ECLI:DE:BFH:2021:U.170321.IVR7.20.0
BFH IV. Senat
GewStG § 7, GewStG § 35b Abs 2 S 2, FGO § 74, GewStG § 10a, GewStG VZ 2014
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 08. May 2017, Az: 5 K 841/16
Leitsätze
NV: Im Rahmen der Begründetheit der Klage gegen den Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes sind die Einkünfte wegen der in § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG angeordneten Bindungswirkung nicht selbständig zu ermitteln (Bestätigung der Rechtsprechung).
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 09.05.2017 - 5 K 841/16 aufgehoben, soweit es die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2014 betrifft.
Die Sache wird insoweit an das Finanzgericht Baden-Württemberg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
Das hier zu entscheidende Revisionsverfahren betrifft das von dem Revisionsverfahren IV R 9/17 abgetrennte Verfahren betreffend die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2014.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ‑‑eine aus den Ehegatten A bestehende GbR‑‑ betrieb in den Jahren 2013 und 2014 ein Blockheizkraftwerk mit Biogasanlage (BHKW). Mit dem BHKW wurde die im Betrieb des Ehemanns anfallende Gülle zu Strom verwertet; der Strom wurde gegen Entgelt in das öffentliche Stromnetz eingespeist. Die beim Betrieb des BHKW anfallende Abwärme wurde in den Jahren 2013 und 2014 u.a. zum Beheizen des Wohnhauses der Gesellschafter der Klägerin genutzt. Daneben lieferte die Klägerin Wärme an das Wohnhaus des Cousins des Ehemanns (Bruttoentgelt: 3 Cent/kWh; Nettoentgelt: 2,521 Cent/kWh).
In den Gewinnfeststellungserklärungen für die Jahre 2013 und 2014 erklärte die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb (2013: 60.649 €; 2014: ./. 7.435,64 €). In den dazu eingereichten Einnahmen-Überschussrechnungen setzte sie für die Lieferung der Wärme an das Wohnhaus der Gesellschafter Entnahmen an.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) wies im Gewinnfeststellungsbescheid 2013 vom 24.09.2015 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb (laufenden Gesamthandsgewinn) in Höhe von 62.654,08 € aus. Der gegenüber dem erklärten Wert erhöhte Gewinn resultierte aus einem erhöhten Entnahmewert für den Eigenverbrauch der Wärme im Wohnhaus der Gesellschafter, nachdem das FA von einem höheren Wert als den von der Klägerin angesetzten 2,521 Cent/kWh netto ausgegangen war. Zugleich erließ das FA unter dem 24.09.2015 einen Feststellungsbescheid nach § 10a des Gewerbesteuergesetzes ‑‑GewStG‑‑ (Verlustfeststellungsbescheid) auf den 31.12.2013. Danach war eine Verlustfeststellung nicht durchzuführen, weil der auf den 31.12.2012 festgestellte Gewerbeverlust durch den Gewerbeertrag in 2013 vollständig aufgebraucht worden sei. Im Gewinnfeststellungsbescheid 2014 vom 02.10.2015 wies das FA wegen des erhöhten Entnahmewerts einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von nur 5.586,68 € aus. In dem ‑‑hier noch streitigen‑‑ Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.2014 vom 02.10.2015 wurde ein vortragsfähiger Fehlbetrag (Gewerbeverlust) in Höhe von 5.587 € festgestellt.
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) legte die Klägerin gegen diese Bescheide Einspruch ein. Das FA wies die Einsprüche mit der im FG-Urteil genannten zusammengefassten Einspruchsentscheidung vom 19.02.2016 zurück. Aus dem Rubrum der Einspruchsentscheidung geht hervor, dass die Klägerin auch gegen die ‑‑sonst im FG-Urteil nicht weiter genannten‑‑ Gewerbesteuermessbescheide 2013 und 2014 Einsprüche eingelegt hatte.
