ECLI:DE:BFH:2020:U.151220.VIIR36.18.0
BFH VII. Senat
StromStG § 9 Abs 1 Nr 3 Buchst b, EGRL 96/2003 Art 21 Abs 5 UAbs 3 S 2, EEG
vorgehend FG München, 04. July 2018, Az: 14 K 2634/16
Leitsätze
1. NV: Der Begriff des Betreibenlassens in § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG setzt eine Möglichkeit der Einflussnahme an den Betreiber voraus, die rechtlicher, wirtschaftlicher oder tatsächlicher Natur sein kann.
2. NV: Bei dem bloßen Ankauf oder dem bloßen Einspeisen des Stroms ohne Bezug zur Anlage fehlt die erforderliche Einflussmöglichkeit, sodass kein Betreibenlassen vorliegt.
3. NV: Die Bestimmungen des StromStG sind unabhängig von den Definitionen und Vorgaben des EEG auszulegen.
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 05.07.2018 - 14 K 2634/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Gemeinde. Ihre Stadtwerke versorgen als Eigenbetrieb kommunale Abnahmestellen u.a. mit Strom und Wärme.
Im April 2007 beriet der Stadtrat erstmals über die zukünftige Energieversorgung für den Bäder- und Schulbereich durch Inbetriebnahme verschiedener Anlagearten, u.a. Biogasanlagen. In der Folgezeit befasste er sich intensiver mit dem Thema Heizungsanlagen und den zur Verfügung stehenden Alternativen. Er kam überein, das Schulgebäude an eine Biogasanlage (Blockheizkraftwerk ‑‑BHKW‑‑) anzuschließen. Im Folgenden wurde erwogen, die Nahwärmeversorgung durch einen privaten Dritten vornehmen zu lassen, während die Klägerin selbst das hierfür erforderliche Nahwärmenetz erstellen und finanzieren sollte. Im November 2009 beschloss der Stadtrat die Erarbeitung eines konkreten Anforderungskatalogs für die möglichen Betreiber, die konkrete Standortsuche und die Klärung des möglichen Planungsablaufs. Im März 2010 wurde das Verfahren zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes eingeleitet. Auf die daraufhin folgende Ausschreibung meldete sich die ... GmbH & Co. KG (im folgenden KG) als Interessentin.
Die Klägerin schloss am 15.03.2011 mit der KG einen "Durchführungsvertrag zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan Biogasanlage ..." (im Folgenden Durchführungsvertrag). Nach § 3 des Vertrags betraf das Vorhaben die Errichtung und den Betrieb einer Biogasanlage zur Strom- und Wärmeerzeugung auf der Grundlage des Bebauungsplans. Gemäß § 4 Abs. 1 verpflichtete sich die KG zur Durchführung des Vorhabens nach den Regelungen des Vertrags und den zukünftigen Festsetzungen des Bebauungsplans. Gemäß § 4 Abs. 2 musste die KG spätestens 9 Monate nach erteilter bau- oder immissionsrechtlicher Genehmigung mit dem Vorhaben beginnen und dieses innerhalb von 24 Monaten fertigstellen.
Daneben schlossen die Stadtwerke der Klägerin und die KG am 27.07.2011 einen Wärmeliefervertrag, nach dessen § 1 Abs. 1 die KG der Klägerin Wärme aus dem Betrieb der Biogasanlage zur Verfügung stellt. Nach § 1 Abs. 2 verpflichtet sich die KG, die in ihrem Eigentum stehenden technischen Anlagen über die Vertragslaufzeit dauernd betriebsfähig zu halten. Gemäß § 3 Abs. 1 des Vertrags liefert die KG die Wärme das gesamte Jahr über entsprechend dem Bedarf der Klägerin, wobei nach § 3 Abs. 2 eine Abnahmeverpflichtung der Klägerin nicht besteht, die KG hingegen eine Liefergarantie von mindestens 2,5 GWh je Kalenderjahr abgibt. Gemäß § 11 läuft der Vertrag bis 31.12.2021; danach ist ein neuer Wärmepreis zu verhandeln. Der Vertrag verlängert sich nach § 11 Abs. 2 nur, wenn beide Vertragsparteien schriftlich eine Verlängerung vereinbaren.
