ECLI:DE:BFH:2021:B.190821.VIIR34.20.0
BFH VII. Senat
AO § 118, AO § 149, AO § 328, AO § 329, AO § 332, HGB § 238, HGB §§ 238ff, AO § 5
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz , 16. June 2020, Az: 1 K 1651/19
Leitsätze
1. NV: Solange die Steuerpflicht einer Kapitalgesellschaft nicht einwandfrei ausgeschlossen werden kann, ist die Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung regelmäßig nicht ermessensfehlerhaft.
2. NV: Eine gesetzeskonkretisierende Aufforderung zur Abgabe von Steuererklärungen stellt einen Verwaltungsakt i.S. des § 118 AO dar, der gemäß § 328 Abs. 1 Satz 1 AO mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden kann.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 17.06.2020 - 1 K 1651/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Zwangsgeldandrohung.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Jahr 2003 gegründete GmbH. Satzungsmäßiger Gegenstand ihres Unternehmens ist die kaufmännische Beratung von Freiberuflern, Selbstständigen und mittelständischen Unternehmen aller Art einschließlich betriebswirtschaftlicher Fragen und Finanzierungsfragen. Seit März 2006 ist die Ehefrau des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Frau A, alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin.
Für den Veranlagungszeitraum 2011 ergingen letztmalig Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide; zum 31.12.2011 wurde ein verbleibender Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer in Höhe von 67.411 € festgestellt. Für die Veranlagungszeiträume 2012 bis 2016 reichte die Klägerin keine Steuererklärungen ein.
Mit Schreiben vom 27.02.2012 teilte die Klägerin dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) mit, dass sie ihren Geschäftsbetrieb zum 31.12.2011, 24:00 Uhr, "endgültig eingestellt" habe und "nur noch als GmbH-Mantel ohne Geschäftstätigkeit vorgehalten" werde; alle Bankkonten seien zum 31.12.2011 "erloschen".
Mit Schreiben vom 08.02.2019, gerichtet an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin, erinnerte das FA die Klägerin an die Abgabe der Körperschaftsteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuererklärungen für 2017. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin teilte daraufhin mit Schreiben vom 12.02.2019 mit, an der fehlenden Aktivität der Klägerin habe sich seit seinem Schreiben vom 27.02.2012 nichts geändert; die GmbH ruhe nach wie vor. Das FA erhalte unaufgefordert Nachricht, sofern sich daran in den nächsten Jahren etwas ändern sollte.
Auf den Hinweis des FA, dass die Klägerin gemäß § 149 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 31 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), § 18 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) und § 14a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) unabhängig davon, ob tatsächlich eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt werde, verpflichtet sei, Körperschaftsteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuererklärungen für 2017 abzugeben und ggf. Nullmeldungen einzureichen, trug die Klägerin u.a. weiter vor, sie habe letztmals im Geschäftsjahr 2011 am Wirtschaftsleben teilgenommen und danach bis heute geruht. Soweit sie dies mit ihren Schreiben vom 27.02.2012 und vom 12.02.2019 mitgeteilt habe, seien hierin gleichzeitig "Nullmeldungen" zu sehen. § 149 AO verleihe dem FA kein "Steuererklärungs-Erfindungsrecht" für eine seit Jahren ruhende Kapitalgesellschaft. Es müssten Anhaltspunkte für eine steuerpflichtige Tätigkeit der ruhenden GmbH im Streitjahr vorhanden sein, die es indes nicht gebe. Weil sie seit dem 31.12.2011 nicht mehr am Wirtschaftsleben teilnehme, also nur noch als "Firmenmantel" existiere, sei die Aufforderung zur Abgabe von Steuererklärungen grob ermessensfehlerhaft. Sie besitze im Übrigen weder Aktiva noch ein Geschäftslokal und unterhalte auch kein Bank- bzw. Girokonto.
