ECLI:DE:BFH:2022:U.270922.VIIR6.22.0
BFH VII. Senat
BranntwMonG § 130 Abs 1 S 1, BranntwMonG § 152 Abs 1 Nr 5, EWGRL 83/92 Art 27 Abs 1 Buchst e, KN Pos 1302 UPos 1905, KN Pos 3301, KN Pos 3302, KN Kap 13 Anm 1 Buchst ij, KN Kap 33 Anm 1 Buchst a, AEUV Art 267
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 18. September 2018, Az: 11 K 3691/16
Leitsätze
1. Eine Ware bestehend aus rund 90 % (v/v) bzw. 85 % (m/m) Ethanol, 4,8 % (m/m) Trockenrückstand, bis zu 10 % (m/m) Wasser und mit einem durchschnittlichen Vanillin-Gehalt von 0,5 % (m/m) ist als Vanille-Oleoresin in die Unterpos. 1302 19 05 KN einzureihen. Die Pos. 1302 KN ist gegenüber den Pos. 3301 und 3302 KN nicht subsidiär.
2. Vanille-Oleoresin der Unterpos. 1302 19 05 KN ist als Aroma i.S. von § 152 Abs. 1 Nr. 5 BranntwMonG anzusehen, wenn es eine Zutat darstellt, die einem bestimmten Erzeugnis einen spezifischen Geschmack oder Geruch verleiht.
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg vom 18.09.2018 - 11 K 3691/16 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
Mit Zollanmeldung vom 10.02.2016 meldete die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) … kg "Mischungen von Riechstoffen und Mischungen auf der Grundlage eines oder mehrerer dieser Stoffe, von der als Rohstoffe in der Lebensmittelindustrie verwendeten Art, hier: BIO Vanille Extrakt", unter der zollfreien Codenummer 3302 10 90 00 9 zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr an.
Bei dieser Ware handelt es sich um ein ursprünglich mittels eines Lösungsmittels (nach Angaben der Klägerin mittels Ethanol) aus der Pflanze (Vanilleschote) gewonnenes, stark riechendes, zähflüssiges, dunkelbraunes Produkt mit Ursprung Madagaskar, das anschließend in der Schweiz mit Alkohol und Wasser verdünnt und in die Europäische Union (EU) eingeführt wird. Nach der Verdünnung ist die Ware goldbraun und dünnflüssig und riecht stark nach Vanille. Nach der Verdünnung besteht sie aus rund 90 % (v/v) bzw. 85 % (m/m) Ethanol, 4,8 % (m/m) Trockenrückstand und bis zu 10 % (m/m) Wasser und verfügt über einen durchschnittlichen Vanillin-Gehalt von 0,5 % (m/m).
Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) zunächst nur Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von … € festgesetzt hatte, erhob das HZA mit Bescheid vom 25.04.2016 (AT/S/00/…) … € Zoll und … € Branntweinsteuer nach, weil nunmehr davon auszugehen sei, dass die Ware in die Codenummer 1302 19 05 00 0 (Zollsatz 3 %) einzureihen sei und damit der Branntweinsteuer unterliege.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Nacherhebung von Zoll und Branntweinsteuer sei rechtmäßig. Die eingeführte Ware sei eine solche der Unterpos. 1302 19 05 der Kombinierten Nomenklatur (KN). Die Ware sei zwar kein reines Vanille-Oleoresin, sondern eine Mischung aus Vanille-Oleoresin, Alkohol und Wasser. Gleichwohl sei sie in die Pos. 1302 des Harmonisierten Systems (HS) einzureihen. Das Vanille-Oleoresin verleihe der Ware ihren wesentlichen Charakter, weshalb auch das mit Alkohol und Wasser verdünnte Vanille-Oleoresin in diese Position einzureihen sei. Eine Verarbeitung in Bezug auf eine Standardisierung der Ware habe keinen Einfluss auf die Tarifierung. Der von der Klägerin eingeführte Vanille-Extrakt habe auch nicht durch den Zusatz anderer Stoffe den Charakter von Lebensmittelzubereitungen erhalten, weil Alkohol und Wasser auch bereits beim Ausziehen des Vanille-Oleoresins verwendet worden seien. Eine Einreihung in die Unterpos. 3302 10 90 KN scheide dagegen aus. Voraussetzung für eine Einreihung in die Pos. 3302 HS sei, dass es sich bei dem Vanille-Oleoresin um einen Riechstoff handele, was nicht der Fall sei. Abgesehen davon werde Vanille-Oleoresin ausdrücklich in der Unterpos. 1302 19 05 KN genannt. Der Wortlaut der Pos. 1302 HS unterscheide nicht zwischen natürlichem und extrahiertem Vanille-Oleoresin.
