ECLI:DE:BFH:2021:U.020721.XIR29.18.0
BFH XI. Senat
EStG § 4 Abs 1, EStG § 5 Abs 1 S 1, EStG § 5 Abs 6, EStG § 6 Abs 1 Nr 3 S 1, EStG § 6 Abs 1 Nr 2 S 2, EStG § 6 Abs 1 Nr 2 S 3, EStG § 6 Abs 1 Nr 4, HGB § 244, HGB § 256a S 1, KStG § 8 Abs 1 S 1, KStG VZ 2010 , EStG VZ 2010 , KStG VZ 2011 , EStG VZ 2011
vorgehend FG Düsseldorf, 22. July 2018, Az: 6 K 884/15 K,G,F
Leitsätze
1. Bei Fremdwährungsverbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von zumindest zehn Jahren berechtigt nicht jeder Kursverlust zur Annahme einer voraussichtlich dauernden Werterhöhung.
2. Eine voraussichtlich dauernde Werterhöhung liegt jedoch jedenfalls dann vor, wenn fundamentale Veränderungen der wirtschaftlichen und/oder finanzpolitischen Daten eine dauerhafte Veränderung der Wechselkurse vermuten lassen. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Notenbank eines Fremdwährungsstaats die Absicht äußert, Stützungskäufe zu tätigen, um einen bestimmten Wechselkurs der Fremdwährung zu verteidigen.
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 23.07.2018 - 6 K 884/15 K,G,F wegen Körperschaftsteuer 2010 und Gewerbesteuermessbetrag 2010 wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 23.07.2018 - 6 K 884/15 K,G,F wegen Körperschaftsteuer 2011 und Gewerbesteuermessbetrag 2011 aufgehoben.
Die Sache wird insoweit an das Finanzgericht Düsseldorf zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
3. Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten (nur noch) darüber, ob in den Streitjahren (2010 und 2011) Teilwertzuschreibungen auf ein auf Schweizer Franken (CHF) lautendes Fremdwährungsdarlehen zu einer Einkommensminderung führen.
Mit Vertrag vom 07.10.2008 nahm die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, bei einer Bank ein (zunächst tilgungsfreies) Darlehen über 3.480.000 CHF als Festdarlehen mit dem Rückzahlungszeitpunkt 30.09.2023 auf. Ferner wurde vereinbart, dass die vollständige oder teilweise Rückzahlung des Darlehens aus einem (anzusparenden) Wertpapierdepot erfolgt.
Die Klägerin passivierte das Darlehen in ihrer Bilanz zum 31.12.2008 zunächst als Verbindlichkeit mit 2.237.942,12 € (gerundeter Wechselkurs rechnerisch: 1,555 CHF pro €).
In der Folgezeit stieg der Wechselkurs des CHF zum € stark an. Aufgrund dieser (für sie nachteiligen) Kursentwicklung nahm die Klägerin in ihrer Bilanz zum Bilanzstichtag 31.12.2010 für die Verbindlichkeit eine Teilwertzuschreibung auf 2.779.893,60 € vor (gerundeter Wechselkurs rechnerisch: 1,25185 CHF pro €). Die Differenz zum Vorjahresbetrag (541.951 €) erfasste sie gewinnmindernd als Aufwand.
In einem Communiqué vom 06.09.2011 (abrufbar unter www.snb.ch) teilte die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit, die gegenwärtig massive Überbewertung des CHF stelle eine akute Bedrohung für die Schweizer Wirtschaft dar und berge das Risiko einer deflationären Entwicklung. Die SNB strebe daher eine deutliche und dauerhafte Abschwächung des CHF an. Sie toleriere am Devisenmarkt ab sofort keinen €-CHF-Kurs unter dem Mindestkurs von 1,20 CHF pro €. Die SNB werde den Mindestkurs mit aller Konsequenz durchsetzen und sei bereit, unbeschränkt Devisen zu kaufen. Der CHF sei auch bei 1,20 CHF pro € hoch bewertet und sollte sich über die Zeit weiter abschwächen. Falls die Wirtschaftsaussichten und die deflationären Risiken es erforderten, werde die SNB weitere Maßnahmen ergreifen. Die Europäische Zentralbank (EZB) teilte am selben Tag mit, dass es sich um eine in eigener Verantwortung getroffene Entscheidung der SNB handele (vgl. Pressemitteilung der EZB vom 06.09.2011, www.bundesbank.de/de/presse/pressenotizen/ezb/erklaerung-des-ezb-rats-zur-entscheidung-der-schweizerischen-nationalbank-676672).
