ECLI:DE:BFH:2021:U.261021.IXR13.20.0
BFH IX. Senat
EStG § 17 Abs 1, EStG § 17 Abs 2 S 3, DBA NLD 2012 Art 13 Abs 5, DBA NLD 2012 Art 13 Abs 6, EStG § 1 Abs 1, AStG § 6, EStG VZ 2016
vorgehend FG Düsseldorf, 30. June 2020, Az: 7 K 2991/19 E
Leitsätze
Der bis zum Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG entstandene Vermögenszuwachs hat nicht i.S. von § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG aufgrund gesetzlicher Bestimmungen des Wegzugsstaats im Wegzugsstaat einer der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer unterlegen, wenn dort keine Steuer festgesetzt worden ist.
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 01.07.2020 - 7 K 2991/19 E wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden im Streitjahr 2016 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist niederländischer Staatsbürger, lebte im Königreich der Niederlande (Niederlande) und gründete im Jahr 1998 eine Kapitalgesellschaft (‑‑B.V.‑‑) mit einem Stammkapital von 18.000 € mit Sitz in den Niederlanden, deren Alleingesellschafter er war. Im Jahr 2006 zog er in die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und veräußerte mit Vertrag vom 04.05.2016 seine im Privatvermögen gehaltene Beteiligung an der B.V. für 1.419.956 €.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ermittelten die Kläger den Veräußerungsgewinn nach § 17 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG) wie folgt:
Veräußerungserlös
1.419.956 €
./. nachträgliche Anschaffungskosten (unstreitig)
79.528 €
./. nachträgliche Anschaffungskosten (unstreitig)
33.052 €
./. Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG
1.112.240 €
Veräußerungsgewinn
195.136 €
Ansatz zu 60 %
117.081,60 €
Die Kläger führten zur Begründung aus, bei dem Betrag von 1.112.240 € handele es sich um den von den niederländischen Steuerbehörden festgestellten Wert der Beteiligung für Besteuerungszwecke in den Niederlanden. Mit den niederländischen Steuerbehörden habe es Streit über den Status der inaktiven Gesellschaft gegeben. Nach Art. 13 Abs. 6 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen vom 12.04.2012 (BGBl II 2012, 1414, BStBl I 2016, 47) ‑‑DBA NLD 2012‑‑ hätte der Besteuerungswert bei Wegzug in einem Steuerbescheid (sog. Konservierungsbescheid) festgestellt und die darauf entfallende Steuer festgesetzt werden müssen. Es wäre jedoch nicht zu einer sofortigen Besteuerung, sondern zu einer Stundung der Steuer gekommen, und nach Ablauf von zehn Jahren hätte die Steuer erlassen werden können. Dieses Verfahren und insbesondere die Festsetzung in einem Konservierungsbescheid seien durch ein Versehen der niederländischen Steuerbehörden unterblieben. Im Streitjahr habe man sich dahin geeinigt, dass die niederländische Finanzverwaltung den Kläger so behandele, als ob der Konservierungsbescheid ergangen wäre. Die niederländische Steuerbehörde habe deshalb bescheinigt, dass die Gesellschaft bei Wegzug mit einem Wert von 1.112.240 € der Besteuerung unterlegen habe. Die Kläger verweisen dazu auf ein auf den 28.12.2015 datiertes Schreiben der niederländischen Finanzbehörden. Darin heißt es (in deutscher Übersetzung):
"Bei der Auswanderung ins Ausland im Jahr 2006 hat man versäumt, [dem Kläger] einen Aufschubbescheid zu erteilen. Das Finanzamt hat jedoch so gehandelt, als ob ihm ein Aufschubbescheid erteilt worden wäre. Wie Sie richtig angegeben haben, wurde der Wert der Anteile an der B.V. ermittelt. Der Wert der Anteile wurde dabei auf 1.112.240 EUR festgelegt."
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) setzte im Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 02.08.2019 als Anschaffungskosten insoweit lediglich das Stammkapital an und ermittelte unter Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 773.626 €. Es führte zur Begründung an, Voraussetzung für die Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG sei die tatsächliche Steuerzahlung. Zwar habe die niederländische Steuerbehörde den Wert der Beteiligung festgestellt; sie habe auf diesen aber weder Steuern festgesetzt noch erhoben.
