ECLI:DE:BFH:2021:U.240821.VIIR4.20.0
BFH VII. Senat
EnergieStG § 51 Abs 1 Nr 1 Buchst a, AO § 37 Abs 2, AO § 155 Abs 5, AO § 168, EGRL 96/2003 Art 2 Abs 4 Buchst b Ss 5, EWGV 3097/90 , AEUV Art 267, V-82-01
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz , 11. December 2019, Az: 6 K 2301/17 Z
Leitsätze
NV: Bei der Herstellung von PCC (gefälltes Calciumcarbonat) handelt es sich nicht um die Herstellung von Kalk i.S. von § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 12.12.2019 - 6 K 2301/17 Z wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist u.a. der Betrieb von Kalksteinbrüchen und Kalkwerken. Die wirtschaftliche Tätigkeit umfasst die Herstellung von Kalk und anverwandten Produkten.
Am Produktionsstandort H wird Erdgas zur Herstellung von gefälltem Calciumcarbonat (precipitated calcium carbonate ‑‑PCC‑‑) wie folgt eingesetzt:
Der in einem Steinbruch abgebaute ungebrannte Kalkstein (Calciumcarbonat) wird in einem Kalkofen durch Energieeintrag (Erdgas) gebrannt, wodurch eine Trennung des Kalksteins in seine Bestandteile Branntkalk und Kohlenstoffdioxid erfolgt. Der entstandene Branntkalk wird sodann durch Zugabe von Wasser gelöscht. Durch diesen Vorgang entsteht Kalkmilch, die einem Reaktionsbehälter zugeführt wird. In diesem entsteht durch die Zugabe von Kohlenstoffdioxid aus der Kalkmilch PCC.
Das Erdgas wird in drei Produktionsschritten eingesetzt:
- zum Brennen des Kalksteins (Herstellung von Branntkalk),
- zur Bereitstellung von Wärme zur Erwärmung der Kalkmilch und
- zur Trocknung des PCC.Die Klägerin meldete beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) für August 2016 eine Steuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Energiesteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes vom 01.03.2011 (BGBl I 2011, 282, 284 f. ‑‑EnergieStG‑‑) für die Verwendung von insgesamt ... MWh Erdgas für die gesamte Produktion von PCC an, welche vom HZA gemäß § 168, § 155 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) ohne Beanstandung angenommen wurde.
In der nachfolgenden Außenprüfung, welche Zeiträume in 2014 und 2015 betraf, gelangte der Prüfer zu dem Schluss, dass die Herstellung von PCC nicht in vollem Umfang von § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG erfasst werde, sondern nur die Herstellung von Branntkalk (1. Stufe des Herstellungsprozesses, s.o.). Bei dem synthetisch durch Fällung hergestellten PCC handele es sich um ein Produkt, das gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates vom 09.10.1990 betreffend die statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft (VO Nr. 3037/90 ‑‑NACE Rev. 1.1‑‑) nicht der NACE-Klasse 26.52, sondern der NACE-Klasse 24.13 (Herstellung von sonstigen anorganischen Grundstoffen und Chemikalien) zuzuordnen und deshalb nicht begünstigt sei. Daraufhin forderte das HZA mit Bescheid vom 01.08.2017 u.a. den für die eigentliche Herstellung von PCC aus Branntkalk im Zeitraum Januar bis November 2016 gewährten Entlastungsbetrag, insgesamt ... €, zurück.
Das Einspruchsverfahren stellten die Beteiligten ruhend, soweit nicht die Rückforderung für den Monat August 2016 in Höhe von ... € betroffen war. Diesbezüglich hatten Einspruch und Klage keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Ablehnung der Steuerentlastung für das im Monat August 2016 für die Herstellung des PCC eingesetzte Erdgas sei rechtmäßig. Die Herstellung von PCC sei nicht unter die "Herstellung von Kalk" gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG zu subsumieren. Zur Auslegung seien die NACE Rev. 1.1 und die Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen des Statistischen Bundesamts, Ausgabe 2003 (WZ 2003) heranzuziehen. Nach den dortigen Erläuterungen zur Unterklasse 26.52.0 "Herstellung von Kalk" seien die Herstellung von gelöschtem und ungelöschtem sowie hydraulischem Kalk und die Herstellung von gebranntem Dolomit erfasst. Diese Aufzählung sei abschließend und habe Ausschlusswirkung für alle nicht erfassten Produkte, worunter auch das von der Klägerin hergestellte PCC falle. Das PCC sei in den Abschnitt D, Unterabschnitt DG, NACE-Klasse 24.13 "Herstellung von sonstigen organischen Grundstoffen und Chemikalien" einzuordnen. Ein Anspruch der Klägerin auf eine Steuerentlastung ergebe sich auch nicht aus dem europäischen Beihilferecht.