In der Bilanz zum 31.12.2011 nahm die Klägerin daher eine weitere Teilwertzuschreibung auf 2.859.255,60 € vor (gerundeter Wechselkurs rechnerisch: 1,2171 CHF pro €). Die Differenz zum Vorjahr in Höhe von 79.412 € berücksichtigte die Klägerin erneut gewinnmindernd als Aufwand.
Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) die Auffassung, dass das Darlehen, das am 31.12.2011 eine Restlaufzeit von elf Jahren und neun Monaten gehabt habe, weiterhin mit dem ursprünglich angesetzten Betrag in der Bilanz zu erfassen sei. Es liege keine voraussichtlich dauernde Werterhöhung vor; der Gewinn des Jahres 2010 sei um 541.951 € und der Gewinn des Jahres 2011 um 79.412 € zu erhöhen. Er erließ u.a. am 26.05.2014 entsprechende Körperschaftsteuer-Änderungsbescheide für die Jahre 2010 und 2011 sowie am 12.06.2014 Änderungsbescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 2010 und 2011. Die Einsprüche der Klägerin blieben erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 20.02.2015).
In einem Communiqué vom 15.01.2015 (ebenfalls abrufbar unter www.snb.ch) teilte die SNB mit, sie hebe den Mindestkurs von 1,20 CHF pro € auf. Diesen Wechselkurs hat der CHF bis zur Entscheidung des Senats permanent unterschritten, was allgemein bekannt ist (s. www.ecb.europa.eu).
Im Laufe des Klageverfahrens wurde das Verfahren wegen gesonderter Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2010 und 31.12.2011 sowie gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2010 und 31.12.2011 vom vorliegenden Verfahren abgetrennt. Außerdem erhob das FA keine Einwendungen mehr dagegen, dass der Gewinn der Klägerin im Streitjahr 2011 aus hier nicht mehr streitigen Gründen um 30.000 € zu verringern sei.
Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf gab mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 1531 veröffentlichten Urteil vom 23.07.2018 - 6 K 884/15 der Klage nur in dem vom FA zugestandenen Umfang statt und wies sie in dem hier noch streitigen Punkt ab. Es nahm an, das FA habe zu Recht die gewinnmindernd geltend gemachten Fremdwährungsverluste unberücksichtigt gelassen. Fremdwährungsverbindlichkeiten seien grundsätzlich mit dem Rückzahlungsbetrag zu bewerten, der sich aus dem Wechselkurs im Zeitpunkt der Darlehensaufnahme ergebe. Der Teilwert der Verbindlichkeit könne nicht angesetzt werden, da bei Fremdwährungsverbindlichkeiten, die ‑‑wie im Streitfall‑‑ eine Restlaufzeit von mehr als zehn Jahren haben, davon auszugehen sei, dass sich Währungsschwankungen grundsätzlich ausgleichen. Das FG teile nicht die Auffassung des FG Baden-Württemberg in dessen Urteil vom 11.07.2017 - 5 K 1091/15 (EFG 2018, 100), dass die am 06.09.2011 veröffentlichte Festlegung eines Mindestkurses von 1,20 CHF pro € durch die SNB eine fundamentale Veränderung der wirtschaftlichen und finanzpolitischen Daten darstelle, wegen der eine Teilwerterhöhung zum Bilanzstichtag 31.12.2011 als voraussichtlich dauernd anzusehen sei. Der Senat sei mit dem Schleswig-Holsteinischen FG in dessen Urteil vom 09.03.2016 - 2 K 84/15 (EFG 2016, 799) der Auffassung, dass trotz der Entscheidung der SNB keine dauerhafte Aufwertung des CHF festgestanden habe. Die Stützung des Kurses stelle kein objektives Anzeichen für ein langfristiges Anhalten dieses Kursniveaus dar.
