ECLI:DE:BFH:2022:U.300622.IVR42.19.0
BFH IV. Senat
EStG § 15 Abs 3 Nr 1 S 1 Alt 1, EStG § 15 Abs 3 Nr 1 S 2 Alt 1, EStG § 52 Abs 23 S 1, GG Art 3 Abs 1, AO § 180 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a, EStG VZ 2012
vorgehend FG München, 26. June 2018, Az: 2 K 2245/16
Leitsätze
1. Verluste aus einer gewerblichen Tätigkeit stehen bei Überschreiten der sog. Bagatellgrenze der Umqualifizierung der im Übrigen vermögensverwaltenden Tätigkeit einer GbR nicht entgegen (Aufgabe der im BFH-Urteil vom 12.04.2018 - IV R 5/15, BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118, Rz 34 f. zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F. vertretenen Rechtsauffassung).
2. Die seitwärts abfärbende Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 und Satz 2 Alternative 1 EStG i.d.F. des WElektroMobFördG (EStG n.F.) ist für gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaften nicht stärker einzuschränken, als dies bisher für gemischt tätige freiberufliche Personengesellschaften geschehen ist.
3. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 und Satz 2 Alternative 1 und § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG n.F. sind verfassungsgemäß.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 26.06.2018 - 2 K 2245/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
A.
Streitig ist, ob negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb die vermögensverwaltende Tätigkeit der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Feststellungszeitraum 2012 (Streitjahr) umqualifizieren.
Die Klägerin ist eine GbR. Sie wurde unter der Bezeichnung "… GbR" im Jahr 2009 gegründet. An ihr sind A und B je zur Hälfte als Gesellschafter beteiligt. Gesellschaftszweck ist die "Verwaltung und Vermietung der Grundstücke zur Erzielung von Überschüssen". Die Klägerin wurde ab dem Jahr 2009 steuerlich als vermögensverwaltende GbR unter dem Namen "… GbR" erfasst. Im Feststellungsverfahren für 2009 sind für die Klägerin erklärungsgemäß Verluste aus Vermietung und Verpachtung festgestellt worden.
Mit zwei Darlehensverträgen jeweils vom 25./27.05.2010 nahmen A und B unter dem Namen der Klägerin zwei Bankdarlehen zur Errichtung einer Photovoltaikanlage (PVA) auf dem Objekt "C-Str. 2, D" und zur Zwischenfinanzierung der anfallenden Umsatzsteuer auf. Die Darlehen wurden auf Unterkonten des Geschäftskontos der Klägerin verbucht und über das Geschäftskonto der Klägerin ausgezahlt. Die Rechnung für die Errichtung einer betriebsfertigen PVA vom 24.06.2010 wurde an die Klägerin gestellt. Die Anmeldung der PVA bei der Bundesnetzagentur, der Abschluss des Einspeisevertrags sowie einer Elektronikversicherung erfolgten ebenfalls unter dem Namen der Klägerin. Im Einspeisevertrag ist das Geschäftskonto der Klägerin als Bankverbindung angegeben. An die Klägerin war auch die Bestätigung des Versorgungsvertrags mit der Stadtwerke D GmbH & Co. KG nebst Abschlagsrechnung vom 23.07.2010 gerichtet.
In der Feststellungserklärung für das Streitjahr gab die Klägerin unter der Einkunftsart Gewerbebetrieb aufzuteilende Einkünfte von ./. 6.561 € und unter der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung aufzuteilende Einkünfte von ./. 19.775 € an. Beigefügt waren zwei Einkünfteermittlungen, eine betreffend die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und eine betreffend die Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Gesamtnettoumsätze beliefen sich im Streitjahr auf 113.484 €; auf den Betrieb der PVA entfielen Nettoumsätze in Höhe von 8.472 €.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) stellte mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheid) 2012 vom 04.07.2014 ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb fest. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 07.07.2016). Der Einspruchsentscheidung lässt sich entnehmen, dass die Klägerin den Einspeisevertrag für die Stromerzeugung im August 2013 auf die … Fotovoltaik GbR hat umschreiben lassen.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin, ihre Einkünfte ohne diejenigen aus dem Betrieb der PVA, hilfsweise ihre Einkünfte erklärungsgemäß als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 19.775 € und als Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 6.561 € gesondert und einheitlich festzustellen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom 26.06.2018 - 2 K 2245/16 als unbegründet ab.
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Sie beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des FG München vom 26.06.2018 - 2 K 2245/16 und der Einspruchsentscheidung vom 07.07.2016 den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2012 vom 04.07.2014 dahin zu ändern, dass entsprechend der Erklärung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 19.775 €,
hilfsweise Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 19.775 € und Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 6.561 € festgestellt werden.Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
B.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Klägerin hat im Streitjahr mit dem Betrieb der PVA eine originär gewerbliche Tätigkeit ausgeübt, die gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 und Satz 2 Alternative 1 EStG i.d.F. des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 ‑‑WElektroMobFördG‑‑ (BGBl I 2019, 2451, BStBl I 2020, 17) ‑‑im Folgenden: EStG n.F.‑‑ ihre im Übrigen ausgeübte vermögensverwaltende Tätigkeit insgesamt in eine gewerbliche umqualifiziert.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die im angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid 2012 erfolgte Qualifikation der Einkünfte sowie die festgestellte Höhe der von der Klägerin erzielten Gesamthandseinkünfte (dazu I.). Das FG hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen, und zwar sowohl in ihrem Hauptantrag (dazu II.) als auch in ihrem Hilfsantrag (dazu III.). Das Verfahren war nicht nach § 74 FGO zwecks Vorlage des Rechtsstreits an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) auszusetzen (dazu IV.).
I. Das Revisionsverfahren richtet sich gegen die im Gewinnfeststellungsbescheid 2012 vom 04.07.2014 erfolgte Qualifikation der von der Klägerin erzielten Einkünfte und gegen die festgestellte Höhe der von ihr erzielten Gesamthandseinkünfte.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kann ein Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach §§ 179, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO) eine Vielzahl selbständiger und damit auch selbständig anfechtbarer Feststellungen enthalten, die eigenständig in Bestandskraft erwachsen können. Solche selbständigen Feststellungen sind u.a. die Qualifikation der Einkünfte und die Höhe des laufenden Gesamthandsgewinns (z.B. BFH-Urteil vom 21.12.2021 - IV R 13/19, Rz 16, m.w.N.).
2. Die Klägerin begehrt mit ihrem Hauptantrag, anstelle laufender gewerblicher Gesamthandseinkünfte nur solche aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 19.775 € festzustellen. Der Hilfsantrag der Klägerin zielt für den Fall, dass die Ausgliederung des Betriebs der PVA auf eine zweite (beteiligungsidentische) GbR abgelehnt wird, darauf ab, laufende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 19.775 € und laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 6.561 € festzustellen. Die Klägerin wendet sich daher mit ihrem Hauptantrag gegen die Qualifikation der Einkünfte und wegen der vorgeblich fehlerhaften Einbeziehung der Einkünfte aus dem Betrieb der PVA in ihr Feststellungsverfahren gegen die Höhe des festgestellten laufenden Gesamthandsgewinns, mit ihrem Hilfsantrag nur gegen die Qualifikation der Einkünfte.
