ECLI:DE:BFH:2021:U.101121.IR27.19.0
BFH I. Senat
EStG § 50d Abs 3, EStG § 52 Abs 47b, EStG § 50d Abs 3, EStG VZ 2010 , EStG VZ 2011
vorgehend FG Köln, 22. January 2019, Az: 2 K 1315/13
Leitsätze
NV: § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. des Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes vom 02.06.2021 ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Insoweit ist jeweils eine Günstigerprüfung durchzuführen, bei der zunächst die Voraussetzungen der jeweils ursprünglich einschlägigen Altfassung und ‑‑wenn diese zum Ausschluss der Entlastung führt‑‑ sodann die Voraussetzungen der Neufassung des § 50d Abs. 3 EStG zu prüfen sind.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 23.01.2019 - 2 K 1315/13 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Köln zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine in den Streitjahren (2010 und 2011) in Zypern ansässige Kapitalgesellschaft, war Inhaberin von ... Stück Wandelanleihen der in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässigen K AG, an der sie zugleich mit 15 % beteiligt war. Der Nennbetrag je Wandelschuldverschreibung betrug ... €. In gleicher Höhe gab die K AG eine Teilschuldverschreibung aus. Die Wandelschuldverschreibung wurde mit 5,5 % p.a. verzinst.
Geschäftszweck der Klägerin war die Beteiligung an Unternehmen der Schifffahrtsbranche für eine gewisse Dauer als strategischer oder finanzieller Investor. Aufgrund des Umfangs des Investments in die K AG hielt die Klägerin in den Streitjahren jedoch keine weiteren Beteiligungen. Sie war im Hinblick auf ihre Beteiligung nicht selbst geschäftsleitend tätig; die Managementleistungen lagerte sie auf ein nahe stehendes Unternehmen aus, die in Zypern ansässige F Ltd. Die Klägerin verfügte über keine eigene physische Präsenz, sondern nutzte die Räumlichkeiten der F Ltd.
Die Anteile an der Klägerin hielt zu 100 % die in Liberia ansässige D S.A. Auch diese Gesellschaft verfügte über keine Substanz.
Die Anteile an der D S.A. hielt zu 100 % die in Zypern ansässige C Ltd. Diese war mittelbar und unmittelbar an verschiedenen Unternehmen beteiligt und übte in geringem Umfang bestimmte Finanzierungsfunktionen aus. Auch diese Gesellschaft hatte keine physische Präsenz, war selbst nicht operativ tätig und verfügte über keine eigenen Arbeitnehmer. Sie nutzte die Räumlichkeiten ihrer Schwestergesellschaft, der F Ltd., auf welche die C Ltd. auch die Geschäftsleitungsfunktion hinsichtlich ihrer Tochtergesellschaften ausgelagert hatte.
Anteilseigner der C Ltd. war zu 0,01 % die in Liberia ansässige A Ltd., die über alle Stimmrechtsanteile verfügte. Der verbleibende Anteil von 99,99 % wurde von der in Panama registrierten B Inc. gehalten.
Die F Ltd. war wirtschaftlich tätig. Sie verfügte über eigene Büroräume und Personal. Die Büroräume waren mit den erforderlichen Arbeitseinrichtungen und den notwendigen Kommunikationsgeräten ausgestattet.
Die Klägerin erzielte in den Streitjahren aus den Wandelanleihen der K AG Kapitalerträge in Höhe von ... € (2010) und ... € (2011), auf die jeweils 26,375 % Kapitalertragsteuer inklusive Solidaritätszuschlag einbehalten und abgeführt wurden (2010: ... €; 2011: ... €). Sie beantragte gemäß § 50d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG a.F.) i.V.m. Art. 11 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Zypern zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 09.05.1974 (BGBl II 1977, 489, BStBl I 1977, 341) ‑‑DBA-Zypern 1974‑‑ die teilweise Freistellung und Erstattung der einbehaltenen Abzugsteuern vom Kapitalertrag in Höhe von jeweils 16,375 % des Bruttozuflusses (2010: ... €; 2011: ... €). Der Beklagte und Revisionskläger (Bundeszentralamt für Steuern ‑‑BZSt‑‑) lehnte die Anträge unter Berufung auf § 50d Abs. 3 EStG a.F. ab.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Köln hat das BZSt mit Urteil vom 23.01.2019 - 2 K 1315/13 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 1764) verpflichtet, die beantragten Freistellungsbescheide zu erlassen und die Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag entsprechend zu erstatten.