Mit einem nunmehr an die Privatadresse der Geschäftsführerin A gerichteten Schreiben vom 02.04.2019 forderte das FA die Klägerin erneut unter Bezugnahme auf § 149 Abs. 1 AO i.V.m. § 60 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) zur Abgabe der Körperschaftsteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuererklärungen sowie der Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung für 2017 bis zum 29.04.2019 auf. Außerdem wies es darauf hin, dass nach ergebnislosem Ablauf dieser Frist die Abgabe durch Auferlegung eines Zwangsgeldes gemäß § 328 AO erzwungen werden könne. Nach fruchtlosem Fristablauf drohte das FA mit Schreiben vom 16.05.2019 für den Fall der Nichtabgabe bis zum 13.06.2019 die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von jeweils 200 €, insgesamt mithin in Höhe von 800 €, an.
Hiergegen legte die Klägerin am 20.05.2019 Einspruch ein, zu dessen Begründung sie im Wesentlichen ihre bisherigen Einwendungen wiederholte. Ergänzend trug sie insbesondere vor, die Verpflichtung aus § 149 AO in Verbindung mit den betreffenden Einzelsteuergesetzen betreffe nur Kapitalgesellschaften, die aktiv am Wirtschaftsleben teilnähmen, nicht auch Firmen, die seit nunmehr 8 ½ Jahren ruhten und letztlich nur noch als GmbH-Mantel existierten. Ihre Aktiva, nämlich elektrische Anlagegüter und Computer, seien im Übrigen ‑‑da Elektroschrott‑‑ über den Wertstoffhof entsorgt worden.
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage. Für eine lediglich (noch) als Vorratsgesellschaft existierende Kapitalgesellschaft bestehe weder nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) noch nach Steuerrecht oder sonstigen Bestimmungen eine Pflicht zur Aufstellung von Jahresabschlüssen. Folglich erweise sich die Aufforderung des FA gemäß § 149 AO als rechtswidrig und grob willkürlich, was erst recht für die Zwangsmittel gelte. Das FA verletze sein Ermessen, wenn es Steuererklärungen verlange, obwohl klar und einwandfrei feststehe, dass eine Steuerpflicht nicht gegeben sei.
Mit Bescheid vom 11.07.2019 setzte das FA die angedrohten Zwangsgelder fest und drohte weitere Zwangsgelder in Höhe von insgesamt 2.000 € an. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies es mit Einspruchsentscheidung vom 15.08.2019 als unbegründet zurück; die daraufhin erhobene Klage war unter dem Aktenzeichen 1 K 1768/19 anhängig und ist nun Gegenstand des Revisionsverfahrens mit dem Aktenzeichen VII R 35/20.
Im Klageverfahren hat die Klägerin ihren Vortrag ergänzt. Sie habe ihr gesamtes Anlagevermögen im Januar/Februar 2012 bei Räumung des Geschäftslokals in einem einheitlichen Vorgang zunächst in einer Garage untergestellt und von dort aus schließlich das Inventar/Mobiliar verschenkt und die lange vor 2008 angeschafften PCs als Elektroschrott entsorgt.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Klägerin sei nach § 149 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. den einschlägigen Einzelsteuergesetzen zur Abgabe der streitgegenständlichen Steuererklärungen bzw. Unterlagen verpflichtet und hierzu vom FA nach § 149 Abs. 1 Satz 2 AO rechtsfehlerfrei aufgefordert worden. Die Abgabepflicht knüpfe an die Steuerpflicht der betreffenden Körperschaft an. Sie bestehe auch dann, wenn die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb vorübergehend eingestellt habe und dementsprechend keine Einkünfte mehr erziele. Eine formlose Mitteilung genüge nicht, weil steuerrelevante Vorgänge der Finanzbehörde im Rahmen von Steuererklärungen anzuzeigen seien; ggf. seien sog. Nullmeldungen bzw. -erklärungen abzugeben (vgl. Senatsurteil vom 06.11.2012 - VII R 72/11, BFHE 239, 15, BStBl II 2013, 141; Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 07.09.2006 - V B 203/05, BFH/NV 2006, 2312).
