ECLI:DE:BFH:2021:B.201021.XIR19.20.0
BFH XI. Senat
UStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 1, UStG § 25f, AEUV Art 325, FGO § 118 Abs 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, UStG VZ 2010 , FGO § 94, ZPO § 160
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 03. June 2020, Az: 1 K 2492/19
Leitsätze
1. NV: Welche Maßnahmen von einem Steuerpflichtigen vernünftigerweise verlangt werden können, um eine eigene Beteiligung an einem fremden Mehrwertsteuerbetrug zu verhindern, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab, die nach den Beweisregeln des nationalen Rechts, die die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen dürfen, zu ermitteln sind.
2. NV: Von einem Steuerpflichtigen darf zwar nicht generell verlangt werden, dass er prüft, ob der Aussteller einer Rechnung über die Lieferung von Gegenständen, für die das Recht auf Vorsteuerabzug geltend gemacht wird, über die fraglichen Gegenstände verfügte, sie liefern konnte sowie seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und Abführung der Mehrwertsteuer nachgekommen ist. Wenn aber Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten oder einen Mehrwertsteuerbetrug vorliegen, kann der Steuerpflichtige verpflichtet sein, über einen anderen Wirtschaftsteilnehmer, von dem er Gegenstände oder Dienstleistungen zu erwerben beabsichtigt, Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen.
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 04.06.2020 - 1 K 2492/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) als Unternehmer Altgoldlieferungen ausgeführt hat und ihm der Vorsteuerabzug aus Lieferungen von Altgold zu versagen ist.
Der Kläger betrieb zunächst seit dem Jahr 2008 einen Großhandel mit Schmuck, Textilien und Kosmetik. Seine Umsätze versteuerte er nach vereinnahmten Entgelten. In dem Fragebogen zur steuerlichen Erfassung gab er für das Jahr der Betriebseröffnung einen geschätzten Gesamtumsatz von 5.000 € und im Folgejahr von 30.000 € an. In einer Gewerbe-Ummeldung vom 28.10.2010 erklärte der Kläger, dass er ab dem 01.11.2010 den Großhandel mit Schmuck als Haupterwerb ausübe und den Großhandel mit Textilien und Kosmetik aufgebe. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) gibt der Kläger allerdings an, er habe bereits vor der Ummeldung im Jahr 2010 (Streitjahr) seine Anstellung bei einer Schmuckfabrik gekündigt und mit dem Handel von Altgold begonnen. Insoweit stiegen die erklärten Ausgangsumsätze des Klägers (1. Quartal 2010: 14.852 €, 2. Quartal 2010: 106.156 €, 3. Quartal 2010: 6.065.631 €) ebenso extrem an wie die geltend gemachten Vorsteuerbeträge von vier Großlieferanten (A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH). Von den geltend gemachten Vorsteuerbeträgen (1.236.745,03 €) entfielen auf die A-GmbH ... € (Gutschriften im Zeitraum 29.07.2010 bis 28.08.2010), auf die M-GmbH ... € (Gutschriften vom 07.08.2010 bis 06.09.2010), auf die S-GmbH ... € (Gutschriften vom 09.08.2010 bis 31.08.2010) und auf die T-GmbH ... € (Gutschriften vom 18.08.2010 bis 26.08.2010).
Der Kläger gibt an, das den Eingangsrechnungen zugrunde liegende Altgold sei jeweils in seinen betrieblichen Räumlichkeiten angeliefert und dann von ihm umgehend weitergehandelt worden. Sicherheiten im Gegenzug für die Überlassung des Altgolds habe er seinen Lieferanten nicht gestellt. Über drei seiner größeren Lieferanten habe er Auskünfte der Creditreform eingeholt, die im Wesentlichen ein Bonitätsproblem festgestellt und von geschäftlichen Kontakten abgeraten hätten. Aus seiner Sicht habe dies aber kein Hindernis dargestellt, denn er habe das Altgold physisch erhalten, so dass die Bonität der Lieferanten für ihn unerheblich gewesen sei.
Das angekaufte Altgold (wöchentlich ca. 30 bis 40 kg) verbrachte der Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des FG zunächst physisch zu der Scheideanstalt B-AG (Scheideanstalt). Angekauft wurde das Altgold zunächst allerdings von der C-Bank (Bank), die nach den Angaben des Klägers an der Scheideanstalt beteiligt sei. Der Kläger war seit 2008 Kunde der Bank. Dort unterhielt er 2010 ein Gehaltskonto und ein unternehmerisches Girokonto. Seit dem Frühjahr 2010 hatte er bei der Bank zudem ein Edelmetallkonto, auf dem die Edelmetalle gebucht wurden.
Zum Hintergrund seiner Einschaltung gibt der Kläger an, die Lieferungen des Altgolds seien über ihn abgewickelt worden, weil er aus der Goldbranche komme und Vertrauen genieße. Als Gewinnmarge habe er ca. 0,5 % des für die Transaktionen erzielten Preises einbehalten. So habe er pro Kilogramm Gold Einnahmen von 400 bis 500 € erzielt. Die ihm in Rechnung gestellten Scheidekosten habe er vollständig an seine Lieferanten weitergegeben.
Im Sommer 2010 wurde die Bank zum Hauptabnehmer des Klägers. Von Juli 2010 bis 20.08.2010 kaufte die Bank in der Hauptsache Feingold im Nettowert von ca. 4.300.000 € vom Kläger. Der Gegenwert wurde dem Edelmetallkonto des Klägers bei der Bank gutgeschrieben. Damit bezahlte der Kläger seine Lieferanten.
Am 19.08.2010 erstattete die Bank beim Landeskriminalamt eine Geldwäsche-Verdachtsanzeige gegen den Kläger.
In der Anzeige gab die Bank an, dass seit Ende Juli 2010 "explosionsartige Umsatzsteigerungen" des Klägers aus Edelmetallverkäufen stattgefunden hätten. Der Kläger habe Geld an diverse Zahlungsempfänger in der Bundesrepublik Deutschland transferiert. Auf die erhebliche Umsatzsteigerung angesprochen, habe der Kläger gegenüber der Bank angegeben, dass er zurzeit Urlaub habe und deshalb den gewerblichen Umsatz aus Schmuckanlieferungen bzw. Schmuckverkauf habe steigern können. Die verschiedenen Schmucklieferanten würden die Schmuckteile bei ihm körperlich anliefern und er bringe die Ware dann zur Scheideanstalt. Dieses Geschäftsmodell erscheine wenig glaubhaft. Hinzu kämen die "wohl auch schon auffällig gewordenen Geschäftspartner" des Klägers. Als "auffällige Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge" führte die Bank vor allem die Geschäftsvorfälle im Zusammenhang mit der A-GmbH, der M-GmbH, der S-GmbH und der T-GmbH auf.
Im Anschluss an die Anzeige kaufte die Bank kein Gold mehr vom Kläger an; der Kläger lieferte sein Altgold fortan an die Firma D, Inhaber M.
