ECLI:DE:BFH:2020:U.101120.IXR34.18.0
BFH IX. Senat
EStG § 2 Abs 6, EStG § 32a Abs 1, EStG § 32a Abs 5, EStG § 34a Abs 1, EStG § 34a Abs 4 S 2, SolZG § 1 Abs 2, SolZG § 3, EStG VZ 2014
vorgehend FG Hamburg, 07. December 2017, Az: 3 K 294/16
Leitsätze
Die Nachsteuer erhöht die festzusetzende Einkommensteuer und damit die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag (Bestätigung des BMF-Schreibens vom 11.08.2008, BStBl I 2008, 838, Rz 27).
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 08.12.2017 - 3 K 294/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Einkommensteuer auf den Nachversteuerungsbetrag i.S. des § 34a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres 2014 (EStG) in die Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags einzubeziehen ist.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten sie gewerbliche Einkünfte des Klägers in Höhe von ... € aus seiner Beteiligung an der A GmbH & Co. KG (KG), bei der der Kläger der alleinige Kommanditist ist. Der Kläger hatte hinsichtlich seines nicht entnommenen Gewinns in der Vergangenheit die Steuerbegünstigung des § 34a Abs. 1 EStG in Anspruch genommen. Der zum 31.12.2013 für den Kläger festgestellte nachversteuerungspflichtige Betrag betrug ... €.
Für das Streitjahr erklärten die Kläger den auf den Kläger entfallenden Gewinn der KG mit ... € sowie die Entnahmen von ... €, so dass sich ein Entnahmenüberhang in Höhe von ... € ergab.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) setzte mit Bescheid für 2014 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom 10.03.2016 die Einkommensteuer in Höhe von ... € fest. Dabei wandte es auf den Nachversteuerungsbetrag in Höhe von ... € gemäß § 34a Abs. 4 Satz 2 EStG einen Einkommensteuersatz in Höhe von 25 % an, so dass sich eine Einkommensteuer nach § 34a Abs. 4 EStG in Höhe von ... € ergab. Diesen Betrag bezog es in die Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags mit ein; der auf den Nachversteuerungsbetrag entfallende Solidaritätszuschlag betrug ... € (5,5 % von ... €).
Die Kläger legten gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags Einspruch ein und trugen zur Begründung vor, auf die auf den Nachversteuerungsbetrag entfallende Einkommensteuer sei kein Solidaritätszuschlag zu erheben. Mit Änderungsbescheid vom 28.04.2016 erhöhte das FA die Einkommensteuer für 2014 wegen nicht streitgegenständlicher Punkte. Mit Einspruchsentscheidung vom 22.11.2016 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 493 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Sie tragen zur Begründung im Wesentlichen vor, die Einkommensteuer auf den Nachversteuerungsbetrag sei nicht zwingend Bestandteil der tariflichen Einkommensteuer. Sie erfülle nicht die in § 32a Abs. 1 Satz 1 EStG geforderte Voraussetzung, dass sie sich nach dem zu versteuernden Einkommen bemesse. In § 2 Abs. 5 Satz 1 EStG sei das zu versteuernde Einkommen als Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer ausdrücklich benannt. In § 2 Abs. 6 EStG seien Überleitungen von der tariflichen zur festzusetzenden Steuer geregelt. § 34a Abs. 4 Satz 2 EStG werde dort jedoch nicht aufgeführt. Die Nachversteuerung sei eine außerhalb der Systematik des § 2 EStG berechnete Steuer und daher nicht Bestandteil des Einkommens oder Gewinns im Veranlagungszeitraum des Entnahmeüberhangs. Die gleiche Systematik wie bei der Nachversteuerung sei bei der Abgeltungsteuer gegeben. Die Abgeltungsteuer werde aber im Gegensatz zu der Nachversteuerung in § 2 Abs. 6 EStG genannt und damit als Teil der festzusetzenden Einkommensteuer definiert. Für § 34a Abs. 4 Satz 2 EStG fehle jedoch diese Erwähnung in § 2 Abs. 6 EStG, so dass die Steuer auf den Nachversteuerungsbetrag nicht Teil der festzusetzenden Einkommensteuer sei. Der insoweit eindeutige Gesetzeswortlaut könne nicht mittels der Annahme eines vermeintlichen Gesetzeszwecks übergangen werden.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG aufzuheben und den Bescheid für 2014 über den Solidaritätszuschlag vom 28.04.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.11.2016 mit der Maßgabe zu ändern, dass der Solidaritätszuschlag um ... € vermindert wird.Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Solidaritätszuschlag zutreffend festgesetzt worden ist.
