ECLI:DE:BFH:2021:U.160921.IVR34.18.0
BFH IV. Senat
GG Art 3 Abs 1, EStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 1, FGO § 41 Abs 1, FGO § 41 Abs 2, AO § 137, AO §§ 140ff, AO § 140, AO § 146b, AO § 147, AO § 147ff, AO § 193 Abs 1, UStG § 19, UStG § 22, UStG § 27b, AO § 30a, DigGAufzMaSchG , EStG VZ 2015
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 11. June 2018, Az: 8 K 501/17
Leitsätze
Im Jahr 2015 bestand hinsichtlich der Erfassung von Bareinnahmen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch bei sog. bargeldintensiven Betrieben mit offener Ladenkasse kein dem Gesetzgeber zuzurechnendes strukturelles Vollzugsdefizit.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 12.06.2018 - 8 K 501/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob bezüglich der Erfassung von Bareinnahmen aus bargeldintensiven Geschäftsbetrieben (insbesondere im Bereich der Gastronomie) im Veranlagungszeitraum 2015 (Streitjahr) ein strukturelles Vollzugsdefizit vorlag und deshalb die erzielten Bareinnahmen nur teilweise der Besteuerung unterliegen.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine im Jahr 2008 gegründete, zwischenzeitlich in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG tätige Personengesellschaft, betreibt mehrere Gaststätten und Hotelbetriebe. Insbesondere die Gaststätten gehören zum Bereich der sog. bargeldintensiven Geschäftsbetriebe. Im Streitjahr erzielte die Klägerin Netto-Umsatzerlöse in Höhe von insgesamt rd. … €.
Mit Bescheid für 2015 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheid) vom 20.02.2017 veranlagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) die Klägerin erklärungsgemäß und stellte u.a. laufende gewerbliche Gesamthandseinkünfte in Höhe von ./. … € fest.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Sprungklage machte die Klägerin geltend, hinsichtlich der Erfassung von Bareinnahmen bei bargeldintensiven Betrieben liege ein strukturelles Vollzugsdefizit vor, das eine gleichmäßige Besteuerung aller Marktteilnehmer verhindere. Der Gesetzgeber habe dies zu verantworten. Die Besteuerung der von der Klägerin erzielten Bareinnahmen in vollem Umfang verstoße daher gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Sie schätze den Anteil der von ihr erklärten Einnahmen, die verfassungswidrig versteuert würden, auf insgesamt 144.000 €. Sie habe im Streitjahr Nettoumsätze von rd. … € erzielt. Gehe man mit der Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2017 davon aus, dass ein Anteil von mindestens 15 % hinterzogen werde, so ergebe sich hieraus eine Differenz zum nicht versteuerten Umsatz eines manipulierenden Marktteilnehmers von … €. Zur Berücksichtigung des Anteils der unbar erzielten Einnahmen und von anderen Unsicherheiten mache sie hiervon nur einen Anteil von 144.000 € klageweise geltend.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom 12.06.2018 - 8 K 501/17 ab. Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag auf Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sei rechtsschutzgewährend dahin auszulegen, dass die Klägerin zudem die Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids 2015 dahin beantrage, dass der Verlust aus Gewerbebetrieb um 144.000 € höher festgestellt werde. Das Ziel der Klägerin, ein strukturelles Vollzugsdefizit festzustellen, lasse sich nach § 41 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorrangig durch Anfechtungsklage erreichen. Die zulässige Sprungklage sei jedoch unbegründet. Es liege kein strukturelles Vollzugsdefizit vor. Bei der Besteuerung von Einnahmen aus Gewerbebetrieben bestehe ‑‑trotz vorhandener Probleme bei der Erhebung und Verifikation von Besteuerungsgrundlagen im Bereich der bargeldintensiven Geschäftsbetriebe‑‑ kein struktureller Erhebungsmangel. Die Klägerin weise zwar zutreffend darauf hin, dass die bestehenden Möglichkeiten zur Manipulation von Kassenaufzeichnungen ein ernstzunehmendes Problem für den gleichmäßigen Steuervollzug darstellten. Entgegen der Auffassung der Klägerin werde die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens aber nicht prinzipiell verfehlt. Denn anders als in den vom BVerfG entschiedenen Fällen zur Zinsbesteuerung (BVerfG-Urteil vom 27.06.1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654) und zu den Spekulationsgeschäften (BVerfG-Urteil vom 09.03.2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56) bestehe im Streitfall kein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der materiell pflichtbegründenden Steuernorm und einer nicht auf Durchsetzung angelegten Erhebungsregel. Vielmehr liege im Bereich der Gewinneinkünfte, zu denen auch die Einkünfte aus Gewerbebetrieb gehörten, eine normative Gestaltung vor, die gerade auf die Durchsetzung der pflichtbegründenden Steuernorm abziele. Im Bereich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb bestehe auch ein praktisch bedeutsames Entdeckungsrisiko bei Manipulationen. Der Senat sei auch nicht davon überzeugt, dass die Besteuerung der vollständigen Einnahmen aus bargeldintensiven Betrieben aus politischen Gründen nicht vollzogen werde. Das vorhandene Vollzugsdefizit liege im Tatsächlichen und lasse sich nicht dem Gesetzgeber zurechnen.