Am 25.08.2010 wurde ein Steuerstrafverfahren gegen den Kläger eingeleitet.
In seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr vom 08.07.2011 erklärte der Kläger die Lieferungen von Altgold als steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz und zog u.a. die an die A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer ab. Aus der Erklärung ergab sich ein Überschuss zugunsten des Klägers.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) stimmte dieser Steuererklärung nicht zu, sondern nahm nach Durchführung einer Steuerfahndungsprüfung ‑‑zuletzt in dem während des Klageverfahrens ergangenen Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr vom 25.08.2014‑‑ an, der Kläger sei kein Unternehmer und nicht der wahre Lieferer des Altgolds. Die A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH seien ebenfalls nicht die tatsächlichen Lieferer des Altgolds. Schließlich bestünden gravierende formelle Mängel der Gutschriften und Rechnungen. Der Kläger schulde deshalb Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), ohne zum Vorsteuerabzug aus den angeblichen Lieferungen der A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH berechtigt zu sein.
Das FG Baden-Württemberg wies im ersten Rechtsgang die Klage mit Urteil vom 31.01.2019 - 1 K 2037/18 zum weit überwiegenden Teil ab und ließ die Revision nicht zu. Zwar sei der Kläger ein Unternehmer, der das Gold tatsächlich an die Bank geliefert habe; er schulde daher auch keine Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 2 UStG. Der Vorsteuerabzug aus den Lieferungen mehrerer kleinerer Vorlieferanten sei zuzulassen und die formellen Mängel in den Rechnungen der M-GmbH und der A-GmbH seien für den geltend gemachten Vorsteuerabzug unschädlich. Offen ließ das FG, ob die A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH tatsächlich Lieferungen von Altgold an den Kläger ausgeführt hätten oder deren Rechnungen nur "Abdeckrechnungen" seien. Jedenfalls sei der Vorsteuerabzug insoweit zu versagen, weil der Kläger habe wissen können, dass die betreffenden Umsätze in einen von den Vorlieferanten begangenen "Mehrwertsteuerbetrug" einbezogen gewesen seien.
Der erkennende Senat hob im Verfahren über die Zulassung der Revision durch Beschluss vom 03.07.2019 - XI B 17/19 (BFH/NV 2019, 1351) dieses Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das FG zurück. Die tatsächlichen Feststellungen des FG trügen seine Annahme, dass der Kläger habe wissen "können", dass die Umsätze in einen von der A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH begangenen "Mehrwertsteuerbetrug" einbezogen gewesen seien, nicht, weil das FG nicht festgestellt habe, welchen "Mehrwertsteuerbetrug" diese begangen haben sollen.
Das FG wies die Klage im zweiten Rechtsgang mit Urteil vom 04.06.2020 - 1 K 2492/19 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 1795) erneut zum weit überwiegenden Teil ab. Es ließ dabei, anders als noch im ersten Rechtsgang, offen, ob der Kläger Ausgangsumsätze (Lieferung von Edelmetallen) tatsächlich getätigt habe oder (wie das FA vortrage) Steuerbeträge i.S. des § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG unberechtigt in Rechnungen ausgewiesen habe. In beiden Fällen schulde der Kläger die daraus entstandene Umsatzsteuer; er sei Unternehmer und habe den von seinen Abnehmern erteilten Gutschriften nicht widersprochen. Allerdings seien versehentlich nicht erfasste Umsätze nachzuerfassen und die Schätzung von Umsätzen aus einer Botentätigkeit abzuziehen. Die Höhe des Schätzungsergebnisses sei insoweit nicht nachvollziehbar.
Ungeachtet des Umstands, dass das FG offen gelassen hat, ob der Kläger tatsächlich das Altgold an die Bank und M geliefert habe, gewährte es ihm allerdings im Zusammenhang mit den hier streitigen Ausgangsumsätzen einen Vorsteuerabzug in Höhe von 121.700,44 €, was voraussetzt, dass das FG insoweit zugunsten des Klägers davon ausgegangen ist, dass er tatsächlich Ausgangsumsätze ausgeführt hat. Allerdings versagte das FG wie im ersten Rechtsgang den Vorsteuerabzug aus den angeblichen Eingangsumsätzen (angebliche Lieferungen der A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH). Es begründete dies doppelt (im Hinblick auf die S-GmbH und die T-GmbH) bzw. dreifach (im Hinblick auf die A-GmbH und die M-GmbH):
-
Begründungsstrang 1 (juris-Rz 67 ff., alle GmbH): Ein Vorsteuerabzug aus den Gutschriften scheide bereits deshalb aus, weil sich das FG nicht mit der notwendigen Gewissheit davon überzeugen konnte, dass die A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH tatsächlich die Lieferungen getätigt haben, die den streitigen Vorsteuerabzug begründen sollen. Der Abzug der in einer Rechnung oder Gutschrift ausgewiesenen Umsatzsteuer sei nur zulässig, wenn Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer identisch seien. Die objektive Beweislast (Feststellungslast) trage der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer, d.h. der Kläger.
-
Begründungsstrang 2 zur M-GmbH (juris-Rz 102 ff.): Ein Vorsteuerabzug aus den Gutschriften an die M-GmbH scheide aus, weil diese keine vollständige Anschrift des (vermeintlich) leistenden Unternehmers enthielten.
-
Begründungsstrang 2 zur A-GmbH (juris-Rz 107 ff.): Ein Vorsteuerabzug aus angeblichen Lieferungen der A-GmbH sei zu versagen, weil nicht der vollständige Name des Leistenden angegeben worden sei. In den Gutschriften sei als Leistende eine "A, Inh. ..." angegeben. Beide Namen unterschieden sich erheblich sowohl im Hinblick auf die Firmenbezeichnung als auch auf die Rechtsform. Ob es das Einzelunternehmen A überhaupt gegeben habe, erschließe sich dem FG weder aus dem Vortrag der Beteiligten noch aus dem Akteninhalt. Jedenfalls sei der in den Gutschriften angegebene Name mehrdeutig und geeignet, Verwechselungen zu begünstigen. Zwar seien auch die vom Steuerpflichtigen beigebrachten zusätzlichen Informationen zu berücksichtigen. Allerdings habe der Kläger keine weiteren Informationen vorgelegt. Auch ergäben sich aus dem Inhalt der Akten keine weiteren Informationen.
-
Begründungsstrang 3 (juris-Rz 112 ff., alle GmbH): Selbst wenn aber die A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH tatsächlich Edelmetall an den Kläger geliefert hätten, was das FG hilfsweise unterstelle, stehe dem Kläger das Recht auf Vorsteuerabzug auch nicht zu, da er hätte wissen müssen, dass die betreffenden Umsätze in die jeweilige durch die jeweiligen Verantwortlichen begangene Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen gewesen seien. Die Steuerverwaltung müsse zwar aufgrund objektiver Anhaltspunkte (und ohne vom Rechnungsempfänger ihm nicht obliegende Überprüfungen zu fordern) darlegen und ggf. beweisen, dass die betreffende Person wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug geltend gemachte Umsatz in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen sei. Das FG sei davon überzeugt, dass der Kläger von den Mehrwertsteuerhinterziehungen der A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH bei Leistungsbezug zumindest hätte wissen müssen.