Ob dies auch gelte, wenn der Betrieb nicht nur vorübergehend eingestellt worden sei bzw. "ruhe", sondern aufgegeben worden sei, bedürfe keiner näheren Prüfung, weil das FA die Klägerin nach § 149 Abs. 1 Satz 2 AO rechtsfehlerfrei zur Abgabe der betreffenden Steuererklärungen und Unterlagen aufgefordert habe. Diese Aufforderung löse die Erklärungspflicht als selbständiger Entstehungstatbestand aus. Ermessensfehler des FA seien nicht ersichtlich. Insbesondere stehe nicht klar und einwandfrei fest, dass eine Steuerpflicht nicht gegeben sei. Der Sachvortrag der Klägerin im Veranlagungs- und Einspruchsverfahren sei widersprüchlich und lückenhaft gewesen. Eine eindeutige bzw. ausdrückliche Betriebsaufgabeerklärung vor Erlass der Einspruchsentscheidung vom 15.07.2019 liege nicht vor. Das Vorbringen der Klägerin zum Verbleib ihres Anlagevermögens sei unsubstantiiert gewesen, sodass das FA daraus nicht den Schluss habe ziehen müssen, der Betrieb sei im Jahr 2017 bereits aufgegeben worden. Der genaue Zeitpunkt einer Betriebsaufgabe sei danach nicht erkennbar.
Die weiteren gesetzlichen Anforderungen an die Androhung von Zwangsgeldern seien erfüllt. Insbesondere sei die Androhung schriftlich und in bestimmter Höhe erfolgt und es sei eine angemessene Frist bestimmt worden. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2021, 161 abgedruckt.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie ist der Ansicht, dass sie wegen der Einstellung ihres Geschäftsbetriebs zum 31.12.2011 seit 2012 nicht mehr verpflichtet gewesen sei, Bücher zu führen; sie habe erst recht keine Handels- und Steuerbilanz aufstellen müssen. Eine Verpflichtung zur Buchführung bestehe nach § 238 HGB nur, wenn am Wirtschaftsleben teilgenommen würde und wenn Umsätze erzielt und Einkünfte generiert würden. Aus dem Informationssystem des Bundesanzeigers habe das FA entnehmen können, dass die Klägerin in den Jahren 2012 bis 2017 nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen habe, weil anderenfalls Jahresabschlüsse hätten veröffentlicht werden müssen. Das FA habe willkürlich gehandelt, weil nicht einmal ein abstrakter Anhaltspunkt für das Bestehen einer Steuerpflicht vorgelegen habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG vom 17.06.2020 - 1 K 1651/19 und die Zwangsgeldandrohung des FA vom 16.05.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.07.2019 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Nach § 238 und § 6 HGB i.V.m. § 13 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung sei die Klägerin verpflichtet, Bücher zu führen; sie sei folglich gemäß § 140 AO auch steuerrechtlich buchführungspflichtig. Zudem entfalle die Offenlegungspflicht nach § 325 HGB erst mit Löschung der GmbH im Handelsregister (Landgericht Bonn, Beschluss vom 01.04.2015 - 33 T 701/14, Deutsches Steuerrecht 2015, 2457). Soweit die Klägerin behaupte, sie habe ihren Geschäftsbetrieb eingestellt bzw. ihr Geschäftsbetrieb ruhe seit 2012, komme es hierauf nicht an. Es sei auf die Eintragung der Klägerin als rechtsfähige Körperschaft im Handelsregister abzustellen. Die Klägerin sei deshalb nach § 149 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. den einschlägigen Einzelsteuergesetzen zur Abgabe der Steuererklärungen einschließlich des Jahresabschlusses verpflichtet.
