHE 282, 555) Bezug.

  6. 3. Das FG ist von anderen Rechtsgrundlagen ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Senat gibt der Klage statt.

  7. Der von der X-Bank an die Kläger geleistete Nutzungsersatz für Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 6.723 € ist nicht anteilig als steuerbare Betriebseinnahme bei den Einkünften der Klägerin aus selbständiger Tätigkeit zu erfassen, kein steuerbarer Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und auch keine steuerbare Leistung im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG.

  8. Auch eine saldierbare Betriebseinnahme im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit aufgrund der Erstattung von Zinsen, die in der Vergangenheit von der Klägerin als Betriebsausgaben geltend gemacht wurde, kommt im Streitjahr nicht in Betracht. Bei der gebotenen Einheitsbetrachtung der Rückabwicklung der Darlehensverträge sind sämtliche vereinnahmten Einzelleistungen einschließlich der Rückzahlung der Zinsen an die ehemaligen Darlehensnehmer nicht in der Erwerbssphäre angefallen.

  9. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 04.01.2019 ist wie beantragt dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 32d Abs. 1 EStG ein Betrag von 6.723 € ‑‑je hälftig bei der Klägerin und beim Kläger‑‑ nicht bei den laufenden Kapitalerträgen angesetzt wird.

  10. Die Berechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

  11. 4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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