Mit seiner Revision macht das BZSt die Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG ist zwar rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Erträge aus der Wandelanleihe in Deutschland gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG a.F. der beschränkten Steuerpflicht unterliegen (nachfolgend 1.) und dass die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. i.V.m. dem DBA-Zypern 1974 grundsätzlich vorliegen (nachfolgend 2.). Seine Annahme, einem Erstattungsanspruch nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. stehe die Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG a.F. nicht entgegen, wird jedoch nicht durch hinreichende tatsächliche Feststellungen getragen (nachfolgend 3.). Überdies ist während des Revisionsverfahrens mit dem Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz ‑‑AbzStEntModG‑‑) vom 02.06.2021 (BGBl I 2021, 1259, BStBl I 2021, 787) der Tatbestand des § 50d Abs. 3 EStG rückwirkend neu gefasst und um eine gesetzliche Gegenbeweismöglichkeit ergänzt worden, für deren Prüfung weitere tatrichterliche Feststellungen erforderlich sind (nachfolgend 4.).
1. Können Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Kapitalertrag unterliegen, nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) nicht oder nur nach einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden, so sind die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuer ungeachtet des Abkommens anzuwenden (§ 50d Abs. 1 Satz 1 EStG a.F., später verlagert in § 50c Abs. 1 EStG i.d.F. des AbzStEntModG ‑‑EStG n.F.‑‑). Unberührt bleibt der Anspruch des Gläubigers der Kapitalerträge oder Vergütungen auf völlige oder teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuer (§ 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F., s. nunmehr § 50c Abs. 3 EStG n.F.).
a) Ein den Maßgaben des § 50d Abs. 1 bis 3 EStG a.F. unterliegender Erstattungsanspruch setzt zunächst voraus, dass steuerpflichtige Einkünfte vorliegen. Ist Kapitalertragsteuer auf nicht der inländischen (beschränkten) Steuerpflicht unterliegende Vergütungen einbehalten worden, besteht zwar entsprechend dem Rechtsgedanken des § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. ebenfalls ein Erstattungsanspruch des Vergütungsgläubigers; dieser wäre aber nicht gegenüber dem BZSt, sondern gegenüber dem jeweiligen Finanzamt geltend zu machen (s. hierzu Senatsurteil vom 22.04.2009 - I R 53/07, BFHE 224, 556; Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl., § 50d Rz 9).
b) Die nicht in Deutschland ansässige Klägerin erzielte aus den Wandelanleihen in den Streitjahren beschränkt steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG a.F.
Im Streitfall handelt es sich nach den Feststellungen des FG um Wandelanleihen in Form von Teilschuldverschreibungen, die neben einer festen Verzinsung ‑‑zumindest auch‑‑ das klassische Element eines Wandlungsrechts des Gläubigers in Aktien des Schuldners vorsehen. Die Zinsen aus der Wandelanleihe führen zu Einkünften gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F., die grundsätzlich gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. der Kapitalertragsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag unterliegen. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten ‑‑ebenso wie über die konkreten Abzugsbeträge‑‑ zu Recht kein Streit.