II. Der Hauptantrag der Klägerin, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 19.775 € festzustellen, hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Dieses Klagebegehren ist zwar zulässig. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Klägerin hiermit die Feststellung eines niedrigeren als des im Gewinnfeststellungsbescheid 2012 enthaltenen Gesamthandsverlusts begehrt. Insbesondere fehlt es nicht an der Beschwer i.S. des § 40 Abs. 2 FGO. Denn eine vorgeblich rechtsfehlerhafte Qualifikation der Einkünfte begründet unabhängig von den Gewinnauswirkungen eine Beschwer (z.B. BFH-Urteil vom 14.09.2017 - IV R 34/15, Rz 24, m.w.N.). Gleiches gilt für solche Einkünfte (Gewinne oder Verluste), die vermeintlich zu Unrecht in den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid einbezogen worden sind.
2. Das Klagebegehren bleibt aber in der Sache erfolglos, weil die Einkünfte aus dem Betrieb der PVA nicht von einer zweiten (ggf. beteiligungsidentischen Schwester-)GbR erzielt worden sind.
a) Eine (seitwärts) abfärbende Wirkung einer bestimmten originär gewerblichen Tätigkeit kann ‑‑auch unter Geltung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG n.F.‑‑ nicht eintreten, wenn diese gewerbliche Tätigkeit in einer eigenen zweiten (ggf. auch beteiligungsidentischen Schwester-)Personengesellschaft ausgeübt wird (sog. Ausgliederungsmodell; ständige Rechtsprechung zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F., z.B. BFH-Urteil vom 19.02.1998 - IV R 11/97, BFHE 186, 37, BStBl II 1998, 603, m.w.N.; Schmidt/Wacker, EStG, 41. Aufl., § 15 Rz 193). Denn jede Personengesellschaft übt als eigenständiges Einkünfteerzielungssubjekt eine auch eigenständig zu qualifizierende Tätigkeit aus.
Ob eine zweite (personenidentische) Gesellschaft gegründet und dort die gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wurde, ist aufgrund der objektiven Gegebenheiten des Einzelfalls zu entscheiden. Unabdingbare Voraussetzung für die Annahme einer zweiten Personengesellschaft ist nach der Rechtsprechung des BFH, dass die zweite Gesellschaft nach außen erkennbar geworden ist (BFH-Urteil in BFHE 186, 37, BStBl II 1998, 603, m.w.N.). Im Übrigen ist aufgrund von Beweisanzeichen (z.B. getrennte Bankkonten und Kassen, verschiedene Rechnungsvordrucke, eigenständige Buchführung) festzustellen, ob und inwieweit die zweite Gesellschaft eine von der ersten Gesellschaft abgrenzbare Tätigkeit entfaltet hat (BFH-Urteil in BFHE 186, 37, BStBl II 1998, 603). Auf eine zweite Personengesellschaft können auch getrennte Ergebnisermittlungen hindeuten (z.B. BFH-Urteil vom 15.12.1992 - VIII R 52/91, BFH/NV 1993, 684, unter II.2.c). Dabei obliegt es dem FG als Tatsachengericht, sämtliche Umstände des Einzelfalls, die Anhaltspunkte für die Beantwortung dieser Fragen bieten, aufzuklären und die dabei getroffenen Feststellungen dahingehend zu bewerten, ob sie den Schluss auf die Gründung einer zweiten Gesellschaft zulassen (BFH-Beschluss vom 22.01.1998 - IV B 153/96, BFH/NV 1998, 847, unter 1.).
b) Nach diesen Grundsätzen ist die Würdigung des FG, wonach die Gesellschafter der Klägerin den Betrieb der PVA im Streitjahr nicht auf eine zweite GbR ausgegliedert hatten, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Das FG hat im Rahmen seiner Würdigung berücksichtigt, dass die vorgelegten Unterlagen, welche eine weitere GbR im allgemeinen Rechtsverkehr nach außen dokumentieren könnten, keine Anhaltspunkte für die Existenz einer zweiten GbR im Streitjahr enthalten. So sind alle Verträge im Zusammenhang mit der Anschaffung, Finanzierung und dem Betrieb der PVA unter der Bezeichnung und im Namen der Klägerin abgeschlossen worden. Weiter wurden ‑‑so die Feststellungen des FG‑‑ die Darlehen über das Geschäftskonto der Klägerin ausgereicht; ebenso ist die Bankverbindung der Klägerin im Einspeisevertrag enthalten. Das FG hat weiter bedacht, dass die Gewinne für die Tätigkeitsbereiche "Vermietung" und "PVA" getrennt ermittelt wurden. Gleichwohl hat es hieraus nicht die konkludente Gründung einer zweiten GbR gefolgert, u.a. weil diese Gewinnermittlungen ‑‑wie schon in den Vorjahren‑‑ in einer Gewinnermittlung der "… GbR Vermietung und Photovoltaik" zusammengefasst und einer (einzigen) Feststellungserklärung unter der Steuernummer der Klägerin zugrunde gelegt worden sind, ein für beide Bereiche gemeinsames Anlagenverzeichnis existierte und die Klägerin von Anfang an ohne Einflussnahme des FA Umsatzsteuerjahreserklärungen abgegeben hat, in denen die Umsätze aus beiden Tätigkeitsbereichen zusammen erklärt worden sind. Nach alledem ist die Schlussfolgerung des FG, es habe im Streitjahr keine ‑‑ggf. konkludent gegründete‑‑ zweite GbR bestanden, ohne Weiteres nachvollziehbar. Sie lässt auch sonst keinen Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze erkennen.
bb) Die von der Klägerin hiergegen erhobenen Einwände greifen nicht durch.
Die vorstehend bezeichnete Schlussfolgerung des FG ist möglich und nach Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls auch naheliegend. Sie ist damit für den erkennenden Senat bindend (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 847, unter 1.). Die von der Klägerin für das Vorliegen einer zweiten GbR vorgebrachten Umstände zwingen nicht zu einer anderen als der vom FG gezogenen Schlussfolgerung. So hat das FG die nach Tätigkeitsbereichen getrennten Einkünfteermittlungen der Klägerin umfassend gewürdigt. Abweichendes muss sich auch nicht aus getrennten Buchführungen und der Vergabe einer zweiten Steuernummer durch das FA ergeben. Vielmehr hat das FG die maßgeblichen Indizien berücksichtigt und dabei die rechtlichen Anforderungen, die an die Erkennbarkeit einer zweiten GbR nach außen zu stellen sind, nicht überspannt. Es hat unter Zugrundelegung der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Gesamtwürdigung vorgenommen, die zu einem jedenfalls möglichen Ergebnis kommt. Dem BFH ist es verwehrt, an die Stelle einer vertretbaren Würdigung des FG eine andere zu setzen (z.B. BFH-Urteil vom 06.03.2007 - IX R 38/05, BFH/NV 2007, 1281, unter II.2.c, m.w.N.). Da auch keine Verfahrensrügen erhoben wurden, bleibt es bei der vom FG gezogenen Schlussfolgerung.
III. Ebenso hat das FG den Hilfsantrag der Klägerin, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 19.775 € und Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 6.561 € festzustellen, zu Recht als unbegründet abgewiesen.