Die Revision begründet die Klägerin wie folgt:
Die Herstellung von PCC sei eine Herstellung von Kalk i.S. des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG. Dabei handele es sich um ein mineralogisches Verfahren i.S. des Art. 2 Abs. 4 lit. b der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Amtsblatt der Europäischen Union ‑‑ABlEU‑‑ Nr. L 283/51 ‑‑EnergieStRL‑‑). Die Erläuterungen zur Unterklasse 26.52 der WZ 2003 seien nicht als abschließend anzusehen, worauf das Statistische Bundesamt einleitend selbst hinweise (WZ 2003, S. 35). Danach sei eine vollständige Aufführung aller Tätigkeiten gar nicht möglich. Bei der Herstellung von PCC handele es sich um ein in der deutschen Kalkindustrie unübliches und singuläres Verfahren, welches ausschließlich bei der Klägerin zur Anwendung komme. Deshalb habe das Statistische Bundesamt dieses Verfahren nicht berücksichtigen können.Das PCC bestehe stofflich aus Calciumcarbonat (CaCO3) und falle deshalb unter den Begriff "Kalk". Allein das besondere Herstellungsverfahren rechtfertige grammatikalisch keine andere Lösung. Die Klägerin nutze ein mineralogisches Verfahren, das auf der Verwendung des abgebauten Kalksteins beruhe. Der Abbau des Kalksteins werde von dem Unterabschnitt 14.12 WZ 2003 erfasst und die Weiterverarbeitung bzw. Weiterverwendung dieses Kalksteins von der Untergruppe 26.52 WZ 2003. Eine Beschränkung auf den ersten Verarbeitungsschritt, also die unmittelbare Verarbeitung des abgebauten Kalksteins, sei den Regelungen nicht zu entnehmen. Im Übrigen habe das HZA jahrelang die Steuerentlastung für das gesamte Verfahren gewährt. Aus der Gesetzesbegründung zum EnergieStG (BTDrucks 16/1172, S. 44) lasse sich keine alleinige Verknüpfung mit der NACE Rev. 1.1 entnehmen, weil danach die erfassten Verfahren und Prozesse nur "im Wesentlichen" den Tätigkeiten der NACE-Abteilungen DI 26 und DJ 27 entsprächen.
Der Entlastungstatbestand sei auch nicht eng auszulegen, weil der Gesetzgeber eine weite Auslegung beabsichtigt habe, um die unionsrechtlich zulässigen Entlastungstatbestände auszuschöpfen. Das klägerische Verständnis sei schließlich auch unionsrechtlich geboten. Aus der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 07.02.2007 (K (2007) 298 endg., S. 7) folge eine weite Auslegung, weil die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) danach beihilferechtlich eine Gleichbehandlung zu wahren und Steuerentlastungen zu gewähren habe, wenn weitere mineralogische Verfahren bekannt würden. Diese Entscheidung binde das HZA. Schließlich gebiete der unionsrechtliche Grundsatz des Effet utile, nationale Vorschriften so auszulegen und anzuwenden, dass die praktische Wirksamkeit des europäischen Rechts und namentlich der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 07.02.2007 am besten und effektivsten erreicht werde.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 12.12.2019 - 6 K 2301/17 Z abzuändern und den Steuerbescheid des HZA vom 01.08.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.11.2017, soweit es die Rückforderung der Entlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG im Zusammenhang mit der Herstellung von PCC für den Monat August 2016 betrifft, aufzuheben.
Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Streitig sei allein, ob eine Herstellung von Kalk i.S. des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG vorliege. Dieser Entlastungstatbestand diene der Umsetzung von Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 5. Anstrich EnergieStRL, wonach die Richtlinie nicht für mineralogische Verfahren gelte, die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates vom 09.10.1990 betreffend die statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ‑‑ABlEG‑‑ Nr. L 293/1 ‑‑VO Nr. 3037/90‑‑) unter die NACE-Abteilung DI 26 "Verarbeitung nichtmetallischer Mineralien" fallen. Nach der Gesetzesbegründung zu § 51 EnergieStG (BTDrucks 16/1172, S. 44) entsprächen die in § 51 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EnergieStG aufgeführten Prozesse und Verfahren im Wesentlichen den Tätigkeiten, die in den Abteilungen DI 26 und DJ 27 der NACE Rev. 1.1 aufgeführt seien, weshalb diese zur Auslegung heranzuziehen sei.
Zur Auslegung der NACE Rev. 1.1 könne ferner auf die WZ 2003 nebst deren Erläuterungen zurückgegriffen werden (Senatsurteil vom 09.08.2011 - VII R 74/10, BFHE 235, 81, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ‑‑ZfZ‑‑ 2011, 331). Zur Unterklasse 26.52.0 "Herstellung von Kalk" enthalte die WZ 2003 die Erläuterung, dass hiervon die Herstellung von gelöschtem und ungelöschtem Kalk sowie hydraulischem Kalk und die Herstellung von gebranntem Dolomit umfasst seien. Die Herstellung von PCC falle nicht hierunter. Dies stimme zudem mit der Erläuterung zu NACE Rev. 1.1 überein. Die enumerative Aufzählung sei abschließend, zumal Schlüsselwörter wie z.B. "insbesondere" fehlten. Dafür spreche auch, dass die identischen Erläuterungen zu NACE Rev. 1.1 in der Neufassung der NACE Rev. 2 (dort in 23.52) um die "Herstellung von Gips aus gebranntem Gipsstein oder gebranntem Sulfat" erweitert worden seien. Eine Erweiterung auf weitere Kalk-Produktionsprozesse sei nicht erfolgt.
Abgesehen davon seien Steuerentlastungstatbestände als Ausnahmeregelungen eng auszulegen (Senatsurteil vom 11.11.2008 - VII R 33/07, BFH/NV 2009, 610). Daher erfordere § 51 Abs. 1 EnergieStG eine rein prozessorientierte Betrachtung (vgl. Senatsurteil vom 29.10.2013 - VII R 24/12, BFHE 243, 96, ZfZ 2014, 52, Rz 13). Zudem halte es der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) für zulässig, dass ein Mitgliedstaat einer in Art. 2 Abs. 4 Buchst. b EnergieStRL enthaltenen Begrifflichkeit eine engere Bedeutung beimesse (EuGH-Urteil vom 02.10.2014 - C 426/12, EU:C:2014:2247, Rz 29 ff., 33, ZfZ 2014, 308). Das Unionsrecht stehe einer Ausweitung der mineralogischen Verfahren über die in der Klasse DI 26 NACE Rev. 1.1 genannten Verarbeitungsprozesse entgegen (Senatsurteil vom 24.02.2015 - VII R 50/13, BFHE 249, 258, ZfZ 2015, 220, Rz 12).
Allein die Tatsache, dass Kalk und PCC die gleiche chemische Formel ‑‑CaCO3‑‑ hätten, reiche nicht aus. Bei einer Fällung handele es sich um eine chemische Reaktion und nicht um ein mineralogisches Verfahren. Es werde ein natürlicher Rohstoff in ein synthetisches Produkt umgewandelt. Dagegen sei die Herstellung von Branntkalk durch Brennen des natürlich abgebauten Kalksteins ein mineralogisches Verfahren. Die Argumentation der Klägerin führe dazu, dass die Herstellung aller Folgeprodukte aus Kalk, z.B. auch Zement (26.51 NACE Rev. 1.1) und Frischbeton (26.63 NACE Rev. 1.1), unter die Nr. 26.52 NACE Rev. 1.1 fallen müsste. Die Herstellung von PCC sei jedoch in die Unterklasse 24.13 NACE Rev.1.1 "Herstellung von sonstigen anorganischen Grundstoffen und Chemikalien" einzuordnen, welche eine nicht abschließende Aufzählung enthalte, wie sich aus der Verwendung des Wortes "sonstigen" ergebe.