Im Übrigen sei auch die Aufforderung nach § 149 Abs. 1 Satz 2 AO ermessensfehlerfrei erfolgt. Es lägen genügend Anhaltspunkte vor, die auf eine eventuell bestehende Steuerpflicht der Klägerin schließen ließen. Insbesondere habe die Klägerin nicht widerspruchsfrei vorgetragen, ob der Geschäftsbetrieb eingestellt worden sei oder ruhe.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
1. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a FGO. Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
2. Der angefochtene Bescheid und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die streitgegenständliche Zwangsgeldandrohung ermessensfehlerfrei ergangen ist.
a) Gemäß § 328 Abs. 1 Satz 1 AO kann ein Verwaltungsakt, der auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Die Zwangsmittel müssen nach § 332 Abs. 1 Satz 1 AO schriftlich angedroht werden, wobei zur Erfüllung eine angemessene Frist zu bestimmen ist (§ 332 Abs. 1 Satz 3 AO). Fehlt die Androhung, ist die Festsetzung eines Zwangsmittels rechtswidrig (Hohrmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 332 AO Rz 5). Voraussetzung jeder Vollstreckung und damit auch für die Anwendung von Zwangsmitteln ist ein wirksamer Verwaltungsakt (§ 118 AO), dessen Erfüllung durchgesetzt werden soll.
b) Die an die Klägerin gerichtete Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärungen für den Veranlagungszeitraum 2017 vom 02.04.2019 ist ein wirksamer Verwaltungsakt.
aa) Teilweise werden der Regelungsgehalt einer Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung und damit das Vorliegen eines Verwaltungsakts zwar verneint, wenn sich die Steuererklärungspflicht als solche bereits aus dem Gesetz ergibt (z.B. Söhn in HHSp, § 118 AO Rz 543). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt indes auch eine gesetzeskonkretisierende Aufforderung zur Einreichung von Unterlagen einen Verwaltungsakt dar (BFH-Urteil vom 04.10.2017 - VI R 53/15, BFHE 259, 431, BStBl II 2018, 123, m.w.N.). Nach § 118 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Die in den Einzelsteuergesetzen normierte abstrakt-generelle Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen (z.B. § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG) stellt noch keine Regelung im Einzelfall dar. Vielmehr liegt eine solche erst dann vor, wenn das FA den einzelnen Steuerpflichtigen ‑‑wie vorliegend‑‑ zur Abgabe einer Steuererklärung auffordert, weil dieser seiner gesetzlichen Pflicht nicht nachgekommen oder unklar ist, ob eine Erklärungspflicht überhaupt besteht. Auch mit dem Setzen einer Abgabefrist, die von den gesetzlichen Abgabefristen abweicht, nimmt die Behörde eine Regelung des Einzelfalls vor, weil sie dem Steuerpflichtigen eine nur für ihn geltende Verpflichtung auferlegt.
Dementsprechend kann die abstrakte Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen nicht bereits als solche mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden; sie bedarf vielmehr einer Konkretisierung und Individualisierung durch einen Verwaltungsakt, der erst die Grundlage für das Ergreifen von Zwangsmitteln darstellen kann (BFH-Urteil vom 16.11.2011 - X R 18/09, BFHE 235, 452, BStBl II 2012, 129).
Nach diesen Grundsätzen handelt es sich im Streitfall um einen Verwaltungsakt, weil das FA die Klägerin in dem Schreiben vom 02.04.2019 ‑‑zusätzlich zur abstrakt-generellen Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung‑‑ im Einzelfall zur Abgabe der Körperschaftsteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuererklärung sowie der Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung für 2017 unter Fristsetzung bis zum 29.04.2019 aufgefordert hat, wobei die Bezeichnung des Bescheids als "Erinnerung" unschädlich ist (BFH-Urteil in BFHE 259, 431, BStBl II 2018, 123, Rz 4 und 17). Als Verwaltungsakt kann die Aufforderung nach Maßgabe der §§ 328 ff. AO insbesondere im Wege der Zwangsgeldandrohung gemäß § 329 AO durchgesetzt werden.