Bei dem Vanille-Extrakt handele es sich zudem um eine branntweinsteuerpflichtige Ware. Die für bestimmte Lebensmittelaromen bestehende Steuerbefreiung gelte nicht für den Vanille-Extrakt, weil es sich nicht um eine Mischung handele, die aus mehreren Pflanzenarten gewonnen worden sei. Entsprechendes gelte im Hinblick auf Lebensmittelaromen nach den nationalen Vorschriften.
Ihre Revision begründet die Klägerin damit, dass die Ware in die Unter-pos. 3302 10 90 KN einzureihen sei. Das FG habe zu Unrecht die Allgemeine Vorschrift für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (AV) 2 Buchst. b und AV 3 angewandt. Die Pos. 3302 KN erfasse u.a. Mischungen auf der Grundlage eines Riechstoffs, von der als Rohstoffe für die Industrie verwendeten Art. Riechstoffe in diesem Sinne seien die Substanzen der Pos. 3301 KN, wozu u.a. alle extrahierten Oleoresine gehörten. Die eingeführte Ware enthalte ein solches extrahiertes Oleoresin. Dem gefundenen Ergebnis stünden auch nicht die Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) 29.0 und 30.1 zu Pos. 3301 entgegen, wonach zu dieser Position nicht Vanille-Oleoresin gehöre, denn nach dem Wortlaut der Anm. 1 Buchst. a zu Kap. 33 KN sei nur ein natürliches Oleoresin ausgeschlossen. Vorliegend habe das extrahierte Oleoresin seinen natürlichen Charakter allerdings sowohl durch die Extraktion in Madagaskar als auch durch den Zusatz von Alkohol und Wasser in der Schweiz verloren. Ausgehend davon, dass der Zolltarif zwischen natürlichen und extrahierten Oleoresinen unterscheide, stelle ein Vanille-Oleoresin ohne den Zusatz "extrahiert", wie es in der Unterpos. 1302 19 05 KN aufgeführt sei, ein Oleoresin in seiner natürlichen Form dar. Doch selbst wenn man annehmen wollte, das aus Madagaskar bezogene Produkt sei eine Ware der Pos. 1302 KN gewesen, verbleibe es wegen der Vermischung in der Schweiz mit Alkohol und Wasser nicht bei dieser Einreihung, denn dadurch sei eine Zubereitung für die Lebensmittelindustrie entstanden. Weiterhin weist die Klägerin darauf hin, dass die Anm. 1 Buchst. ij zu Kap. 13 KN, der Gesetzesrang zukomme, extrahierte Oleoresine ausdrücklich aus der Pos. 1302 KN ausschließe. Der Wortlaut der Unterpos. 1302 19 05 KN dürfe diese übergeordnete Anmerkung nicht konterkarieren.