Den Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 02.10.2019 als unbegründet zurück.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 1307 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Anschaffungskosten seien in Höhe des Stammkapitals und nicht mit einem Wert von 1.112.240 € anzusetzen. Denn der Kläger als Veräußerer habe nicht nachgewiesen, dass der bis zum Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht in den Niederlanden entstandene Vermögenszuwachs der Beteiligung dort einer Steuer unterlegen habe.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 2 Satz 3 EStG). Sie tragen zur Begründung im Wesentlichen vor, die Auslegung des Gesetzeswortlauts "einer Steuer unterlegen hat" führe zu dem Schluss, dass es auf die tatsächliche Steuerzahlung nicht ankomme. Es reiche aus, wenn es im Wegzugsstaat eine nach § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) vergleichbare Wegzugsbesteuerung gebe und diese auf einen Vermögenszuwachs bis zum Zuzug nach Deutschland angewendet werde.
Sinn und Zweck des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG sei es, einen Wertzuwachs bei den Kapitalgesellschaftsanteilen nicht im In- und Ausland jeweils zu besteuern. Die in § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG geregelte Besteuerungsabgrenzung werde danach vorgenommen, ob der Wegzugsstaat durch eine Wegzugsbesteuerung sicherstelle, dass der Wertzuwachs, der während der Ansässigkeit des Steuerpflichtigen in diesem Staat entstanden sei, diesem ausländischen Staat auch zustehe. Da die Norm nicht von einer entrichteten Steuer spreche und auch in der Gesetzesbegründung lediglich die "Wertverknüpfung" genannt werde, stehe es dem anderen Staat frei, ob er den Vermögenszuwachs tatsächlich besteuere oder die Steuer stunde und erlasse. Dem Zweck der Vorschrift genüge beides.
Steuersystematisch werde eine Doppelbesteuerung durch den Abschluss bilateraler Abkommen auf dem Gebiet des Steuerrechts vermieden. Die bisher von Deutschland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen seien in der Vergangenheit vom Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung ausgegangen. Entscheidend sei die theoretische Möglichkeit einer Doppelbesteuerung, diese müsse tatsächlich jedoch nicht vorliegen.
Art. 13 Abs. 6 DBA NLD 2012 mache die tatsächliche Steuerzahlung ebenfalls nicht zur Voraussetzung für die Freistellung des für den Zeitraum der Ansässigkeit im Wegzugsstaat entstandenen Vermögenszuwachses. Der Vermögenszuwachs müsse dort lediglich nach den gültigen Rechtsvorschriften besteuert worden sein. Dafür genüge die Bestätigung der niederländischen Finanzbehörden; ein Steuerbescheid müsse nicht ergangen sein. Zumindest könne die Zahlung nicht verlangt werden.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung vom 02.10.2019 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 02.08.2019 mit der Maßgabe zu ändern, dass der Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der B.V. nach § 17 EStG in Höhe von 117.081,60 € berücksichtigt wird.Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 773.626 € anzusetzen ist.
1. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt war. Anteile an einer Kapitalgesellschaft sind Aktien, Anteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Genussscheine oder ähnliche Beteiligungen und Anwartschaften auf solche Beteiligungen (§ 17 Abs. 1 Satz 3 EStG). Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 Abs. 1 EStG ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG). Weist der Veräußerer nach, dass ihm die Anteile bereits im Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG zuzurechnen waren und dass der bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Vermögenszuwachs aufgrund gesetzlicher Bestimmungen des Wegzugsstaats im Wegzugsstaat einer der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer unterlegen hat, tritt an die Stelle der Anschaffungskosten der Wert, den der Wegzugsstaat bei der Berechnung der der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer angesetzt hat, höchstens jedoch der gemeine Wert (§ 17 Abs. 2 Satz 3 EStG). § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG ist in den Fällen des § 6 Abs. 3 AStG nicht anzuwenden (§ 17 Abs. 2 Satz 4 EStG).