Ferner schlossen die Stadtwerke der Klägerin als Netzbetreiber am 30.10.2012 mit der KG einen "Vertrag über den Anschluss von Biomasseanlagen mit dem Elektrizitätsversorgungsnetz des Netzbetreibers und die Einspeisung von Strom aus Biomasseanlagen" (im Folgenden Einspeisevertrag) ab. Gemäß 3.4 des Vertrags stellt die KG der Klägerin den in ihrer Anlage erzeugten Strom als Drehstrom mit einer Spannung von 400 Volt und einer Nennfrequenz von ca. 50 Hertz zur Verfügung. Die Vergütung erfolgt nach Ziff. 6 der Allgemeinen Anschluss- und Einspeisebedingungen der Klägerin als Netzbetreiberin. Der Vertrag hat gemäß 7.1 eine Laufzeit von 20 Jahren ab Inbetriebnahme der Anlage und kann gemäß 7.2 mit einer Frist von 6 Monaten zum Monatsende gekündigt werden. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung bleibt gemäß 7.3 unberührt.
Die KG erstellte die Anlage, die eine elektrische Nennleistung von 0,6 MW hat. Sämtliche in der Biogasanlage erzeugten Wärme- und Strommengen lieferte die KG an die Klägerin. Den Strom speiste sie in das den Stadtwerken gehörende Netz ein. Letztere veräußerte den Strom als Versorger mit einer entsprechenden Erlaubnis an Letztverbraucher, welche diesen in einem Radius von 4 km um die Biogasanlage entnahmen.
In ihrer Stromsteueranmeldung für das Jahr 2013 erklärte die Klägerin den in der Biogasanlage erzeugten Strom als gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b des Stromsteuergesetzes (StromStG) steuerfrei und berechnete eine Steuer in Höhe von insgesamt 82.840,93 €.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) sah die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht als gegeben an und setzte mit Bescheid vom 23.06.2014 Stromsteuer für das Jahr 2013 in Höhe von 175.489,02 € fest. Aus den vorgelegten Unterlagen ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Anlage durch die KG betreiben lasse.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hatte die Klage Erfolg. Das Finanzgericht (FG) München bejahte die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG zugunsten der Klägerin, weil diese die Biogasanlage durch die KG habe betreiben lassen. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sei zu beurteilen, ob bei einer am typischen Fall des Contracting orientierten Auslegung ein Betreibenlassen vorliege. Das Betreibenlassen sei vom bloßen Ankauf oder Einspeisen des Stroms abzugrenzen. Danach hielt es das FG für entscheidend, dass die Initiative für die Errichtung der Anlage von der Klägerin ausgegangen und die Vertragsverhältnisse langfristig angelegt seien und dass die KG den gesamten Strom und die gesamte Wärme an die Klägerin geliefert habe. Dass vertraglich weder eine Einspeisungs- noch eine Abnahmeverpflichtung bestehe, hielt das FG nicht für relevant, weil die Anlage nur mit dem Stromnetz der Klägerin verbunden gewesen sei und deshalb tatsächlich keine andere Möglichkeit bestanden habe, als den Strom an die Klägerin zu liefern. Im Übrigen ergebe sich eine Abnahmeverpflichtung aus § 8 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG).
Hiergegen richtet sich die Revision des HZA.