Da die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge teilweiser Nichtbesteuerung von tatsächlich erzielten Bareinnahmen ihrerseits zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung führe, habe die Klage auch aus diesem Grund keinen Erfolg. Im Ergebnis begehre die Klägerin, so behandelt zu werden wie die Gewerbetreibenden, die unter Manipulation der Kassendaten nach dem Gesetz geschuldete Steuern hinterziehen. Eine Gleichheit im Unrecht dürfe aber nicht beansprucht werden.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus:
Streitig sei, ob die fehlende gesetzliche Verpflichtung zur Führung einer elektronischen Kasse ein strukturelles Vollzugsdefizit auf Erhebungsebene verursache und deshalb verfassungswidrig sei. Sie ‑‑die Klägerin‑‑ sei in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzt, denn ihr bleibe aufgrund der innerbetrieblichen Struktur nichts anderes übrig, als zur Überwachung der Mitarbeiter und zur Ermittlung der zutreffenden Besteuerungsgrundlagen eine elektronische Registrierkasse einzusetzen. Demgegenüber könne jeder Unternehmer ohne diese Zielsetzungen auf eine elektronische Registrierkasse verzichten und lediglich eine offene Ladenkasse führen mit der Folge, dass eine gleichmäßige Steuerfestsetzung bei allen Marktteilnehmern ausgeschlossen sei. Denn bei offenen Ladenkassen habe die Finanzbehörde keine nennenswerten Möglichkeiten, den angegebenen Umsatz auf seinen Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Jedenfalls blieben die Prüfungsmöglichkeiten bei offenen Ladenkassen weit hinter dem zurück, was bei Registrierkassen möglich sei. Dies gelte auch für die sog. Kassen-Nachschau.
Soweit das FG seine Ansicht, die Nichteinführung einer Kassenpflicht sei nicht politisch motiviert, darauf stütze, dass der Gesetzgeber 2016 das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen (DigGAufzMaSchG) vom 22.12.2016 (BGBl I 2016, 3152) erlassen und somit auch Nachbesserungsversuche unternommen habe, übersehe es, dass dieses Gesetz offene Ladenkassen gerade nicht erfasse. Trotz Kenntnis des Vollzugsdefizits seit dem Jahr 2003 habe der Gesetzgeber das Problem bei offenen Ladenkassen also auch im Jahr 2016 nicht geregelt.
Die Klägerin beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2015 vom 20.02.2017 dahin zu ändern, dass der laufende Gesamthandsverlust um 144.000 € höher festgestellt wird.Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.Das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision hat keinen Erfolg und ist daher als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Im Ergebnis zu Recht hat das FG das Klagebegehren der Klägerin rechtsschutzgewährend als Anfechtungsklage ausgelegt (dazu unter 1.). Zu Recht hat das FG diese Klage als unbegründet abgewiesen (dazu unter 2. und 3.).
1. Im Ergebnis zu Recht hat das FG den Klageantrag der Klägerin rechtsschutzgewährend dahin ausgelegt, dass sie (auch) beantragt ‑‑wie nun ausdrücklich auch im Revisionsverfahren‑‑, den Gewinnfeststellungsbescheid 2015 vom 20.02.2017 dahin zu ändern, dass der laufende Gesamthandsverlust um 144.000 € höher festgestellt wird.
a) In der mündlichen Verhandlung vor dem FG hatte die Klägerin lediglich beantragt, das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen, ob § 15 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 und Abs. 3, § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig ist, soweit "er" bargeldintensive Gewerbebetriebe, insbesondere der Gastronomie, betrifft. Bei diesem Antrag handelt es sich jedoch nicht um einen Sachantrag, über den das FG befinden muss, sondern lediglich um eine Anregung an das Gericht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 01.04.1981 - I R 27/79, BFHE 133, 386, BStBl II 1981, 660, unter IV. [Rz 24]). Ob das FG sein Verfahren aussetzen und nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG dem BVerfG die Frage der Verfassungswidrigkeit einer Norm zur Prüfung vorlegen muss, richtet sich allein danach, ob das FG davon überzeugt ist, dass eine seiner Ansicht nach für den Streitfall entscheidungserhebliche Norm verfassungswidrig ist.
b) Hat ein Kläger keinen ausdrücklichen Sachantrag gestellt, muss das FG sein Klagebegehren anhand seines Vorbringens ermitteln.