Mit ihrer Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter, den Entnahmewert mit 2,521 Cent/kWh (netto) anzusetzen. Aus der vom FG in Bezug genommenen Klageschrift vom 21.03.2016 ergibt sich, dass sich die Klage ursprünglich auch gegen die Gewerbesteuermessbescheide 2013 und 2014 gerichtet hat. Das FG gab der Klage mit Urteil vom 09.05.2017 - 5 K 841/16 vollumfänglich statt. Aus dem Tenor des FG-Urteils ergibt sich, dass Gegenstand der Entscheidung die Gewinnfeststellungsbescheide 2013 und 2014 sowie die Verlustfeststellungsbescheide auf den 31.12.2013 und auf den 31.12.2014 waren. Dem FG-Urteil ist nicht zu entnehmen, weshalb keine Entscheidung über die ursprünglich auch angegriffenen Gewerbesteuermessbescheide 2013 und 2014 getroffen wurde. In den Entscheidungsgründen führte das FG ‑‑soweit die Klage gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 2013 und 2014 betroffen ist‑‑ zusammenfassend aus, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb unter Berücksichtigung eines Entnahmewerts für die unentgeltliche Wärmelieferung an den Haushalt der Gesellschafter in Höhe von 2,521 Cent/kWh zu ermitteln seien. Soweit die Klage gegen die Verlustfeststellungsbescheide auf den 31.12.2013 und auf den 31.12.2014 betroffen war, hieß es in dem FG-Urteil lediglich, dass Gleiches gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 6, 7 Satz 1 GewStG für die Ermittlung des Gewerbeertrags im Rahmen der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes gelte.
Die vom FA hiergegen eingelegte Revision hatte teilweise Erfolg. Der erkennende Senat hob mit Urteil vom 12.03.2020 - IV R 9/17 (BFHE 268, 319, BStBl II 2021, 226) das vorbezeichnete FG-Urteil auf, soweit es den Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.2013 betraf, und wies die Klage insoweit ab. Im Übrigen (Gewinnfeststellung 2013 und 2014) wurde die Revision des FA zurückgewiesen. Vor Ergehen dieses Urteils trennte der Senat mit Beschluss vom 12.03.2020 das ‑‑hier zu entscheidende‑‑ Verfahren wegen gesonderter Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2014 unter dem Aktenzeichen IV R 7/20 ab.
Das FA beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage gegen den Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.2014 abzuweisen.Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des FA ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
1. Das Revisionsverfahren ist nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen.
Eine Aussetzung des Revisionsverfahrens erschiene nur dann sinnvoll, wenn der Senat zu gegebener Zeit in der Sache selbst über den Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.2014 entscheiden könnte. Dieser Fall kann jedoch nicht eintreten. Aufgrund der Bindungswirkung des Gewerbesteuermessbescheids für den Verlustfeststellungsbescheid hängen die Erfolgsaussichten des Verfahrens maßgeblich davon ab, welchen Inhalt der Gewerbesteuermessbescheid 2014 hat und ob dieser Bescheid bereits bestandskräftig (geworden) ist (dazu 2.). Aus der Klageschrift ergibt sich zwar, dass dieser Bescheid auch angegriffen wurde. Das FG hat aber weder festgestellt, welchen Inhalt dieser Messbescheid besitzt, noch, welches Schicksal er im Klageverfahren genommen hat. Der Senat ist daran gehindert, solche Feststellungen selbst zu treffen (§ 118 Abs. 2 FGO; vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 13.11.1987 - III R 231/84, BFH/NV 1989, 309, unter 1.).
2. Aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG kann der Senat nicht beurteilen, ob die Klage gegen den Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.2014 erfolgreich ist. Das Fehlen entscheidungserheblicher Tatsachen stellt einen materiellen Mangel dar, der zur Aufhebung der Vorentscheidung führt.
a) Die Klage gegen den Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.2014 ist zulässig.
Der Gewerbesteuermessbescheid 2014 ist zwar kein Grundlagenbescheid für den Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.2014. Dieser Messbescheid wird aber im Ergebnis wie ein solcher behandelt (dazu b). Demnach ist auch der Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.2014 einem Folgebescheid vergleichbar. Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Klage gegen einen Folgebescheid selbst dann zulässig, wenn diese ausschließlich mit Einwendungen begründet wird, die den Grundlagenbescheid betreffen (z.B. BFH-Urteil vom 27.06.2018 - I R 13/16, BFHE 262, 340, BStBl II 2019, 632, Rz 20, m.w.N.). Entsprechendes gilt auch dann, wenn ein Bescheid lediglich wie ein Folgebescheid inhaltlich an einen anderen Bescheid gebunden ist.
b) Ob die Klage gegen den Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.2014 auch begründet ist, hängt davon ab, welchen Inhalt der (wirksame) Gewerbesteuermessbescheid 2014 hat.