Entgegen der Ansicht der Klägerin sei es im Streitfall ohne Bedeutung, dass eine Rückzahlung des Darlehens ohne Vorfälligkeitsentschädigung möglich gewesen sei; denn es habe nur eine Rückzahlungsmöglichkeit und keine Rückzahlungspflicht bestanden. Allein die Rückzahlungsmöglichkeit erschüttere die sich aus der Laufzeit ergebende Vermutung, dass sich Währungsschwankungen innerhalb von zehn Jahren grundsätzlich ausgleichen, nicht. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bereits 2010 oder 2011 beabsichtigt habe, das Darlehen vor Ablauf von zehn Jahren zurückzuzahlen, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zwar habe die Klägerin im April 2015 einen Teilbetrag des Darlehens zurückgezahlt. Es gebe aber keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass eine Rückzahlung bereits an den Bilanzstichtagen beabsichtigt gewesen sei.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 8 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes ‑‑KStG‑‑ i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑). Sie tritt zum Jahr 2011 der Auffassung des FG Baden-Württemberg im Urteil in EFG 2018, 100 bei. Das für eine Teilwertzuschreibung erforderliche objektive Anzeichen für das langfristige Anhalten der Werterhöhung liege jedenfalls ab dem 06.09.2011 vor. Seither habe die Klägerin nicht mehr von üblichen Währungsschwankungen ausgehen können. Aber auch bereits zum 31.12.2010 habe die Klägerin aufgrund des aufgetretenen Kursverlusts von einer voraussichtlich dauernden Werterhöhung ausgehen dürfen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben sowie die Körperschaftsteuerbescheide für 2010 und 2011 vom 26.05.2014 sowie die Gewerbesteuermessbescheide für 2010 und 2011 vom 12.06.2014 dahingehend zu ändern, dass der Gewinn des Jahres 2010 um 541.951 € und der Gewinn des Jahres 2011 um 79.412 € gemindert wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision zum Streitjahr 2011 ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Teilwertzuschreibung auch im Jahr 2011 nicht vorliegen. Zum Streitjahr 2010 ist die Revision hingegen gemäß § 126 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.
1. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1 EStG durch Bestandsvergleich. Sie muss dabei gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG für den Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen ansetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. U.a. sind dabei die Vorschriften über die Bewertung (§ 6 EStG) zu befolgen (§ 5 Abs. 6 EStG).
2. Zur Frage, wie Verbindlichkeiten steuerrechtlich zu bewerten sind, ist von folgenden Rechtsgrundsätzen auszugehen:
a) Verzinsliche Verbindlichkeiten sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der Nr. 2 anzusetzen.
b) Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG sind die nicht in § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter grundsätzlich mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Die Anschaffungskosten bestimmen sich bei einer in fremder Währung aufgenommenen Darlehensverbindlichkeit nach dem im Zeitpunkt der Aufnahme des Darlehens bestehenden Wechselkurs in € (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 17.08.2017 - IV R 3/14, BFHE 259, 111, Rz 32, m.w.N.), im Streitfall 2.237.942,12 €.
c) Allerdings kann gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG in bestimmten Fällen an Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Teilwert angesetzt werden. Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Kursveränderungen der Währung, die einer Fremdwährungsverbindlichkeit zu Grunde liegt, verändern den Rückzahlungsbetrag und damit den Teilwert (vgl. BFH-Urteil vom 23.04.2009 - IV R 62/06, BFHE 224, 564, BStBl II 2009, 778, Rz 20). Dementsprechend führte vorliegend die Erhöhung des CHF-Kurses zu einer Erhöhung des Teilwerts der Verbindlichkeit auf 2.779.893,60 € (31.12.2010) bzw. 2.859.255,60 € (31.12.2011).
d) Der Ansatz mit dem Teilwert darf nur dann erfolgen, wenn er aufgrund einer voraussichtlich dauernden Werterhöhung höher ist als der ursprüngliche Rückzahlungsbetrag (vgl. dazu in Bezug auf Fremdwährungsverbindlichkeiten BFH-Urteil in BFHE 224, 564, BStBl II 2009, 778, Rz 19, 21 und 25 ff.).