Außerdem beruhe die Vorentscheidung auf einer unrichtigen Anwendung des Branntweinsteuerrechts. Die Branntweinsteuer entfalle, wenn die eingeführte Ware zur Unterpos. 3302 10 90 KN gehöre. Dies gelte auch, wenn sie in die Unterpos. 1302 19 05 KN eingereiht werde. Das FG habe den Umfang der Steuerbefreiung von Aromen der Pos. 1302 KN rechtsfehlerhaft auf solche aus zusammengesetzten Pflanzenauszügen beschränkt. Nach der Erlasslage seien jedoch auch einfache Pflanzenauszüge von der Branntweinsteuer befreit.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und den Bescheid vom 25.04.2016 (AT/S/00/…) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.11.2016 aufzuheben,
hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es schließt sich der Vorentscheidung an und ergänzt, es sei nicht einreihungsrelevant, ob es sich bei dem Extraktionsmittel um reines Ethanol oder um eine Ethanol-Wasser-Mischung handele. Durch das nachträgliche Verdünnen werde die Ware nicht zum Gegenstand der Pos. 3302 HS. Eine Einreihung in die Pos. 3302 HS sei vielmehr durch die Anm. 2 zu Kap. 33 zwingend ausgeschlossen. Zudem sei nicht richtig, dass nur natürliche Oleoresine der Pos. 1301 HS aus Kap. 33 ausgenommen seien. Auch ein Ausschluss von Pflanzenauszügen der Pos. 1302 HS sei hier genannt. Zur branntweinsteuerrechtlichen Beurteilung der Ware ergänzt das HZA, dass nur zusammengesetzte Pflanzenauszüge des KN-Codes 1302 19 30 (Stand 2003) in der Leitlinie CED Nr. 458 des Verbrauchsteuerausschusses der EU-Kommission vom 19.11.2003 (Leitlinie CED Nr. 458) als Aromen aufgeführt seien. Einfache Pflanzenauszüge der Pos. 1302 KN seien nicht in dieser Leitlinie aufgeführt und demnach keine Aromen i.S. des Art. 27 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19.10.1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke ‑‑RL 92/83‑‑ (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1992, Nr. L 316, 21). Abgesehen davon habe die Klägerin bislang keinen Nachweis über den Verwendungszweck der eingeführten Ware erbracht.
Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 07.07.2020 - VII R 44/18 (BFHE 270, 275, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ‑‑ZfZ‑‑ 2021, 142) ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet, das dieser mit Urteil Y GmbH (Vanille-Oleoresin) vom 07.04.2022 - C-668/20 (EU:C:2022:270, ZfZ 2022, 184) wie folgt beantwortet hat:
"1. Die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/1754 der Kommission vom 6. Oktober 2015 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine Ware, die ungefähr aus 85 % Ethanol, 10 % Wasser und 4,8 % Trockenrückstand besteht, einen durchschnittlichen Vanillingehalt von 0,5 % aufweist und dadurch hergestellt wird, dass man zur Standardisierung ein mittels Ethanol aus Vanilleschoten gewonnenes Zwischenerzeugnis mit Wasser und Ethanol verdünnt, zur Unterposition 1302 19 05 der genannten Nomenklatur gehört.
2. Art. 27 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/83/EWG vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke ist dahin auszulegen, dass Vanille-Oleoresin der Unterposition 1302 19 05 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung Nr. 2658/87 in der durch die Durchführungsverordnung 2015/1754 geänderten Fassung als 'Aroma' im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist, vorausgesetzt, es stellt eine Zutat dar, die einem bestimmten Erzeugnis einen spezifischen Geschmack oder Geruch verleiht."
Zur Bedeutung und zur Reichweite der Anm. 1 Buchst. ij zu Kap. 13 KN regt die Klägerin eine Rückfrage beim EuGH an.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist hinsichtlich der Versagung der Branntweinsteuerbefreiung begründet und die Vorentscheidung daher aufzuheben. Diese verstößt gegen Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass die hier zu beurteilende Ware in die Unterpos. 1302 19 05 KN einzureihen ist. Allerdings hält die Vorentscheidung im Hinblick auf eine etwaige Befreiung der Ware von der Branntweinsteuer als Aroma einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Der Senat kann jedoch nicht abschließend in der Sache entscheiden, weil das FG ‑‑ausgehend von seinem rechtlichen Standpunkt zu Recht‑‑ bislang keine Feststellungen hinsichtlich des Verwendungszwecks der Ware getroffen hat.
1. Die von der Klägerin eingeführte Ware ist als Vanille-Oleoresin in die Codenummer 1302 19 05 00 0 (Zollsatz 3 %) einzureihen.
a) Die Pos. 1302 KN erfasst nach ihrem Wortlaut Pflanzensäfte und Pflanzenauszüge; Pektinstoffe, Pektinate und Pektate; Agar-Agar und andere Schleime und Verdickungsstoffe von Pflanzen, auch modifiziert. In der Unterpos. 1302 19 05 KN wird Vanille-Oleoresin genannt. Demgegenüber werden extrahierte Oleoresine in Pos. 3301 KN angesprochen.