Betreiber der Anlage könne nur derjenige sein, der den Realakt der Stromerzeugung als kleinste rechtlich selbständige Einheit aufgrund eines Nutzungsrechts vornehme. Alleinige Verfügungsmacht über die Anlage habe die KG als Betreiberin. Hinsichtlich der Wärmelieferung sei wegen der Initiative der Klägerin und wegen der langfristigen Vertragsverhältnisse ein Contractingverhältnis anzunehmen. Allerdings ergebe sich aus dem mit der Netzsparte der Klägerin geschlossenen Einspeisevertrag kein Contractingverhältnis, weil dieser lediglich abgeschlossen worden sei, um die Einspeisevergütung nach dem EEG zu erhalten. Dagegen hätten die KG und die Klägerin keinen Vertrag über die Abnahme des erzeugten Stroms geschlossen. Die Lieferungen von Strom und Wärme seien strikt zu trennen.
Während das HZA in der Revisionsbegründung noch offengelassen hat, ob der Strom wegen des EEG-Ausgleichsmechanismus (§ 56 EEG) überhaupt an die Letztverbraucher hätte geliefert werden dürfen, hat es erstmals in der mündlichen Verhandlung bestritten, dass eine solche Lieferung an Letztverbraucher i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG erfolgt sei. Letztlich vertritt das HZA die Auffassung, dass die Inanspruchnahme der EEG-Vergütung eine Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG ausschließe.
Das HZA beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten sämtliche Varianten des Contracting von § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG erfasst werden. Bei der vorliegenden einheitlichen Biogasanlage sei wegen der gemeinsamen Erzeugung von Strom und Wärme (Kraft-Wärme-Kopplung ‑‑KWK‑‑) eine Gesamtwürdigung der Vertragsverhältnisse vorzunehmen. Das Betreibenlassen könne sich nur auf die KWK-Anlage als solche beziehen. Weil der Wärmelieferungsvertrag über einen Zeitraum von zehn Jahren abgeschlossen sei, schade die kurzfristige Kündigungsmöglichkeit des Einspeisevertrags nicht.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Vorentscheidung entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin das BHKW i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnissen und zur Änderung des Stromsteuergesetzes vom 15.07.2006 (BGBl I 2006, 1534) durch die KG betreiben lässt und ihr deshalb die Steuerbefreiung im Streitjahr 2013 zusteht.
1. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG ist Strom von der Steuer befreit, der in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu zwei MW erzeugt wird und von demjenigen, der die Anlage betreibt oder betreiben lässt, an Letztverbraucher geleistet wird, die den Strom im räumlichen Zusammenhang zu der Anlage entnehmen.
a) Die Tatbestandsmerkmale "Betreiben" und "Betreibenlassen" sind im StromStG nicht definiert. Somit bedarf es einer Auslegung dieser Begriffe, die sich an dem im Befreiungstatbestand des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG zum Ausdruck gekommenen objektivierten Willen des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, zu orientieren hat (Senatsurteile jeweils vom 20.04.2004 - VII R 57/03, BFH/NV 2005, 578; VII R 54/03, BFHE 206, 502; VII R 44/03, BFHE 205, 566, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ‑‑ZfZ‑‑ 2004, 342, unter II.1.b, und vom 23.06.2009 - VII R 42/08, BFH/NV 2009, 1720, unter II.1.).
b) Mit der nachträglich durch das Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform (BGBl I 1999, 2432, 2438) mit Wirkung zum 01.01.2000 in das StromStG eingefügten Vorschrift wollte der Gesetzgeber die Fälle des sog. Contracting erfassen. Konkret sollten die Fälle geregelt werden, in denen gerade nicht eine flächendeckende oder regionale Versorgung erfolgt, sondern Strom objektbezogen erzeugt und zur Verfügung gestellt wird (BTDrucks 14/2044, 11). § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG hat seine im Streitjahr 2013 geltende Fassung durch Art. 2 Nr. 6 Buchst. a des Gesetzes zur Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnissen und zur Änderung des Stromsteuergesetzes vom 15.07.2006 (BGBl I 2006, 1534) erhalten. Diese Fassung entspricht Art. 2 Nr. 6 Buchst. a des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BTDrucks 16/1172, 29). Damit sollte ausgehend von Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 Satz 2 der Richtlinie (EG) 2003/96 des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom ‑‑EnergieStRL‑‑ (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 283, 51) in kleinen Stromerzeugungsanlagen erzeugter Strom von der Stromsteuer befreit werden. Nach Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 Satz 2 EnergieStRL können die Mitgliedstaaten kleine Stromerzeuger allerdings nur dann von der Steuer befreien, wenn die zur Erzeugung dieses Stroms verwendeten Energieerzeugnisse besteuert werden. Daher sollten im Energiesteuergesetz parallel zu dieser Nennleistungsgrenze Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu 2 MW von der inputseitigen Steuerentlastung ausgenommen werden (vgl. Begründung zu Art. 2 Nr. 6 Buchst. a des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/1172, 47).
