ECLI:DE:BFH:2021:B.270821.VIIIB36.21.0
BFH VIII. Senat
EStG § 25 Abs 3 S 2, EStG § 26, EStG § 26b, AO § 149 Abs 3, AO § 152, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, EStG VZ 2018
vorgehend Sächsisches Finanzgericht , 18. February 2021, Az: 5 K 1402/20
Leitsätze
NV: Es ist nicht klärungsbedürftig, dass die verlängerte Erklärungsfrist des § 149 Abs. 3 AO i.d.F. des StModernG nicht für die eigene Steuererklärung eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe und seines mit ihm nach §§ 26, 26b EStG zusammenveranlagten Ehegatten gilt.
Tenor
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 19.02.2021 - 5 K 1402/20 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute und werden für das Streitjahr (2018) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt als Rechtsanwalt und Mitglied einer Rechtsanwaltssozietät Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Nach mehrfacher Aufforderung durch den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ‑‑FA‑‑) reichten die Kläger ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr, an der der Kläger laut Erklärung als Angehöriger der steuerberatenden Berufe und Mitglied seiner Kanzlei mitgewirkt hatte, am 29.12.2019 beim FA ein. Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 10.02.2020 setzte das FA einen Verspätungszuschlag in Höhe von 125 € wegen verspäteter Abgabe der Einkommensteuererklärung gegen die Kläger fest. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg, ebenso die nachfolgend erhobene Klage.
Mit der gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) erhobenen Beschwerde begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu.
1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. wenn die Beantwortung der Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung dem allgemeinen Interesse dient (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 21.04.1999 - I B 99/98, BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254). Es muss sich um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage handeln, die im Revisionsverfahren auch geklärt werden könnte. Am Klärungsbedarf fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 12.05.2005 - V B 146/03, BFHE 209, 105, BStBl II 2005, 714). Im Übrigen kommt eine Zulassung der Revision nicht schon deshalb in Betracht, weil es zu der konkret im Streitfall zu beurteilenden Rechtsfrage noch keine BFH-Entscheidung gibt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 20.04.2000 - V B 156/99, BFH/NV 2000, 1347; vom 23.01.2001 - V B 129/00, BFH/NV 2001, 940).
2. Danach liegen die Voraussetzungen für die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht vor.
a) Die Kläger werfen als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung die Frage auf, "ob die in § 149 Abs. 3 AO durch das BestVModG vom 18.07.2016 ab Veranlagungszeitraum 2018 eingeführte Sonderfrist für die Abgabe von (...) Steuererklärungen durch Angehörige der steuerberatenden Berufe (...) nicht (gilt), wenn sie in eigenen Angelegenheiten tätig werden". Darüber hinaus halten sie für grundsätzlich bedeutsam, "welche Bedeutung (...) der Umstand (hat), dass im Rahmen der zusammenveranlagten Eheleute zur Einkommensteuer nur einer der Eheleute Angehöriger der steuerberatenden Berufe ist und der andere daher in jedem Fall steuerlich vertreten wird".
b) Diese Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig, weil sie bereits anhand des Gesetzes und der bisherigen Rechtsprechung des BFH eindeutig so zu beantworten sind, wie es das FG in der angefochtenen Entscheidung getan hat.