Für die Abgrenzung der Pos. 1302 und 3301 KN ist zum einen Anm. 1 Buchst. ij zu Kap. 13 KN maßgeblich, wonach extrahierte Oleoresine (engl. extracted oleoresins, frz. les oléorésines d'extraction) aus Pos. 1302 KN ausgeschlossen werden. Zum anderen stellt Anm. 1 Buchst. a zu Kap. 33 KN klar, dass Pflanzenauszüge der Pos. 1302 KN nicht zu Kap. 33 KN gehören. Wie sich weiter aus ErlHS 02.5 zu Pos. 1302 ergibt, unterscheiden sich Pflanzensäfte und Pflanzenauszüge von den extrahierten Oleoresinen dadurch, dass sie abgesehen von den flüchtigen, wohlriechenden Bestandteilen einen weit höheren Anteil an anderen Pflanzeninhaltsstoffen enthalten.
b) Wie der EuGH mit seinem Urteil Y GmbH (Vanille-Oleoresin) (EU:C:2022:270, ZfZ 2022, 184) entschieden hat, darf die von der Klägerin eingeführte Ware jedenfalls dann nicht in die Unterpos. 1302 19 05 KN eingereiht werden, wenn es sich bei dieser Ware nicht um einen Pflanzenauszug i.S. der Pos. 1302 KN handelt (Rz 46). Dies ist jedoch nach Auffassung des EuGH nicht der Fall; vielmehr hat der EuGH die fragliche Ware als Pflanzenauszug i.S. der Pos. 1302 KN und insbesondere als Vanille-Oleoresin i.S. der Unterpos. 1302 19 05 KN angesehen (Rz 47 und 62). Des Weiteren stellte der EuGH klar, dass die Pos. 1302 KN nicht als eine subsidiäre Position anzusehen ist (Rz 49). Davon ausgehend handelt es sich bei den Pos. 1302 und 3301 bzw. 3302 KN um gleichwertige Positionen.
Auf dieser Grundlage hat der EuGH weiter festgestellt, dass das Zwischenerzeugnis, das zunächst mittels Ethanol aus Vanilleschoten gewonnen wurde, als Vanille-Oleoresin i.S. der Unterpos. 1302 19 05 KN eingestuft werden kann (Rz 51). Die anschließende starke Verdünnung des Zwischenerzeugnisses mittels Ethanol und Wasser führt nicht dazu, dass ein Pflanzenauszug nicht mehr unter die Pos. 1302 KN fällt, sofern diese Verarbeitung der Standardisierung dient (vgl. Rz 55 ff.). Eine Höchstgrenze für Erzeugnisse, die zur Standardisierung verwendet werden können, besteht insoweit nicht (Rz 57). Schließlich kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass eine Ware wie im Streitfall zur Unterpos. 1302 19 05 KN gehört (Rz 62).
c) Ausgehend davon und unter Berücksichtigung der bisherigen Feststellungen des FG erfüllt die von der Klägerin eingeführte Ware die von der Unterpos. 1302 19 05 KN vorgegebenen und vom EuGH in der genannten Entscheidung weiter konkretisierten Kriterien. Die Ware besteht aus rund 90 % (v/v) bzw. 85 % (m/m) Ethanol, 4,8 % (m/m) Trockenrückstand und bis zu 10 % (m/m) Wasser und verfügt über einen durchschnittlichen Vanillin-Gehalt von 0,5 % (m/m). Die Zufügung von Alkohol und Wasser zu dem zunächst aus der Vanilleschote extrahierten Oleoresin erfolgte zum Zweck der Standardisierung (S. 8 oben der Vorentscheidung) und führt somit nicht dazu, dass die Ware nicht mehr als Vanille-Oleoresin der Unterpos. 1302 19 05 KN angesehen werden könnte.
d) Eine Einreihung der Ware als eine Mischung von Riechstoffen bzw. eine Mischung auf der Grundlage eines oder mehrerer dieser Stoffe in die von der Klägerin für einschlägig gehaltene zollfreie Codenummer 3302 10 90 00 9 kommt nicht in Betracht, weil nach Anm. 1 Buchst. a zu Kap. 33 KN Pflanzenauszüge der Pos. 1302 KN aus diesem Kapitel ausgenommen sind.