Weil es sich nicht um ein mineralogisches Verfahren handele, greife der Verweis der Klägerin auf die Entscheidung der Europäischen Kommission vom 07.02.2007 nicht. Zudem stelle die Kommission fest, dass die EnergieStRL auf die NACE-Klasse DI 26 verweise. Demzufolge sollten nicht alle denkbaren mineralogischen Verfahren einer Steuerentlastung unterworfen werden. Diese Entscheidung sei nicht unmittelbar bindend, sondern müsse durch den Mitgliedstaat in einem Gesetz umgesetzt werden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht.
1. Das HZA hat den bereits ausgezahlten Entlastungsbetrag für August 2016 zu Recht gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 AO zurückgefordert, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Entlastung von der Energiesteuer gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG für das im Monat August 2016 zur Herstellung von PCC aus Branntkalk verwendete Erdgas hat, denn es handelt sich dabei nicht um die Herstellung von Kalk.
a) Nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG wird eine Steuerentlastung auf Antrag für versteuerte Energieerzeugnisse gewährt, die von Unternehmen des Produzierenden Gewerbes für die Herstellung von Glas und Glaswaren, keramischen Erzeugnissen, keramischen Wand- und Bodenfliesen und -platten, Ziegeln und sonstiger Baukeramik, Zement, Kalk und gebranntem Gips, Erzeugnissen aus Beton, Zement und Gips, keramisch gebundenen Schleifkörpern, mineralischen Isoliermaterialien, Asphalt, Waren aus Graphit oder anderen Kohlenstoffen, Erzeugnissen aus Porenbetonerzeugnissen und mineralischen Düngemitteln zum Trocknen, Brennen, Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen, Tempern oder Sintern der vorgenannten Erzeugnisse oder der zu ihrer Herstellung verwendeten Vorprodukte verwendet worden sind. Eine Definition des Begriffs Kalk enthalten weder das EnergieStG noch die Verordnung zur Durchführung des Energiesteuergesetzes.
Mit der in § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG getroffenen Regelung hat der deutsche Gesetzgeber den ihm in Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 5. Anstrich EnergieStRL eingeräumten Spielraum genutzt. Danach gilt die Richtlinie nicht für Verfahren, die unter die NACE-Klasse DI 26 "Verarbeitung nicht-metallischer Mineralien" fallen (sog. mineralogische Verfahren).
Nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/1172, S. 44) entsprechen die in § 51 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EnergieStG aufgeführten Prozesse und Verfahren im Wesentlichen den Tätigkeiten, die in den Abteilungen DI 26 und DJ 27 der NACE Rev. 1.1 aufgeführt sind. Die NACE Rev. 1.1 und die dazugehörigen Erläuterungen sind deshalb zur Auslegung der Vorschrift heranzuziehen (vgl. auch Senatsurteile vom 26.10.2010 - VII R 50/09, BFHE 231, 443, ZfZ 2011, 23; vom 07.08.2012 - VII R 35/11, BFH/NV 2013, 382, und in BFHE 249, 258, ZfZ 2015, 220, Rz 7).
b) Der NACE-Unterabschnitt DI 26 "Herstellung von Glas und Glaswaren, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden" umfasst in der Gruppe DI 26.5 die "Herstellung von Zement, Kalk und gebranntem Gips" und in der Klasse DI 26.52 die "Herstellung von Kalk". Der Begriff Kalk wird nicht definiert. Die dazugehörigen NACE-Erläuterungen (veröffentlicht in eurostat, RAMON - Reference And Management Of Nomenclatures, unter Klassifikationen) enthalten die folgenden Formulierungen: "Diese Klasse umfasst: Herstellung von gelöschtem und ungelöschtem sowie hydraulischem Kalk. Diese Klasse umfasst ferner: Herstellung von gebranntem Dolomit".