aa) Wann eine Wertveränderung "voraussichtlich dauernd" ist, ist weder im Handelsgesetzbuch (HGB) noch im Steuerrecht definiert. Voraussetzung hierfür ist nach der Rechtsprechung des BFH im Grundsatz eine Veränderung des Teilwerts, die einerseits nicht endgültig sein muss, andererseits aber auch nicht nur vorübergehend sein darf (vgl. BFH-Urteile vom 09.09.2010 - IV R 38/08, BFH/NV 2011, 423, Rz 15; vom 23.10.2019 - VI R 9/17, BFH/NV 2020, 191, Rz 19); entscheidend ist, ob aus Sicht des Bilanzstichtags mehr Gründe für ein Andauern der Wertveränderung sprechen als dagegen (vgl. BFH-Urteil vom 21.09.2011 - I R 7/11, BFHE 235, 273, BStBl II 2014, 616, Rz 11; BFH-Beschluss vom 29.07.2014 - I B 188/13, BFH/NV 2014, 1742, Rz 4). Die Änderung gegenüber dem maßgeblichen Buchwert muss nachhaltig sein und deshalb muss aus Sicht des Bilanzstichtags aufgrund objektiver Anzeichen ernstlich mit einem langfristigen Anhalten der Wertveränderung zu rechnen sein (vgl. BFH-Urteil vom 18.06.2015 - IV R 6/11, BFH/NV 2015, 1381, Rz 26). Hierfür bedarf es einer an der Eigenart des Wirtschaftsgutes ausgerichteten Prognose (vgl. BFH-Urteil vom 29.03.2017 - I R 73/15, BFHE 258, 38, BStBl II 2017, 1065, Rz 11). Welcher Prognosezeitraum dabei zu Grunde zu legen ist, kann nicht generell beantwortet werden, sondern richtet sich nach den prognostischen Möglichkeiten zum Bilanzstichtag, die je nach Art des Wirtschaftsgutes und des auslösenden Moments für die Wertveränderung unterschiedlich sein können (vgl. BFH-Urteil vom 26.09.2007 - I R 58/06, BFHE 219, 100, BStBl II 2009, 294, Rz 10). Die Feststellungs- und Beweislast trägt der Steuerpflichtige (vgl. BFH-Urteil vom 13.02.2019 - XI R 41/17, BFHE 263, 337, Rz 28, m.w.N.).
bb) Außerdem muss das Erfordernis der voraussichtlich dauernden Wertveränderung stets in der Zusammenschau mit dem zugleich geschaffenen Wertaufholungsgebot nach § 6 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 2 Satz 3, Nr. 1 Satz 4 EStG gesehen werden (vgl. BFH-Urteile in BFHE 219, 100, BStBl II 2009, 294, Rz 15; in BFHE 263, 337, Rz 41). Da Fehlprognosen zu jedem nachfolgenden Bilanzstichtag über das Wertaufholungsgebot korrigiert werden können und der Steuerpflichtige auch zu den Folgestichtagen die Feststellungslast für ein Andauern der Wertveränderung und ihrer weiteren Dauerhaftigkeit trägt, dürfen die Anforderungen an die Darlegungen des Steuerpflichtigen nicht überspannt werden (vgl. BFH-Urteil vom 21.09.2016 - X R 58/14, BFH/NV 2017, 275, Rz 62).
cc) Nach der Rechtsprechung des BFH (grundlegend BFH-Urteil in BFHE 224, 564, BStBl II 2009, 778, Rz 25 ff.; s.a. BFH-Urteile vom 08.06.2011 - I R 98/10, BFHE 234, 137, BStBl II 2012, 716, Rz 18; vom 04.02.2014 - I R 53/12, BFH/NV 2014, 1016, Rz 11 ff.; s. dazu Buciek, Der Betrieb 2010, 1029, 1030 f.; Richter in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz 48), der auch der Senat folgt (vgl. Senatsurteil in BFHE 263, 337, Rz 33; s.a. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ‑‑BMF‑‑ vom 02.09.2016, BStBl I 2016, 995, Rz 30 ff.), berechtigt bei Fremdwährungsverbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von zumindest zehn Jahren nicht jeder Kursverlust zur Annahme einer voraussichtlich dauernden Werterhöhung. Ein solcher Währungsverlust kann deshalb auch grundsätzlich nicht Anlass dafür sein, die Verbindlichkeit steuerbilanziell mit einem höheren Wert auszuweisen, weil bei Verbindlichkeiten deren gesamte Laufzeit zu betrachten ist.