Die im Schrifttum und auch zwischen den Beteiligten streitige Frage, inwiefern aus Deutschland stammende Zinsen aus Wandelanleihen der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, hat der Senat mittlerweile dahin entschieden, dass solche Zinsen auch dann zu den beschränkt steuerpflichtigen inländischen Einkünften nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG a.F. gehören, wenn sie in Form von Teilschuldverschreibungen ausgegeben worden sind; die tatbestandlichen Ausnahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa Satz 2 EStG a.F. finden auf Wandelanleihen keine Anwendung (Senatsbeschluss vom 13.07.2021 - I R 6/18, BFHE 274, 27, BStBl II 2022, 24). Dies entspricht der Auffassung des FG im angefochtenen Urteil. Der Senat hält hieran auch unter Würdigung des dem Streitfall zugrunde liegenden Sachverhalts und unter Berücksichtigung der von den Beteiligten insoweit vorgebrachten Erwägungen ‑‑die keine neuen, im Senatsbeschluss in BStBl II 2022, 24 nicht berücksichtigten Aspekte enthalten‑‑ fest. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Beschlussgründe Bezug genommen.
2. Die Klägerin hat nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. i.V.m. Art. 11 Abs. 2 DBA-Zypern 1974 grundsätzlich einen Anspruch auf Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von 16,375 % der Bemessungsgrundlage der Kapitalertragsteuer. Danach würden die Zinsen aus den Wandelanleihen einer Steuerbelastung in Höhe von lediglich 10 % unterliegen.
a) Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich der Erstattungsanspruch nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. nicht aus § 43b EStG a.F. ergibt. Die von der Klägerin erzielten Zinsen sind Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F. und nicht Bezüge (Dividenden) i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG a.F. (vgl. auch Senatsbeschluss in BStBl II 2022, 24; a.A. Brandis/Heuermann/Ratschow, § 20 EStG Rz 324), auf die sich der Anwendungsbereich von § 43b EStG a.F. beschränkt. Die durch § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG a.F. bewirkte Gleichstellung von Erträgen aus Wandelanleihen u.a. mit solchen aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG a.F. führt ‑‑so das FG zu Recht‑‑ nicht dazu, dass Erträge aus Wandelanleihen in solche aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG a.F. umzuqualifizieren wären.
b) Auf den Streitfall ist das DBA-Zypern in seiner Fassung vom 09.05.1974 anzuwenden; das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Zypern zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 18.02.2011 (BGBl II 2011, 1069, BStBl I 2012, 223) ist erst auf Beträge anwendbar, die am oder nach dem 01.01.2012 gezahlt wurden (vgl. Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Zypern zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Vermeidung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 17.01.2012, BGBl II 2012, 117, BStBl I 2012, 235; s.a. Senatsbeschluss vom 21.08.2015 - I R 63/13, BFH/NV 2016, 36).
c) Aufgrund von Art. 11 Abs. 2 DBA-Zypern 1974 ist das Quellenbesteuerungsrecht Deutschlands auf 10 % begrenzt.
aa) Nach Art. 11 Abs. 1 DBA-Zypern 1974 können Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und von einer in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Person bezogen werden, in dem anderen Staat besteuert werden. Diese Zinsen können jedoch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden; die Steuer darf aber 10 % des Bruttobetrages der Zinsen nicht übersteigen (Art. 11 Abs. 2 DBA-Zypern 1974). Nach der Legaldefinition des Art. 11 Abs. 4 DBA-Zypern 1974 sind Zinsen Einkünfte aus öffentlichen Anleihen, aus Schuldverschreibungen, auch wenn sie durch Pfandrechte an Grundstücken gesichert oder mit einer Gewinnbeteiligung ausgestattet sind, und aus Forderungen jeder Art sowie alle anderen Einkünfte, die nach dem Steuerrecht des Staates, aus dem sie stammen, den Einkünften aus Darlehen gleichgestellt sind.
bb) Hiervon ausgehend hat das FG zutreffend angenommen, dass es sich bei den der Klägerin fest zugesagten Zinsen in Höhe von 5,5 % um Zinsen i.S. von Art. 11 DBA-Zypern 1974 handelt. Die Wandelanleihen sind jedenfalls Schuldverschreibungen und fallen nach der ausdrücklichen Regelung in Art. 11 Abs. 4 DBA-Zypern 1974 selbst dann unter den Zinsartikel, wenn in dem Entscheidungsrecht der Klägerin, ihre Anleihe in Aktien der K AG umwandeln zu können, eine Form der Gewinnbeteiligung zu sehen wäre.