-
A-GmbH (juris-Rz 124 ff.): Der Geschäftsführer der A-GmbH habe eine Steuerhinterziehung begangen, indem er Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der T-GmbH und der S-GmbH in seinen Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Juli und August 2010 geltend gemacht habe, obwohl diese keine Altgoldlieferungen an die A-GmbH ausgeführt hätten. Für das Jahr 2010 habe die A-GmbH zudem keine Umsatzsteuer-Jahreserklärung abgegeben. Ein Vorsteuerabzug habe der A-GmbH mangels tatsächlichen Leistungsbezugs nicht zugestanden.
-
S-GmbH (juris-Rz 131 ff.): Der Geschäftsführer der S-GmbH habe eine Steuerhinterziehung begangen, indem er zu den gesetzlichen Anmeldeterminen (10.07.2010 und 10.10.2010) keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen sowie keine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2010 abgegeben habe. Ein Vorsteuerabzug habe der S-GmbH mangels tatsächlichen Leistungsbezugs nicht zugestanden.
-
M-GmbH (juris-Rz 137 ff.): Der Geschäftsführer der M-GmbH habe eine Steuerhinterziehung begangen, indem er die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2010 nicht abgegeben habe. In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen des Jahres 2010 (1. bis 4. Kalendervierteljahr 2010) seien zudem unzutreffend Vorsteuerbeträge aus Rechnungen einer weiteren Kapitalgesellschaft, der X-GmbH, enthalten, die allerdings kein Altgold an die M-GmbH geliefert habe. Auch habe die M-GmbH die Gutschriften des Klägers akzeptiert, ohne die darin enthaltenen Steuerbeträge zu erklären. Die M-GmbH habe zumindest die vermeintlichen Umsätze an den Kläger oder die in den Gutschriften des Klägers ausgewiesenen Steuerbeträge angeben müssen. Ein Vorsteuerabzug habe der M-GmbH mangels tatsächlichen Leistungsbezugs nicht zugestanden. Der Geschäftsführer der M-GmbH habe gewusst, dass er von dem Geschäftsführer der X-GmbH und einer weiteren Person nur dazu benutzt worden sei, um tatsächliche Edelmetall-Lieferungen zu verschleiern.
-
T-GmbH (juris-Rz 142 ff.): Der Geschäftsführer der T-GmbH habe eine Steuerhinterziehung begangen, indem er für das Jahr 2010 keine Umsatzsteuer-Jahreserklärung abgegeben habe. Zumindest habe er die vermeintlichen Umsätze an den Kläger oder die in den Gutschriften des Klägers ausgewiesenen Steuerbeträge angeben müssen. Ein Vorsteuerabzug habe der T-GmbH mangels tatsächlichen Leistungsbezugs nicht zugestanden. Auch habe die T-GmbH keine Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juli 2010 eingereicht. Aufgrund dessen sei der Geschäftsführer vom zuständigen Amtsgericht wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden. Für August 2010 habe er ebenfalls keine Umsatzsteuer-Voranmeldung eingereicht.
-
Wissenmüssen des Klägers (juris-Rz 147 ff.): Das FG sei davon überzeugt, dass der Kläger nach den tatsächlichen Verhältnissen beim (unterstellten) Bezug der Lieferungen im Juli bis September des Streitjahres zumindest hätte wissen müssen, dass er mit diesen Eingangsumsätzen in die Mehrwertsteuerhinterziehungen der Verantwortlichen der A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH einbezogen wurde. Er habe aufgrund der Gesamtumstände jedenfalls grob fahrlässig gehandelt. Dem Kläger hätten angesichts von sehr hohen Umsatzsteigerungen Zweifel an seinen (vermeintlichen) Lieferanten aufkommen müssen. Die Betriebsstätten seiner (vorgeblichen) Lieferanten seien weit entfernt von seiner Geschäftsadresse gewesen. Ein sorgfältiger Unternehmer hätte bei dieser Sachlage gefragt, weshalb die Lieferanten in solcher exponentiellen Art und Weise auf ihn zukommen, ihn förmlich mit Altgoldlieferungen überrennen und dabei weite Anfahrten in Kauf nahmen, statt Scheideanstalten in ihrer räumlichen Nähe aufzusuchen. Deshalb habe der Kläger den Hintergrund dieser Angebote durchschaut. Die Erklärungen des Klägers halte das FG nicht für durchgreifend. Außerdem habe der Kläger aufgrund der negativen Bonität der Vorlieferanten weitere Nachfragen zu der Herkunft der Edelmetalle und den weiteren Umständen der Lieferungen stellen müssen. Zudem habe dem Kläger hinsichtlich der M-GmbH auffallen müssen, dass sie einen Mietwagen-, Kranken- und Rollstuhlfahrdienst betrieben habe. Der Umstand, dass ein Unternehmen mit diesem Gegenstand Altgold in erheblichem Umfang anliefert, hätte dem Kläger allein Anlass nicht nur für weitere Nachfragen bieten, sondern auch den Verzicht auf eine derartig dubiose Geschäftsbeziehung nahelegen müssen. Des Weiteren hätte der Kläger berücksichtigen müssen, dass diese Geschäftspartner ihm erhebliche Edelmetallmengen ohne jegliche Sicherheiten anlieferten. Nach seiner Darstellung habe es ihm allein oblegen, nach der Anlieferung jeweils die Scheideanstalt aufzusuchen und die Abrechnung sowie Zahlung über die Bank zu veranlassen. Dass seine Lieferanten ihm (einem im Wesentlichen mittellosen Unternehmer) einen derartigen Vertrauensvorschuss gewährt hätten, sei unüblich und weiche von den Usancen eines ordentlichen Geschäftsverkehrs deutlich ab. Erschwerend komme hinzu, dass keine dokumentierten Vertragsbeziehungen vorlägen. Wenn Wirtschaftsgüter im Wert von mehreren Millionen Euro gehandelt würden, entspreche es den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs, dass die vertraglichen Grundlagen nicht nur mündlich besprochen, sondern auch schriftlich gefasst werden. Auch habe der Kläger, als sich die Bank ab 20.08.2010 geweigert habe, von ihm Altgold anzukaufen, einen weiteren Vertriebskanal über M eröffnet. Der Kläger habe insoweit seine Augen vor der Realität verschlossen. Außerdem habe der Kläger versucht, sein Geschäftsmodell durch unrichtige Angaben gegenüber der Bank möglichst lange fortführen zu können. Als er von der Bank auf die erheblichen Umsatzsteigerungen seit Juli 2010 angesprochen worden sei, habe er wahrheitswidrig behauptet, er habe "zurzeit" Urlaub und deshalb den Umsatz aus dem Schmuckhandel steigern können. Er habe verschwiegen, dass er seine Anstellung bereits Anfang 2010 gekündigt habe, um seinen Handel in Vollzeit auszuüben. Auch habe er sein Gewerbe erst zum 01.11.2010 umgemeldet, als seine erklärten Umsätze schon wieder deutlich rückläufig gewesen seien. Dass die Scheideanstalt Lieferungen abgelehnt hätte, wenn ihr diese unmittelbar von den (vermeintlichen) Lieferanten des Klägers angeboten worden wären, entlaste den Kläger nicht, sondern belaste ihn zusätzlich, da diese in Fachkreisen (und damit auch aus der Sicht eines Unternehmers, der mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns handele) "verdächtig" gewesen seien. Der Staatsanwaltschaft sei die Zwischenschaltung des Klägers aus wirtschaftlicher Sicht gänzlich sinnlos erschienen. Dies spreche dafür, dass ihm seine Einbindung in ein Umsatzsteuerkarussell bewusst gewesen sein müsse. Des Weiteren habe sich der Markt für Edelmetalle nicht nur aufgrund der Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise, sondern auch aufgrund der sich abzeichnenden umsatzsteuerrechtlichen Änderung durch das Jahressteuergesetz 2010 zum 01.01.2011 exponentiell entwickelt. Dass sich vor Inkrafttreten der Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei der Lieferung von Altgold windige Marktteilnehmer noch unter Nutzung der betrugsanfälligen Regelungen einen rechtswidrigen steuerlichen Vorteil verschaffen wollten, hätte dem Kläger aufgrund des für ihn geltenden Sorgfaltsmaßstabes ebenfalls nicht entgangen sein dürfen.