Der Beurteilung des Streitfalls ist § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 und Satz 2 Alternative 1 EStG n.F. zugrunde zu legen (dazu 1.). Nach diesen Vorschriften ist die vermögensverwaltende Tätigkeit der Klägerin trotz des im gewerblichen Bereich erzielten Verlusts im Wege der Abfärbung insgesamt als gewerbliche zu qualifizieren (dazu 2.). Die vom BFH für gemischt tätige freiberufliche Personengesellschaften entwickelte Geringfügigkeitsgrenze ist zwar auch bei § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 EStG n.F. zu beachten (dazu 3.). Der erkennende Senat sieht aber keinen Grund, die in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 und Satz 2 Alternative 1 EStG n.F. angeordnete umqualifizierende Wirkung einer originär gewerblichen Tätigkeit für gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaften weitergehend einzuschränken, als dies bisher für gemischt tätige freiberufliche Personengesellschaften geschehen ist (dazu 4.). Da die Klägerin mit ihrer gewerblichen Tätigkeit die weiterhin anwendbare Geringfügigkeitsgrenze überschritten hat, bleibt es bei der seitwärts abfärbenden Wirkung (dazu 5.).
1. Gemäß § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG n.F. ist für das Streitjahr § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alternative 1 EStG n.F., im Übrigen auch § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 EStG n.F. anzuwenden.
Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 EStG n.F. gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer OHG, einer KG oder einer anderen Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit i.S. des Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ausübt (Alternative 1) oder gewerbliche Einkünfte i.S. des Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bezieht (Alternative 2). Dies gilt nach Satz 2 unabhängig davon, ob aus der Tätigkeit i.S. des Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ein Gewinn oder Verlust erzielt wird (Alternative 1) oder ob die gewerblichen Einkünfte i.S. des Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 positiv oder negativ sind (Alternative 2).
a) Gemäß § 121 Satz 1, § 100 Abs. 2 FGO kann ein Anspruch auf Abänderung des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheids nur dann bestehen, wenn dieser Bescheid im Zeitpunkt der Entscheidung des FG bzw. des BFH rechtswidrig ist. Dabei kommt es auf die Sach- und Rechtslage in dem Feststellungszeitraum an, der dem angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid zugrunde liegt (BFH-Urteil vom 28.07.2005 - III R 68/04, BFHE 211, 107, BStBl II 2008, 350, unter II.2., m.w.N., zum Einkommensteuerbescheid). Das FG und der BFH haben daher während des gerichtlichen Verfahrens eingetretene rückwirkende Gesetzesänderungen zu beachten, soweit sie verfassungsrechtlich zulässig sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 211, 107, BStBl II 2008, 350, unter II.2., m.w.N.).
b) Danach beurteilt sich der Streitfall nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 und Satz 2 Alternative 1 EStG n.F.
Mit der am 18.12.2019 in Kraft getretenen Neuregelung (vgl. Art. 39 Abs. 1 WElektroMobFördG) hat der Gesetzgeber zum einen in dem neuen Satz 1 Alternative 1 den bislang in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG a.F. enthaltenen Zitierfehler korrigiert (a.F.: "... im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 ..."; n.F.: "... im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 ... ."), zum anderen die Vorschrift um einen neuen Satz 2 ergänzt. Der neue Satz 1 ist als bloße redaktionelle Klarstellung ohne Weiteres rückwirkend anwendbar (vgl. BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1, Rz 45). Ebenso ist nach § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG n.F. der neue Satz 2 für Veranlagungszeiträume vor 2019 anwendbar. Da der erkennende Senat weder von der Verfassungswidrigkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 und Satz 2 Alternative 1 EStG n.F. noch von der des § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG n.F. überzeugt ist (dazu IV.), sind diese Normen der Beurteilung des Streitfalls zugrunde zu legen.
2. Die Klägerin hat den Tatbestand des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 und Satz 2 Alternative 1 EStG n.F. erfüllt, so dass ihre gesamte Tätigkeit als gewerbliche zu qualifizieren ist.
a) aa) Der neue Satz 1 Alternative 1 entspricht inhaltlich § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F. bzw. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG a.F. nach Einfügung der Alternative 2 durch das Jahressteuergesetz (JStG) 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878). Die bisherigen Grundsätze gelten daher unverändert fort. Danach ist Voraussetzung für dessen Anwendung, dass es sich um eine eigenständige gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG handelt, die von mindestens einer weiteren Tätigkeit der Personengesellschaft, die isoliert betrachtet zu einer anderen Einkunftsart (Gewinn- oder Überschusseinkunftsart) führen würde und auf die sich die Abfärbung auswirken soll, getrennt werden kann (BFH-Urteil vom 28.09.2017 - IV R 50/15, BFHE 259, 341, BStBl II 2018, 89, Rz 18, m.w.N.). Ist die Tätigkeit der Personengesellschaft hingegen wegen untrennbarer Verflechtung der Tätigkeiten einheitlich als originär gewerblich zu qualifizieren, gilt (insgesamt) § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Liegt eine einheitliche nichtgewerbliche (z.B. freiberufliche oder vermögensverwaltende) Tätigkeit vor, entfällt die Anwendung von § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 EStG n.F. (BFH-Urteile vom 27.08.2014 - VIII R 6/12, BFHE 247, 513, BStBl II 2015, 1002, Rz 46, zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F. betreffend gewerbliche und freiberufliche Tätigkeit; vom 14.07.2016 - IV R 34/13, BFHE 255, 12, BStBl II 2017, 175, Rz 55, zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F. betreffend gewerbliche und vermögensverwaltende Tätigkeit).
bb) Die Neuregelung enthält ‑‑wie § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F.‑‑ keinerlei Ausnahmen von der sog. Abfärbewirkung. Im Gegenteil setzt der neue Satz 2 Alternative 1, wonach die umqualifizierende Wirkung unabhängig davon eintritt, ob aus der Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ein Gewinn oder Verlust erzielt wird, die vom erkennenden Senat in dem BFH-Urteil vom 12.04.2018 - IV R 5/15 (BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118, Rz 34 f.) vertretene Rechtsauffassung, nach der negative Einkünfte aus einer originär gewerblichen Tätigkeit nicht zur Umqualifizierung der vermögensverwaltenden Einkünfte einer GbR führen, mit Wirkung auch für das Streitjahr außer Kraft.
b) Danach hat die Klägerin ausschließlich gewerbliche Einkünfte erzielt.
Die Klägerin übte als GbR und damit als eine "andere Personengesellschaft" i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 EStG n.F. (z.B. BFH-Urteil in BFHE 259, 341, BStBl II 2018, 89, Rz 19, m.w.N., zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F.) zum einen eine vermögensverwaltende Tätigkeit, zum anderen mit dem Betrieb der PVA ‑‑was nicht in Streit steht‑‑ eine originär gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG aus (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 16.09.2014 - X R 32/12, Rz 17, m.w.N., zur Gewerblichkeit des Betriebs einer PVA). Anhaltspunkte, die für eine untrennbare Verflechtung dieser beiden Tätigkeitsbereiche sprechen könnten, sind nicht ersichtlich. Vielmehr konnte die Klägerin ohne Weiteres ihre vermögensverwaltende Tätigkeit ohne die Stromerzeugung ausüben und umgekehrt. Zudem erzielte die Klägerin ‑‑was ebenfalls nicht streitig ist‑‑ im vermögensverwaltenden Bereich (insbesondere) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 19.775 €, im gewerblichen Bereich Einkünfte in Höhe von ./. 6.561 €. Da gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alternative 1 EStG n.F. ausdrücklich auch originär gewerbliche Verluste einer Abfärbung auf die übrige Tätigkeit nicht entgegenstehen, hat die Klägerin insgesamt eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt und damit insgesamt gewerbliche Einkünfte erzielt.