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines strukturellen Vollzugsdefizits. Ungeachtet der Tatsache, dass auch diese Feststellung (was auch die Klägerin nicht bestreitet) allein dem BVerfG vorbehalten ist, ist das FG im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass eine solche Feststellungsklage unzulässig wäre. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sie nicht, wie dies nach § 41 Abs. 1 FGO erforderlich wäre, auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses gerichtet wäre, sondern auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Norm. Zudem wäre sie, worauf das FG zu Recht hingewiesen hat, auch deshalb unzulässig, weil der Klägerin zur Erreichung ihres Ziels vorrangig die Anfechtungsklage zur Verfügung steht. Denn letztlich begehrt die Klägerin, so gestellt zu werden wie sie stünde, wenn das von ihr behauptete Vollzugsdefizit tatsächlich gegeben wäre. Für diesen Fall geht sie davon aus, dass dann ihr laufender Gesamthandsgewinn (mindestens) um den Betrag von 144.000 € zu mindern sei, sich der bislang im Gewinnfeststellungsbescheid festgestellte laufende Gesamthandsverlust also entsprechend erhöhte. Insoweit hat das FG im Ergebnis zu Recht ihr Klagebegehren als Anfechtungsklage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 2015 ausgelegt und nur diese Klageart für statthaft gehalten.
c) Ausgehend von den dargestellten Grundsätzen widerspricht das Urteil des FG daher, anders als die Klägerin meint, nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen, wenn es einerseits die von der Klägerin in erster Linie begehrte Feststellungsklage im Hinblick auf § 41 Abs. 2 FGO für unzulässig hält, die seiner Ansicht nach vorrangige Anfechtungsklage dann aber (auch) mit der Begründung als unbegründet abweist, dass die Klägerin keinen Anspruch auf "Gleichheit im Unrecht" habe. Insoweit übersieht die Klägerin zum einen, dass die von ihr für statthaft gehaltene Feststellungsklage in jedem Fall bereits unzulässig gewesen wäre, und zudem, dass das FG im Rahmen der Anfechtungsklage ‑‑wie von der Klägerin begehrt‑‑ geprüft hat, ob das nach Ansicht der Klägerin gegebene Vollzugsdefizit besteht.
2. Zu Recht hat das FG die Klage als unbegründet abgewiesen. Der angegriffene Gewinnfeststellungsbescheid ist rechtmäßig.
Auch der erkennende Senat ist nicht davon überzeugt, dass im Streitjahr 2015 hinsichtlich der Erfassung von Bareinnahmen bei Einkünften aus Gewerbebetrieb bei bargeldintensiven Betrieben, insbesondere bei solchen der Gastronomie, ein dem Gesetzgeber zuzurechnendes strukturelles Vollzugsdefizit bestand, das zur (ggf. partiellen) Nichtigkeit der materiellen Steuernorm hätte führen können. Eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG kommt danach nicht in Betracht.
a) Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden (BVerfG-Urteil vom 17.12.2014 - 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136, BStBl II 2015, 50, Rz 123, und BVerfG-Beschluss vom 24.03.2015 - 1 BvR 2880/11, BVerfGE 139, 1, BStBl II 2015, 622, Rz 40, jeweils m.w.N.). Wird die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt, kann dies die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Besteuerungsgrundlage nach sich ziehen (BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
Nach dem Gebot tatsächlich gleicher Steuerbelastung durch gleichen Gesetzesvollzug begründet eine in den Verantwortungsbereich des Gesetzgebers fallende strukturell gegenläufige Erhebungsregel im Zusammenwirken mit der zu vollziehenden materiellen Steuernorm deren Verfassungswidrigkeit. Strukturell gegenläufig wirken sich Erhebungsregelungen gegenüber einem Besteuerungstatbestand aus, wenn sie dazu führen, dass der Besteuerungsanspruch weitgehend nicht durchgesetzt werden kann. Die Frage, ob der Gesetzgeber von ihm erstrebte Ziele ‑‑im Steuerrecht die Erzielung von Einnahmen, ggf. auch Lenkung‑‑ faktisch erreicht, ist rechtsstaatlich allein noch nicht entscheidend. Vollzugsmängel, wie sie immer wieder vorkommen können und sich tatsächlich ereignen, führen allein noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm. Verfassungsrechtlich verboten ist jedoch der Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der materiell pflichtbegründenden Steuernorm und der nicht auf Durchsetzung dieses Befehls angelegten Erhebungsregel. Zur Gleichheitswidrigkeit führt nicht ohne weiteres die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen, wohl aber das normative Defizit des widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts.
Daraus folgt eine nicht durch gesamtwirtschaftliche Erwägungen relativierbare Pflicht des Gesetzgebers, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet - mit dem Instrument des Quellenabzugs oder im Veranlagungsverfahren mit der Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (vgl. dazu BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1., m.w.N.).