e) Eine Rückfrage beim EuGH zur Bedeutung und zur Reichweite der Anm. 1 Buchst. ij zu Kap. 13 KN, wonach extrahierte Oleoresine aus Kap. 13 KN ausgenommen sind, wie von der Klägerin angeregt, hält der erkennende Senat nicht für geboten. Der EuGH hat klar darauf abgestellt, dass die hier zu beurteilende Ware einen weit höheren Anteil an anderen Pflanzeninhaltsstoffen als die extrahierten Oleoresine der Pos. 3301 KN hat, weil der Anteil an Trockenrückständen der Vanilleschote neunmal höher als der Vanillinanteil ist (EuGH-Urteil Y GmbH (Vanille-Oleoresin), EU:C:2022:270, Rz 60 f., ZfZ 2022, 184). Dieser höhere Anteil an anderen Pflanzeninhaltsstoffen als an den flüchtigen, wohlriechenden Bestandteilen ist demnach ein maßgebliches Kriterium dafür, dass die von der Klägerin eingeführte Ware als Pflanzenauszug i.S. der Pos. 1302 KN anzusprechen ist.
2. Soweit das FG entschieden hat, dass das HZA auch die Branntweinsteuer zu Recht nacherhoben hat, verstößt die Vorentscheidung gegen Bundesrecht, weil das FG bei der Prüfung einer etwaigen Steuerbefreiung nach § 152 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes über das Branntweinmonopol in der im Streitjahr 2016 maßgeblichen Fassung (BranntwMonG) zu Unrecht von den unionsrechtswidrigen Vorgaben des Verbrauchsteuerausschusses der Kommission ausgegangen ist und damit den Begriff des Aromas im Sinne der genannten Vorschrift unionsrechtswidrig eingeschränkt hat.
a) Gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG unterliegen Branntwein sowie branntweinhaltige Waren (Erzeugnisse) im Steuergebiet der Branntweinsteuer. Branntweinhaltige Waren i.S. des § 130 Abs. 1 BranntwMonG sind gemäß § 130 Abs. 4 BranntwMonG andere alkoholhaltige Waren als die des Kap. 22 KN, die unter Verwendung von Branntwein hergestellt werden oder Branntwein enthalten und deren Alkoholgehalt bei flüssigen Waren höher als 1,2 Volumenprozent, bei nicht flüssigen Waren als 1 Masseprozent ist. KN im Sinne dieses Gesetzes ist gemäß § 130 Abs. 5 BranntwMonG die Warennomenklatur in der am 19.10.1992 geltenden Fassung.
Bei dem Vanille-Oleoresin handelt es sich um eine branntweinhaltige Ware, weil es nicht in Kap. 22 KN einzureihen ist (s. oben) und nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG 90 % (v/v) Ethanol enthält.
b) Dieses Erzeugnis ist von der Steuer befreit, wenn es gewerblich und unvergällt verwendet wird zur Herstellung von Aromen zur Aromatisierung von Getränken mit einem Alkoholgehalt von nicht mehr als 1,2 Volumenprozent (§ 152 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a BranntwMonG) oder von anderen Lebensmitteln, ausgenommen Branntwein und andere alkoholhaltige Getränke (§ 152 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b BranntwMonG).
aa) Dieser Regelung liegt Art. 27 Abs. 1 Buchst. e RL 92/83 zugrunde, wonach die Mitgliedstaaten die von dieser Richtlinie erfassten Erzeugnisse von der harmonisierten Verbrauchsteuer nach Maßgabe von Bedingungen befreien, die sie zur Sicherstellung einer korrekten und einfachen Anwendung solcher Steuerbefreiungen sowie zur Vermeidung von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch festlegen, sofern die betreffenden Erzeugnisse zur Herstellung von Aromen für die Bereitung von Lebensmitteln und nichtalkoholischen Getränken mit einem Alkoholgehalt von höchstens 1,2 Volumenprozent verwendet werden. Der Tatsache, dass gemäß Art. 19 und 20 RL 92/83 nur der Anteil an Ethanol in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt (vgl. auch EuGH-Urteil Y GmbH (Vanille-Oleoresin), EU:C:2022:270, Rz 66, ZfZ 2022, 184), trägt das BranntwMonG dadurch Rechnung, dass nach § 131 Abs. 1 BranntwMonG nur die Menge reinen Alkohols der Branntweinsteuer unterworfen wird.