3. Die vom BFH für gemischt tätige freiberufliche Personengesellschaften entwickelte Geringfügigkeitsgrenze ist auch bei Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 EStG n.F. zu beachten (noch offen gelassen im BFH-Urteil in BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118, Rz 36).
a) Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat, soweit die Frage der Einschränkung der umqualifizierenden Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F. ("Seitwärtsabfärbung") durch Anerkennung einer unschädlichen Geringfügigkeitsgrenze betroffen ist, verschiedene Phasen durchlaufen:
Während in der ersten Phase eine Einschränkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F. bei Geringfügigkeit der gewerblichen Tätigkeit abgelehnt wurde (z.B. BFH-Urteile vom 10.08.1994 - I R 133/93, BFHE 175, 357, BStBl II 1995, 171, unter II.2.b; in BFHE 186, 37, BStBl II 1998, 603), war die zweite Phase durch die grundsätzliche Anerkennung einer Geringfügigkeitsgrenze, d.h. die Ablehnung der umqualifizierenden Wirkung bei einem äußert geringen Anteil der originär gewerblichen Tätigkeit gekennzeichnet; es existierten jedoch keine festen Umsatzgrenzen zur Bestimmung des äußerst geringen Anteils (BFH-Urteile vom 11.08.1999 - XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229, unter II.3.: jedenfalls keine Umqualifizierung bei gewerblichen Umsätzen in Höhe von 1,25 % der Gesamtumsätze; vom 29.11.2001 - IV R 91/99, BFHE 197, 400, BStBl II 2002, 221, unter 3.b cc; BFH-Beschluss vom 08.03.2004 - IV B 212/03, BFH/NV 2004, 954, unter 2.a und b: jedenfalls keine Umqualifizierung bei gewerblichen Umsätzen in Höhe von 2,81 % der Gesamtumsätze). In der dritten Phase quantifizierte der VIII. Senat des BFH mit seinen Urteilen vom 27.08.2014 für gemischt tätige freiberufliche Personengesellschaften klare Umsatzgrenzen für die Geringfügigkeitsgrenze. Danach ist eine die umqualifizierende Wirkung nicht auslösende gewerbliche Tätigkeit von äußerst geringem Ausmaß gegeben, wenn die originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse 3 % der Gesamtnettoumsätze (relative Grenze) der Personengesellschaft und zugleich den Höchstbetrag von 24.500 € im Feststellungszeitraum (absolute Grenze) nicht übersteigen (BFH-Urteile vom 27.08.2014 - VIII R 16/11, BFHE 247, 499, BStBl II 2015, 996, Rz 28, und VIII R 41/11, BFHE 247, 506, BStBl II 2015, 999, Rz 27; in BFHE 247, 513, BStBl II 2015, 1002, Rz 53). Die letzte Phase ist durch das Urteil des erkennenden Senats in BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118, Rz 34 bestimmt, wonach im Falle einer vermögensverwaltenden GbR (auch) negative Einkünfte aus einer gewerblichen Tätigkeit nicht zur Abfärbung führen.
b) Der Gesetzgeber geht offenbar davon aus, dass die vom VIII. Senat des BFH entwickelte Geringfügigkeitsgrenze mit ihrer relativen und absoluten Grenze bei der Auslegung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 EStG n.F. zu beachten ist. So heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs zu dieser Norm, die Änderung stelle sicher, "dass ‑‑mit Ausnahme der von der Rechtsprechung entwickelten und von der Finanzverwaltung angewandten Bagatellgrenzen‑‑ nicht in jedem Jahr erneut zu prüfen ist, ob eine gewerbliche Abfärbung der Einkünfte anzunehmen ist" (BRDrucks 356/19, S. 104). Anhaltspunkte dafür, dass es dem Willen des Gesetzgebers entsprochen haben könnte, unterschiedliche Bagatellgrenzen in Abhängigkeit davon heranzuziehen, ob die Personengesellschaft neben der gewerblichen Tätigkeit eine Tätigkeit nach § 13 EStG, eine solche nach § 18 EStG oder eine vermögensverwaltende Tätigkeit ausübt, lassen sich der Begründung des Gesetzentwurfs nicht entnehmen. Denn die dort in Bezug genommene Ansicht der Finanzverwaltung verweist seit dem Veranlagungszeitraum 2015 in H 15.8 Abs. 5 des Amtlichen Einkommensteuer-Handbuchs (EStH) 2015 unter dem Stichwort "Bagatellgrenze" auf die vorstehend genannten Urteile des VIII. Senats vom 27.08.2014, ohne danach zu unterscheiden, ob die Personengesellschaft neben ihrer originär gewerblichen Tätigkeit nach § 13 EStG, nach § 18 EStG oder vermögensverwaltend tätig ist.
c) Ausgehend von dieser Begründung des Gesetzentwurfs legt der erkennende Senat ‑‑trotz der weiterhin fehlenden Kodifizierung‑‑ die Neuregelung dahin aus, dass die von der Rechtsprechung entwickelte Geringfügigkeitsgrenze mit ihrer relativen und absoluten Umsatzgrenze auch bei Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 EStG n.F. zu beachten ist (anderer Ansicht Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach ‑‑HHR‑‑, § 15 EStG Rz 1426).
Bereits § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F. enthielt keinerlei Ausnahmen von der sog. Abfärbewirkung. Gleichwohl hat der BFH ‑‑wie vorstehend dargestellt‑‑ eine zu beachtende Geringfügigkeitsgrenze entwickelt, um die "Seitwärtsabfärbung" bei gewerblichen Tätigkeiten von äußerst geringem Ausmaß mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu begrenzen. Das BVerfG hat die darin zum Ausdruck kommende restriktive Auslegung dieser Norm durch den BFH unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil in BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229 nicht nur nicht beanstandet, sondern als eines von mehreren Argumenten zur Begründung der Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 1988 geltenden Fassung (= § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG a.F. nach Einfügung der Alternative 2 durch das JStG 2007) herangezogen (BVerfG-Beschluss vom 15.01.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, Rz 131). Diese Überlegungen sind auf § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 EStG n.F. gleichermaßen übertragbar.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alternative 1 EStG n.F. Nach dieser Regelung führt zwar jede originär gewerbliche Tätigkeit zur "Seitwärtsabfärbung", unabhängig davon, ob aus dieser Tätigkeit ein Gewinn oder Verlust erzielt wird. Damit wollte der Gesetzgeber aber ‑‑wie vorstehend aufgezeigt‑‑ gerade nicht die bisherige Geringfügigkeitsgrenze beseitigen, sondern allein die im BFH-Urteil in BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118, Rz 34 f. vertretene Rechtsauffassung außer Kraft setzen, wonach gewerbliche Verluste (generell) nicht abfärben. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alternative 1 EStG n.F. stellt damit lediglich klar, dass die abfärbende Wirkung durch die gewerbliche Tätigkeit und nicht durch das hieraus erzielte positive oder negative Ergebnis (Gewinn oder Verlust) ausgelöst wird. Dies bedeutet zugleich, dass die bisherige Geringfügigkeitsgrenze mit ihrer absoluten und relativen Umsatzgrenze sowohl bei Gewinnen als auch bei Verlusten zu beachten ist. Wird diese Bagatellgrenze überschritten, färben gewerbliche Gewinne und gewerbliche Verluste gleichermaßen ab.