b) Für die Prüfung, ob normative Defizite einen gleichmäßigen Belastungserfolg verhindern, ist maßgeblich auf den Regelfall des Besteuerungsverfahrens abzustellen. Unabhängig von der Möglichkeit der Quantifizierung nicht erfasster steuerbarer Einkünfte hängt die Feststellung eines strukturellen Vollzugsdefizits im verfassungsrechtlichen Sinn ganz wesentlich davon ab, wie weit beim Vollzug einer bestimmten materiellen Steuernorm die Erhebungsform oder die Besteuerungspraxis im Rahmen gewöhnlicher Verwaltungsabläufe im Massenverfahren der Finanzämter im Großen und Ganzen auf Gleichheit im Belastungserfolg angelegt ist und wie weit insbesondere auch unzulängliche Erklärungen der Steuerpflichtigen mit einem angemessenen Entdeckungsrisiko verbunden sind. Dabei ist zu berücksichtigen, ob besondere Verifikationsinstrumente wie etwa die Außenprüfung hinsichtlich der betreffenden Einkünfte regelmäßig zur Anwendung kommen oder eher die seltene Ausnahme darstellen. Lässt sich der Regelfall aufgrund einer Analyse der verfahrensrechtlichen Strukturen des Besteuerungsverfahrens und aufgrund von empirischen Erkenntnissen über die Veranlagungspraxis ausreichend zuverlässig so beschreiben, dass bestimmte Einkünfte materiell-rechtlich zutreffend nur bei einer qualifizierten Erklärungsbereitschaft des Steuerpflichtigen erfasst werden und ein Fehlverhalten bei der Erklärung ohne ein praktisch bedeutsames Entdeckungsrisiko möglich bleibt, dann liefert bereits dies hinreichende Grundlagen für die Feststellung einer im Gesetz strukturell angelegten Ungleichmäßigkeit der Rechtsanwendung.
Wenn die Finanzverwaltung wegen einer bestimmten materiellen Norm generell verschärft prüfen muss, um überhaupt einen annähernd gleichmäßigen Belastungserfolg erreichen zu können, kann dies Indiz für das Bestehen defizitärer Erhebungsstrukturen sein. Die Form der Steuererhebung und ‑‑in Ergänzung des Deklarationsprinzips‑‑ das behördliche Kontrollinstrumentarium haben somit der materiellen Steuernorm regelmäßig so zu entsprechen, dass deren gleichheitsgerechter Vollzug im Massenverfahren der Veranlagung möglich ist, ohne unverhältnismäßige Mitwirkungsbeiträge der Steuerpflichtigen oder übermäßigen Ermittlungsaufwand der Finanzbehörden zu fordern.
c) Bei der Beurteilung der Frage, ob in einem bestimmten Veranlagungszeitraum ein strukturelles Vollzugsdefizit besteht, sind sowohl faktische als auch normative Veränderungen zu berücksichtigen, die zusätzliche Anreize zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Erklärungspflichten geschaffen haben und die das Entdeckungsrisiko für den Steuerpflichtigen bei der Abgabe mangelhafter Erklärungen erhöht haben. In zeitlicher Hinsicht sind dabei grundsätzlich alle solche Veränderungen in die Betrachtung einzubeziehen, die sich typischerweise auf den Vollzug innerhalb der allgemeinen vierjährigen Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑) auswirken konnten, denn regelmäßig müsste ein hinreichend effektiver Vollzug innerhalb dieser Frist gelingen (z.B. BVerfG-Beschluss vom 10.01.2008 - 2 BvR 294/06, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2008, 197, unter B.I.2.).
Ebenso sind Nachbesserungsversuche zu würdigen, welche die Finanzverwaltung nach dem Erkennen eines tatsächlichen Vollzugsdefizits ergriffen hat. Art, Ausmaß und Erfolg der Abweichung von der bisherigen Veranlagungspraxis können Hinweise dazu liefern, ob das für den Regelfall der Veranlagung zur Verfügung stehende Instrumentarium bislang nur unzureichend angewendet worden ist oder ob es sich bei den "Nachbesserungen" um Maßnahmen handelt, auf welche der normale Vollzug nicht angelegt ist und nicht angelegt sein kann (z.B. BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.2.d).
d) Ein strukturelles Vollzugsdefizit stellt eine ganz außergewöhnliche Rechtsfolge mangelnder Effektivität des Rechts dar (vgl. BVerfG-Beschlüsse in DStR 2008, 197, unter B.I.3., und vom 10.03.2008 - 2 BvR 2077/05, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR- 2008, 852, unter B.I.3.a aa).
3. Ausgehend von den dargestellten Grundsätzen bestand im Streitjahr (2015) hinsichtlich der Erfassung von Bareinnahmen bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (auch) bei bargeldintensiven Betrieben insbesondere im Bereich der Gastronomie kein dem Gesetzgeber zuzurechnendes strukturelles Vollzugsdefizit, das zur Nichtigkeit des § 15 EStG bezogen auf die Besteuerung des Betriebs der Klägerin hätte führen können. Insoweit nimmt der Senat zunächst auf die ausführliche Begründung des FG Bezug, die er für zutreffend hält. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es der Klägerin im Revisionsverfahren allein (noch) um die Feststellung eines ihrer Ansicht nach gegebenen strukturellen Erhebungsdefizits bei Marktteilnehmern mit offener Ladenkasse im Vergleich zu solchen mit einer Registrierkasse geht. Der Senat teilt auch insoweit die Auffassung des FG, dass ‑‑trotz bestehender Probleme bei der Erhebung und Verifikation von Besteuerungsgrundlagen im Bereich der bargeldintensiven Geschäftsbetriebe, insbesondere in der Gastronomie‑‑ im Streitjahr kein struktureller, dem Gesetzgeber zuzurechnender Erhebungsmangel besteht.
