ECLI:DE:BFH:2021:U.141221.VIIR20.18.0
BFH VII. Senat
AO § 37 Abs 2 S 1, AO § 73, FGO § 99 Abs 2, RsprEinhG § 2 Abs 1, UStG § 2 Abs 1 S 1, UStG § 2 Abs 2 Nr 2, UStG § 18 Abs 1, InsO § 38, InsO § 39, UStG VZ 2005 , UStG VZ 2006 , UStG VZ 2007 , UStG VZ 2008 , UStG § 2 Abs 1 S 1, UStG § 2 Abs 2 Nr 2, UStG § 18 Abs 1
vorgehend Hessisches Finanzgericht , 04. December 2017, Az: 1 K 1239/15
Leitsätze
1. Erstattungsberechtigt i.S. von § 37 Abs. 2 Satz 1 AO ist derjenige, auf dessen Rechnung und nicht auf dessen Kosten eine Zahlung bewirkt worden ist.
2. Es kommt nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, so wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte. Dies gilt auch im Fall einer vermeintlichen Organschaft.
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Zwischenurteil des Hessischen Finanzgerichts vom 05.12.2017 - 1 K 1239/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über den Erstattungsanspruch eines vermeintlichen Organträgers in Bezug auf Umsatzsteuervorauszahlungen, die von einem Konto der vermeintlichen Organgesellschaft eingezogen worden sind.
In den Jahren 2004 bis 2008 hatte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GbR, wesentliche Betriebsgrundlagen an die GmbH vermietet. Sowohl die Klägerin als auch der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) hatten damals angenommen, dass zwischen der Klägerin und der GmbH eine umsatzsteuerliche Organschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bestehe, mit der Klägerin als Organträgerin und der GmbH als Organgesellschaft. Die für die Jahre 2004 bis 2008 für die Klägerin nach § 18 UStG berechneten und übermittelten Vorauszahlungen waren jeweils von einem Konto der GmbH im Wege des Lastschriftverfahrens beglichen worden. Für dieses Konto hatte die GmbH dem FA unter der Steuernummer der Klägerin eine Einzugsermächtigung erteilt.
Mit Beschluss des Amtsgerichts vom ...2008 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin vertrat nunmehr die Auffassung, mangels organisatorischer Eingliederung habe in den Jahren ab 2004 keine umsatzsteuerliche Organschaft mit der GmbH bestanden. Am 08.07.2011 reichte die Klägerin wegen der von ihr erzielten Vermietungsumsätze berichtigte Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2004 bis 2007 ein und verwies hinsichtlich des Jahres 2008 auf die Angaben in ihrer Umsatzsteuererklärung vom 07.09.2009. In den berichtigten Erklärungen berücksichtigte die Klägerin auch die für die Streitjahre vom Konto der GmbH eingezogenen Vorauszahlungen und machte die daraus resultierenden Erstattungsansprüche gegenüber dem FA geltend. Das FA lehnte eine Änderung der Umsatzsteuer für 2004 bis 2008 zunächst ab.
Der Insolvenzverwalter der GmbH focht gegenüber dem FA die geleisteten Vorauszahlungen nach § 134 der Insolvenzordnung (InsO) an, widersprach einer Erstattung an die Klägerin und verlangte Auszahlung an die Insolvenzmasse. Eine darauf gerichtete Klage wurde allerdings vom Landgericht abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte das Oberlandesgericht (OLG) in seinem ‑‑inzwischen rechtskräftigen‑‑ Urteil aus, dass eine Anfechtung der Zahlungen nach § 134 InsO mangels Unentgeltlichkeit nicht in Betracht komme; gleichviel, ob eine umsatzsteuerliche Organschaft bestanden habe oder nicht, habe die GmbH auf eine eigene Schuld leisten wollen, nämlich auf ihre Haftungsschuld nach § 73 der Abgabenordnung (AO), und das FA habe die Zahlung als eine solche Leistung angenommen.
Mit Vereinbarung vom 11.08.2014 trat der Insolvenzverwalter gegen die Klägerin gerichtete Ansprüche der GmbH auf Rückzahlung der von der GmbH für die Klägerin an das FA gezahlten Beträge einschließlich eines sich aus §§ 143, 129 ff. InsO ergebenden Anfechtungsanspruchs an das Land ab.