3. Ob dem Erstattungsanspruch der Klägerin die Regelung des § 50d Abs. 3 EStG a.F. entgegensteht, kann der Senat anhand der vorinstanzlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilen.
a) Für beide Streitjahre war § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007) vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878, BStBl I 2007, 28) anwendbar. § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz ‑‑BeitrRLUmsG‑‑) vom 07.12.2011 (BGBl I 2011, 2592, BStBl I 2011, 1171) gilt mangels spezieller zeitlicher Anwendungsregel erst ab dem 01.01.2012 (Art. 25 Abs. 1 BeitrRLUmsG).
b) Gemäß § 50d Abs. 3 EStG a.F. hat eine ausländische Gesellschaft keinen Anspruch auf völlige oder teilweise Entlastung nach § 50d Abs. 1 EStG a.F., soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die Erstattung oder Freistellung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielen, und (1.) für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen, oder (2.) die ausländische Gesellschaft nicht mehr als 10 % ihrer gesamten Bruttoerträge des betreffenden Wirtschaftsjahres aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt, oder (3.) die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt (§ 50d Abs. 3 Satz 1 EStG a.F.). Maßgebend sind ausschließlich die Verhältnisse der ausländischen Gesellschaft; organisatorische, wirtschaftliche oder sonst beachtliche Merkmale der Unternehmen, die der ausländischen Gesellschaft nahe stehen (§ 1 Abs. 2 des Außensteuergesetzes), bleiben außer Betracht (§ 50d Abs. 3 Satz 2 EStG a.F., sog. Verbot der Merkmalsübertragung). An einer eigenen Wirtschaftstätigkeit fehlt es, soweit die ausländische Gesellschaft ihre Bruttoerträge aus der Verwaltung von Wirtschaftsgütern erzielt oder ihre wesentlichen Geschäftstätigkeiten auf Dritte überträgt (§ 50d Abs. 3 Satz 3 EStG a.F.).
c) Das FG hat eine Subsumtion des Sachverhalts unter die Tatbestandsvoraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG a.F. nicht vorgenommen, sondern hat sein der Klage stattgebendes Urteil allein auf eine in § 50d Abs. 3 EStG a.F. aus unionsrechtlichen Gründen im Wege der geltungserhaltenden Reduktion "hineinzulesende" Möglichkeit des Gegenbeweises für ein nicht missbräuchliches Verhalten gestützt, den die Klägerin erfolgreich geführt habe. Diese Begründung kann aus mehreren Gründen keinen Bestand haben.