4. Der erkennende Senat sieht keinen Grund, die abfärbende Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 und Satz 2 Alternative 1 EStG n.F. für gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaften stärker einzuschränken, als dies bisher für gemischt tätige freiberufliche Personengesellschaften geschehen ist.
Für gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaften ist keine höhere Bagatellgrenze anzusetzen (dazu a). Bei solchen Personengesellschaften ist der Prüfung der sog. Abfärbewirkung auch kein mehrjähriger Beobachtungszeitraum zugrunde zu legen (dazu b). Auch von Verfassungs wegen ist eine Neuausrichtung der Geringfügigkeitsgrenze nicht geboten (dazu c).
a) Für gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaften ist keine höhere Bagatellgrenze anzusetzen (dies noch offen lassend BFH-Urteil in BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118, Rz 36).
Bei solchen Personengesellschaften können die steuerrechtlichen Folgen infolge der Verstrickung der Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen zwar gravierender sein als bei gemischt freiberuflich oder land- und forstwirtschaftlich tätigen Personengesellschaften. Dies rechtfertigt aber keine unterschiedlichen Bagatellgrenzen. Dem Gesetzgeber kann die vorbezeichnete Problematik nicht verborgen geblieben sein; der Gesetzentwurf benennt es vielmehr als Ziel, dass eine Abfärbung neben u.a. freiberuflichen auch vermögensverwaltende Einkünfte erfasst (BRDrucks 356/19, S. 104). Es lassen sich weder § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG n.F. noch der Begründung des Gesetzentwurfs zu dieser Neuregelung Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber für gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaften eine modifizierte Bagatellgrenze einführen wollte (dazu bereits vorstehend B.III.3.b). Zudem widerspräche eine modifizierte Bagatellgrenze für gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaften dem Sinn und Zweck des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, die Einkünfteermittlung zu vereinfachen. So würden unterschiedliche Bagatellgrenzen zu weiteren Abgrenzungsschwierigkeiten führen (gleicher Ansicht Carlé/Bauschatz in Korn, § 15 EStG Rz 492.1; Stenert/Gravenhorst, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2020, 2505, 2507 f.). Es müsste das Konkurrenzverhältnis zwischen den verschiedenen Bagatellgrenzen geklärt werden, wenn die Personengesellschaft z.B. neben der originär gewerblichen Tätigkeit vermögensverwaltend und freiberuflich tätig ist; der angestrebte Vereinfachungseffekt wäre konterkariert. Im Übrigen lässt sich nicht belastbar quantifizieren, wie hoch die relative und/oder absolute Grenze bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften zur Abfederung der eintretenden Folgen sein müsste. Es könnte wiederum nur eine griffweise Schätzung vorgenommen werden, die einer belastbaren Grundlage entbehrt.
Vor diesem Hintergrund teilt der erkennende Senat auch nicht die in der mündlichen Verhandlung geäußerten Überlegungen der Klägerin, wonach bei gemischt tätigen vermögensverwaltenden Personengesellschaften auf die relative Grenze verzichtet werden und nur die absolute Grenze von 24.500 € zur Anwendung kommen oder in Anlehnung an § 9 Nr. 1 Satz 3 Buchst. b des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.d.F. des Fondsstandortgesetzes vom 03.06.2021 (BGBl I 2021, 1498) ausschließlich eine relative 10 %-Grenze zugrunde gelegt werden sollte. Ebenso entbehrt der Vorschlag des FA, wonach bei gemischt tätigen vermögensverwaltenden Personengesellschaften als typisierender Maßstab zur Bestimmung einer unschädlichen Tätigkeit von äußerst geringem Ausmaß die Nettoinvestitionssummen in den verschiedenen Tätigkeitsbereichen miteinander zu vergleichen seien, nach Ansicht des erkennenden Senats einer tragfähigen Grundlage.
b) § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 und Satz 2 Alternative 1 EStG n.F. lässt es ‑‑entgegen der Auffassung der Klägerin‑‑ auch nicht zu, die abfärbende Wirkung erst nach einem längeren (mehrjährigen) Beobachtungszeitraum (z.B. von drei Jahren) eintreten zu lassen (dies noch offen lassend BFH-Urteil in BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118, Rz 36).
aa) Nach Ansicht der Klägerin dürfen gewerbliche Einkünfte erst nach einem längeren Beobachtungszeitraum zur Abfärbung führen, weil anderenfalls ein späterer Wegfall der bereits eingetretenen Abfärbewirkung zu einer Betriebsaufgabe führe (ähnlich Kanzler, Finanz-Rundschau 2015, 512; Wendt, Steuerberater-Jahrbuch 2015/2016, 35, 42; Kahle/Braun, Deutsche Steuer-Zeitung 2019, 332).
bb) Der Senat kann sich dieser Meinung im Ergebnis aus den gleichen Gründen nicht anschließen, die bereits gegen eine modifizierte Bagatellgrenze sprechen (dazu vorstehend B.III.4.a). Zudem ist nicht ersichtlich, auf welche Rechtsgrundlage sich unter Berücksichtigung des Prinzips der Abschnittsbesteuerung (Jahresbetrachtung) ein Beobachtungszeitraum stützen ließe, der über einen Veranlagungszeitraum (ein Kalenderjahr) hinausgeht. Im Übrigen würde das Problem der Betriebsaufgabe (infolge "Entstrickung") auch durch Einführung eines Beobachtungszeitraums nicht gänzlich gelöst, sondern lediglich entschärft und ggf. auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.
c) Auch von Verfassungs wegen ist eine Neuausrichtung der Geringfügigkeitsgrenze nicht geboten (dazu B.IV.1.; anderer Ansicht noch BFH-Urteil in BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118, Rz 34 ff., zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F. für gewerbliche Verluste einer ansonsten vermögensverwaltend tätigen GbR).
5. Nach Anwendung vorstehend genannter Grundsätze bleibt es bei der seitwärts abfärbenden Wirkung. Die Klägerin hat aus der originär gewerblichen Tätigkeit Nettoumsätze von 8.472 € erzielt. Diese Umsätze machten 7,46 % der Gesamtnettoumsätze (113.484 €) aus. Sie blieben zwar unterhalb der absoluten Umsatzgrenze von 24.500 €, überschritten aber deutlich die relative Bagatellgrenze von 3 % der Gesamtnettoumsätze.
IV. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO in Verbindung mit einer Vorlage des Rechtsstreits an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG kommt nicht in Betracht. Der erkennende Senat ist weder von der Verfassungswidrigkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 und Satz 2 Alternative 1 EStG n.F. (dazu 1.) noch von der Verfassungswidrigkeit der in § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG n.F. angeordneten rückwirkenden Geltung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alternative 1 EStG n.F. (dazu 2.) überzeugt.
1. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 und Satz 2 Alternative 1 EStG n.F. sind mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (ebenso Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15 Rz 188; anderer Ansicht Stenert/Gravenhorst, DStR 2020, 2505, 2510 f.; Carlé/Bauschatz in Korn, § 15 EStG Rz 498.2).