1. Die Höhe des festgesetzten Solidaritätszuschlags entspricht dem Wortlaut der maßgebenden Gesetze.
a) Nach § 1 Abs. 2 des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 i.d.F. des Streitjahres (SolZG 1995) finden auf die Festsetzung des Solidaritätszuschlags die Vorschriften des EStG entsprechende Anwendung. Der Solidaritätszuschlag bemisst sich nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG 1995 vorbehaltlich der Abs. 2 bis 5, soweit ‑‑wie im Streitfall‑‑ eine Veranlagung zur Einkommensteuer vorzunehmen ist, nach der nach Abs. 2 berechneten Einkommensteuer. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer ist Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag die Einkommensteuer, die abweichend von § 2 Abs. 6 EStG unter Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG in allen Fällen des § 32 EStG festzusetzen wäre (§ 3 Abs. 2 SolZG 1995). Der Solidaritätszuschlag ist von einkommensteuerpflichtigen Personen nur zu erheben, wenn die Bemessungsgrundlage nach Abs. 1 Nrn. 1 und 2, vermindert um die Einkommensteuer nach § 32d Abs. 3 und 4 EStG, in den Fällen des § 32a Abs. 5 und 6 EStG 1.944 € übersteigt (§ 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SolZG 1995). Der Solidaritätszuschlag beträgt nach § 4 Satz 1 SolZG 1995 5,5 % der Bemessungsgrundlage.
b) Die Einkommensteuer auf den Nachversteuerungsbetrag (Nachsteuer) ist Teil der festzusetzenden Einkommensteuer nach § 2 Abs. 6 EStG und damit Bestandteil der Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag.
aa) Die Ausgangsgröße für die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer ist nach § 2 Abs. 6 EStG die tarifliche Einkommensteuer. Die tarifliche Einkommensteuer ist die Steuer, die sich bei Anwendung des Einkommensteuertarifs (§ 32a EStG) auf das zu versteuernde Einkommen i.S. des § 2 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG ergibt, wobei für Teile des Einkommens die in § 32a Abs. 1 EStG erwähnten Sondertarifvorschriften der §§ 32b, 32d, 34, 34a, 34b und 34c EStG Anwendung finden (vgl. Blümich/Ratschow, § 2 EStG Rz 180). Die besondere Tarifvorschrift des § 34a EStG ist daher im Rahmen der Festsetzung des Solidaritätszuschlags anwendbar. Denn diese wird bei der Ermittlung der festzusetzenden Steuer i.S. von § 2 Abs. 6 EStG berücksichtigt und nicht durch § 3 Abs. 2 SolZG 1995 modifiziert oder gar ausgeschlossen (so zutreffend FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.07.2016 - 6 K 6148/15, EFG 2016, 2004, rechtskräftig). Die Einkommensteuer i.S. des § 3 Abs. 2 SolZG 1995 umfasst auch die Einkommensteuer auf den Nachversteuerungsbetrag.
Im Rahmen des § 34a EStG ist zwischen dem nach Abs. 1 mit einem Steuersatz von 28,25 % besteuerten nicht entnommenen Gewinn (Begünstigungsbetrag) und dem nach Abs. 4 mit einem Steuersatz von 25 % zu belastenden Nachversteuerungsbetrag zu unterscheiden. Übersteigt der positive Saldo der Entnahmen und Einlagen des Wirtschaftsjahres bei einem Betrieb oder Mitunternehmeranteil den nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG ermittelten Gewinn (Nachversteuerungsbetrag), ist vorbehaltlich Abs. 5 eine Nachversteuerung durchzuführen, soweit zum Ende des vorangegangenen Veranlagungszeitraums ein nachversteuerungspflichtiger Betrag nach Abs. 3 festgestellt wurde (§ 34a Abs. 4 Satz 1 EStG). Die Einkommensteuer auf den Nachversteuerungsbetrag beträgt 25 % (§ 34a Abs. 4 Satz 2 EStG). Die Besonderheit dieser Tarifvorschrift ist, dass sie an den Nachversteuerungsbetrag i.S. des § 34a Abs. 4 Satz 1 EStG und nicht an das zu versteuernde Einkommen i.S. des § 2 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG anknüpft. § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 34a Abs. 4 Satz 2 EStG modifizieren für die Nachversteuerung damit die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer. Gesetzessystematisch folgt dies aus dem Umstand, dass der Nachversteuerungsbetrag nicht Bestandteil des Gewinns im Veranlagungszeitraum des Entnahmeüberhangs ist und daher in diesem Veranlagungszeitraum nicht in das zu versteuernde Einkommen i.S. des § 2 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG eingehen kann. Denn der Saldo des Nachversteuerungsbetrags wurde bereits als Teil der Summe der Einkünfte, des Gesamtbetrags der Einkünfte und des zu versteuernden Einkommens in den Veranlagungszeiträumen erfasst, in denen der jeweilige Begünstigungsbetrag mit dem Sondertarif des § 34a Abs. 1 EStG versteuert wurde (so zutreffend Reddig in Kirchhof, EStG, 19. Aufl., § 34a Rz 65). Die Nachsteuer wird über den Verweis auf § 34a EStG in § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG ("vorbehaltlich") Bestandteil der tariflichen und festzusetzenden Einkommensteuer und geht damit in die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag ein (ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 11.08.2008, BStBl I 2008, 838, Rz 27; Blümich/Ratschow, § 34a EStG Rz 1 und Rz 18; Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach, § 34a EStG Rz 24; Reddig in Kirchhof, a.a.O., § 34a Rz 65; Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz 18.1; Bodden, Finanz-Rundschau ‑‑FR‑‑ 2012, 68, 75; Hechtner, Betriebs-Berater ‑‑BB‑‑ 2009, 1556, 1562; Blaufus/Hechtner/Hundsdoerfer, BB 2008, 80, 86; Schiffers, Deutsches Steuerrecht 2008, 1805, 1811). Kraft dieser ausdrücklichen gesetzlichen Regelungsanordnung ist es ‑‑anders als die Kläger meinen‑‑ unerheblich, dass der Nachversteuerungsbetrag im Streitjahr nicht in dem zu versteuernden Einkommen enthalten ist.