a) Mit dem FG und der Klägerin geht auch der Senat davon aus, dass die Möglichkeiten zur Manipulation von Kassenaufzeichnungen ein ernstzunehmendes Problem für den gleichmäßigen Steuervollzug darstellen; dies galt auch bereits im Streitjahr.
b) Zu Recht hat das FG aber ausgeführt, dass die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens ‑‑auch im Streitjahr‑‑ nicht prinzipiell verfehlt wurde.
aa) Auch die Klägerin behauptet nicht, dass im Streitjahr eine strukturell gegenläufige, dem Gesetzgeber zuzurechnende Erhebungsregelung vorgelegen habe, wie sie das BVerfG in seinem Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654 (zur Verfassungswidrigkeit der Zinsbesteuerung) in dem BMF-Schreiben vom 31.08.1979 - IV A 7-S 0230-11/79 (BStBl I 1979, 590, sog. Bankenerlass 1979) und in seinem Urteil in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56 (zur Verfassungswidrigkeit von Spekulationsgeschäften) in § 30a AO a.F. gesehen hat.
bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin wurde die Gleichheit im Belastungserfolg im Streitjahr durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens aber auch im Übrigen nicht prinzipiell verfehlt. Vielmehr lag auch im Streitjahr selbst für bargeldintensive Betriebe im Bereich der Gastronomie eine normative Gestaltung vor, die gerade auf die Durchsetzung der pflichtbegründenden Steuernorm abzielt (dazu (1)). Es bestand ‑‑anders als die Klägerin meint‑‑ auch im Streitjahr selbst für Betreiber einer offenen Ladenkasse ein angemessenes Entdeckungsrisiko bei Manipulationen (dazu (2)). Ein etwa gleichwohl bestehendes Vollzugsdefizit im Bereich der bargeldintensiven Betriebe mit offener Ladenkasse lag im Streitjahr jedenfalls allein im Tatsächlichen und ist dem Gesetzgeber nicht zuzurechnen (dazu (3)). Dies entbindet den Gesetzgeber allerdings nicht von seiner generell bestehenden Beobachtungs- und etwaigen Nachbesserungspflicht (dazu (5)).
(1) Das FG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Steuerpflichtige mit Einkünften aus Gewerbebetrieb auch im Streitjahr bereits umfangreichen Erklärungspflichten unterlagen, die von der zwingenden Abgabe einer Steuererklärung mit einer Anlage EÜR bis zur Abgabe einer Bilanz reichen (vgl. § 25 EStG, § 60 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung), und dass diese Regelungen bereits damals flankiert wurden von umfangreichen Anzeige-, Aufzeichnungs- und (Beleg-)Aufbewahrungspflichten (z.B. § 137, §§ 140 ff., §§ 147 ff. AO; ebenso § 22 des Umsatzsteuergesetzes ‑‑UStG‑‑), die zur Verifikation herangezogen werden können und ggf. Anlass zu weiteren Ermittlungen ‑‑z.B. im Rahmen von Außenprüfungen‑‑ im Hinblick auf Manipulationen ergeben.
(2) Es bestand auch bereits im Streitjahr ein erhöhtes Entdeckungsrisiko selbst für bargeldintensive Betriebe mit offener Ladenkasse.
(2.1) So war bereits damals eine Außenprüfung ohne weitere Voraussetzung und nicht nur ausnahmsweise zulässig (vgl. § 193 Abs. 1 AO; so auch BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.III.3.a dd, und BVerfG-Beschluss in HFR 2008, 852, unter B.I.3.a aa).
Zu Recht hat das FG darauf hingewiesen, dass sich ‑‑auch‑‑ bei den bargeldintensiven Gewerbebetrieben Hinweise regelmäßig auch aus einer Umsatzsteuer-Nachschau (§ 27b UStG) ergeben können, so dass sich die Steuerpflichtigen nicht ohne weiteres darauf verlassen können, dass nach einer Außenprüfung für mindestens 70 Jahre keine weitere Prüfung erfolgt. Soweit die Klägerin geltend macht, dass die Möglichkeit der Umsatzsteuer-Nachschau (§ 27b UStG) regelmäßig ins Leere laufe, da der Großteil der Betreiber mit offenen Ladenkassen als Kleinunternehmer i.S. des § 19 UStG nicht umsatzsteuerpflichtig sei und Betriebe gerade mithilfe der offenen Ladenkasse unterhalb der dafür erforderlichen Grenzen bleiben könnten, kann sich der Senat dem nicht anschließen. Nach der im Streitjahr geltenden Fassung des § 19 UStG wurden als sog. Kleinunternehmer nur solche Steuerpflichtige erfasst, deren Umsatz zzgl. der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hatte und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen würde. Dass es im hier allein streitigen Bereich der Gastronomie im Streitjahr in erheblichem Umfang nur Kleinunternehmer gab, weshalb die Möglichkeit der Umsatzsteuer-Nachschau regelmäßig nicht von Bedeutung gewesen sei, ist nicht ersichtlich.