Die vom BVerfG in seinem Beschluss in BVerfGE 120, 1, Rz 117 ff. zur Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 1988 geltenden Fassung (= § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG a.F. nach Einfügung der Alternative 2 durch das JStG 2007) dargelegten Gründe für eine Vereinbarkeit der Abfärberegelung mit Art. 3 Abs. 1 GG sind auch für § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 EStG n.F. weiterhin gültig (dazu a). § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 EStG n.F. ist auch nicht verfassungswidrig, soweit die originär gewerbliche Tätigkeit eine im Übrigen vermögensverwaltend tätige Personengesellschaft infiziert (dazu b). Dies gilt auch dann, wenn die gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaft in ihrem gewerblichen Bereich einen Verlust (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alternative 1 EStG n.F.) erzielt (dazu c).
a) Die vom BVerfG dargelegten, für die Verfassungsmäßigkeit der Abfärberegelung sprechenden Gründe gelten auch für § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 EStG n.F. unverändert fort. Denn die vom BVerfG geprüfte Vorschrift stimmt inhaltlich mit dem im Streitfall anwendbaren § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 EStG n.F. überein. Wie dargelegt (dazu vorstehend B.III.3.c), geht der erkennende Senat davon aus, dass die bisherige Bagatellgrenze mit ihrer relativen und absoluten Umsatzgrenze auch bei § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 EStG n.F. zu beachten ist. Deshalb ist unter Zugrundelegung der vom BVerfG entwickelten Maßstäbe auch die in der Neufassung geregelte Abfärbewirkung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
b) § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 EStG n.F. ist auch verfassungskonform, soweit diese Vorschrift die umqualifizierende Wirkung auf gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaften betrifft.
aa) Die Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 120, 1 betrifft zwar die umqualifizierende Wirkung einer originär gewerblichen Tätigkeit auf eine im Übrigen freiberuflich tätige Personengesellschaft. Das BVerfG hat seine Ausführungen aber nicht auf diese Einkunftsart beschränkt, sondern in seine Überlegungen wiederholt auch gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaften einbezogen. Im Wesentlichen hat das BVerfG in seinem Beschluss in BVerfGE 120, 1 ausgeführt, dass die Abfärberegelung zwar zu einer Ungleichbehandlung von Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmern führe (a.a.O., Rz 110). Hierin liege aber kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. So habe der Gesetzgeber mit der Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F. legitime Zwecke ‑‑zum einen die Vereinfachung der Einkünfteermittlung gemischt tätiger Personengesellschaften (a.a.O., Rz 118 ff.), zum anderen die Erhaltung der Substanz der Gewerbesteuer (a.a.O., Rz 125)‑‑ verfolgt. Soweit die Vereinfachung bei der Einkünfteermittlung betroffen ist, hat das BVerfG betont, dass sich ansonsten gerade bei gemischt tätigen vermögensverwaltenden Personengesellschaften durch die notwendige Bildung unterschiedlicher Vermögensmassen (Privatvermögen/Betriebsvermögen) die Probleme weiter verschärfen würden (a.a.O., Rz 120 f.). Zudem stünden die mit der Typisierung der Regelung für die Personengesellschaften verbundenen Nachteile in einem vertretbaren Verhältnis zu den mit der Regelung verfolgten Zielen (a.a.O., Rz 130 ff.). So werde die zusätzliche Belastung u.a. durch eine restriktive Interpretation der Vorschrift durch den BFH (a.a.O., Rz 131) und vor allem durch die Möglichkeit gemildert, der Abfärberegelung durch die risikolose und ohne großen Aufwand durchzuführende Gründung einer zweiten personenidentischen Personengesellschaft auszuweichen (a.a.O., Rz 132 ff.). Im Übrigen eröffne die Freiheit im Ergreifen der beschriebenen Gestaltungsmöglichkeit dem Steuerschuldner die Option, es bei der Abfärbewirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F. zu belassen, wenn dies für ihn günstiger sei. Denn es dürfe nicht übersehen werden, dass die mit der Abfärberegelung verbundene Gewerblichkeit ‑‑insbesondere bei der Umqualifizierung von Einkünften aus Vermögensverwaltung‑‑ auch zu steuerlichen Vorteilen führen könne (a.a.O., Rz 138).
Diese Ausführungen enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass verfassungsrechtlich unterschiedliche Maßstäbe in Abhängigkeit von der Art der umzuqualifizierenden Tätigkeit geboten sind.
bb) Die von der Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Argumentation, wonach das Ausgliederungsmodell als solches bei Nutzungsüberlassungen zwischen einer vermögensverwaltend und einer gewerblich tätigen Schwesterpersonengesellschaft neue Risiken berge, führt zu keiner abweichenden verfassungsrechtlichen Beurteilung. Überlässt die vermögensverwaltende Personengesellschaft die wesentlichen Betriebsgrundlagen der gewerblich tätigen Schwesterpersonengesellschaft unentgeltlich oder zu einem nicht kostendeckenden Entgelt, erzielt sie grundsätzlich mangels Gewinnerzielungsabsicht keine gewerblichen Einkünfte aufgrund einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung (BFH-Urteil in BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118, Rz 23 ff.); es bleibt also bei der vermögensverwaltenden Tätigkeit. Zwar können in einem solchen Fall die der gewerblich tätigen Schwesterpersonengesellschaft zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter ggf. Sonderbetriebsvermögen (I) bei der letztgenannten Personengesellschaft sein (vgl. BFH-Urteile vom 16.06.1994 - IV R 48/93, BFHE 175, 109, BStBl II 1996, 82, unter I.3.a; vom 10.11.2005 - IV R 29/04, BFHE 211, 305, BStBl II 2006, 173, unter 2.d aa). Dies ist aber eine Folge des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG und der bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften zur Anwendung kommenden Bruchteilsbetrachtung (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO) und keine Folge der Abfärbewirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Im Übrigen hat auch bereits das BVerfG das Problem einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung gesehen und nicht als durchgreifend erachtet (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 1, Rz 135).
c) Ebenso ist die Regelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alternative 1 EStG n.F. verfassungskonform, soweit die gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaft im gewerblichen Bereich nach den einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften einen Verlust erzielt. Denn auch für diesen Fall ist die Ungleichbehandlung von Einzelunternehmern und Personengesellschaften ‑‑entgegen der Meinung der Klägerin‑‑ verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit der Senat in seinem Urteil in BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118, Rz 35 zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F. noch eine andere Auffassung vertreten hat, hält er daran nicht mehr fest.
aa) Der von § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 EStG n.F. weiterhin angestrebte Zweck einer vereinfachten Einkünfteermittlung entfällt nicht deshalb, weil eine gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaft handelsrechtlich ggf. nicht zur Buchführung und zur Bilanzierung verpflichtet ist (vgl. z.B. Stenert/Gravenhorst, DStR 2020, 2505, 2511, zur Einkünfteermittlung vermögensverwaltender Personengesellschaften). Denn unabhängig von der Methode der Einkünfteermittlung ergeben sich ‑‑wie auch das BVerfG betont hat (dazu oben B.IV.1.b)‑‑ gerade bei gemischt tätigen vermögensverwaltenden Personengesellschaften Abgrenzungsschwierigkeiten, die § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 EStG n.F. vermeiden will. Es müssten im Gesellschaftsvermögen verschiedene Vermögensbereiche ‑‑Privatvermögen und Betriebsvermögen‑‑ gebildet und die Wirtschaftsgüter sowie die durch die einzelnen Tätigkeitsbereiche veranlassten Einnahmen und Aufwendungen diesen Bereichen zugeordnet werden. Zudem kämen ‑‑je nach betroffenem Vermögensbereich‑‑ unterschiedliche Einkünfteermittlungsvorschriften zur Anwendung (z.B. allgemeine Steuerpflicht bei Veräußerung von Betriebsvermögen versus partielle Steuerpflicht bei Veräußerung von Privatvermögen nach § 17 und § 23 EStG; keine Einlagen und Entnahmen sowie keine Anwendung der §§ 6b, 6c, 7g EStG bei Überschusseinkünften). Diese Abgrenzung würde besondere Bedeutung dann erlangen, wenn es dem Steuerpflichtigen gerade darum ginge, die abfärbende Wirkung durch Erzielen eines gewerblichen Verlusts zu vermeiden. Damit wäre der von der "Seitwärtsabfärbung" bezweckte Effekt einer vereinfachten Einkünfteermittlung gefährdet. Im Übrigen war dieser Vereinfachungseffekt auch Grund dafür, dass der VIII. Senat des BFH in seinen Urteilen vom 27.08.2014 die Bagatellgrenze anhand von Umsatzgrenzen, nicht anhand von Gewinngrenzen konkretisiert hat (z.B. BFH-Urteil in BFHE 247, 513, BStBl II 2015, 1002, Rz 63).