aa) Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob die vom FG für die Einschränkung des § 50d Abs. 3 EStG a.F. herangezogene, zu Dividenden ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu § 50d Abs. 3 EStG a.F. (EuGH-Urteil Deister Holding und Juhler Holding vom 20.12.2017 - C-504/16 und C-613/16, EU:C:2017:1009, Internationales Steuerrecht ‑‑IStR‑‑ 2018, 197; EuGH-Beschluss GS vom 14.06.2018 - C-440/17, EU:C:2018:437, IStR 2018, 543) ohne Weiteres auf die im Streitfall in Rede stehenden Zinsen übertragen werden kann. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Zinsen auch für im Inland ansässige Körperschaftsteuersubjekte steuerpflichtig sind. Die den EuGH-Entscheidungen zugrunde liegenden Konstellationen (Dividendenbezüge im Kontext der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23.07.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1990, Nr. L 225, 6, Nr. L 266, 20, 1997 Nr. L 16, 98, in der durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom 20.11.2006, Amtsblatt der Europäischen Union 2006, Nr. L 363, 129 geänderten Fassung ‑‑Mutter-Tochter-Richtlinie‑‑) waren demgegenüber dadurch gekennzeichnet, dass Gebietsfremden eine Erstattung der Kapitalertragsteuer versagt war, während bei Gebietsansässigen die Einnahmen als Dividenden den besonderen Vorschriften des § 43b EStG a.F. bzw. § 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG a.F. i.V.m. § 8 Abs. 1 und § 8b des Körperschaftsteuergesetzes unterlagen, somit weitestgehend auf die festgesetzte Körperschaftsteuer angerechnet worden sind und im Ergebnis nahezu steuerfrei waren. Ob die bei einem Ausschluss der Entlastung nach § 50d Abs. 3 EStG a.F. eintretende abgeltende Wirkung der Quellenbesteuerung aus anderen Aspekten zu einer unionsrechtswidrigen Ungleichbehandlung führt ‑‑etwa aufgrund im Ergebnis unterschiedlich hoher Steuersätze (vgl. z.B. Schaumburg, Internationale Steuer-Rundschau 2021, 135 ff.)‑‑, bedarf im gegenwärtigen Verfahrensstadium keiner Erörterung durch den Senat.
bb) Außerdem beruht die Annahme des FG, der Klägerin sei der ihr auf der Grundlage der EuGH-Rechtsprechung zu eröffnende Gegenbeweis ("fehlender Regelungsmissbrauch") gelungen, auf einer unzureichend ermittelten Tatsachengrundlage. Die Vorinstanz stützt sich insoweit ‑‑unter Berufung auf das Urteil des erkennenden Senats vom 31.05.2005 - I R 74, 88/04 (BFHE 210, 117, BStBl II 2006, 118)‑‑ auf den Umstand, dass die Unternehmensgruppe, der die Klägerin angehöre, in deren Ansässigkeitsstaat Zypern über eine Konzerngesellschaft verfügt habe, die frei von Missbrauchszweifeln sei, nämlich die F. Ltd. Diese habe über einen angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb verfügt und eine aktive Wirtschaftstätigkeit ausgeübt.
Ein derart pauschaler Hinweis auf die wirtschaftliche Betätigung einer weiteren Konzerngesellschaft im Ansässigkeitsstaat des Vergütungsempfängers würde zur Führung des Gegenbeweises nicht ausreichen. Geboten wäre vielmehr eine umfassende Prüfung der betreffenden Konzernverhältnisse, die sich auf Gesichtspunkte wie die organisatorischen, wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Merkmale sowie die Strukturen und Strategien dieses Konzerns bezieht (vgl. EuGH-Urteil Deister Holding und Juhler Holding, EU:C:2017:1009, IStR 2018, 197, Rz 74). Aus dem Senatsurteil in BFHE 210, 117, BStBl II 2006, 118 ergibt sich nichts Gegenteiliges. Im Streitfall wäre mithin eine nähere Befassung mit der Gesamt-Konzernstrategie und den Funktionen, die der Klägerin sowie der F. Ltd. darin zukommen, unerlässlich.
cc) Aufgrund der nach dem Erlass des angefochtenen Urteils mit Rückwirkung auch für den Streitfall eingetretenen Rechtsänderungen wäre vor weiteren unionsrechtlichen Erwägungen zudem die nunmehr in § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG n.F. enthaltene gesetzliche Entlastungsmöglichkeit zu prüfen (s. dazu sogleich unter 4.).