Zudem war es der Finanzverwaltung auch im Streitjahr bereits ohne weiteres möglich, bargeldintensive Betriebe verstärkt zu prüfen. So konnte sie auch schon damals z.B. einen Prüfungsschwerpunkt für solche bargeldintensiven Betriebe bilden, die eine offene Ladenkasse führen.
Dass die Möglichkeit der Verifikation von Angaben eines Steuerpflichtigen regelmäßig von der Anzahl der für diese Aufgaben vorgesehenen Mitarbeiter abhängt, ist kein spezifisches Problem der Effektivität der Besteuerung von bargeldintensiven Betrieben mit offener Ladenkasse, sondern eine generelle Frage der Personalpolitik der Finanzbehörden. Das Fehlen von Personal, um die dem Grunde nach möglichen Verifikationen durchführen zu können, ist dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht zuzurechnen.
(2.2) Zu Recht hat das FG des Weiteren darauf hingewiesen, dass es auch im Streitjahr mit Methoden wie z.B. dem Chi-Quadrat-Test bereits Möglichkeiten gab, selbst bei bargeldintensiven Betrieben mit offener Ladenkasse Manipulationen aufzudecken. So hat den Feststellungen des FG zufolge auch der in der mündlichen Verhandlung vor dem FG anwesende Kassensystemprüfer glaubhaft angegeben, er selbst habe trotz genauer Kenntnis des Tests keine manipulierte Buchführung erstellen können, die den Test bestanden hätte.
(2.3) Das FG hat auch zu Recht darauf abgestellt, dass den Veranlagungsstellen ‑‑anders als in den vom BVerfG entschiedenen Fällen zur Zinsbesteuerung und zu den Spekulationsgeschäften‑‑ auch Kontrollmaterialien zur Verfügung stehen, die zur Verifikation der erklärten Einkünfte herangezogen werden können, wie etwa die Verprobung der erklärten Daten mit den Daten der Vorjahre oder anhand der jährlich aktualisierten Richtsatzsammlungen. Darüber hinaus musste der Gesetzgeber im Streitjahr auch noch nicht davon ausgehen, dass eine Vollschätzung selbst dann nicht möglich sein werde, wenn die Aufzeichnungen eines Steuerpflichtigen, der eine offene Ladenkasse führt und seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, nicht die Gewähr ihrer inhaltlichen Vollständigkeit bieten. Denn erst mit Beschluss vom 12.07.2017 - X B 16/17 (BFHE 257, 523, Rz 86) ‑‑und damit deutlich nach dem Streitjahr‑‑ hat der X. Senat des BFH ‑‑und auch nur bei summarischer Betrachtung im Rahmen eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens‑‑ ausgeführt, dass aus dem Umstand, dass es bei Führung einer offenen Ladenkasse und Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG systembedingt keine Vollständigkeitsgewähr geben könne, keine Befugnis zur Vollschätzung abgeleitet werden könne. Dabei hat der X. Senat jedoch zugleich ausdrücklich offen gelassen, ob die bisherigen Rechtsprechungsvorgaben an die Form und den Inhalt von Aufzeichnungen in Fällen der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung und der Verwendung einer offenen Ladenkasse unzureichend sind und daher noch für die Zeit vor Inkrafttreten des DigGAufzMaSchG (dazu auch unter II.3.b bb (2.4) und (3)) einer Verschärfung bedürften.
Dahinstehen kann, welche Bedeutung Kontrollmitteilungen in bargeldintensiven Betrieben insbesondere im Bereich der Gastronomie im Hinblick darauf zukommt, dass der Unternehmer eine Aufdeckung von Steuerhinterziehungen durch Kontrollmitteilungen in gewissem Umfang dadurch umgehen kann, dass er einen Teil seiner Ware bei Supermärkten gegen Barzahlung erwirbt. Selbst wenn die Anzahl von Kontrollmitteilungen in diesem Bereich geringer ist als in anderen Bereichen, besteht sie jedenfalls dem Grunde nach und unterliegt keinen gesetzlichen Beschränkungen. Insoweit besteht, worauf das FG zutreffend hingewiesen hat, ein grundlegender Unterschied zu der Situation, wie sie infolge des sog. "Verbots von Kontrollmitteilungen" bei der Prüfung von Banken in Bezug auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Spekulationsgeschäften bestand, über die das BVerfG in den Urteilen in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654 und in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56 (dort unter C.III.3.a dd (2) (a)) zu entscheiden hatte.