Zur beantragten Beiziehung von Akten der A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH wies das FG darauf hin, dass diese bereits erfolgt sei. Das FG habe den Kläger davon in Kenntnis gesetzt, dass das FA einen Ordner mit Fahndungsberichten zu den vorgeblichen Lieferanten an das FG übersandt habe und es beim FA Beweismittelordner mit Vernehmungsprotokollen gebe. Er sei unter Angabe der Telefonnummer des Sachbearbeiters gebeten worden, einen Termin zur Akteneinsicht zu vereinbaren. Das habe er nicht getan. Später sei der Kläger außerdem benachrichtigt worden, dass das FA die Beweismittelordner und andere näher bezeichnete Akten zu den steuerlichen Verhältnissen der angeblichen Lieferanten dem FG zur Verfügung gestellt habe. Das FA habe stets unter Nennung der konkreten Akteninhalte angegeben, auf welche Akteninhalte es seine Rechtsauffassung in Bezug auf die vermeintlichen Lieferanten des Klägers stütze. Der vorliegende Akteninhalt sei vom FA dahingehend ergänzt worden, dass für das Streitjahr auch im weiteren Besteuerungsverfahren keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben worden seien. Soweit das FG zur weiteren Sachaufklärung angeforderte Unterlagen erhalten habe, sei der Bevollmächtigte hiervon in Kenntnis gesetzt worden. Dass der Kläger vorliegend davon Abstand genommen habe, Akteneinsicht zu nehmen, sei allein seine Entscheidung gewesen. Die Einsicht in die Akten des FA und des FG sei dem Bevollmächtigten zu keinem Zeitpunkt verwehrt worden. Vielmehr habe der Bevollmächtigte die weitere Sachaufklärung des Berichterstatters im zweiten Rechtsgang ausdrücklich gerügt.
Da im zweiten Rechtsgang ein neues Verfahren eröffnet werde, sei die Rüge des Klägers, das FG verfahre durch seine Nachfragen zum Sachverhalt in einer ungewöhnlichen Weise, nicht nachzuvollziehen. Das weitere finanzgerichtliche Verfahren nach einer Zurückverweisung könne zu einem veränderten Sachverhalt und damit zu einer anderen rechtlichen Würdigung führen. Das neue Urteil könne sogar für den Kläger ungünstiger sein als das alte. Dies sei kein Verstoß gegen das sog. Verböserungsverbot.
Mit seiner Revision rügt der Kläger in mehrfacher Hinsicht die Verletzung materiellen Rechts sowie zahlreiche Verfahrensfehler.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an einen anderen Senat des FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Auf die Anhörungsmitteilung vom 24.08.2021, mit der dem Kläger mitgeteilt wurde, dass der Senat die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, ist der Kläger der Anwendung des § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) entgegengetreten. Er hat dabei u.a. die Gewährung rechtlichen Gehörs und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Entscheidungsgründe
B.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a FGO. Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
I. Der Senat macht ungeachtet der Einwendungen des Klägers von § 126a FGO Gebrauch.
1. Die nach der Anhörungsmitteilung gestellten Anträge, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und rechtliches Gehör zu gewähren, gehen ins Leere; denn sie sind in § 126a FGO nicht vorgesehen (vgl. allgemein Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 20.10.2016 - VI R 27/15, BFHE 255, 529, BStBl II 2018, 441, Rz 11). Außerdem hat der Kläger auf der Grundlage der Anhörungsmitteilung des Senats rechtliches Gehör erhalten.
2. Die vom Kläger eingeforderte Begründung der Anhörungsmitteilung ist weder vorgeschrieben noch verfassungsrechtlich geboten (vgl. BFH-Beschluss vom 08.01.2014 - VII S 45/13, BFH/NV 2014, 563, m.w.N.; s.a. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 08.12.1992 - 1 BvR 326/89, Betriebs-Berater 1993, 1409, unter 1., und BVerfG-Beschluss vom 05.11.1986 - 1 BvR 706/85, Neue Juristische Wochenschrift ‑‑NJW‑‑ 1987, 1192 neben BVerfG-Beschluss vom 04.12.1992 - 1 BvR 1411/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1993, 202; Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 126a FGO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, § 126a FGO Rz 6; Rüsken in Gosch, § 126a FGO Rz 10; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 126a Rz 6).
II. Die Revision ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen. Der Begründungsstrang 3, mit dem das FG entschieden hat, dass dem Kläger der Vorsteuerabzug zu versagen sei, da er, der Kläger, hätte wissen müssen, dass die betreffenden Umsätze in die jeweilige durch die Verantwortlichen der A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH begangene Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen gewesen seien, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Der Senat kann daher offen lassen, ob auch Begründungsstrang 1 und 2 einer solchen Prüfung standhalten könnten.