bb) Auch der weiterhin von § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 EStG n.F. bezweckte Schutz des Gewerbesteueraufkommens entfällt nicht schon dann, wenn die gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaft aus der gewerblichen Tätigkeit einen Verlust erzielt.
Soweit es in der Begründung des Gesetzentwurfs der Neuregelung hierzu heißt, die Begründung des BFH, die gewerbliche Abfärbetheorie diene ausschließlich der Sicherung des Gewerbesteueraufkommens, welches bei Verlusten nicht gefährdet sei, überzeuge nicht, da es z.B. aufgrund von Hinzurechnungen auch im Verlustfall zu einer Gewerbesteuerfestsetzung kommen könne (BRDrucks 356/19, S. 104), kann diese Begründung der Neuregelung ihrerseits nur dann überzeugen, wenn man eine "Entfärbung" der gewerblichen Einkünfte (des gewerblichen Verlusts) annehmen wollte. Verneint man hingegen eine "Entfärbung", kann es trotz eines einkommensteuerrechtlichen gewerblichen Verlusts infolge der ggf. in diesem Bereich vorzunehmenden gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnungen gleichwohl zu einem positiven Gewerbeertrag und damit zu einer positiven Gewerbesteuerfestsetzung kommen.
Das Gewerbesteueraufkommen ist aber bei fehlender Abfärbung schon dadurch gefährdet, dass Aufwendungen aus dem vermögensverwaltenden Bereich in den gewerblichen Bereich verlagert werden könnten und dadurch überhaupt ein gewerblicher Verlust entstehen oder sich ein nach § 10a GewStG nutzbarer gewerblicher Verlust erhöhen würde.
2. a) Die in § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG n.F. angeordnete rückwirkende Geltung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alternative 1 EStG n.F. auch für das Streitjahr stellt eine "echte" Rückwirkung dar (dazu aa), die verfassungsrechtlich ausnahmsweise nicht zu beanstanden ist (dazu bb und cc).
aa) Eine Rechtsnorm entfaltet "echte" Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon für vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll (z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 07.07.2010 - 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1, Rz 56; vom 25.03.2021 - 2 BvL 1/11, BVerfGE 157, 177, Rz 52; vom 30.06.2020 - 1 BvR 1679/17, 1 BvR 2190/17, BVerfGE 155, 238, Rz 129). Danach liegt im Steuerrecht eine "echte" Rückwirkung vor, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert (BVerfG-Beschluss vom 10.10.2012 - 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302, Rz 44, m.w.N.). Für den Bereich des Einkommensteuerrechts bedeutet dies, dass die Änderung von Normen mit Wirkung für einen abgeschlossenen Veranlagungszeitraum der Kategorie der "echten" Rückwirkung zuzuordnen ist; denn nach § 38 AO i.V.m. § 36 Abs. 1 EStG entsteht die Einkommensteuer mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, d.h. des Kalenderjahres (§ 25 Abs. 1 EStG).
So verhält es sich im Streitfall. § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG n.F. ordnet die Geltung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alternative 1 EStG n.F. für Veranlagungszeiträume vor 2019 und damit für solche an, die im Zeitpunkt der Gesetzesverkündung am 17.12.2019 bereits abgeschlossen waren. Im Streitfall ist über den Veranlagungszeitraum (bzw. Feststellungszeitraum) 2012 zu entscheiden. Damit hat der Gesetzgeber mit § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG n.F. die bereits entstandene Einkommensteuer 2012 nachträglich abgeändert.
bb) Diese "echte" Rückwirkung ist ausnahmsweise verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (ebenso BeckOK EStG/Schenke, 13. Ed. [01.07.2022], EStG § 15 Rz 2287; dies bezweifelnd Krumm in Kirchhof/Seer, EStG, 21. Aufl., § 15 Rz 144a; anderer Ansicht HHR/Stapperfend, § 15 EStG Rz 1402; Stenert/Gravenhorst, DStR 2020, 2505, 2512 f.; Carlé/Bauschatz in Korn, § 15 EStG Rz 498.2).
Der Gesetzgeber hat mit § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alternative 1. i.V.m. § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG n.F. unter Beachtung der für rückwirkende Gesetzesänderungen geltenden verfassungsrechtlichen Vorgaben (dazu (1)) zulässig eine Rechtslage festgeschrieben, die vor dem BFH-Urteil in BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118 einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung und einheitlichen Rechtspraxis entsprochen hat (dazu (2)). Ebenso war das vorstehend genannte Urteil des IV. Senats des BFH in BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118 nicht geeignet, Vertrauen dahingehend zu erzeugen, das bei gemischt tätigen vermögensverwaltenden Personengesellschaften Verluste im gewerblichen Bereich nicht abfärben (dazu (3)).
(1) Gesetze mit "echter" Rückwirkung, die die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändern, sind verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig (ständige Rechtsprechung des BVerfG, z.B. Beschluss in BVerfGE 127, 1, Rz 56, m.w.N.). Belastende Steuergesetze dürfen ihre Wirksamkeit grundsätzlich nicht auf bereits abgeschlossene Tatbestände erstrecken; der Gesetzgeber darf daran nicht ungünstigere Folgen knüpfen als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind aber ‑‑ohne dass dies abschließend wäre‑‑ Fallgruppen anerkannt, in denen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot durchbrochen ist (BVerfG-Beschluss vom 15.10.2008 - 1 BvR 1138/06, BVerfGK 14, 338, Rz 14, m.w.N.). So tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, namentlich dann zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte, etwa weil die Rechtslage unklar und verworren war (z.B. BVerfG-Beschluss in BVerfGK 14, 338, Rz 14, m.w.N.) oder weil ein Zustand allgemeiner und erheblicher Rechtsunsicherheit eingetreten war und für eine Vielzahl Betroffener Unklarheit darüber herrschte, was rechtens sei (z.B. BVerfG-Beschluss vom 02.05.2012 - 2 BvL 5/10, BVerfGE 131, 20, Rz 77, m.w.N.). Dem Gesetzgeber ist es unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes erst recht verfassungsrechtlich nicht verwehrt, eine Rechtslage rückwirkend festzuschreiben, die vor einer Rechtsprechungsänderung einer gefestigten Rechtsprechung und einheitlichen Rechtspraxis entsprach (BVerfG-Beschluss in BVerfGK 14, 338, Rz 19). Ein schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung kann allenfalls bei gefestigter, langjähriger Rechtsprechung entstehen (BVerfG-Beschluss vom 21.07.2010 - 1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05, BVerfGE 126, 369, Rz 79). Hingegen rechtfertigt allein die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm nicht deren rückwirkende Änderung (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 135, 1, Rz 67).