Da im Rahmen des § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG die tatsächlichen Anschaffungskosten zugrunde zu legen sind, wären ohne die Vorschrift des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG die im Wegzugsstaat entstandenen Wertzuwächse einer Beteiligung in jedem Fall ungemindert steuerlich zu erfassen, wenn ein Anteilsinhaber in die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland eintritt, weil die Begründung einer unbeschränkten Steuerpflicht nicht dazu führt, dass an die Stelle der ursprünglichen Anschaffungskosten der Anteilswert im Zeitpunkt des Zuzugs nach Deutschland tritt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 30.03.1993 - VIII R 44/90, BFH/NV 1993, 597; vom 19.03.1996 - VIII R 15/94, BFHE 180, 146, BStBl II 1996, 312, unter II.2.a). Mit dem durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 07.12.2006 (BGBl I 2006, 2782) eingeführten § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG wird daher ‑‑wenn dessen Voraussetzungen gegeben sind‑‑ in Abkehr von der vorgenannten Rechtsprechung des BFH in den Fällen des Zuzugs eines Anteilsinhabers sichergestellt, dass bei der Ermittlung des Gewinns aus einer späteren Veräußerung von steuerverstrickten Anteilen nicht die ursprünglichen Anschaffungskosten, sondern der Wert, den der Wegzugsstaat einer § 6 AStG vergleichbaren Wegzugsbesteuerung unterworfen hat, berücksichtigt wird (sog. Wertverknüpfung, BTDrucks 16/2710, S. 29). § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG unterscheidet nicht danach, ob der Anteilsinhaber von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraums oder einem Drittstaat nach Deutschland gezogen ist. Eine Bindung der deutschen Finanzbehörde an die Steuerfestsetzung im ausländischen Wegzugsstaat besteht nicht; die Finanzbehörde ist zur eigenständigen Prüfung berechtigt (vgl. Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl., § 17 Rz 81).
2. Das FG hat zutreffend erkannt, dass die in Rede stehenden Anschaffungskosten in Höhe des vom FG festgestellten Stammkapitals (18.000 €) und nicht mit einem Wert von 1.112.240 € anzusetzen sind.
a) Im Streitfall hat der unbeschränkt steuerpflichtige Kläger (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 der Abgabenordnung) seinen im Privatvermögen gehaltenen Anteil in Höhe von 100 % an der B.V. als einer Kapitalgesellschaft nach niederländischem Recht im Jahr 2016 zum Preis von 1.419.956 € veräußert und damit den Tatbestand des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG erfüllt. Die in Rede stehenden Anteile gehören zu den ähnlichen Beteiligungen i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG, weil sie Gesellschafterrechte verkörpern, wie sie nach deutschem Recht mit GmbH-Anteilen verbunden sind (vgl. BFH-Urteile in BFHE 180, 146, BStBl II 1996, 312; vom 22.08.2006 - I R 6/06, BFHE 215, 103, BStBl II 2007, 163, jeweils zur B.V. niederländischen Rechts; vom 21.10.1999 - I R 43, 44/98, BFHE 190, 377, BStBl II 2000, 424).
b) Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG für erhöhte Anschaffungskosten nicht gegeben sind.
aa) Zwar hat das FG festgestellt, dass die niederländische Regelung zur Wegzugsbesteuerung der deutschen Regelung des § 6 AStG vergleichbar ist. Hierbei handelt es sich um eine Feststellung zum Inhalt ausländischen Rechts, die aus revisionsrechtlicher Sicht wie eine Feststellung von Tatsachen zu behandeln ist (vgl. BFH-Urteil vom 15.03.1995 - I R 14/94, BFHE 177, 263, BStBl II 1995, 502, 504). Der BFH ist deshalb gemäß § 118 Abs. 2 FGO an eine solche Feststellung gebunden, wenn gegen sie keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vorgebracht worden sind. Derartige Rügen haben die Kläger im Streitfall nicht erhoben, so dass im Revisionsverfahren von der Richtigkeit der vom FG getroffenen Feststellungen zum niederländischen Steuerrecht auszugehen ist.