1. Zwar ist die nationale Regelung des § 25f Abs. 1 Nr. 2 UStG, nach dem der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG zu versagen ist, sofern der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich u.a. mit seinem Leistungsbezug an einem Umsatz beteiligt, bei dem ein anderer Beteiligter auf einer nachfolgenden Umsatzstufe in eine begangene Hinterziehung von Umsatzsteuer einbezogen war, im Streitzeitraum 2010 gemäß § 27 Abs. 30 UStG noch nicht anzuwenden (vgl. allgemein BFH-Beschluss vom 02.07.2021 - XI R 40/19, juris, Rz 24 ff.; Beschluss des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 12.05.2020 - 1 StR 635/19, Neue Zeitschrift für Strafrecht 2021, 302, Rz 8). Jedoch haben die Mitgliedstaaten unionsrechtlich nach Art. 325 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Betrügereien und sonstige gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtete rechtswidrige Handlungen mit Maßnahmen zu bekämpfen, die wirksam und abschreckend sind. Dabei umfassen die finanziellen Interessen der Union auch die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ‑‑EuGH‑‑ Scialdone vom 02.05.2018 - C-574/15, EU:C:2018:295, Rz 27; BFH-Urteil vom 12.03.2020 - V R 20/19, BFHE 268, 452, BStBl II 2020, 608, Rz 29).
a) Der Tatbestand des "Betrugs" zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union (EU) umfasst nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. b des Übereinkommens aufgrund von Art. K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 26.07.1995 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1995, Nr. C 316, 48) im Zusammenhang mit Einnahmen jede vorsätzliche Handlung oder Unterlassung betreffend
"-
die Verwendung oder Vorlage falscher, unrichtiger oder unvollständiger Erklärungen oder Unterlagen mit der Folge, dass Mittel aus dem Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften oder aus den Haushalten, die von den Europäischen Gemeinschaften oder in deren Auftrag verwaltet werden, rechtswidrig vermindert werden;
-
das Verschweigen einer Information unter Verletzung einer spezifischen Pflicht mit derselben Folge;
-
die mißbräuchliche Verwendung eines rechtmäßig erlangten Vorteils mit derselben Folge".
b) Daneben stellen Fälle der Nichtabführung der Umsatzsteuer "sonstige rechtswidrige Handlungen" i.S. des Art. 325 Abs. 1 AEUV dar, durch die ebenfalls die finanziellen Interessen der Union i.S. von Art. 325 Abs. 1 AEUV beeinträchtigt werden und auf die daher ebenfalls effektive und abschreckende Sanktionen anzuwenden sind (EuGH-Urteil Scialdone, EU:C:2018:295, Rz 44 ff.).
c) Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist die Bekämpfung von Betrug, Steuerhinterziehung und etwaigen Missbräuchen ein Ziel, das auch mit der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) anerkannt und gefördert wird; deshalb ist u.a. eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht erlaubt (vgl. z.B. EuGH-Urteile Vikingo Fővállalkozó vom 03.09.2020 - C-610/19, EU:C:2020:673, Rz 50; Finanzamt Wilmersdorf vom 14.04.2021 - C-108/20, EU:C:2021:266, Rz 21). Die nationalen Behörden und Gerichte haben u.a. das Recht, einen Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund der objektiven Sachlage feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird (vgl. EuGH-Urteile Kittel und Recolta Recycling vom 06.07.2006 - C-439/04 und C-440/04, EU:C:2006:446; Glencore Agriculture Hungary vom 16.10.2019 - C-189/18, EU:C:2019:861, Rz 34). Aber nicht nur der Vorsteuerabzug, sondern alle im Rechtssystem der EU vorgesehenen Rechte sind generell zu versagen, unabhängig davon, welches Recht aus dem Bereich der Mehrwertsteuer von der betrügerischen Handlung betroffen ist (vgl. EuGH-Urteil Schoenimport "Italmoda" Mariano Previti vom 18.12.2014 - C-131/13, C-163/13 und C-164/13, EU:C:2014:2455, Rz 46).
d) Dies gilt, wenn der Steuerpflichtige selbst eine "Steuerhinterziehung" begangen hat (vgl. EuGH-Urteil Kittel und Recolta Recycling, EU:C:2006:446, Rz 53, m.w.N.); Steuerpflichtige, die selbst eine Steuerhinterziehung begangen haben, haben die Folgen ihres betrügerischen Verhaltens z.B. dadurch zu tragen, dass sie die Vorsteuer auf alle Waren oder Dienstleistungen, die für die Erbringung der eigenen Leistungen herangezogen wurden, auch dann nicht in Abzug bringen können, wenn auf die Umsätze, für die keine Rechnung ausgestellt wurde, nach einer Steuerprüfung rückwirkend Mehrwertsteuer erhoben wird (vgl. EuGH-Urteil Tribunal Económico Administrativo Regional de Galicia vom 01.07.2021 - C-521/19, EU:C:2021:527, Rz 27 und 30, m.w.N.).
e) Gleiches gilt aber auch dann, wenn feststeht, dass der Steuerpflichtige, dem die Gegenstände geliefert wurden, die als Grundlage für die Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug dienen, wusste oder hätte wissen müssen, dass er mit seinem Erwerb an einem Umsatz teilnahm, der in einen vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerbetrug einbezogen war (vgl. EuGH-Urteile Mahagében und Dávid vom 21.06.2012 - C-80/11 und C-142/11, EU:C:2012:373, Rz 45; Glencore Agriculture Hungary, EU:C:2019:861, Rz 35; Vikingo Fővállalkozó, EU:C:2020:673, Rz 51; Finanzamt Wilmersdorf, EU:C:2021:266, Rz 22 und 24). Allein die Tatsache, dass der Steuerpflichtige in irgendeiner Weise davon wusste oder hätte wissen müssen, gilt dabei für die Zwecke der MwStSystRL als Beteiligung an der Steuerhinterziehung; die einzige für die Versagung des Abzugsrechts in einer solchen Situation entscheidende aktive Handlung besteht im Erwerb der Gegenstände, so dass es keiner sonstigen aktiven Beteiligung an der Steuerhinterziehung oder der Verschleierung der Lieferbeziehungen und des Lieferers bedarf (EuGH-Urteil Finanzamt Wilmersdorf, EU:C:2021:266, Rz 26 f.). Die Bösgläubigkeit des Steuerpflichtigen muss nicht erwiesen sein (EuGH-Urteil Finanzamt Wilmersdorf, EU:C:2021:266, Rz 31). Ebenso irrelevant ist, ob er durch den Umsatz einen Steuervorteil erlangt hat (vgl. EuGH-Urteil Finanzamt Wilmersdorf, EU:C:2021:266, Rz 36). Der Begriff der "Lieferkette" ist dabei nicht auf besondere Konstellationen beschränkt (vgl. EuGH-Urteil Finanzamt Wilmersdorf, EU:C:2021:266, Rz 32 ff.).