c) Bei der Auslegung der NACE Rev. 1.1 sind die WZ 2003 und die hierzu veröffentlichten Erläuterungen zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile in BFHE 235, 81, ZfZ 2011, 331, Rz 16, und in BFH/NV 2013, 382, Rz 10). Denn nach den Vorbemerkungen der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen WZ 2003 sind diese ausgehend von der NACE Rev. 1.1 geschaffen bzw. aus ihr entwickelt worden. Die WZ 2003 enthält zahlreiche Erläuterungen, die in der NACE Rev. 1.1 nicht enthalten sind. Zwar wurden diese Erläuterungen an die nationalen Bedürfnisse angepasst, doch weist das Statistische Bundesamt ausdrücklich darauf hin, dass durch diese redaktionellen Abweichungen keine inhaltlichen Unterschiede gegenüber der NACE Rev. 1.1 bestünden. Durch die WZ 2003 werde sichergestellt, dass die statistische Erfassung der in Deutschland tätigen Unternehmen nach den in der VO Nr. 3037/90 festgelegten unionsrechtlichen Vorgaben erfolgt. Im Übrigen müssen gemäß Art. 3 Abs. 3 NACE Rev. 1.1 nationale Klassifikationen der Europäischen Kommission zur Billigung vorgelegt werden.
Da das geltende Unionsrecht den Mitgliedstaaten keinen Raum für nationale Abweichungen bei der Festlegung nationaler Klassifikationen der Wirtschaftszweige belässt, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die WZ 2003 inhaltlich mit der NACE Rev. 1.1 übereinstimmt, deren Klasse DI 26 von der EnergieStRL und auch von der Gesetzesbegründung zu § 51 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG ausdrücklich in Bezug genommen wird.
Die Unterklasse DI 26.52.0 "Herstellung von Kalk" der WZ 2003 umfasst die Herstellung von gelöschtem und ungelöschtem sowie hydraulischem Kalk und die Herstellung von gebranntem Dolomit und stimmt damit exakt mit den Regelungen in der NACE Rev. 1.1 überein. Der Unterabschnitt DI "Glasgewerbe, Herstellung von Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden" enthält darüber hinaus u.a. die folgenden Erläuterungen: "In diesem Unterabschnitt sind unterschiedliche Tätigkeiten zusammengefasst, die jeweils dasselbe mineralische Ausgangsmaterial haben. ..." Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Verarbeitungen desselben Ausgangsmaterials auch erfasst werden oder dass automatisch sämtliche (Folge-)Verarbeitungsvorgänge unter diesen Abschnitt fallen, sofern in der Produktionskette jemals ein bestimmtes Ausgangsmaterial verwendet wurde.
d) Für die Auslegung können neben der NACE Rev. 1.1 und WZ 2003 noch weitere Klassifikationen, wie das Harmonisierte System (HS) und die Kombinierte Nomenklatur (KN), herangezogen werden (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 249, 258, ZfZ 2015, 220, Rz 11; Senatsbeschluss vom 26.02.2020 - VII R 25/18, BFH/NV 2020, 887, ZfZ 2020, 349, Rz 17; Vorbemerkungen 2.3 zur WZ 2003, S. 16). Im HS werden "Luftkalk, auch gelöscht, und hydraulischer Kalk, ausgenommen reines Calciumoxid und Calciumhydroxid der Position 2825", unter das Kapitel 25 ("Salz; Schwefel; Steine und Erden; Gips, Kalk und Zement") und dort unter Position 2522 eingereiht. Nach den Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) 01.0 zu Position 2522 wird Luftkalk (ungelöscht oder wasserfrei) durch Brennen von Kalksteinen, die sehr wenig oder keinen Ton enthalten, hergestellt. Dagegen fallen Carbonate unter das Kapitel 28 ("Anorganische Chemische Erzeugnisse; ..."), dort unter Position 2836 HS. In der Unterposition 2836 50 00 KN werden Calciumcarbonate ausdrücklich genannt. Aus den ErlHS 16.0 und 17.1 zu Position 2836 HS ergibt sich zudem ausdrücklich die Unterscheidung zwischen gefälltem Calciumcarbonat, das beim Einleiten von Kohlendioxid in Calciumsalzlösungen entsteht, und natürlichen Kalksteinen, welche nach ErlHS 17.1 in Kapital 25 einzureihen sind.