4. Das FG-Urteil kann sonach mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist noch nicht entscheidungsreif. Ob die Klage begründet ist, hängt von weiteren tatsächlichen Feststellungen ab, die dem FG im zweiten Rechtsgang obliegen.
a) Nach dem durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz modifizierten Tatbestand des § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG (EStG n.F.) hat eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse keinen Anspruch auf Entlastung von der Kapitalertragsteuer auf Grundlage eines DBA und vom Steuerabzug nach § 50a EStG n.F., soweit Personen an ihr beteiligt oder durch die Satzung, das Stiftungsgeschäft oder die sonstige Verfassung begünstigt sind, denen dieser Anspruch nicht zustünde, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG n.F.), und die Einkunftsquelle keinen wesentlichen Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit dieser Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse aufweist; das Erzielen der Einkünfte, deren Weiterleitung an beteiligte oder begünstigte Personen sowie eine Tätigkeit, soweit sie mit einem für den Geschäftszweck nicht angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb ausgeübt wird, gelten nicht als Wirtschaftstätigkeit (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG n.F.).
§ 50d Abs. 3 Satz 2 EStG n.F. bestimmt, dass der vorstehend wiedergegebene Satz 1 der Vorschrift keine Anwendung findet, soweit die Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse nachweist, dass keiner der Hauptzwecke ihrer Einschaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist, oder wenn mit der Hauptgattung der Anteile an ihr ein wesentlicher und regelmäßiger Handel an einer anerkannten Börse stattfindet.
b) Zur zeitlichen Anwendbarkeit der Neuregelungen sieht § 52 Abs. 47b EStG n.F. vor, dass § 50d Abs. 3 EStG n.F. in allen offenen Fällen anzuwenden ist, es sei denn, § 50d Abs. 3 EStG in der Fassung, die zu dem Zeitpunkt galt, in dem die Einkünfte zugeflossen sind ‑‑im Streitfall mithin § 50d Abs. 3 EStG a.F.‑‑, steht dem Anspruch auf Entlastung nicht entgegen. Folglich ist eine Günstigerprüfung durchzuführen (vgl. auch BTDrucks 19/27632, S. 63; Schönfeld/Erdem, IStR 2021, 189, 190; Schnitger/Gebhardt, IStR 2021, 289, 299; Grotherr, Deutsches Steuerecht 2021, 1321, 1328), bei der zunächst die Voraussetzungen der Altfassung und ‑‑wenn diese zum Ausschluss der Entlastung (im Streitfall des Erstattungsanspruchs)‑‑ führt, sodann die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG n.F. zu prüfen sind.
c) Wie bereits ausgeführt, hat das FG den Tatbestand des § 50d Abs. 3 EStG a.F. nicht explizit geprüft. Seinen Feststellungen ist allerdings zu entnehmen, dass mit der D S.A. (unmittelbar) und der C Ltd. (mittelbar) wirtschaftlich substanzlose Gesellschaften an der Klägerin beteiligt waren, und dass die nach den bisherigen Feststellungen des FG oberste Konzerngesellschaft, die 99,99 % der Anteile an der C Ltd. innehatte, in Panama ansässig war, einem Staat, mit dem Deutschland kein DBA abgeschlossen hat. Zudem hat die Klägerin im Streitjahr mit dem Halten der 15 %-Beteiligung an der K AG und der Wandelschuldverschreibungen offenbar lediglich eigenes Vermögen verwaltet und war im Hinblick auf das Investment in die K AG nicht selbst geschäftsleitend tätig. Damit könnten ‑‑vorbehaltlich neuer Erkenntnisse des FG im zweiten Rechtsgang, insbesondere zur Prüfung des § 50d Abs. 3 EStG n.F. in der Beteiligungskette‑‑ die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 EStG a.F. erfüllt sein.
d) Über das Vorliegen der in § 50d Abs. 3 EStG n.F. normierten Tatbestände kann der Senat nicht selbst entscheiden. Insoweit ist den Beteiligten zunächst Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG n.F. und die Anforderungen des nunmehr gesetzlich geregelten und ‑‑unabhängig von der Verletzung unionsrechtlicher Grundfreiheiten im jeweiligen Einzelfall‑‑ im gesamten Anwendungsbereich des § 50d Abs. 3 EStG n.F. zu prüfenden Gegenbeweises nach § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG n.F. zu ergänzen.
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.