bb) Der Verwaltungsakt wurde mit der Bekanntgabe an die Geschäftsführerin A wirksam (§§ 122, 124 AO). Dass die Aufforderung an ihre Privatadresse gerichtet war, ist unschädlich, weil die Klägerin nach eigenen Angaben nicht über ein Geschäftslokal verfügte.
c) Die Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärungen für den Veranlagungszeitraum 2017 vom 02.04.2019 war auch rechtmäßig.
aa) Die Klägerin war mit ihren diesbezüglichen Einwendungen nicht ausgeschlossen. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass sich der Einspruch der Klägerin vom 20.05.2019 nicht nur gegen die Zwangsgeldandrohung, sondern auch gegen die Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärungen vom 02.04.2019 richtete.
Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt sind zwar gemäß § 256 AO außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen. Allerdings kann im Verfahren über die Festsetzung von Zwangsgeldern bzw. deren Androhung auch dann noch über die Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Verwaltungsakts entschieden werden, wenn dieser noch nicht unanfechtbar geworden ist und Einwendungen gegen seine Rechtmäßigkeit erhoben werden, weil in diesem Fall davon auszugehen ist, dass auch der Verwaltungsakt mit dem Einspruch angefochten worden ist (Senatsurteile vom 20.10.1981 - VII R 13/80, BFHE 135, 141, BStBl II 1982, 371; vom 02.11.1994 - VII R 94/93, BFH/NV 1995, 754, und vom 15.05.2018 - VII R 14/17, BFH/NV 2018, 1137, Rz 14).
bb) Auch hinsichtlich der Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärungen vom 02.04.2019 hat die Klägerin fristgerecht Einspruch eingelegt. Mit ihrem Einspruch vom 20.05.2019 hat sie zugleich Einwendungen gegen die Aufforderung erhoben. Da die Aufforderung vom 02.04.2019 nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, ist der Einspruch fristgerecht innerhalb der insoweit maßgeblichen Jahresfrist des § 356 Abs. 2 Satz 1 AO eingelegt worden. Die Rechtmäßigkeit des Vorlageverlangens ist mithin als Vorfrage für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohungen und -festsetzungen von Bedeutung (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.2009 - VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl II 2010, 455).
cc) Das FG hat die für die Überprüfung von Ermessensentscheidungen geltenden Vorgaben (§ 102 FGO) beachtet und zutreffend angewandt. Die Aufforderung an die Klägerin zur Abgabe der Steuererklärungen vom 02.04.2019 erging ermessensfehlerfrei.
(1) Die Entscheidung des FA, zur Abgabe der Steuererklärung aufzufordern, ist als Ermessensentscheidung von den Gerichten nach § 102 Satz 1 FGO nur daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
(2) Nach § 149 Abs. 1 Satz 2 AO können nur solche Steuererklärungen angefordert werden, die in dem betreffenden Einzelsteuergesetz grundsätzlich vorgesehen sind (BFH-Urteil vom 11.10.1989 - I R 101/87, BFHE 159, 98, BStBl II 1990, 280, unter II.2.d).
(3) Das Verlangen nach Abgabe von Steuererklärungen muss verhältnismäßig und zumutbar sein (BFH-Urteil in BFHE 159, 98, BStBl II 1990, 280, unter II.2.d). Es kommt nicht darauf an, ob jemand tatsächlich steuerpflichtig ist, weil die Aufforderung lediglich das Mittel ist, um der Finanzverwaltung Gewissheit zu verschaffen (vgl. Senatsbeschluss vom 17.01.2003 - VII B 228/02, BFH/NV 2003, 594; Heuermann in HHSp, § 149 AO Rz 15).