Auch die Statistische Güterklassifikation in Verbindung mit den Wirtschaftszweigen in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Verordnung (EWG) Nr. 3696/93 des Rates vom 29.10.1993 ‑‑ABlEG Nr. L 342/1‑‑ i.d.F. nach der Verordnung (EG) Nr. 204/2002 der Kommission vom 19.12.2001 ‑‑ABlEG Nr. L 36/1‑‑) ‑‑CPA 2002‑‑ unterscheidet zwischen ungelöschtem und gelöschtem Luftkalk bzw. hydraulischem Kalk, die in 26.52.10 eingeordnet werden, und Calciumcarbonat, welches in 24.13.33 (2836 50 00 KN) eingeordnet wird. Auch wenn die CPA 2002 nicht auf bestimmte Herstellungsvorgänge abstellt, bestätigt auch dies die Unterscheidung zwischen gefälltem Calciumcarbonat und Luftkalk.
Calciumcarbonate bzw. deren Herstellung werden somit in HS, KN und CPA 2002 dem gelöschten bzw. ungelöschtem oder hydraulischem Kalk nicht gleichgestellt.
2. Ausgehend von diesen Grundlagen kann die Herstellung von gefälltem Calciumcarbonat nicht der steuerlich begünstigten NACE-Klasse DI 26.52 "Herstellung von Kalk" zugeordnet werden.
a) Die Beteiligten stimmen darin überein, dass es sich bei dem von der Klägerin hergestellten PCC weder um gelöschten oder ungelöschten sowie hydraulischen Kalk noch um gebranntes Dolomit handelt (vgl. Erläuterungen zur NACE-Klasse DI 26.52). Der Senat sieht diesbezüglich daher von weiteren Ausführungen ab.
Die NACE-Klasse DI 26.52 kann auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie gefälltes Calciumcarbonat erfasst. Dies ergibt sich zum einen aus der oben dargelegten unterschiedlichen Behandlung der Herstellung von Kalk und von Carbonaten. Zum anderen sind auch die Erläuterungen zur NACE-Klasse DI 26.52 als abschließend anzusehen, weil dort die Herstellung bestimmter Waren genannt und keine Formulierung wie z.B. "insbesondere" enthalten ist, die auf eine lediglich beispielhafte Aufzählung hindeutet.
b) Auch die Erläuterungen zur WZ 2003 erlauben keine erweiternde Auslegung zugunsten der Klägerin. Diese Erläuterungen sind zwar grundsätzlich nicht als vollständig anzusehen, da eine abschließende Aufführung aller zu einer Unterteilung zuzuordnenden Tätigkeiten den Rahmen sprengen würde und aufgrund der ökonomischen und technischen Entwicklung nicht möglich ist (vgl. Hinweise für die Benutzung der WZ 2003, S. 35). Aufgeführt sind vielmehr typische Tätigkeiten. Für eine in diesem konkreten Fall abschließende Aufzählung spricht allerdings der Wortlaut der Erläuterungen zur Unterklasse DI 26.52.0, der ‑‑anders als an anderen Stellen der WZ 2003‑‑ keine Formulierung wie "insbesondere", "und andere" oder "usw." enthält.
c) Auch das Unionsrecht steht einer Ausweitung der mineralogischen Verfahren über die in der Klasse DI 26 NACE Rev. 1.1 genannten Verarbeitungsprozesse entgegen. Denn nach Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 5. Anstrich EnergieStRL sind nur solche Verfahren aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgewiesen, die unter die NACE-Klasse DI 26 fallen (Senatsbeschluss in BFH/NV 2020, 887, ZfZ 2020, 349, Rz 22; BTDrucks 18/11493, S. 54).