Hinsichtlich der fehlenden Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft folgte das FA nunmehr der Auffassung der Klägerin und erließ am 19.09.2014 entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2004 bis 2008, mit denen die Mietzahlungen der GmbH als steuerpflichtige Umsätze der Klägerin erfasst wurden. Die von der GmbH geleisteten Vorauszahlungen blieben allerdings unberücksichtigt, so dass die jeweils festgesetzte Umsatzsteuer der Höhe der jeweiligen Zahllast entsprach. Das FA machte insoweit geltend, dass die Klägerin hinsichtlich der Umsatzsteuervorauszahlungen nicht anspruchsberechtigt sei. Zudem erklärte das FA gegenüber der Klägerin mit Schreiben (ebenfalls) vom 19.09.2014 die Aufrechnung eventuell bestehender Erstattungsansprüche mit den abgetretenen Forderungen der GmbH.
Auf den Antrag der Klägerin vom 20.10.2014 hin erließ das FA am 25.11.2014 einen Abrechnungsbescheid, der die sich aus den geänderten Umsatzsteuerbescheiden ergebenden Zahllasten auswies und eine Berücksichtigung der von der GmbH für die Jahre 2004 bis 2008 gezahlten Umsatzsteuer (weiterhin) ablehnte. Dagegen erhob die Klägerin Sprungklage (Az. 1 K 2531/14), der das FA nicht zustimmte und die daraufhin als Einspruch behandelt wurde. Diesen Einspruch wies das FA mit Entscheidung vom 08.06.2015 als unbegründet zurück.
Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, ihr stünden in Höhe der Differenz zwischen den für die Jahre 2004 bis 2008 geleisteten Umsatzsteuervorauszahlungen und der festgesetzten Umsatzsteuer Erstattungsansprüche nebst Zinsen (§ 233a AO) zu. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärten die Beteiligten übereinstimmend, dass sie mit dem Erlass eines Zwischenurteils über die Frage, zu wessen Gunsten die strittigen Erstattungsansprüche entstanden seien, einverstanden seien.
Das Finanzgericht (FG) entschied daraufhin durch Zwischenurteil, dass die im Rahmen des Lastschriftverfahrens bei der GmbH eingezogenen Beträge nach dem für das FA erkennbaren Willen der GmbH auf die Steuerschulden der Klägerin geleistet worden seien. Eine ausdrückliche Tilgungsbestimmung der GmbH habe zwar im Zeitpunkt der Zahlung nicht vorgelegen; jedoch habe die GmbH dem FA die Einzugsermächtigung für ihr Konto unter der Steuernummer der Klägerin erteilt und das FA habe aufgrund dieser Ermächtigung im zeitlichen Zusammenhang mit der Fälligkeit der Umsatzsteuerschulden der Klägerin die rückständigen Beträge vom Konto der GmbH eingezogen. Daher seien aufgrund der mit Bescheiden vom 19.09.2014 geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen für 2004 bis 2008 zugunsten der Klägerin Erstattungsansprüche entstanden. Die Entscheidung über die Frage, ob diese Erstattungsansprüche durch die von dem FA am 19.09.2014 gegenüber der Klägerin erklärte Aufrechnung erloschen seien, bleibe einem Endurteil vorbehalten. Es sei sachdienlich und ermessensgerecht, über die Frage, zu wessen Gunsten die auf der Änderung der Steuerfestsetzung beruhenden Erstattungsansprüche entstanden seien, gesondert in Form eines Zwischenurteils zu entscheiden, bevor der Rechtsstreit gegebenenfalls gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt werden müsse, bis das zuständige Gericht über den Bestand der zur Aufrechnung gestellten rechtswegfremden Forderung entschieden habe (Hinweis auf Senatsbeschluss vom 19.02.2007 - VII B 253/06, BFH/NV 2007, 968, und auf Senatsurteil vom 31.05.2005 - VII R 56/04, BFH/NV 2005, 1759). Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 616 veröffentlicht.