bb) Das vom FG ermittelte Auslegungsergebnis entspricht auch dem Normzweck des § 34a EStG.
Nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/4841, S. 62) bezweckt § 34a EStG, Einzelunternehmer und Mitunternehmer mit ihren Gewinneinkünften in vergleichbarer Weise wie das Einkommen einer Kapitalgesellschaft tariflich zu belasten. Die Vergünstigung wird demjenigen Steuerpflichtigen gewährt, der durch den Verzicht auf die private Verwendung von Gewinnen seinem Betrieb erwirtschaftetes Kapital weiterhin zur Verfügung stellt und damit die Eigenkapitalbasis seines Unternehmens nachhaltig stärkt. Daher werden auf Antrag des Steuerpflichtigen die nach § 34a Abs. 1 EStG begünstigten nicht entnommenen Gewinne, die die Eigenkapitalbasis des Unternehmens stärken, mit Einkommensteuer von 28,25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag anstatt mit dem persönlichen progressiven Steuersatz besteuert. Wenn nicht entnommene Gewinne, für welche die Thesaurierungsbegünstigung in Anspruch genommen wurde, in späteren Veranlagungszeiträumen entnommen werden und damit die Eigenkapitalbasis des Unternehmens wieder geschwächt wird, entfällt allerdings der Begünstigungsgrund (BTDrucks 16/4841, S. 64). Die Nachversteuerung stellt dann die endgültige Steuerbelastung der nach § 34a Abs. 1 EStG begünstigt besteuerten Gewinne her. Ohne die Thesaurierungsbegünstigung wäre die reguläre Einkommensteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag erhoben worden. Daher ist nach dem Sinn und Zweck der Nachversteuerung auch auf die Einkommensteuer des Nachversteuerungsbetrags der Solidaritätszuschlag zu erheben.
cc) Ein abweichendes Ergebnis folgt entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus der Regelungstechnik, dass § 2 Abs. 6 EStG die festzusetzende Einkommensteuer als die tarifliche Einkommensteuer "vermehrt um die Steuer nach § 32d Abs. 3 und 4" EStG definiert, während § 34a EStG nicht erwähnt wird. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber die Sonderregelungen der § 32d und § 34a EStG zwar durch dasselbe Gesetz (Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.08.2007, BGBl I 2007, 1912) eingeführt hat, sich hinsichtlich der Einbeziehung der jeweils begünstigten Einkünfte in das zu versteuernde Einkommen bei § 34a EStG aber einer gänzlich anders gearteten Regelungstechnik als bei § 32d EStG bedient hat, folgt gerade, dass die allgemeine Regel des § 2 Abs. 6 EStG im Fall des § 34a EStG Anwendung finden soll (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20.03.2017 - X R 65/14, BFHE 258, 28, BStBl II 2017, 958 für § 34a Abs. 1 und § 2 Abs. 3 bis 5 EStG). Die Nachsteuer i.S. des § 34 Abs. 4 Satz 2 EStG ist daher ebenso wie im Begünstigungsjahr die Thesaurierungssteuer i.S. des § 34a Abs. 1 EStG bereits Bestandteil der tariflichen Einkommensteuer (ebenso Bodden, FR 2012, 68, 75). Diese Auslegung wird zudem durch weitere Hinweise in den Gesetzesmaterialien zur Unternehmensteuerreform 2008 gestützt. So wird in der Gesetzesbegründung zur Ergänzung des § 2 Abs. 6 EStG ausgeführt, dass die "Ergänzung des Absatzes 6 bestimmt, dass die sich aus der besonderen Besteuerung für Kapitalerträge nach § 32d Abs. 3 und 4 ergebende Steuer die tarifliche Einkommensteuer erhöht und somit bei der festzusetzenden Einkommensteuer zu berücksichtigen ist" (BTDrucks 16/4841, S. 46), während der Gesetzgeber hierfür bei der Nachversteuerung gemäß § 34a Abs. 4 EStG infolge der Anknüpfung an die allgemeine Regel des § 2 Abs. 6 EStG kein besonderes Regelungsbedürfnis sah und daher nur darauf hinwies, dass die Nachversteuerung "mit einem Steuersatz von 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag" durchzuführen ist (BTDrucks 16/4841, S. 64).
c) Einwände gegen die Berechnung des Solidaritätszuschlags auf die Nachsteuer wurden von den Klägern nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.