bb) In Bezug auf die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung für Aromen gemäß Art. 27 Abs. 1 Buchst. e RL 92/83 hat der EuGH mit seinem Urteil Y GmbH (Vanille-Oleoresin) (EU:C:2022:270, ZfZ 2022, 184) entschieden, dass Vanille-Oleoresin der Unterpos. 1302 19 05 KN als Aroma im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist, vorausgesetzt, es stellt eine Zutat dar, die einem bestimmten Erzeugnis einen spezifischen Geschmack oder Geruch verleiht (Rz 73, vgl. auch Rz 68).
cc) Die Reichweite dieses Aromenbegriffs darf durch den Verbrauchsteuerausschuss der Kommission nicht eingeschränkt werden (EuGH-Urteil Y GmbH (Vanille-Oleoresin), EU:C:2022:270, Rz 72, ZfZ 2022, 184).
Die Bedingungen für die Steuerbefreiung wurden in der Leitlinie CED Nr. 458 festgelegt. Dem hat die Bundesrepublik Deutschland am 01.09.2014 zugestimmt und mit Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 24.10.2014 - III B 7 - V 2310/13/10002 eine überarbeitete Fassung der Verwaltungsvorschrift (VV) V 2320-3 über "Herstellung, Beförderung, Verwendung und Verteilung von Aromen" freigegeben (vgl. Elektronische Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung ‑‑E-VSF‑‑ V 2320-3-1 und E-VSF-N 47 2014 Nr. 222).
Allerdings wurde in der Leitlinie CED Nr. 458 eine Steuerbefreiung nur für Aromen festgelegt, die als Waren der Pos. 3302 KN, der Unterpos. 2106 90 20 KN und als zusammengesetzte Pflanzenauszüge zum Herstellen von Getränken oder Lebensmittelzubereitungen ex Pos. 1302 KN anzusehen sind (vgl. Abs. 5 und 2 VV V 2320-3-1). Dementsprechend sollten Waren, die ‑‑wie die von der Klägerin eingeführte Ware‑‑ nicht aus verschiedenen Pflanzenarten gewonnen wurden, nicht von der Steuerbefreiung nach Art. 27 Abs. 1 Buchst. e RL 92/83 profitieren. Mit dieser Einschränkung der Steuerbefreiung für Aromen hat der Verbrauchsteuerausschuss seine Kompetenzen überschritten, weshalb die Leitlinie CED Nr. 458 insoweit einer Steuerbefreiung der streitgegenständlichen Ware nicht entgegensteht.
dd) Allerdings kann der Senat nicht abschließend über eine etwaige Befreiung der Waren von der Branntweinsteuer nach § 152 Abs. 1 Nr. 5 BranntwMonG entscheiden, weil das FG ‑‑von seinem rechtlichen Standpunkt ausgehend zu Recht‑‑ nicht festgestellt hat, ob die zu beurteilende Ware eine Zutat darstellt, die einem bestimmten Erzeugnis einen spezifischen Geschmack oder Geruch verleiht.
3. Im zweiten Rechtsgang hat das FG daher über eine etwaige Steuerbefreiung nach § 152 Abs. 1 Nr. 5 BranntwMonG erneut zu entscheiden und in diesem Zusammenhang festzustellen, ob die zu beurteilende Ware eine Zutat darstellt, die einem bestimmten Erzeugnis einen spezifischen Geschmack oder Geruch verleiht. Dabei hat das FG auch die weiteren Voraussetzungen der genannten Steuerbefreiungsnorm zu prüfen. Obwohl die vom FG bestätigte Einreihung der streitgegenständlichen Ware in die Unterpos. 1302 19 05 KN nicht zu beanstanden und die Revision insoweit unbegründet ist, hält es der erkennende Senat für zweckmäßig, die Vorentscheidung insgesamt aufzuheben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.