c) Der in der Gesetzesbegründung verwendete Begriff "Contracting" leitet sich vom englischen Begriff contract (Vertrag) ab und bezeichnet das Vergabewesen, d.h. die Vergabe von Aufträgen (Senatsurteil in BFHE 205, 566, ZfZ 2004, 342, unter II.1.b bb). Im Bereich der Energieversorgung versteht man darunter grundsätzlich das Auslagern der Planung, des Baus, der Finanzierung, des Unterhalts und des Betriebs von Energieversorgungsanlagen (Schröer-Schallenberg in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, Energiesteuer, Stromsteuer, § 9 StromStG Rz 75). Der Vertragspartner erspart sich durch diese Konstruktion den Bau von Energieversorgungsanlagen und damit hohe Anfangsinvestitionen und ein entsprechendes Investitionsrisiko (Urteile des Bundesfinanzhofs in BFH/NV 2005, 578, unter II.1.b bb; in BFHE 206, 502, unter II.1.b aa und II.1.b bb, und in BFHE 205, 566, ZfZ 2004, 342, unter II.1.b bb). Der sog. Contractor ist für die Betriebsführung und Instandhaltung der Anlage verantwortlich (Urteil des Thüringer FG vom 11.11.2014 - 2 K 205/13, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst ‑‑DStRE‑‑ 2016, 374).
d) Die ausdrückliche Bezugnahme auf Contracting-Fälle in der Gesetzesbegründung lässt den Schluss zu, dass ein Betreibenlassen eine Möglichkeit der Einflussnahme auf den Betreiber der Anlage voraussetzt. Auch die Beschränkung der Steuerbefreiung auf kleine Stromerzeuger durch Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 Satz 2 EnergieStRL deutet darauf hin, dass derjenige, der eine Anlage betreiben lässt, auf den tatsächlichen Anlagenbetreiber Einfluss nehmen können muss, um selbst noch als Stromerzeuger im Sinne dieser Vorschrift zu gelten. Diese Einflussmöglichkeit wird gesetzlich nicht definiert, sondern ausgehend von den Vorgaben des Unionsrechts vorausgesetzt und kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder tatsächlicher Natur sein. Es sind daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung alle im Streitfall maßgeblichen Umstände und Vertragsverhältnisse zu betrachten.
Wie der Begründung zu § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG zu entnehmen ist, hatte der Gesetzgeber das Contracting als typischen Fall des Betreibenlassens im Blick. Demnach ist der Betreiber i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG der typische Contractor, der den Strom in der Anlage erzeugt und an den Contractingnehmer leistet. Derjenige, der die Anlage betreiben lässt, ist der typische Contractingnehmer, der den Contractor mit dem Betreiben der Anlage beauftragt hat. Derjenige, der die Anlage betreiben lässt, muss in der Regel deren Errichtung veranlasst haben (vgl. FG Thüringen in DStRE 2016, 374, Rz 92). Grundsätzlich verpflichten sich der Contractor, die zu versorgenden Objekte mit Strom zu beliefern, und der Contractingnehmer, den Strom vom Contractor zu beziehen (Schröer-Schallenberg in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, a.a.O., § 9 StromStG Rz 75, m.w.N.; Urteil des FG Hamburg vom 26.01.2010 - 4 K 53/09, Contracting und Recht ‑‑CuR‑‑ 2010, 131, Rz 32, m.w.N.). Typischerweise sind die Verträge langfristig angelegt.