bb) Der bis zum Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht entstandene Wertzuwachs der Beteiligung hat in den Niederlanden aber nicht einer der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer unterlegen. Anders als das FG und das FA meinen, spricht der Wortlaut "unterlegen" im Ausgangspunkt gegen die Auslegung, dass die Steuer festgesetzt und tatsächlich bezahlt worden sein muss. Dieser Begriff ist nicht in dem Sinne eindeutig, dass der Gesetzestext es von vornherein ermöglicht, auf die dem Kläger gegenüber festgesetzte und von ihm entrichtete Steuer abzustellen. Denn der Gesetzgeber verwendet ihn z.B. in § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG, in § 1 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes und in § 1 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes zweifelsfrei in dem Sinne, dass hiermit die nach dem Gesetz zu besteuernden ("steuerbaren") und nicht (nur) die tatsächlich besteuerten Vorgänge bezeichnet werden. Auch stellt er, wenn er die Anknüpfung des deutschen Rechts an die tatsächlich erfolgte ausländische Besteuerung zum Ausdruck bringen will, auf die "festgesetzte", "gezahlte" oder "erhobene" ausländische Steuer ab (z.B. § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG, § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG in der bis 30.06.2021 gültigen Fassung, § 26 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes). Angesichts dessen schließt der Wortlaut "unterlegen" nicht aus, dass es hier nicht auf die konkret festgesetzte und bezahlte, sondern auf die rechtlich vorgesehene ausländische Steuer ankommen soll (so BFH-Urteil vom 09.07.2003 - I R 82/01, BFHE 202, 547, BStBl II 2004, 4, unter II.3.a für § 8 Abs. 3 AStG in seiner damaligen Fassung).
Da im Rahmen der Rechtsfolge des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG (Anknüpfung an den "Entstrickungswert") jedoch maßgebend eine "Berechnung" der der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer vorausgesetzt wird, tritt insoweit eine Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals "einer [...] Steuer unterlegen hat" in dem Sinne ein, dass zumindest ein Steuerbescheid des Wegzugsstaats mit Berechnung und Festsetzung der Steuer ergangen sein muss. Dafür spricht auch, dass der Veräußerer nachweisen muss, dass der bis zum Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht entstandene Wertzuwachs einer entsprechenden Steuer unterlegen hat.
Daran fehlt es hier. Die niederländische Steuerbehörde hat zwar mit Schreiben vom 28.12.2015 den Wert der Anteile im Zeitpunkt des Wegzugs mit 1.112.240 € festgestellt; sie hat allerdings für den Anteilswertzuwachs in den Niederlanden weder Steuern berechnet noch festgesetzt. Einen "Aufschubbescheid" hat sie nicht erlassen. Eine Gleichstellung des Schreibens vom 28.12.2015 mit einem niederländischen Steuerbescheid ist nicht möglich; dies käme einer bloßen Fiktion gleich. Der Wertzuwachs der Beteiligung hat daher in den Niederlanden keiner Steuer unterlegen.
cc) Bestätigt wird dieses Ergebnis durch systematische und historische Erwägungen. Denn im Gleichklang mit § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG sah der Referentenentwurf des SEStEG vom 21.04.2006 für die Verstrickung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens (§ 4 Abs. 1 Satz 5 2. Halbsatz EStG-E) in der Parallelvorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG-E vor, dass das Wirtschaftsgut mit dem Wert anzusetzen ist, mit dem es anlässlich der Überführung in dem Staat der ausländischen Betriebsstätte einer Besteuerung "unterlegen hat" (höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert). Dabei schwebte den Entwurfsverfassern eine rückwirkende Korrektur des Wertansatzes in den Fällen vor, in denen die ausländische Besteuerung des Verbringungsvorgangs aufgrund einer aufschiebenden Bedingung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt (Referentenentwurf des SEStEG vom 21.04.2006, unter II., Besonderer Teil, S. 7). Dies deutet darauf hin, dass ein Step-up nur für den Fall der tatsächlichen Besteuerung der stillen Reserven im Ausland zugelassen werden sollte. Wären stille Reserven hingegen im Herkunftsstaat des Wirtschaftsguts nicht besteuert worden, hätte Deutschland dieses Steuersubstrat seinem Besteuerungszugriff unterworfen (Ehlermann/Müller, Internationale Steuer-Rundschau ‑‑ISR‑‑ 2013, 47, 48). Dies gilt gleichermaßen für § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG, da der Gesetzgeber mit dieser Norm dieselbe Wertverknüpfung herstellen wollte (BTDrucks 16/2710, S. 29).