Dagegen wendet sich das FA mit seiner Revision. Zur Begründung verweist es im Wesentlichen auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19.01.2012 - IX ZR 2/11 (BGHZ 192, 221, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 2012, 550), mit dem der BGH in Bezug auf eine umsatzsteuerliche Organschaft und für den Fall der Zahlung im Wege des Lastschriftverfahrens vom Konto der Organgesellschaft entschieden habe, dass das FA durch den Einzug seinen Haftungsanspruch nach § 73 AO geltend mache, weshalb auch davon auszugehen sei, dass die Organgesellschaft ihre Haftungsverbindlichkeit und nicht die Steuerschuld des Organträgers habe tilgen wollen.
Das FA beantragt, das Zwischenurteil aufzuheben und festzustellen, dass der Erstattungsanspruch der Klägerin nicht besteht.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Begründung führt die Klägerin im Wesentlichen aus, das Revisionsgericht sei an die Feststellungen des FG, dass die GmbH dem FA unter der Steuernummer der Klägerin eine Einzugsermächtigung erteilt habe und dass aufgrund dieser Ermächtigung und im zeitlichen Zusammenhang mit der Fälligkeit der Steuerschuld das FA die rückständigen Beträge vom Konto der GmbH eingezogen habe, mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden. Diese Feststellungen habe das FG dahingehend gewürdigt, dass die streitigen Steuerzahlungen im Hinblick auf das vermeintliche Organschaftsverhältnis und zur Tilgung der gegenüber der Klägerin formell festgesetzten Umsatzsteuerschulden erbracht worden seien. Das FG sei auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens zu der Überzeugung gelangt, dass die im Rahmen des Lastschriftverfahrens bei der GmbH eingezogenen Beträge nach dem für das FA erkennbaren Willen auf die Steuerschulden der Klägerin geleistet worden seien. Dementsprechend stehe ihr auch der Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO zu.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist statthaft, aber unbegründet.
1. Die Revision ist statthaft. Zwischenurteile i.S. des § 99 Abs. 2 FGO sind selbständig mit der Revision anfechtbar (s. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 09.02.2017 - V R 69/14, BFHE 257, 6, BStBl II 2017, 1221, Rz 22, m.w.N.).
Zutreffend hat das FG entschieden, dass die im Tenor des angefochtenen Urteils aufgeführten Erstattungsansprüche zugunsten der Klägerin entstanden sind.
a) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 AO derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags.
Erstattungsberechtigt im Sinne dieser Regelung ist also derjenige, auf dessen Rechnung und nicht auf dessen Kosten gezahlt wurde. Es kommt nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte. Den Finanzbehörden wird damit nicht zugemutet, im Einzelfall die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen dem Steuerschuldner und einem zahlenden Dritten (§ 48 Abs. 1 AO) daraufhin zu überprüfen, wer von ihnen ‑‑im Innenverhältnis‑‑ auf die zu erstattenden Beträge materiell-rechtlich einen Anspruch hat. In Fällen, in denen ein Dritter für Rechnung des Steuerschuldners die Steuer zu entrichten hat, ist somit grundsätzlich der Steuerschuldner erstattungsberechtigt (s. Senatsbeschlüsse vom 12.05.2016 - VII R 50/14, BFHE 253, 222, BStBl II 2016, 730, Rz 10, und vom 20.02.2017 - VII R 22/15, BFH/NV 2017, 906, Rz 8; BFH-Urteil vom 29.01.2015 - I R 11/13, BFH/NV 2015, 950, Rz 16; Senatsurteile vom 22.03.2011 - VII R 42/10, BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607, Rz 21, und vom 25.07.1989 - VII R 118/87, BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41, unter II.1.a; ebenso Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 37 AO Rz 61; Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl., § 37 Rz 62).
Eine von einem ‑‑wirklichen oder vermeintlichen‑‑ Steuerschuldner geleistete Zahlung kann grundsätzlich auch nicht auf die Steuerschuld eines anderen Steuerschuldners angerechnet werden, sondern ist gegebenenfalls demjenigen zu erstatten, der im Sinne der vorstehenden Ausführungen als Leistender aufgetreten ist (s. Senatsurteil vom 23.08.2001 - VII R 94/99, BFHE 196, 18, BStBl II 2002, 330, unter 3., m.w.N.).