Das Betreibenlassen setzt nicht voraus, dass der Contractingnehmer das wirtschaftliche Risiko der Anlage trägt oder die Verfügungsmacht über die Anlage hat. Auch eine gesellschaftsrechtliche oder personelle Verknüpfung zwischen den Vertragsbeteiligten ist nicht erforderlich. Sie kann jedoch im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen sein (vgl. FG Hamburg in CuR 2010, 131, Rz 39).
Die für ein Betreibenlassen erforderliche Einflussnahmemöglichkeit fehlt, wenn Strom auf dem freien Markt zugekauft wird. Abzugrenzen ist das Betreibenlassen deshalb von dem bloßen Ankauf oder dem bloßen Einspeisen des Stroms ohne Bezug zur Anlage (vgl. Thüringer FG, Urteil vom 26.04.2012 - 2 K 888/09, DStRE 2013, 692, Rz 26). Ein lediglich langfristiger Ankauf- oder Einspeisevertrag allein reicht ebenfalls nicht aus, weil der erforderliche Anlagenbezug fehlt.
2. Unter Beachtung dieser Grundsätze lässt die Klägerin im Streitfall das BHKW durch die KG betreiben.
a) Die Initiative zur Errichtung der Anlage ging ausschließlich von der Klägerin aus. Denn im Stadtrat der Klägerin wurde die Errichtung der Anlage beraten und beschlossen und ein Anforderungskatalog erarbeitet. Die KG hat sich dann gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 des Baugesetzbuchs (BauGB) im Durchführungsvertrag zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan verpflichtet, die Anlage zu errichten und zu betreiben. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB kann die Gemeinde durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Zulässigkeit von Vorhaben bestimmen, wenn der Vorhabenträger auf der Grundlage eines mit der Gemeinde abgestimmten Plans zur Durchführung der Vorhaben und der Erschließungsmaßnahmen (Vorhaben- und Erschließungsplan) bereit und in der Lage ist und sich zur Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist und zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten ganz oder teilweise vor dem Beschluss nach § 10 Abs. 1 BauGB verpflichtet. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB entscheidet die Gemeinde über die Einleitung des Bebauungsplanverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen. Daraus ergibt sich eine Einflussnahme der Gemeinde, die im Rahmen der Gesamtbetrachtung für ein Betreibenlassen spricht. Dass das Grundstück, auf welchem sich die Anlage befindet, nicht im Eigentum der Gemeinde steht, ist unerheblich. Eine anderslautende Vorgabe findet sich weder im StromStG noch in der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes.
b) Bei Gesamtbetrachtung der abgeschlossenen Verträge sind diese auch langfristig abgeschlossen. Der Wärmelieferungsvertrag hat eine feste Laufzeit ohne Kündigungsmöglichkeit von über zehn Jahren (bis 31.12.2021, § 11 Abs. 1 Satz 1). Der Einspeisevertrag endet nach 7.1 Satz 1 nach 20 Jahren. Das gemäß 7.2 vereinbarte Recht beider Parteien, diesen Vertrag mit einer Frist von sechs Monaten zu kündigen, steht der Langfristigkeit nicht entgegen. Wenn das HZA diesbezüglich eine getrennte Betrachtung der Wärme- und Stromlieferung verlangt, verkennt es, dass das BHKW als KWK-Anlage nur als Gesamtheit wirtschaftlich betrieben werden kann.
c) Zwar ergibt sich weder aus dem Einspeisevertrag noch aus dem Wärmeliefervertrag eine vertragliche Abnahmeverpflichtung der Klägerin, nach den Feststellungen des FG war das BHKW jedoch ausschließlich an die Wärmeleitung der Klägerin und an deren Stromnetz angeschlossen. Dadurch ergab sich eine faktische Bindung der KG ausschließlich an die Klägerin, an die die KG den gesamten Strom und die gesamte Wärme, die in der KWK-Anlage erzeugt wurden, geliefert hat.