Im Unterschied dazu regelte § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG i.d.F. des SEStEG eine Zugangsbewertung der betrieblichen Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert. Dementsprechend berücksichtigte die Norm eine Schlussbesteuerung im abgebenden Staat unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt (und ob) dieser Staat von seinem Besteuerungsrecht Gebrauch macht (Ritzer in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl., Anh. 7 Rz 186). Im Ausland gelegte stille Reserven wurden vom deutschen Besteuerungszugriff verschont (Ehlermann/Müller, ISR 2013, 47, 48). Dies spricht dafür, beim konzeptionell anders ausgestalteten § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG auf die tatsächlich durchgeführte Schlussbesteuerung abzustellen (vgl. auch Rödder/Schumacher, Deutsches Steuerrecht 2006, 1481, 1487).
dd) Anders als die Kläger meinen, steht dieses Auslegungsergebnis ‑‑wie auch das FG zutreffend erkannt hat‑‑ im Einklang mit Art. 13 Abs. 5 und 6 DBA NLD 2012. Nach Art. 13 Abs. 5 DBA NLD 2012 können Gewinne aus der Veräußerung des in den Abs. 1 bis 4 nicht genannten Vermögens nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem der Veräußerer ansässig ist. Bei einer natürlichen Person, die in einem Vertragsstaat ansässig war und im anderen Vertragsstaat ansässig geworden ist, berührt Art. 13 Abs. 5 DBA NLD 2012 nicht das Recht des erstgenannten Staates, bei Anteilen, Gewinnobligationen, Kaufoptionen und Nutzungsrechten an Aktien sowie Gewinnobligationen einer Gesellschaft und Forderungen gegenüber einer Gesellschaft einen Vermögenszuwachs für den Zeitraum der Ansässigkeit dieser Person nach seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu besteuern (Art. 13 Abs. 6 Satz 1 DBA NLD 2012). In diesem Fall wird der im erstgenannten Staat besteuerte Vermögenszuwachs bei der Ermittlung des späteren Vermögenszuwachses durch den anderen Staat nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen (Art. 13 Abs. 6 Satz 2 DBA NLD 2012). Art. 13 Abs. 6 Satz 1 DBA NLD 2012 gewährt dem Wegzugsstaat ‑‑hier die Niederlande‑‑ zwar das Recht, den bis zum Wegzug entstandenen Wertzuwachs zu besteuern. Dieser hat die Möglichkeit, aber nicht die Verpflichtung, eine Besteuerung durchzuführen. Nur im Fall der Besteuerung durch den Wegzugsstaat ist Deutschland als Ansässigkeitsstaat daran gebunden und darf diesen Wertzuwachs gemäß Art. 13 Abs. 6 Satz 2 DBA NLD 2012 nicht erneut besteuern. Dies bedeutet im Umkehrschluss allerdings, dass Deutschland vollumfänglich besteuern darf, wenn es in den Niederlanden ‑‑wie im Streitfall‑‑ nicht zu einer Besteuerung gekommen ist (vgl. Kaeser in Wassermeyer, MA Art. 13 Rz 167, zu Art. 13 Abs. 6 der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen).
c) Ohne Erfolg bleibt darüber hinaus das Vorbringen der Kläger, das Stammkapital der B.V. betrage 18.151 € anstatt 18.000 €. Da keine offenbare Unrichtigkeit vorliegt, scheidet eine Tatbestandsberichtigung der Vorentscheidung trotz sinngemäßen Antrags der Kläger gemäß § 107 Abs. 1 FGO aus. Nach den in der Vorentscheidung getroffenen Feststellungen beträgt das Stammkapital der B.V. 18.000 €. Diese tatsächliche Feststellung bindet den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO, da die Kläger gegen sie keine zulässige und begründete Verfahrensrüge vorgebracht haben.
d) Weitere Einwände gegen die Berechnung des Veräußerungsgewinns wurden von den Klägern nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
3. Die Kostentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.