aa) Mit Urteil vom 29.01.2003 - XI R 82/00 (BFHE 201, 399, BStBl II 2003, 550) hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht verpflichtet ist, einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe die Frist zur Abgabe der eigenen Steuererklärung aufgrund der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder über Steuererklärungsfristen zu verlängern. Die in den Verwaltungsvorschriften auf der Grundlage des § 109 der Abgabenordnung (AO) festgelegten Grundsätze seien nur für die von den Angehörigen der steuerberatenden Berufe im Rahmen ihrer Beratertätigkeit wahrzunehmenden Erklärungsfristen anwendbar. Aus dem Sinn und Zweck der Regelung ergebe sich, dass die allgemeine Fristverlängerung und die Ermächtigung der Finanzämter, eine weitere Verlängerung der Frist in einem vereinfachten Verfahren zu gewähren, nur für Steuererklärungen gelte, die von Personen i.S. des § 3 des Steuerberatungsgesetzes in Ausübung ihres Berufs für ihre Mandanten bearbeitet würden. Die insoweit gegebene Ungleichbehandlung von fachkundig vertretenen und nicht vertretenen Steuerpflichtigen bei der Handhabung der Steuererklärungsfristen gemäß § 149 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 109 Abs. 1 Satz 1 AO und den hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften sei sachlich gerechtfertigt (BFH-Urteil in BFHE 201, 399, BStBl II 2003, 550, unter II.2.b aa). Diese Grundsätze sind nach der Rechtsprechung des BFH auch dann anzuwenden, wenn ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe als Steuerpflichtiger die Einkommensteuererklärung für seinen mit ihm zusammenveranlagten Ehegatten abgibt. Denn nach § 25 Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) haben Ehegatten im Falle der Zusammenveranlagung eine gemeinsame Einkommensteuererklärung abzugeben (BFH-Beschluss vom 28.04.2005 - IV B 137/03, BFH/NV 2005, 1482, unter 1.a).
bb) Hinreichende Gründe, die eine Überprüfung dieser Rechtsprechungsgrundsätze und damit eine erneute Befassung des BFH mit den von den Klägern aufgeworfenen Rechtsfragen erforderlich machen könnten, sind weder dargetan noch ersichtlich.
Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens (StModernG) vom 18.07.2016 (BGBl I 2016, 1679) die wesentlichen Regelungen über die regelmäßigen Fristverlängerungen durch die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder (vgl. zuletzt vom 02.01.2018, BStBl I 2018, 70) übernommen und ihnen eine gesetzliche Grundlage gegeben. In den Gesetzesmaterialien heißt es hierzu, die bisher aufgrund der Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder bestehende Ungleichbehandlung der fachkundig vertretenen und der nicht vertretenen Steuerpflichtigen bei der Handhabung der Steuererklärungspflichten sei gerechtfertigt. § 149 Abs. 3 AO i.d.F. des StModernG übernehme daher im Ergebnis weitgehend die bisher in den Ländererlassen getroffenen Regelungen und sehe lediglich anstelle einer allgemeinen, auf § 109 AO gestützten Fristverlängerung eine gesetzlich bestimmte Steuererklärungsfrist vor (BTDrucks 18/7457, S. 76). Angesichts dieses vom Gesetzgeber beabsichtigten Gleichlaufs mit der bisherigen, aufgrund der Ländererlasse geltenden Regelungslage ist nicht klärungsbedürftig, dass die in § 149 Abs. 3 AO i.d.F. des StModernG für Besteuerungszeiträume nach dem 31.12.2017 vorgesehene Sonderfrist (vgl. Art. 97 § 10a Abs. 4 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung i.d.F. des StModernG) nicht auf Steuererklärungen Anwendung findet, die Angehörige der steuerberatenden Berufe als Steuerpflichtige in ihren eigenen Angelegenheiten abgeben (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1482). Auch der Wortlaut des § 149 Abs. 3 AO i.d.F. des StModernG, wonach der Angehörige der steuerberatenden Berufe mit der Erstellung der Steuererklärung "beauftragt" worden sein muss, schließt es aus, die verlängerte Erklärungsfrist in seinen eigenen Angelegenheiten zur Anwendung kommen zu lassen. Dies gilt auch, soweit ‑‑wie im Streitfall‑‑ ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe die Steuererklärung für seinen mit ihm nach §§ 26, 26b EStG zusammenveranlagten Ehegatten abgibt, da es sich bei der in den Fällen der Zusammenveranlagung nach § 25 Abs. 3 Satz 2 EStG abzugebenden gemeinsamen Steuererklärung um eine gemeinschaftliche verfahrensrechtliche Verpflichtung der Ehegatten handelt (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1482; BFH-Urteil vom 09.04.1987 - IV R 192/85, BFHE 149, 418, BStBl II 1987, 540, unter 1.; vgl. auch Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 149 AO Rz 11b).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.