Die Vorschrift des § 256a Satz 1 HGB, die zum Zwecke der Bilanzaufstellung in € (§ 244 HGB) vorsieht, dass u.a. auf fremde Währung lautende Verbindlichkeiten zum Devisenkassamittelkurs am Abschlussstichtag umzurechnen sind, führt zu keiner anderen Beurteilung; denn sie wird steuerrechtlich durch § 6 EStG überlagert (Blümich/Ehmcke, § 6 EStG Rz 21a; Hübner/Leyh, Deutsches Steuerrecht 2010, 768; Schindler in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl., § 6 Rz 11 und 104; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 40. Aufl., § 5 Rz 270 "Fremdwährung"; s.a. BFH-Urteil in BFHE 259, 111, Rz 33).
dd) Allerdings hat der BFH im Urteil in BFHE 224, 564, BStBl II 2009, 778 (Rz 31) verneint, dass im dortigen Fall fundamentale Veränderungen der wirtschaftlichen und/oder finanzpolitischen Daten eine tatsächlich dauerhafte Veränderung der Wechselkurse begründen, und ausgeführt, dass die Prüfung, ob dies der Fall ist, der tatsächlichen Würdigung des FG obliegt, die gemäß § 118 Abs. 2 FGO den BFH bindet. Daher sind Ausnahmen von dem Grundsatz, wonach bei Fremdwährungsverbindlichkeiten, die eine Restlaufzeit von ca. zehn Jahren haben, ein Kursanstieg der Fremdwährung keine voraussichtlich dauernde Teilwerterhöhung begründet, möglich. Diese Auffassung vertritt auch die Finanzverwaltung, die für eine Teilwertzuschreibung eine nachhaltige Erhöhung des Wechselkurses gegenüber dem Kurs bei Entstehung der Verbindlichkeit verlangt, was der Fall sei, wenn der Steuerpflichtige hiermit aus der Sicht des Bilanzstichtages aufgrund objektiver Anzeichen ernsthaft rechnen müsse, weil aus Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns mehr Gründe für als gegen eine Nachhaltigkeit sprächen, wobei ein Kursanstieg der Fremdwährung grundsätzlich keine voraussichtlich dauernde Teilwerterhöhung begründe (BMF-Schreiben in BStBl I 2016, 995, Rz 32).
3. Auf dieser Grundlage ist die Vorentscheidung zum Streitjahr 2010 revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die Vorentscheidung hat insoweit die unter II.2.d angeführte Rechtsprechung herangezogen und angenommen, dass auch für das Darlehen der Klägerin trotz vorzeitiger Tilgungsmöglichkeit davon auszugehen sei, dass sich Währungsschwankungen grundsätzlich ausgleichen. Da die Klägerin die Feststellungslast für eine dauernde Werterhöhung der Verbindlichkeit trage, wirke sich die aus Sicht des FG bestehende Unsicherheit, ob die Werterhöhung nicht nur vorübergehend sei, zu ihren Lasten aus. Diese tatsächliche Würdigung des FG, die nicht mit Verfahrensrügen angegriffen ist, ist auf Basis der vom FG festgestellten Tatsachen für das Streitjahr 2010 möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze; sie bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO). Ob diese tatsächliche Würdigung des FG zwingend oder auch nur naheliegend ist, hat der Senat insoweit nicht zu entscheiden; denn der Umstand, dass eine andere tatsächliche Würdigung mindestens ebenso gut möglich gewesen wäre (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil in EFG 2018, 1982, Rz 47 ff., m.w.N.; Az. des BFH: IV R 18/18), steht der Bindung des Senats nicht entgegen (vgl. allgemein BFH-Urteile vom 22.07.1999 - V R 74/98, BFH/NV 2000, 240, Rz 32; vom 20.11.2008 - III R 53/05, BFH/NV 2009, 564, Rz 17).
b) Die Einwendungen der Klägerin für das Streitjahr 2010 führen zu keiner anderen Beurteilung. Soweit die Klägerin zur Begründung ihrer abweichenden Auffassung (lediglich) auf das prozentuale Absinken des Wechselkurses hinweist, reicht dies ‑‑abweichend zur Auffassung des FG Baden-Württemberg (Urteil in EFG 2018, 1982, Rz 43 bis 46)‑‑ für einen Erfolg nicht aus.
c) Die Communiqués der SNB vom 06.09.2011 und vom 15.01.2015 führen für das Streitjahr 2010 ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung; denn bezogen auf den Bilanzstichtag 31.12.2010 können nur wertaufhellende, aber nicht später eingetretene Umstände berücksichtigt werden (vgl. allgemein BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1016, Rz 14).