(2.4) Wie oben dargelegt, sind bei der Beurteilung der Frage, ob ein strukturelles Vollzugsdefizit vorliegt, sowohl faktische als auch normative Veränderungen zu berücksichtigen, die zwar erst nach dem Streitjahr in Kraft getreten sind, die sich aber typischerweise auf den Vollzug innerhalb der allgemeinen vierjährigen Festsetzungsfrist auswirken konnten (vgl. BVerfG-Beschlüsse in DStR 2008, 197, unter B.I.2., und in HFR 2008, 852, unter B.I.2.). Zu Recht hat das FG eine solche Regelung in der Kassen-Nachschau gemäß § 146b AO i.d.F. des DigGAufzMaSchG (nachfolgend: AO n.F.) gesehen. Nach dieser Vorschrift, die mit Wirkung ab dem 01.01.2018 eingeführt wurde (vgl. Art. 97 § 30 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung) und damit im Rahmen der geltenden Festsetzungsfristen aufgrund von Feststellungen ab dem Jahr 2018 auch Rückschlüsse auf Verhältnisse im Streitjahr ermöglicht, können die damit betrauten Amtsträger der Finanzbehörde ohne vorherige Ankündigung während der üblichen Geschäftszeiten die Geschäftsräume von Steuerpflichtigen betreten, um für die Besteuerung erhebliche Sachverhalte (z.B. die ordnungsgemäße Erfassung von Bareinnahmen) festzustellen (§ 146b Abs. 1 Satz 1 AO n.F.), und bei Beanstandungen ohne vorherige Prüfungsanordnung zu einer Außenprüfung übergehen (§ 146b Abs. 3 AO n.F.). Werden offene Ladenkassen verwendet, kann der Amtsträger zur Prüfung der ordnungsgemäßen Kassenaufzeichnungen einen sog. "Kassensturz" verlangen und sich die Aufzeichnungen der Vortage vorlegen lassen (z.B. BRDrucks 407/16, S. 19 bzw. BTDrucks 18/9535, S. 23). Die Kassen-Nachschau nach § 146b AO n.F. stellt danach ‑‑entgegen der Auffassung der Klägerin‑‑ ein Instrument zur wirksamen Kontrolle der Vollständigkeit der Ursprungsaufzeichnungen dar (vgl. auch BFH-Beschluss in BFHE 257, 523, Rz 87). Soweit für den Streitfall von Bedeutung, hat der Gesetzgeber mit der Einführung der Kassen-Nachschau damit jedenfalls ein Instrument geschaffen, von dem er annehmen durfte (vgl. BRDrucks 407/16, S. 6 und 18 f. bzw. BTDrucks 18/9535, S. 12 und 22 f., BTDrucks 18/9957, S. 4), dass es auch bei bargeldintensiven Betrieben mit offener Ladenkasse zu einer deutlichen Erhöhung des Entdeckungsrisikos von Manipulationen führen würde.
(3) Selbst wenn man davon ausgeht, dass im Streitjahr ein (tatsächliches) Vollzugsdefizit bestanden hat, ist ein solches dem Gesetzgeber jedenfalls nicht zuzurechnen. Denn die im Streitjahr geltenden Normen waren ‑‑anders als in den vom BVerfG entschiedenen Fällen zur Zinsbesteuerung und zu den Spekulationsgeschäften‑‑ nicht widersprüchlich auf Ineffektivität angelegt. Dabei kann dahinstehen, ob ein normatives Gefüge im Sinne der dargestellten Rechtsprechung des BVerfG überhaupt dadurch "widersprüchlich auf Ineffektivität angelegt" sein kann, dass der Gesetzgeber es unterlässt, effektivere Erhebungsregeln zu erlassen, mit anderen Worten, ob die ganz außergewöhnliche Rechtsfolge mangelnder Effektivität des Rechts auch durch ein bloßes gesetzgeberisches Unterlassen ausgelöst werden kann. Denn die im Streitjahr geltenden Erhebungsregeln waren, wie dargelegt, jedenfalls nicht derart ineffektiv, dass ein Unterlassen weiterer Regelungen bezüglich der Besteuerung von Betrieben mit offener Ladenkasse im Bereich der Gastronomie dem Gesetzgeber bereits für das Streitjahr als strukturelles Vollzugsdefizit angelastet werden könnte.
Soweit die Klägerin ausführlich darlegt, welche gesetzgeberischen Maßnahmen nach ihrer Ansicht zur Beseitigung eines angeblich bereits im Streitjahr bestehenden strukturellen Vollzugsdefizits geboten wären, setzt sie ihre Meinung an die Stelle der im Gesetzgebungsverfahren unter Kenntnis der verschiedenen Stellungnahmen zu einem Gesetzentwurf gebildeten Meinung des Gesetzgebers. Es ist aber, worauf das FG zutreffend hingewiesen hat, grundsätzlich Aufgabe des Gesetzgebers, die Gegenstände und den Umfang steuerlicher Belastung sowie die Erhebungsinstrumentarien in Übereinstimmung mit seinen wirtschaftspolitischen Zielen auszuwählen. Die Frage, welche gesetzlichen Maßnahmen für die Beseitigung bestehender Probleme ausreichend, zweckmäßig und sinnvoll sind, ist der gerichtlichen Prüfung grundsätzlich entzogen.