Deshalb kann die Formulierung "im Wesentlichen" in der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/1172, S. 44) nicht dahingehend verstanden werden, dass über die in der NACE-Klasse DI 26 genannten Verfahren hinaus weitere Verfahren begünstigt werden sollen. Im Gegenteil kann der Umstand, dass die Mitgliedstaaten von der durch das gemeinschaftliche Energiesteuerrecht eröffneten Möglichkeit zur steuerlichen Begünstigung mineralogischer Verfahren nur unter Beachtung der beihilferechtlichen Vorgaben Gebrauch machen können, nicht dazu führen, dass Wirtschaftsbeteiligten aufgrund einer nur punktuellen Umsetzung des Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 5. Anstrich EnergieStRL ein unmittelbarer Anspruch auf eine in den nationalen Vorschriften ausdrücklich nicht angelegte Steuerbefreiung gewährt werden müsste (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2013, 382, Rz 14).
Dass es sich bei der Herstellung von gefälltem Calciumcarbonat nach Aussage der Klägerin um einen energieintensiven Prozess handeln soll, kann deshalb dahingestellt bleiben. Schließlich sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH Bestimmungen des Unionsrechts, die einen steuerlichen Vorteil gewähren, eng auszulegen (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2009, 610, unter II.2.c cc). Zudem können die Mitgliedstaaten einem in Art. 2 Abs. 4 Buchst. b EnergieStRL enthaltenen Begriff eine engere Bedeutung beimessen (EuGH-Urteil EU:C:2014:2247, Rz 33, ZfZ 2014, 308; vgl. Senatsurteil vom 13.01.2015 - VII R 35/12, BFHE 248, 287, Rz 21). Mineralogische Verfahren sind vom Anwendungsbereich der EnergieStRL ausgenommen. Dieser Ausschluss darf nicht ausgeweitet werden, um die einheitliche Besteuerung von Energieerzeugnissen für Kraft und Wärme sicherzustellen.
d) Soweit die Europäische Kommission im Rahmen der beihilferechtlichen Prüfung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG Deutschland aufgegeben hat, dieselbe steuerliche Behandlung anzuwenden, falls noch weitere mineralogische Verfahren bekannt werden, kann daraus nicht geschlossen werden, dass sämtliche Verfahren begünstigt werden müssen, die in irgendeiner Form auf mineralischen Ausgangsstoffen beruhen (so bereits Senatsbeschluss in BFH/NV 2020, 887, ZfZ 2020, 349, Rz 35). Die EnergieStRL nimmt nur mineralogische Verfahren der NACE-Klasse DI 26 von ihrem Geltungsbereich aus. Darauf bezieht sich auch die Stellungnahme der Europäischen Kommission (vgl. Staatliche Beihilfe Nr. N 820/2006 - Deutschland K (2007) 298 endg.).
3. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin fällt die streitgegenständliche Herstellung von PCC unter die Klasse DG 24.13 "Herstellung von sonstigen anorganischen Grundstoffen und Chemikalien" der NACE Rev. 1.1. Dies ergibt sich sowohl aus den Erläuterungen zur NACE Rev. 1.1 als auch aus der WZ 2003 und den hierzu veröffentlichten Erläuterungen.
4. Schließlich kann die Klägerin einen Entlastungsanspruch auch nicht aus dem Umstand ableiten, dass ihr das HZA in der Vergangenheit die Steuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG gewährt hat. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes kann nach ständiger Rechtsprechung des EuGH, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, nicht gegen eine klare unionsrechtliche Bestimmung angeführt werden und das unionsrechtswidrige Verhalten einer für die Anwendung des Unionsrechts zuständigen nationalen Behörde kann kein berechtigtes Vertrauen eines Wirtschaftsteilnehmers darauf begründen, in den Genuss einer unionsrechtswidrigen Behandlung zu kommen (vgl. Senatsbeschluss vom 13.05.2015 - VII R 63/13, BFH/NV 2015, 1452, ZfZ 2015, 239, Rz 17, m.w.N.).
5. Der erkennende Senat hält die von ihm vorgenommene Auslegung der Klasse DI 26.52 der NACE Rev. 1.1 für eindeutig. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht demnach nicht (vgl. EuGH-Urteil CILFIT vom 06.10.1982 - C-283/81, EU:C:1982:335, Slg. 1982, 3415).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.