Diese Grundsätze gelten insbesondere auch für den Fall einer irrtümlich angenommenen umsatzsteuerrechtlichen Organschaft (vgl. Senatsurteile in BFHE 196, 18, BStBl II 2002, 330, unter 3., m.w.N., und vom 26.11.1996 - VII R 49/96, BFH/NV 1997, 537, unter 1.b; s.a. Schlücke in Gosch, AO § 37 Rz 138).
b) Danach hat das FG zutreffend entschieden, dass die für die Jahre 2004 bis 2008 von dem Konto der GmbH eingezogenen Umsatzsteuervorauszahlungen zu Erstattungsansprüchen der Klägerin nach § 37 Abs. 2 AO geführt haben. Die Frage, ob diese Erstattungsansprüche durch Aufrechnung erloschen sind, ist nicht Gegenstand der vorliegenden Revision.
aa) Während des hier maßgeblichen Zeitraums (2004 bis 2008) haben die Beteiligten übereinstimmend angenommen, dass zwischen der Klägerin und der GmbH eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft in dem Sinne bestand, dass die GmbH als steuerlich unselbständige Organgesellschaft finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der Klägerin (Organträger) eingegliedert war.
Das Vorliegen einer Organgesellschaft hat materiell-rechtlich zur Folge, dass die Umsätze der Organgesellschaft, der die Unternehmereigenschaft fehlt (§ 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 UStG), bei dem Organträger erfasst werden und dass Innenumsätze ‑‑hier: die Vermietungsleistungen der Klägerin an die GmbH‑‑ nicht steuerbar sind. Umsatzsteuervorauszahlungen hat nur der Organträger als Unternehmer anzumelden und zu entrichten (§ 18 Abs. 1 UStG).
Dem folgend sind die Beteiligten im Zeitpunkt der jeweiligen Zahlung davon ausgegangen, dass allein die Klägerin Steuerschuldnerin der Umsatzsteuer war, die auf den Umsätzen der GmbH beruhte, und entsprechend dieser vermeintlichen Rechtslage sind die streitigen Umsatzsteuerzahlungen durch Einziehung auch geleistet worden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG hatte die GmbH dem FA unter der Steuernummer der Klägerin eine Einzugsermächtigung erteilt und aufgrund dieser Ermächtigung zog das FA die streitigen Beträge mit der Fälligkeit der jeweiligen Umsatzsteuerschuld vom Konto der GmbH ein. Die sich an diese Feststellungen anschließende, nicht mit Verfahrensrügen angegriffene Würdigung des FG, die eingezogenen Beträge seien nach dem für das FA erkennbaren Willen der GmbH "auf die Steuerschulden der Klägerin geleistet" bzw. "zur Tilgung der gegenüber der Klägerin formell festgesetzten Umsatzsteuerschulden erbracht" worden, ist nicht nur möglich, sondern naheliegend (zur Bedeutung der Angabe der Steuernummer des Steuerschuldners für die Bestimmung des Erstattungsberechtigten s.a. Senatsurteil in BFH/NV 1997, 537, unter 1.c). Sie verstößt jedenfalls weder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze und bindet daher den erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 FGO (vgl. BFH-Urteile vom 10.07.2019 - XI R 28/18, BFHE 266, 387, BStBl II 2021, 961, Rz 29; vom 14.11.2018 - XI R 16/17, BFHE 263, 71, BStBl II 2021, 461, Rz 25, und vom 21.04.2005 - V R 11/03, BFHE 211, 50, BStBl II 2007, 63, unter II.1.b bb; s.a. Seer in Tipke/Kruse, § 118 FGO Rz 64, und Lange in HHSp, § 118 FGO Rz 143, beide m.w.N.).
bb) Der Umstand, dass nach § 73 Satz 1 AO eine Organgesellschaft für solche Steuern des Organträgers haftet, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist, rechtfertigt entgegen der Auffassung des FA kein anderes Ergebnis.