(2) Die Klägerin konnte im Streitjahr nicht auf die zu diesem Zeitpunkt noch unbekannte und nicht ohne Weiteres erwartbare Rechtslage vertrauen, die erst durch das Urteil des IV. Senats des BFH in BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118 geschaffen wurde.
(2.1.) Als die Klägerin ihre Dispositionen im Zeitraum von 2010 bis 2012 traf (Errichtung der PVA, mangelnde Ausgliederung auf eine eigenständige Personengesellschaft), vertrat die höchstrichterliche Rechtsprechung ‑‑wie bereits unter B.III.3.a dargelegt‑‑ zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F. die Auffassung, dass nur eine gewerbliche Tätigkeit von äußerst geringem Ausmaß nicht abfärbt. Dabei bestimmte die Rechtsprechung das "äußerst geringe Ausmaß" anhand der auf die gewerbliche Tätigkeit entfallenden Umsätze im Verhältnis zu den Gesamtumsätzen, nicht anhand der im gewerblichen Bereich erzielten Einkünfte. So lag bei den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen, in denen ausnahmsweise eine umqualifizierende Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F. abgelehnt wurde, der Anteil der gewerblichen Umsätze weit unter 5 % der Gesamtumsätze (dazu oben B.III.3.a). Diese Rechtsprechung war dem Grunde nach auch von der Finanzverwaltung akzeptiert und fand sich seit dem Veranlagungszeitraum 2000 in H 138 Abs. 5 EStH 2000, ab dem Veranlagungszeitraum 2005 inhaltlich unverändert in H 15.8 Abs. 5 EStH unter dem Stichwort "Geringfügige gewerbliche Tätigkeit". Der BFH hat diese Bagatellgrenze im Jahr 2014 bezüglich der Umsatzgrenzen weiter konkretisiert und eine feste relative (3 %) und absolute (24.500 €) Grenze geschaffen (dazu oben B.III.3.a). Auch diese Rechtsprechung wurde von der Finanzverwaltung akzeptiert und wird seit dem Veranlagungszeitraum 2015 in H 15.8 Abs. 5 EStH 2015 unter dem Stichwort "Bagatellgrenze" wiedergegeben.
Danach konnte sich bei einem gewerblichen Umsatzanteil von 7,46 % der Gesamt(netto)umsätze ‑‑wie im Streitfall‑‑ unter Berücksichtigung der damals geltenden Gesetzesinterpretation kein schutzwürdiges Vertrauen bilden. Auch wenn im Streitjahr noch keine von der Rechtsprechung entwickelten festen Umsatzgrenzen zur Bestimmung einer gewerblichen Tätigkeit von äußerst geringem Umfang existierten und diesbezüglich eine gewisse Rechtsunsicherheit herrschte, bestanden jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass gewerbliche Verluste generell nicht abfärben sollten.
(2.2.) Der Klägerin wurde auch nicht deshalb eine schutzwürdige Position entzogen, weil der Gesetzgeber mit § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG n.F. rückwirkend unerlaubt eine von ihm missbilligte Gesetzesauslegung durch den BFH beseitigt hätte. Vielmehr hat der Gesetzgeber durch die Neuregelung verfassungskonform die durch das BFH-Urteil in BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118 für gemischt tätige Personengesellschaften, die im gewerblichen Bereich einen Verlust erzielt haben, erfolgte Rechtsprechungsänderung rückwirkend beseitigt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich das genannte BFH-Urteil in BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118 nicht als eine folgerichtige Fortentwicklung der zu diesem Zeitpunkt in Rechtsprechung und Finanzverwaltung anerkannten Geringfügigkeitsgrenze für gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaften begreifen; insbesondere sind durch dieses Urteil keine Zweifelsfragen bei der Anwendung der Bagatellgrenze beseitigt worden. Vielmehr ist hierdurch für Fälle eines Verlusts im gewerblichen Bereich die Rechtsprechung geändert worden. Denn das Urteil verfolgt einen neuen methodischen Ansatz bei der Auslegung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F. Bis zum Ergehen dieses Urteils blieb mit der Bagatellgrenze eine originär gewerbliche Tätigkeit von äußert geringem Ausmaß ‑‑diese wiederum bestimmt anhand einfach zu ermittelnder objektiver Umsatzgrenzen‑‑ unberücksichtigt. Dabei haben die höchstrichterliche Rechtsprechung und die Finanzverwaltung nicht danach differenziert, ob aus der auch gewerblichen Tätigkeit ein Gewinn oder ein Verlust erzielt wird. Das Abstellen auf gewerbliche Verluste in dem BFH-Urteil in BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118 bedeutet damit die Einführung eines neuen Kriteriums, welches sowohl von der Höhe dieser (negativen) Einkünfte als auch vom Umfang der gewerblichen Tätigkeit unabhängig ist.
Bei gemischt tätigen vermögensverwaltenden Personengesellschaften konnte auch nicht berechtigterweise eine derartige Rechtsprechungsänderung erwartet werden. So drängte sich die vom erkennenden Senat in seinem Urteil in BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118 angeführte Argumentation, weshalb Verluste im gewerblichen Bereich nicht abfärben sollen, nicht ohne Weiteres auf.
(3) Schließlich konnte aus dem BFH-Urteil in BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118 auch kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin in den Fortbestand der dadurch geschaffenen Rechtslage entstehen. Eine gefestigte, langjährige höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach bei gemischt tätigen vermögensverwaltenden Personengesellschaften Verluste im gewerblichen Bereich nicht abfärben, existierte nicht. Das Urteil in BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118 blieb eine nicht bestätigte Einzelfallentscheidung des BFH. Die Finanzverwaltung hat das am 04.07.2018 veröffentlichte Urteil zunächst nicht im BStBl II abgedruckt. Bereits im August 2019 hat die Bundesregierung dem Bundesrat den Entwurf eines WElektroMobFördG zugeleitet, der u.a. den Entwurf eines § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG n.F. enthielt (BRDrucks 356/19). Dieses Gesetz beschloss der Deutsche Bundestag abschließend am 07.11.2019 (Plenarprotokoll 19/124, S. 15383, 15400), der Bundesrat stimmte am 29.11.2019 zu (BRDrucks 552/19, S. 1). § 15 Abs. 3 Nr. 1 und § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG n.F. traten am 18.12.2019 in Kraft (Art. 39 Abs. 1 WElektroMobFördG).
b) Danach kann dahinstehen, ob sich die Abfärbewirkung der gewerblichen Verluste der Klägerin selbst bei Verfassungswidrigkeit der in § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG n.F. angeordneten rückwirkenden Geltung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alternative 1 EStG n.F. daraus hätte ergeben können, dass ‑‑nunmehr nach Aufgabe der im Senatsurteil in BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118, Rz 34 f. vertretenen Rechtsauffassung‑‑ bereits § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG a.F. (i.d.F. des JStG 2007) zu dem gleichen Ergebnis geführt hätte.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 2 FGO.