Nach § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG sind bei der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie der Festsetzung des Steuermessbetrags für den Erhebungszeitraum, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust festgestellt wird, zugrunde gelegt worden sind; § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung sowie § 42 FGO gelten entsprechend. Mit dieser Regelung wird eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Gewerbesteuermessbescheid erreicht, obwohl der Gewerbesteuermessbescheid kein Grundlagenbescheid für den Verlustfeststellungsbescheid ist (BFH-Urteil vom 16.05.2018 - XI R 50/17, BFHE 261, 342, BStBl II 2018, 752, Rz 20). Der Gewerbesteuermessbescheid wird im Ergebnis wie ein Grundlagenbescheid behandelt. Dies bedeutet, dass der Steuerpflichtige auch durch eine Null-Festsetzung im Gewerbesteuermessbescheid beschwert ist, wenn er eine höhere Verlustfeststellung begehrt (z.B. BFH-Urteil vom 06.12.2016 - I R 79/15, BFHE 256, 199, BStBl II 2019, 173, Rz 9). Er muss aufgrund der Bindungswirkung des Gewerbesteuermessbescheids diesen Messbescheid angreifen. Im Rahmen der Begründetheit der Klage gegen einen Folgebescheid ist nur noch zu prüfen, ob überhaupt und wenn ja, in welchem Umfang eine Bindungswirkung für den Folgebescheid an den Grundlagenbescheid eingetreten ist (BFH-Urteil vom 02.09.1987 - I R 162/84, BFHE 151, 104, BStBl II 1988, 142, unter II.1.b). Danach sind im Feststellungsverfahren des verbleibenden Verlustvortrags die Einkünfte nicht mehr eigenständig zu ermitteln (BFH-Urteil in BFHE 261, 342, BStBl II 2018, 752, Rz 20). Die Beurteilung des Streitfalls hängt mithin maßgeblich davon ab, mit welchem (negativen) Betrag der Gewerbeertrag i.S. des § 7 GewStG im Gewerbesteuermessbescheid 2014 ausgewiesen ist.
c) Die Sache ist nicht spruchreif.
Die Einspruchsentscheidung des FA und die Klage der Klägerin betrafen auch den Gewerbesteuermessbescheid 2014. Das FG-Urteil enthält jedoch keine Feststellungen zu diesem Bescheid. Der erkennende Senat kann daher nicht beurteilen, ob und inwieweit das FG bei seiner Entscheidung über den Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.2014 die Bindungswirkung des Gewerbesteuermessbescheids 2014 nach § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG beachtet hat.
3. Der Senat gibt für den zweiten Rechtsgang ‑‑ohne Bindungswirkung‑‑ folgende Hinweise:
Aus der Finanzgerichtsakte ergibt sich, dass im FG-Verfahren die Berichterstatterin der Klägerin mit Schreiben vom 07.12.2016 den Hinweis erteilt hat, dass die Gewerbesteuermessbeträge 2013 (Messbescheid vom 24.09.2015) und 2014 (Messbescheid vom 02.10.2015) jeweils auf Null festgesetzt worden seien und die Klägerin insoweit nicht beschwert sei. Die Klägerin wurde um Mitteilung gebeten, ob sie die Klage insoweit zurücknehme. Dem kam die Klägerin mit Schreiben vom 17.01.2017 nach. Daraufhin stellte das FG ‑‑nach Abtrennung‑‑ das Klageverfahren gegen die Gewerbesteuermessbescheide 2013 und 2014 mit Beschluss vom 23.01.2017 ein. Dem Senat ist bekannt, dass die Klägerin mit Schriftsatz vom 02.12.2020 beim FG nach § 72 Abs. 2 Satz 3 FGO beantragt hat, das Klageverfahren gegen den Gewerbesteuermessbescheid 2014 fortzusetzen. Weiter deuten die dem Senat zwischenzeitlich vorgelegten Unterlagen darauf hin, dass das Klageverfahren fortgesetzt wurde und dass das FA den Gewerbesteuermessbescheid 2014 bereits geändert hat. Für diesen Fall wäre der in diesem geänderten Messbescheid als Besteuerungsgrundlage ausgewiesene Gewerbeertrag i.S. des § 7 GewStG wegen der Bindungswirkung in die Verlustfeststellung auf den 31.12.2014 zu übernehmen. Hiernach beurteilt sich, ob und in welchem Umfang die Klage gegen den Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.2014 Erfolg hat.
4. Der Senat erachtet es als zweckmäßig, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90a Abs. 1 FGO). Die Entscheidung erfolgt im allseitigen Einverständnis der mitwirkenden Richter aufgrund einer Beratung und Abstimmung im Rahmen einer Videokonferenz (zur Zulässigkeit einer Entscheidung aufgrund einer solchen Beratung s. BFH-Urteil vom 10.02.2021 - IV R 35/19, BFHE 272, 152).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. Der Senat weist darauf hin, dass über die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens mit Rücksicht auf alle Streitgegenstände des Klageverfahrens einheitlich zu entscheiden ist (dazu bereits BFH-Urteil in BFHE 268, 319, BStBl II 2021, 226, Rz 51).