f) Hinsichtlich des Grades der erforderlichen Sorgfalt des Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, hat der EuGH entschieden, dass von einem Wirtschaftsbeteiligten gefordert werden darf, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung in diesem Sinne führt (vgl. EuGH-Urteile Mahagében und Dávid, EU:C:2012:373, Rz 54; Paper Consult vom 19.10.2017 - C-101/16, EU:C:2017:775, Rz 52, m.w.N.; Finanzamt Wilmersdorf, EU:C:2021:266, Rz 28): Wenn Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung vorliegen, kann er nach den Umständen des konkreten Falls verpflichtet sein, über einen anderen Wirtschaftsteilnehmer, von dem er Gegenstände oder Dienstleistungen zu erwerben beabsichtigt, Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen.
g) Die Steuerverwaltung darf aber vom Steuerpflichtigen weder die Durchführung komplexer und umfassender Überprüfungen seines Lieferanten verlangen noch ihm faktisch die ihr obliegende Kontrolle übertragen; nicht generell verlangt werden darf in diesem Zusammenhang die Prüfung, ob der Aussteller der Rechnung über die Gegenstände, für die dieses Recht geltend gemacht wird, Steuerpflichtiger ist, über die fraglichen Gegenstände verfügte und sie liefern konnte sowie seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und Abführung der Mehrwertsteuer nachgekommen ist (vgl. EuGH-Urteil Vikingo Fővállalkozó, EU:C:2020:673, Rz 56).
h) Welche Maßnahmen im konkreten Einzelfall vom Steuerpflichtigen vernünftigerweise verlangt werden können, um die Beteiligung an einem fremden Mehrwertsteuerbetrug zu verhindern, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab (vgl. EuGH-Urteil Vikingo Fővállalkozó, EU:C:2020:673, Rz 54). Diese Umstände sind gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts zu ermitteln, die die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen dürfen (vgl. EuGH-Urteil Vikingo Fővállalkozó, EU:C:2020:673, Rz 59). Dass der Steuerpflichtige von einem fremden Mehrwertsteuerbetrug wusste oder hätte wissen müssen, muss das FA anhand objektiver Umstände nachweisen, da die Feststellungslast insoweit bei ihm liegt (vgl. BFH-Urteile vom 18.02.2016 - V R 62/14, BFHE 253, 283, BStBl II 2016, 589, Rz 20; vom 11.03.2020 - XI R 38/18, BFHE 268, 376, Rz 49). Hat das FA nicht dargetan oder das FG nicht festgestellt, dass ein Mehrwertsteuerbetrug oder eine sonstige rechtswidrige Handlung i.S. des Art. 325 AEUV begangen worden ist, kommt eine Versagung des Vorsteuerabzugs nach der sog. Missbrauchs-Rechtsprechung des EuGH nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 268, 376, Rz 49; BFH-Beschluss in BFH/NV 2019, 1351, Rz 22).
2. Gemessen daran ist das Urteil des FG im Begründungsstrang 3 revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Das FG ist auf den S. 28 ff. seines Urteils (juris-Rz 112 ff.) von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen und hat in den Rz 124 ff., 131 ff., 137 ff. und 142 ff. ‑‑unter Beachtung der Hinweise des Senats aus dem Beschwerdeverfahren (BFH-Beschluss in BFH/NV 2019, 1351)‑‑ begründet, von welchen Steuerhinterziehungen der (Verantwortlichen der) A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH es überzeugt ist. Diese Würdigung ist in Bezug auf alle GmbH aufgrund der vom FG festgestellten Tatsachen möglich, verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze und bindet daher den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO. Insbesondere handelt es sich bei den vom FG geschilderten Vorgängen um Betrügereien zu Lasten der finanziellen Interessen der EU i.S. des Art. 325 Abs. 1 AEUV (s. dazu B.II.1.b).
b) Ferner hat das FG auf den S. 35 ff. seines Urteils (Rz 147 ff.) unter Anwendung der oben genannten Rechtsgrundsätze nachvollziehbar begründet, warum es davon überzeugt sei, dass der grob fahrlässig handelnde Kläger davon hätte wissen müssen.
aa) Das FG hat dabei die Hinweise des Senats im BFH-Beschluss in BFH/NV 2019, 1351 zur Kenntnis genommen, beachtet und ‑‑unter ausdrücklicher Auseinandersetzung mit den Hinweisen des Senats‑‑ begründet, warum es trotz dieser Hinweise weiterhin zu dieser Überzeugung gelangt ist. Es hat maßgeblich darauf abgestellt, dass es in kurzer Zeit zu einem sehr hohen Umsatzwachstum gekommen war und dass das FG die Erklärungen, die der Kläger dafür gegeben habe, nicht nachvollziehen konnte, die Lieferungen an den Kläger trotz des hohen Werts der Ware ohne Sicherheit und dokumentierte Vertragsbeziehungen erfolgt waren, der Kläger gegenüber der Bank unrichtige Angaben gemacht hatte und nach Weigerung der Bank, weiterhin Altgold von ihm anzukaufen, einen neuen Vertriebskanal eröffnet hatte, um das Geschäft möglichst lange fortführen zu können, die Vertragspartner des Klägers in Branchenkreisen schon auffällig geworden waren und die Zwischenschaltung des Klägers aus wirtschaftlicher Sicht gänzlich sinnlos erschienen war.
bb) Auch diese tatsächliche Würdigung ist (insbesondere aufgrund des eigenen Verhaltens des Klägers) in Bezug auf alle GmbH möglich, verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze und bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO).
3. Die Einwendungen und Verfahrensrügen des Klägers mit Bezug zum Begründungsstrang 3 führen zu keiner anderen Beurteilung.
a) Ohne Erfolg rügt die Revision, dass das FG mit dem Kläger kein Sach- oder Rechtsgespräch geführt habe.
aa) Im Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG vom 04.06.2020 ist festgehalten, dass die auf 10:00 Uhr terminierte Streitsache mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert worden, nach Schließung der mündlichen Verhandlung um 10:45 Uhr um 11:05 Uhr wiedereröffnet worden und nach weiterer Erörterung um 11:30 Uhr die Sitzung erneut geschlossen worden war. Den Antrag des Klägers auf Protokollberichtigung vom 30.06.2020 hat das FG mit Beschluss vom 02.07.2020 abgelehnt, weil dem Protokoll keine Unrichtigkeiten anhaften würden.
bb) Während die ‑‑im Protokoll des FG dokumentierte‑‑ Erörterung des Sach- und Streitstands an sich zu den wesentlichen Vorgängen der Verhandlung i.S. des § 160 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) gehört (vgl. BGH-Urteil vom 26.04.1989 - I ZR 220/87, NJW 1990, 121), zählen der Inhalt und der Umfang der tatsächlichen Erörterung des Sach- und Streitstands mit den Beteiligten nicht zu den wesentlichen Vorgängen der Verhandlung i.S. des § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 2 ZPO (vgl. BFH-Beschluss vom 08.08.2011 - XI B 53/11, BFH/NV 2011, 2081, Rz 10). Ein Sach- und Rechtsgespräch hat danach in der mehr als einstündigen mündlichen Verhandlung stattgefunden (§ 94 FGO, § 165 ZPO), auch wenn dieses inhaltlich nicht den Vorstellungen des Klägers entsprochen hat, und insbesondere das FG entgegen der Erwartung des Klägers dort nicht vorab seine vorläufige Rechtsauffassung hat erkennen lassen.