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH verletzt das FA das ihm eingeräumte Ermessen nur dann, wenn es eine Steuererklärung verlangt, obwohl klar und einwandfrei feststeht, dass eine Steuerpflicht nicht gegeben ist. Besteht die Möglichkeit, dass der Aufgeforderte steuerpflichtig ist, ist die Aufforderung selbst dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Auffassungen der Beteiligten über das Bestehen einer Steuerpflicht auseinandergehen. Die Klärung dieser Zweifel kann nur im Veranlagungs- und ggf. im nachfolgenden Rechtsbehelfsverfahren herbeigeführt werden (BFH-Urteil vom 02.07.1997 - I R 45/96, BFH/NV 1998, 14, m.w.N.; vgl. auch Senatsbeschluss in BFH/NV 2003, 594, und BFH-Beschluss vom 16.02.2012 - II B 99/11, BFH/NV 2012, 982, Rz 7, m.w.N.). Bei der Ermessensausübung hat das FA schließlich den Grundsatz der Steuergerechtigkeit und die Notwendigkeit eines gesicherten Steueraufkommens zu beachten.
(4) Unter Beachtung dieser Grundsätze war die Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärungen sowie der Gewinn- und Verlustrechnung für 2017 nicht zu beanstanden.
Das FG hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin grundsätzlich als unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zur Abgabe von Körperschaftsteuererklärungen und Bilanzen verpflichtet ist (§ 31 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 25 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes, § 60 Abs. 1 Satz 1 EStDV) und dass für sie als Kapitalgesellschaft bzw. Unternehmerin auch in Bezug auf die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer eine Steuererklärungspflicht besteht (§ 14a Satz 1 GewStG i.V.m. § 25 Abs. 1 Nr. 2 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung, § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG).
Von einem Bestehen der Steuerpflicht ist im Streitfall auch auszugehen, denn nach den insoweit bindenden Feststellungen des FG ist zwischen den Beteiligten gerade streitig, ob eine Steuerpflicht der Klägerin gegeben ist. Diese Prüfung muss durch das FA im Veranlagungsverfahren durchgeführt werden, wozu die angeforderten Steuererklärungen etc. erforderlich sind.
Die Klägerin hat nicht eindeutig dargelegt und nachgewiesen, dass sie ihren Geschäftsbetrieb endgültig eingestellt hat; eine ausdrückliche Erklärung der Betriebsaufgabe liegt nicht vor. Das FG hat zudem darauf hingewiesen, dass die Klägerin zuerst von einer endgültigen Einstellung und später von einem Ruhen des Geschäftsbetriebs gesprochen habe. Inwieweit solche Handlungen bei einer Kapitalgesellschaft überhaupt für die Buchführungs- und Steuererklärungspflicht maßgeblich sein können, muss der Senat nicht entscheiden. Die vom FG unter Rz 40 zitierte Entscheidung des IV. Senats des BFH betrifft einen anderen Fall, weil es sich um eine KG, also um eine Personengesellschaft, handelte (vgl. BFH-Urteil vom 09.11.2017 - IV R 37/14, BFHE 259, 545, BStBl II 2018, 227). Schließlich hat die Klägerin erst auf mehrmalige Nachfrage nach dem noch im Jahresabschluss zum 31.12.2011 enthaltenen Anlagevermögen in Höhe von mehr als 8.000 € pauschal behauptet, dieses verschenkt bzw. entsorgt zu haben. Weitere Unterlagen dazu liegen nicht vor.
Die Überprüfung der vom FA getroffenen Ermessensentscheidung durch das FG begegnet im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken.
d) Der Bescheid vom 16.05.2019 über die Androhung des Zwangsgeldes in Höhe von insgesamt 800 € ist rechtmäßig.
Insbesondere ist die Androhung schriftlich (§ 332 Abs. 1 Satz 1 AO), bezogen auf jede einzelne Verpflichtung und in bestimmter Höhe erfolgt. Die Frist von fast vier Wochen ist angemessen, weil es der Klägerin mit verhältnismäßigen Mitteln möglich ist, ihre Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärungen innerhalb der Frist zu erfüllen (vgl. hierzu Drüen in Tipke/Kruse, § 332 AO Rz 12).
Das FG hat zutreffend angenommen, dass keine Ermessensfehler vorliegen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.