4. Allerdings hat das FG zum Bilanzstichtag 31.12.2011 zu Unrecht eine Teilwertzuschreibung abgelehnt.
a) Das FG hat seine Ablehnung der Teilwertzuschreibung (wie zum Streitjahr 2010) damit begründet, dass die Stützung der Untergrenze des Kurses durch die SNB am 06.09.2011 auf 1,20 CHF pro € kein objektives Anzeichen für ein langfristiges Anhalten dieses Kursniveaus darstelle. Das FG verweist dazu auch auf die Auffassung des Schleswig-Holsteinischen FG (Urteil in EFG 2016, 799, Rz 34), das angenommen hat, erforderlich für eine Teilwerterhöhung sei ein Beleg für eine dauerhafte Aufwertung des CHF, der nicht erkennbar sei.
b) Zu Recht haben das FG und das Schleswig-Holsteinische FG dabei zwar dem Communiqué der SNB vom 15.01.2015 keinerlei Bedeutung beigemessen (s. oben II.3.c).
c) Gleichwohl ist die Würdigung nicht frei von Rechtsfehlern; denn das FG hat die inhaltlichen Aussagen des Communiqués vom 06.09.2011 nicht hinreichend berücksichtigt, so dass der Senat an die Würdigung des FG nicht gebunden ist. Unter dessen Berücksichtigung sprachen zum Bilanzstichtag 31.12.2011 objektiv gesehen mehr Gründe für ein Andauern der Werterhöhung des Darlehens als dagegen, so dass eine Teilwertzuschreibung nach den unter II.2.d aa und bb angeführten allgemeinen Grundsätzen gerechtfertigt ist, und zwar auch dann, wenn man ‑‑entsprechend der Auffassung der Finanzverwaltung‑‑ von der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns ausginge (vgl. dazu aber Beschluss des Großen Senats des BFH vom 31.01.2013 - GrS 1/10, BFHE 240, 162, BStBl II 2013, 317, Rz 57 ff.). Die von der SNB bejahte Eingriffsnotwendigkeit durch unbegrenzte Stützungskäufe indiziert die Nachhaltigkeit der Kursveränderung (hier: Aufwertung des CHF gegenüber dem €) und rechtfertigt die Teilwerterhöhung der Fremdwährungsverbindlichkeit (s.a. FG Baden-Württemberg, Urteil in EFG 2018, 100, Rz 57 f.; von Glasenapp, Betriebs-Berater 2018, 112, 113). Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
(1) Im Communiqué vom 06.09.2011 erklärte die SNB u.a. ihre Absicht, fortan unbeschränkt Devisen zu kaufen (nachfolgend: Stützungskäufe). Sie hielt eine massive Überbewertung des CHF für gegeben, der durch Stützungskäufe in unbeschränktem Volumen entgegengewirkt werden müsse, damit kein €-CHF-Kurs unter dem Mindestkurs von 1,20 CHF pro € gebildet werden könne. Ziel der Maßnahme war es also, den Wechselkurs des CHF zum € auf einem Kurs (1,20 CHF pro €) zu stabilisieren, der bezogen auf den Streitfall unter dem bei Anschaffung geltenden Kurs (ca. 1,55 CHF pro €) liegt, und eine weitere Aufwertung des CHF gegenüber dem € (z.B. in Richtung CHF-€-Parität) zu verhindern.
(2) Die SNB dokumentierte durch diese Erklärung zunächst, dass sich ‑‑anders als noch bei Eingehen der Verbindlichkeit und abweichend vom Regelfall‑‑ fortan der Wechselkurs nicht mehr nur nach "dem freien Spiel der Kräfte des Marktes" bilden kann, sondern sie in den Markt eingreifen und die Kursentwicklung beeinflussen werde.