Insoweit ist im Streitfall auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die Problematik der vollständigen Einnahmenerfassung im Bereich bargeldintensiver Betriebe nicht untätig geblieben ist. Er hat zwar erst mit dem bereits erwähnten DigGAufzMaSchG gesetzliche Regelungen zur Beseitigung dieser Problematik erlassen, obwohl das Problem der vollständigen Einnahmenerfassung im Bereich bargeldintensiver Betriebe schon seit längerem bekannt war. Zu Recht weist das FG allerdings darauf hin, dass bei der Feststellung eines strukturellen Erhebungsdefizits auch Nachbesserungsversuche zu würdigen sind, die die Finanzverwaltung nach dem Erkennen eines tatsächlichen Vollzugsdefizits ergriffen hat (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.2.d), und dass solche Maßnahmen insbesondere in Gestalt der BMF-Schreiben vom 16.07.2001 - IV D 2-S 0316-136/01 (BStBl I 2001, 415) über die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen, vom 26.11.2010 - IV A 4-S 0316/08/10004-07 (BStBl I 2010, 1342) zur Aufbewahrung digitaler Unterlagen bei Bargeschäften und vom 14.11.2014 - IV A 4-S 0316/13/10003 (BStBl I 2014, 1450) über die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff auch ergriffen wurden. Der Gesetzgeber hat anschließend in angemessener Zeit nach der Erkenntnis, dass die dargestellten Maßnahmen der Finanzverwaltung den Vollzug im Bereich der Registrierkassen nicht wesentlich verbessert haben, mit dem DigGAufzMaSchG auch grundlegende Maßnahmen ergriffen. Dass er sich dabei zunächst im Wesentlichen auf Regelungen zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen beim Einsatz von Registrierkassen konzentriert und den Einsatz von offenen Ladenkassen nicht unterbunden hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Vielmehr fällt es in die weitreichende Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers, welche gesetzlichen Maßnahmen für die Beseitigung bestehender Probleme er für ausreichend, zweckmäßig und sinnvoll hält. Im Übrigen geht die Begründung des DigGAufzMaSchG ausdrücklich davon aus, dass insbesondere die darin bestimmte Einführung einer Kassen-Nachschau der zeitnahen Aufklärung steuererheblicher Sachverhalte im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Erfassung von Geschäftsvorfällen (auch) mittels offener Ladenkassen dienen soll (vgl. BRDrucks 407/16, S. 6 und 18 f. bzw. BTDrucks 18/9535, S. 12 und 22 f.). Insoweit steht es dem Gesetzgeber frei, die Wirksamkeit der von ihm ergriffenen Maßnahmen erst einmal zu beobachten (dazu auch unter II.3.b bb (5)).
(4) Dahinstehen kann, ob jenseits eines normativen Erhebungsdefizits ein verfassungsrechtlich bedeutsames strukturelles Vollzugsdefizit auch darin bestehen kann, dass die Besteuerung aus politischen Gründen nicht vollzogen wird (vgl. BFH-Urteil vom 29.11.2005 - IX R 49/04, BFHE 211, 330, BStBl II 2006, 178; BFH-Beschlüsse vom 19.12.2007 - IX B 219/07, BFHE 219, 353, BStBl II 2008, 382, und vom 16.06.2011 - XI B 120/10). Denn Anhaltspunkte für ein solches Vollzugsdefizit sind nicht ersichtlich. Insoweit weist das FG zutreffend darauf hin, dass sich ein solches ‑‑entgegen der Auffassung der Klägerin‑‑ insbesondere nicht aus den verschiedenen schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen von Behörden und Interessenverbänden im Rahmen der öffentlichen Anhörung zum Entwurf des DigGAufzMaSchG (vgl. Deutscher Bundestag, Finanzausschuss, Protokoll Nr. 18/89 vom 17.10.2016, das sämtliche schriftlichen Stellungnahmen enthält) ergibt, da die Anhörung und die verschiedenen ‑‑naturgemäß interessengetriebenen‑‑ Stellungnahmen der unterschiedlichen Interessenverbände gerade Ausdruck des Prozesses der politischen Meinungsbildung im Rahmen der Gesetzgebung sind.
(5) Auch wenn danach im Streitjahr nach Ansicht des erkennenden Senats kein strukturelles Vollzugsdefizit im Bereich der bargeldintensiven Betriebe mit offener Ladenkasse vorlag, entbindet dies den Gesetzgeber nicht von seiner Pflicht, die offensichtlich bestehenden tatsächlichen Vollzugsprobleme bei der Besteuerung von Betrieben mit offenen Ladenkassen insbesondere im Bereich der Gastronomie sorgsam zu beobachten und alsbald zu prüfen, ob die seit 2016 ergriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen zu einer Verbesserung des Vollzugs auch in diesem Bereich geführt haben. Bei der danach erforderlichen Evaluierung kann ggf. auch die fortschreitende Digitalisierung zu berücksichtigen sein.
4. Anhaltspunkte dafür, dass die angegriffene Feststellung der Höhe des laufenden Gesamthandsgewinns der Klägerin im Gewinnfeststellungsbescheid 2015 aus sonstigen Gründen unzutreffend sein könnte, sind weder von der Klägerin geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.
5. War die Klage danach bereits deshalb als unbegründet abzuweisen, weil der angegriffene Gewinnfeststellungsbescheid rechtmäßig ist, kann dahinstehen, ob sie auch mit der Begründung als unbegründet abzuweisen wäre, sie sei letztlich auf eine Gleichbehandlung im Unrecht gerichtet, auf die kein Rechtsanspruch besteht.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.