§ 93 Abs. 1 FGO verpflichtet das FG zwar, die Streitsache mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich zu erörtern. Eine (vom Prozessvertreter des Klägers zweifach eingeforderte) umfassende Erörterung ist allerdings nicht erforderlich (vgl. BFH-Beschluss vom 18.07.2012 - V B 99/11, BFH/NV 2012, 1818, Rz 9). Das FG ist insbesondere nicht zu einem Hinweis auf seine vorläufige Rechtsauffassung verpflichtet (vgl. BFH-Urteil vom 02.12.2020 - II R 22/18, BFHE 272, 120, Rz 49, m.w.N.). Ein fachkundig vertretener Beteiligter hat vielmehr von sich aus alle vertretbaren rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte in Erwägung zu ziehen; auf rechtliche Umstände, die er selbst hätte erkennen können und müssen, muss er auch nicht hingewiesen werden (vgl. BFH-Beschluss vom 27.10.2020 - XI B 33/20, BFH/NV 2021, 459, Rz 18, m.w.N.).
b) Erfolglos rügt die Revision auch als Verfahrensfehler, das FG habe einen Antrag auf Beiziehung von Akten abgelehnt.
aa) Der Kläger bringt vor, er habe unter Berufung auf den Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte beantragt, die Akten aller vier GmbH beizuziehen und ihm Akteneinsicht zu gewähren. Dies habe das FG verfahrensfehlerhaft unterlassen.
bb) Insoweit ist es zwar zutreffend, dass ‑‑wie die Revision vorbringt‑‑ nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des EuGH (vgl. zum Nachfolgenden insgesamt EuGH-Urteile Ispas vom 09.11.2017 - C-298/16, EU:C:2017:843; Glencore Agriculture Hungary, EU:C:2019:861; C.F. (Contrôle fiscal) vom 04.06.2020 - C-430/19, EU:C:2020:429, Rz 29 ff.) der allgemeine unionsrechtliche Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte dahin auszulegen ist, dass es in Verwaltungsverfahren zur Überprüfung und Festlegung der Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer dem Einzelnen möglich sein muss, bereits im Verwaltungsverfahren auf Antrag Zugang zu den Informationen und Dokumenten zu erhalten, die in den Akten der Behörde enthalten sind und die von ihr für den Erlass ihrer Entscheidung berücksichtigt werden; eine Ausnahme gilt dann, wenn eine im nationalen Recht vorgesehene Beschränkung des Zugangs zu diesen Informationen und Dokumenten durch dem Gemeinwohl dienende Ziele (u.a. zum gebotenen Schutz der Vertraulichkeit oder des Geschäftsgeheimnisses, zum Schutz des Privatlebens Dritter, deren personenbezogener Daten oder der Wirksamkeit der Strafverfolgung) gerechtfertigt ist. Beabsichtigt die Steuerverwaltung, ihre Entscheidung auf Beweise zu stützen, die sie im Rahmen von Strafverfahren und "konnexen" Verwaltungsverfahren gegen die Lieferanten des Steuerpflichtigen erlangt hat, so muss diesem Zugang auch zu diesen Beweisen ermöglicht werden. Zugang muss außerdem zu denjenigen Dokumenten ermöglicht werden, die nicht unmittelbar dazu dienen, die Entscheidung der Steuerverwaltung zu stützen, aber für die Ausübung der Verteidigungsrechte zweckdienlich sein können, insbesondere entlastende Gesichtspunkte, die die Steuerverwaltung möglicherweise zusammengetragen hat. Ggf. muss die Steuerverwaltung prüfen, ob ein teilweiser Zugang möglich ist.
cc) Allerdings hat das FG gegen diese Grundsätze nicht verstoßen. Dies gilt selbst dann, wenn man mit der Revision davon ausgeht, dass diese Grundsätze auch für die Akteneinsicht im finanzgerichtlichen Verfahren (§ 78 FGO) sowie die Beiziehung von Akten Dritter (§ 86 FGO i.V.m. § 30 Abs. 4 Nr. 1 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑) zu beachten sind und der Kläger den Antrag nicht nur hilfsweise gestellt hat. Das FG hat vielmehr auf den S. 39 ff. seines Urteils (Rz 161 ff.) dargelegt, dass dem Kläger Einsicht in alle dem FG vorliegenden Akten, zu denen auch Teile aus Akten Dritter gehören, angeboten worden ist. Dieses Einsichtsrecht hat der Kläger indes nicht wahrgenommen. Nur auf diese Akten und Aktenteile hat das FG seine Entscheidung gestützt.
dd) Soweit der Kläger mit der Revision ein uneingeschränktes Recht auf Akteneinsicht in sämtliche vollständigen (wohl: Steuer- und Straf-)Akten Dritter (hier: der A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH bzw. der für sie handelnden Personen) reklamiert, weil diese theoretisch entlastende Umstände enthalten könnten, was erfordere, dass das FG die Akten zum Verfahren beiziehe, sieht (auch) das Unionsrecht ein solches Recht (und damit eine weitreichende Einschränkung des Schutzes der Daten Dritter) gerade nicht vor, sondern nur in dem unter B.II.3.b bb genannten Umfang (vgl. EuGH-Urteil Glencore Agriculture Hungary, EU:C:2019:861, Rz 43, 55, 56 und 57). Von einem nur beschränkten Recht ist das FG ausgegangen.
c) Die Rüge, das FG habe in diesem Zusammenhang auch seine Sachaufklärungspflicht verletzt, ist nicht ordnungsgemäß erhoben; denn es fehlen zum einen Darlegungen, welches Ergebnis die weitere Sachverhaltsaufklärung hätte erwarten lassen und inwiefern dieses zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. BFH-Urteil in BFHE 268, 364, Rz 62), sowie zum anderen Darlegungen, dass der Kläger den Verstoß in der Vorinstanz gerügt hat oder aus welchen entschuldbaren Gründen er an einer solchen Rüge gehindert gewesen sei (vgl. allgemein BFH-Beschlüsse vom 19.12.2016 - XI B 57/16, BFH/NV 2017, 599, Rz 19; vom 23.03.2021 - XI B 69/20, BFH/NV 2021, 1108, Rz 28). Überdies hält der Senat diese Rüge für nicht durchgreifend und sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab.
d) Die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) in Bezug auf den von (den Verantwortlichen der) A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH begangenen Mehrwertsteuerbetrug ist danach ebenso wenig ordnungsgemäß erhoben. Unabhängig davon hat das FG für alle vier GmbH begründet, von welchem Mehrwertsteuerbetrug (in Form der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO) es ausgeht, so dass die Rüge nicht durchgreift.