(3) Dies würde zwar für sich genommen für eine voraussichtlich dauernde Wertveränderung nicht ausreichen. Hinzu kommt aber, dass die SNB durch das Communiqué auch dokumentiert hat, dass sie davon ausgehe, dass ohne ihr Eingreifen eine weitere Aufwertung des CHF gegenüber dem € eintreten würde. Sie ging ersichtlich nicht mehr davon aus, dass in Bezug auf den CHF Kursschwankungen vorliegen, die sich ohne ihr Eingreifen wieder ausgleichen würden, so dass der Kurs des € von sich aus über den von ihr veröffentlichten Stützungskurs (1,20 CHF pro €) ansteigen würde. In einer solchen Situation muss ein Steuerpflichtiger, der eine CHF-Verbindlichkeit mit einer Restlaufzeit von mehr als zehn Jahren zu einem für ihn günstigeren Kurs (hier: 1,55 CHF pro €) eingegangen war, nicht mehr mit einer für ihn günstigeren Kursentwicklung des CHF als die SNB rechnen, sondern darf mit der SNB davon ausgehen, dass die Aufwertung des CHF gegenüber dem € nicht nur vorübergehend, sondern nachhaltig ist. Das Communiqué vom 06.09.2011 ist daher ‑‑entgegen der Auffassung des Schleswig-Holsteinischen FG (Urteil in EFG 2016, 799, Rz 34) und der Vorinstanz‑‑ ein objektives Anzeichen für eine voraussichtlich dauernde Aufwertung des CHF gegenüber dem €.
(4) Insoweit ist in dem Fall, dass die Notenbank eines Fremdwährungsstaats die Absicht äußert, Stützungskäufe zu tätigen, um einen Wechselkurs der Fremdwährung zu verteidigen, der vom Wechselkurs bei Eingehen des Darlehens abweicht, die von der unter II.2.d cc genannten Rechtsprechung des BFH für den Regelfall aufgestellte Vermutung widerlegt.
(5) Die Darlegungslast des Steuerpflichtigen steht, anders als das FG möglicherweise meint, dieser Beurteilung nicht entgegen. Würde man verlangen, dass der Steuerpflichtige ungeachtet einer solchen Erklärung einer Notenbank eines Fremdwährungsstaats eine positivere Prognose über die Kursentwicklung des € anstellen oder weitere objektive Anzeichen vortragen muss, um die Nachhaltigkeit der Teilwerterhöhung zu belegen, würde man die Anforderungen an die Darlegungslast des Steuerpflichtigen an das voraussichtliche Andauern der Werterhöhung unzulässigerweise überspannen und eine Teilwertzuschreibung wegen voraussichtlich dauernder Werterhöhung bei Fremdwährungsverbindlichkeiten praktisch unmöglich machen; denn über bessere Erkenntnisse als die Notenbank des Fremdwährungsstaats wird ein Steuerpflichtiger nicht verfügen. Dieses Ergebnis widerspräche § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4, Nr. 2 Satz 2 und 3, Nr. 3 EStG; denn diese Regelungen gehen nicht von der praktischen Unmöglichkeit von Teilwertzuschreibungen aus, sondern sehen die Möglichkeit der Teilwertzuschreibung bei voraussichtlich dauernden Wertveränderungen ‑‑mit einem sich zu jedem Bilanzstichtag daran anschließendem "Wertaufholungsgebot"‑‑ gerade vor.
5. Die Sache ist zum Streitjahr 2011 nicht spruchreif. Das FG hat ‑‑aus seiner Sicht konsequenterweise‑‑ nicht geprüft, ob die Teilwertzuschreibung in zutreffender Höhe erfolgt ist. Dies muss es im zweiten Rechtsgang nachholen. Dabei kann die Klägerin ihren Antrag an die Rechtskraft des Urteils für das Streitjahr 2010 anpassen.
6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. Das FG hat mit Rücksicht auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch über die Kosten des durch dieses Urteil rechtskräftig abgeschlossenen Teils des Verfahrens zu entscheiden (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 09.12.2020 - III R 31/18, BFH/NV 2021, 771, Rz 22, m.w.N.).
7. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).