Vor diesem Hintergrund kann der Senat dahinstehen lassen, ob überhaupt eine Abnahmeverpflichtung für ein Betreibenlassen zu fordern ist.
3. Auch die weiteren Voraussetzungen der Steuerbefreiung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG sind im Streitfall gegeben.
a) Die Anlage hat eine elektrische Nennleistung von 0,6 MW und bleibt damit unter der gesetzlich vorgesehenen Grenze von 2 MW.
b) Den in der Anlage erzeugten Strom leistete die Klägerin an Letztverbraucher, die diesen im räumlichen Zusammenhang mit der Anlage entnahmen.
aa) Den Begriff der Leistung definiert das StromStG nicht. Dieses Tatbestandsmerkmal findet sich auch in § 2 Nr. 1 StromStG, in welchem der Begriff des Versorgers definiert wird. Danach ist Versorger derjenige, der Strom leistet. Unter "leisten" wird verstanden, dass jemand einem anderen aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung Strom i.S. des § 1 Abs. 1 StromStG verschafft (Wundrack in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, a.a.O., § 2 StromStG Rz 5 und § 5 Rz 23; Möhlenkamp/Milewski, 2. Aufl., StromStG, § 2 Rz 10; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.06.2004 - 6 K 1173/02 Z, ZfZ 2004, 424, Rz 42; BTDrucks 14/40, 11).
bb) Nach den Feststellungen des FG veräußerte die Klägerin den Strom an Letztverbraucher. An diese Feststellungen des FG ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden, denn sie sind frei von Verfahrensfehlern zustande gekommen und enthalten weder Widersprüche noch einen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze.
Insbesondere besteht kein Widerspruch zu der Feststellung des FG, die KG habe der Klägerin gemäß 3.4 des Einspeisevertrags den in ihrer Anlage erzeugten Strom zur Verfügung gestellt. Soweit das HZA erstmals im Revisionsverfahren die Auffassung vertreten hat, die Inanspruchnahme einer Einspeisevergütung nach dem EEG schließe wegen des sog. EEG-Wälzungsmechanismus die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG aus, folgt der Senat dem nicht. Ungeachtet dessen, dass auf die vom Gesetz vorgesehene Steuerbefreiung nicht verzichtet werden kann, wenn deren Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, ist der Senat bei der Auslegung des StromStG grundsätzlich nicht an die Definitionen und Vorgaben des EEG gebunden (vgl. Senatsurteile vom 06.10.2015 - VII R 25/14, BFHE 251, 563, Rz 16, und vom 23.06.2009 - VII R 34/08, BFH/NV 2009, 1673, Rz 19, jeweils für den Anlagenbegriff).
Davon ausgehend bestand zwischen der Klägerin und ihren Kunden eine Leistungsbeziehung im Sinne des Stromsteuerrechts.
cc) Im Übrigen hat das HZA keine fristgerechte Rüge erhoben, sondern erstmals in der mündlichen Verhandlung der Revisionsinstanz bestritten, dass die Klägerin den Strom an Letztverbraucher geleistet habe.
dd) Letztlich käme der Klägerin auch ein Vertrauensschutz zugute. Denn die Finanzverwaltung hat im Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 23.03.2015 - GZ: III B 6 - V 4250/05/10003 erklärt, dass eine freie (kaufmännisch-bilanzielle) Zuordnung der Strommengen zu den Entnahmestellen, die sich im räumlichen Zusammenhang zu der jeweiligen Stromerzeugungsanlage befinden, mit Blick auf die Befreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG zulässig sei.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.