e) Das Vorbringen der Revision, es liege im Streitfall kein klassisches Umsatzsteuerkarussell vor, auf das die Rechtsprechung des EuGH abziele, und das FG Berlin-Brandenburg vertrete die Auffassung, dass die Missbrauchs-Rechtsprechung des EuGH nur auf solche oder ähnliche besondere Konstellationen anwendbar sei, führt angesichts der Antwort des EuGH im Urteil Finanzamt Wilmersdorf (EU:C:2021:266) nicht zum Erfolg (s. oben B.II.1.e).
f) Soweit die Revision als Rüge verstanden werden kann, das FG sei von einem rechtlich unzutreffenden Verständnis des Begriffs "Wissenmüssen" ausgegangen, verweist der Senat auf seine Ausführungen unter B.II.1.f bis h. Dass das FG andere Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt hätte, vermag der Senat nicht zu erkennen.
g) Soweit die Revision allgemein auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützt wird, greift auch diese Rüge nicht durch.
aa) Aus der Sicht des Klägers soll aus dem angefochtenen Urteil nicht ersichtlich sein, dass und inwiefern er in Bezug auf den Umgang der Lieferanten mit ihren steuerlichen Pflichten hätte misstrauisch werden können. Außerdem habe das FG die Voraussetzungen eines Kennenmüssens in seinem Urteil nicht "darlegt". Die Revision betont dabei mehrfach, dass der Kläger von der A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH tatsächlich Altgold geliefert erhalten, dieses an die Bank weitergeliefert, ordnungsgemäße Gutschriften erteilt und seine Lieferanten, die nicht alsbald "von der Bildfläche verschwunden" seien, bezahlt habe.
bb) Mit diesen Einwendungen bleiben die Bindungswirkung des § 118 Abs. 2 FGO sowie die vom FG für seine tatsächliche Würdigung angeführten objektiven Anhaltspunkte unbeachtet. Davon, dass das FG die Anwendbarkeit der Missbrauchs-Rechtsprechung des EuGH nur zu Lasten des Klägers unterstellt hätte, kann bei der angefochtenen Vorentscheidung keine Rede sein. Vielmehr ist die Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze auf den Streitfall im zweiten Rechtsgang revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die von der Revision betonten Umstände stehen der tatsächlichen Würdigung des FG, dass die (Verantwortlichen der) A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH jeweils eine Steuerhinterziehung durch unberechtigte Geltendmachung des Vorsteuerabzugs aus Abdeckrechnungen begangen haben, um den wahren Lieferer des an sie gelieferten Altgolds zu verschleiern, ebenso wenig entgegen wie der ‑‑von der Auffassung der Staatsanwaltschaft abweichenden‑‑ Annahme des FG, dass der Kläger dies zumindest habe wissen müssen.
cc) Der Kläger lässt im Übrigen bei seiner abweichenden Würdigung, die er unter Nichtbeachtung des § 118 Abs. 2 FGO an die Stelle der Würdigung des FG setzt, die übrigen vom FG festgestellten Umstände unberücksichtigt, zu denen das sehr hohe Umsatzwachstum seit dem 29.07.2020 gehört. Der Kläger kaufte danach innerhalb eines Zeitraums von ca. einem Monat von den vier GmbH Altgold mit einer Bemessungsgrundlage von mehreren Mio. € an. Dies allein würde zwar für ein "Wissenmüssen" nicht genügen. Hinzu kommen im Streitfall jedoch die vom FG betonten weiteren Umstände.
dd) Besonders erwähnenswert ist dabei aus Sicht des Senats, dass der Bank als Abnehmerin das Umsatzwachstum auffällig erschien und sie den Kläger dazu befragt hat. Im Rahmen seiner Befragung hat der Kläger sowohl nach den tatsächlichen Feststellungen des FG als auch nach der vom FG in Bezug genommenen Geldwäsche-Verdachtsanzeige gegenüber der Bank zu den Hintergründen dieses Umsatzwachstums unrichtige Angaben gemacht und nach der Geldwäsche-Verdachtsanzeige den Versuch unternommen, über M als alternativen Absatzweg den GmbH die Möglichkeit zu eröffnen, ihre von der Bank beanstandeten Geschäfte fortzusetzen. Aus der Sicht eines redlichen Steuerpflichtigen besteht zu unrichtigen Angaben gegenüber seinem Abnehmer, der ihn zu den Hintergründen von "explosionsartigen Umsatzsteigerungen" befragt, weil diese ihn misstrauisch machen, keinerlei Anlass.
ee) Außerdem wäre der Umstand, dass ein Abnehmer ihn als Lieferanten zu den Gründen des explosionsartigen Umsatzwachstums befragt, für einen redlichen Steuerpflichten Anlass, als Abnehmer gegenüber seinen Lieferanten ebenso zu verfahren und nicht gegenüber der Bank unrichtige Angaben zu machen. Gleiches gilt bei einem redlichen Steuerpflichtigen für die Umsätze nach dem 19.08.2010 aufgrund der erfolgten Beendigung des Goldankaufs durch die Bank, die in Verbindung mit der Geldwäsche-Verdachtsanzeige der Bank (vor allem aufgrund der erfolgten Überweisungen an die A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH) stand. Diese vom FG festgestellten Tatsachen lassen den vom FG gezogenen Schluss, dass der Kläger von Anfang an von deren Steuerhinterziehungen zumindest hätte wissen müssen, zumindest als möglich erscheinen. Der Kläger hat versucht, mit falschen Angaben aktiv dazu beizutragen, dass die Steuerhinterziehungen der A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH weitergehen konnten. Dies rechtfertigt die vom FG gezogenen Schlüsse. Da die Falschangaben des Klägers gegenüber der Bank schon einige Tage nach dem ersten Umsatz ohne Rücksprache mit den vier GmbH erfolgt sind, ist auch der Schluss gerechtfertigt, dass der Kläger von Anfang an von den Steuerhinterziehungen hätte wissen müssen.
4. Auf die Frage, ob auch beim Vorsteuerabzug Vertrauensschutz im Festsetzungsverfahren zu gewähren sein könnte (vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom 06.04.2016 - XI R 20/14, BFHE 254, 152, Rz 60 ff.; vom 16.05.2019 - XI B 13/19, BFHE 264, 521, BStBl II 2021, 950, Rz 22), kommt es im Streitfall nicht an, da auch ein solcher Vorsteuerabzug aus Vertrauensschutzgründen aus den unter B.II.1. genannten Gründen zu versagen wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 07.12.2016 - XI R 31/14, BFH/NV 2017, 487; s. zur vergleichbaren Problematik bei § 6a Abs. 4 UStG auch BFH-Beschluss vom 02.07.2021 - XI R 40/19, juris).
5. Die Ausführungen des Klägers in seinem Schreiben vom 09.12.2021, das vom Senat zu berücksichtigen ist (vgl. allgemein BFH-Beschluss vom 16.06.2016 - X B 110/15, BFH/NV 2016, 1481), bietet keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.