(1) Zwar setzt ein solcher Haftungsanspruch nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nur das Bestehen einer steuerrechtlich bedeutsamen Organschaft sowie das Entstehen einer Steuer zulasten des Organträgers voraus (vgl. Senatsurteil vom 10.05.2007 - VII R 18/05, BFHE 217, 216, BStBl II 2007, 914, unter II.B.8.; s.a. BFH-Urteil vom 27.02.2020 - V R 28/19, BFH/NV 2020, 1275, Rz 28). Doch ändert dies nichts daran, denn im vorliegenden Streitfall sind nach den tatsächlichen Feststellungen bzw. der sich daran anschließenden Würdigung des FG die von der GmbH eingezogenen Beträge nach den Vorstellungen aller Beteiligter nicht auf eine Haftungsschuld der GmbH, sondern auf die Umsatzsteuerschulden der Klägerin geleistet worden.
(2) Deshalb lässt sich aus dem vom FA angeführten BGH-Urteil (in BGHZ 192, 221, HFR 2012, 550) keine andere Entscheidung herleiten. Dem BGH zufolge macht ein Finanzamt, das in Fällen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft der Steuerschuld des Organträgers entsprechende Beträge aufgrund einer Lastschrifteinzugsermächtigung vom Konto der Organgesellschaft einzieht, entgegen dem Senatsurteil vom 23.09.2009 - VII R 43/08 (BFHE 226, 391, BStBl II 2010, 215) den steuerrechtlichen Haftungsanspruch aus § 73 AO gegen die Organgesellschaft geltend (s. BGH-Urteil in BGHZ 192, 221, HFR 2012, 550, 1. Leitsatz und Rz 16).
Ob der erkennende Senat dem folgt, braucht hier nicht entschieden zu werden (zur Kritik der vorgenannten Entscheidung des BGH s. Boeker in HHSp, § 73 AO Rz 8c, m.w.N., unter Hinweis auf die Subsidiarität der Haftung gemäß § 219 Satz 1 AO und das dem Finanzamt nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO eingeräumte Ermessen; ebenso Schmittmann in Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Praxis der Insolvenzanfechtung, Teil IV Rz 346, m.w.N.; Kruth in Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht 2012, 177, 181 f.). Denn aus den weiteren Ausführungen des BGH geht hervor, dass dem dort entschiedenen Fall ein in einem wesentlichen Punkt anders gelagerter Sachverhalt zugrunde gelegen hat. Der BGH hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, es werde im Allgemeinen dann, wenn sich aus den dem Finanzamt bei Zahlung erkennbaren Umständen nicht erschließen lasse, wessen Steuerschuld der zahlende Gesamtschuldner begleichen wolle, angenommen, dass der Gesamtschuldner nur seine eigene Steuerschuld habe tilgen wollen (Hinweise auf Senatsurteile in BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41, und vom 18.02.1997 - VII R 117/95, BFH/NV 1997, 482). Da durch die Zahlung auf den Haftungsanspruch die Steuerforderung entweder kraft Gesetzes erlösche oder im Falle eines Ausgleichsanspruchs auf den Haftenden übergehe, könne die Finanzbehörde Zahlungen des Haftungsschuldners allein dem Haftungsanspruch zuordnen (BGH-Urteil in BGHZ 192, 221, HFR 2012, 550, Rz 20).
Anders als im vorliegenden Streitfall war somit nach dem der BGH-Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt aus den dem zuständigen Finanzamt bei Zahlung erkennbaren Umständen gerade nicht ersichtlich, wessen Steuerschuld durch den Lastschrifteinzug beglichen werden sollte (s. BGH-Urteil in BGHZ 192, 221, HFR 2012, 550, Rz 20 und 31). Dementsprechend hatte das betreffende Finanzamt in den Tatsacheninstanzen auch vortragen können, es habe durch den Lastschrifteinzug einen gegen die Organgesellschaft gerichteten Haftungsanspruch durchsetzen wollen. Der BGH hat daraus geschlossen, dass die Zahlung der Organgesellschaft allein dem Haftungsanspruch zugeordnet werden könne (s. BGH-Urteil in BGHZ 192, 221, HFR 2012, 550, Rz 37).
Ungeachtet dessen bezieht sich das BGH-Urteil in seinem Kern auch nicht auf die ‑‑steuerrechtliche‑‑ Frage, wer Erstattungsberechtigter i.S. von § 37 Abs. 2 AO ist, sondern auf die ‑‑zivilrechtliche‑‑ Frage, wer Insolvenzgläubiger i.S. von §§ 38, 39 InsO ist. Das hat im Übrigen auch zur Folge, dass eine Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vorliegend nicht in Betracht käme; denn eine Abweichung i.S. von § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (RsprEinhG) läge nur vor, wenn der erkennende Senat Rechtsvorschriften, die ihrem Wortlaut nach im Wesentlichen und ihrem Regelungsinhalt nach gänzlich übereinstimmen und deshalb nach denselben Prinzipien auszulegen sind, anders auslegen würde, als es andere oberste Gerichtshöfe in einem eine Entscheidung tragenden Rechtssatz getan haben, bzw. wenn der erkennende Senat einem Rechtsbegriff eine andere Bedeutung beilegen würde, als es ein anderer oberster Gerichtshof des Bundes in entscheidungserheblicher Weise getan hat (s. Senatsurteil vom 14.11.2000 - VII R 85/99, BFHE 193, 254, BStBl II 2001, 247, unter 4.). Das ist hier nicht der Fall.
2. Soweit sich das FG in seinem Zwischenurteil auch mit der Frage befasst hat, ob den streitigen Erstattungsansprüchen die Grundsätze von Treu und Glauben entgegenstehen, erwachsen diese Ausführungen nicht in Rechtskraft; denn sie sind von dem Tenor des angefochtenen Urteils, der sich nur auf die Entstehung der Erstattungsansprüche bezieht, nicht gedeckt.
Nur ergänzend und ohne Bindungswirkung (§ 126 Abs. 5 FGO) weist der erkennende Senat auf Folgendes hin: Nach dem von dem FG ‑‑und ebenso von dem FA‑‑ angeführten Senatsurteil vom 26.08.2014 - VII R 16/13 (BFH/NV 2015, 8) liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vor, wenn im Falle einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft der Organträger einen Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch geltend macht, obwohl das Finanzamt den entsprechenden Betrag bereits wegen einer (vermeintlichen) Anfechtung in die Insolvenzmasse der Organgesellschaft gezahlt hat und ohne die Anfechtung eine Verpflichtung des Organträgers zur Weiterleitung des Betrags an die Organgesellschaft bestanden hätte. Der erkennende Senat hat diese Entscheidung damit begründet, dass anderenfalls das Finanzamt den in die Insolvenzmasse gezahlten Betrag zusätzlich ein weiteres Mal an den klagenden Organträger hätte zahlen müssen, ohne dass dieser den Betrag an die Insolvenzmasse auszukehren gehabt hätte. Letztlich hätte damit der klagende Organträger etwas dauerhaft behalten können, was ihm ohne die Anfechtung gar nicht zugestanden hätte. Dies widerspreche Treu und Glauben (Senatsurteil in BFH/NV 2015, 8, Rz 23).
Im vorliegenden Streitfall hat das FA bislang keine Erstattungszahlungen an die Insolvenzmasse geleistet und das OLG hat die Anfechtbarkeit der Zahlungen der GmbH rechtskräftig verneint. Ob ungeachtet dessen der GmbH ein Erstattungsanspruch aus § 37 Abs. 2 AO wegen einer letztlich rechtgrundlosen Zahlung auf eine vermeintliche Haftungsschuld (§ 73 AO) zusteht, ist zwischen den Beteiligten streitig. Ebenso ist streitig, ob die Klägerin ihrerseits verpflichtet ist, der GmbH die streitigen Umsatzsteuerzahlungen zu erstatten; eben diese Frage soll überhaupt erst noch in dem dafür eröffneten Rechtsweg geklärt und entschieden werden. Daher kann vorliegend auch noch nicht festgestellt werden, ob die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs durch die Klägerin aus dem Grund gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen wurde; weil das FA im Ergebnis verpflichtet wäre, den erhaltenen Betrag zweimal auszuzahlen, ohne dass die Klägerin ihrerseits verpflichtet wäre, den erhaltenen Betrag an die GmbH weiterzuleiten.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.