ECLI:DE:BFH:2020:U.160920.IIR49.17.0
BFH II. Senat
GrEStG § 1 Abs 1 Nr 1, GrEStG § 2 Abs 1 S 1, GrEStG § 8 Abs 1, GrEStG § 9 Abs 1 Nr 1, WoEigG § 1 Abs 3, WoEigG § 10 Abs 7 S 1, WoEigG § 12 Abs 5 Nr 4, WoEigG § 10 Abs 7 S 2
vorgehend FG Köln, 16. October 2017, Az: 5 K 2297/16
Leitsätze
Beim rechtsgeschäftlichen Erwerb von Teileigentum ist der vereinbarte Kaufpreis als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht um die anteilige Instandhaltungsrückstellung zu mindern.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 17.10.2017 - 5 K 2297/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom [...]05.2016 Sondereigentum an vier Gewerbeeinheiten und neun Tiefgaragenstellplätzen in Verbindung mit den Miteigentumsanteilen an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu denen sie gehörten (Teileigentumsrechte). In dem Kaufvertrag heißt es, der Anteil des Verkäufers an den gemeinschaftlichen Geldern (Vorschüsse, Instandhaltungsrücklage usw.) gehe bei Besitzübergang auf den Käufer über. Der Kaufpreis betrug 40.000 €.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) setzte die Grunderwerbsteuer mit Bescheid vom 18.05.2016 unter Berücksichtigung des im Vertrag vereinbarten Kaufpreises auf 2.600 € fest.
Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, die Bemessungsgrundlage sei um die Instandhaltungsrücklage von insgesamt 14.815,19 € zu mindern. Bei entsprechender Aufschlüsselung des um die Instandhaltungsrücklage geminderten Kaufpreises auf die 13 Objekte lägen die Einzelkaufpreise unter der Wertgrenze des § 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) von 2.500 €. Der Einspruch blieb erfolglos.
Ihre Klage stützte die Klägerin zum einen darauf, dass sich die Instandhaltungsrücklage kaufpreismindernd auswirke, zum anderen auf deren ertragsteuerrechtliche Behandlung als Wirtschaftsgut. Zwar sei die Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 10 des Wohnungseigentumsgesetzes i.d.F. vom 26.03.2007 (BGBl I 2007, 370 ‑‑WEG‑‑) mittlerweile teilrechtsfähig und Eigentümerin des Verwaltungsvermögens. Gleichwohl stelle die Beteiligung des Wohnungseigentümers an der Instandhaltungsrücklage ein bilanzierungspflichtiges Wirtschaftsgut dar (Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 05.10.2011 - I R 94/10, BFHE 235, 367, BStBl II 2012, 244). Als Geldforderung, die auf den Erwerber übergehe, müsse sie aus der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ausgeschieden werden. Dem entsprechend sei der Kaufpreis beim Veräußerer anteilig als Verkaufspreis für das Wirtschaftsgut "Instandhaltungsrücklage" zu behandeln. Das BFH-Urteil vom 02.03.2016 - II R 27/14 (BFHE 253, 271, BStBl II 2016, 619) widerspreche dem nicht, da es zu einem Erwerb in der Zwangsversteigerung ergangen sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die anteilige Instandhaltungsrückstellung sei Teil des Verwaltungsvermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft und gehe bei einem Eigentümerwechsel nicht auf den Erwerber über. Ein für die Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer typischer Rechtsträgerwechsel finde diesbezüglich nicht statt. Dies gelte unabhängig davon, ob der Erwerb durch Meistgebot oder wie vorliegend durch Kaufvertrag erfolge.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 28.07.2016 und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 18.05.2016 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und war daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass beim Erwerb von Teileigentum der vereinbarte Kaufpreis als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht um die anteilige Instandhaltungsrückstellung zu mindern ist.
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer u.a. ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet.
Gegenstand des steuerbaren Verpflichtungsgeschäfts ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG ein Grundstück im Sinne des bürgerlichen Rechts. Gemäß § 1 Abs. 3 WEG ist Teileigentum das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört; für jeden Miteigentumsanteil wird ein besonderes Grundbuchblatt angelegt (§§ 3 Abs. 1 und 7 Abs. 1 WEG). Teileigentum unterfällt damit dem Grundstücksbegriff des Grunderwerbsteuergesetzes (vgl. für Wohnungseigentum BFH-Urteil vom 30.07.1980 - II R 19/77, BFHE 131, 100, BStBl II 1980, 667).
2. Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung.
a) Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben (BFH-Urteil vom 25.04.2018 - II R 50/15, BFHE 262, 169, BStBl II 2018, 602, Rz 13, m.w.N.).
b) Beim Erwerb von Teileigentum ist der vereinbarte Kaufpreis als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht um die anteilige Instandhaltungsrückstellung zu mindern.
aa) Nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist grundsätzlich der Kaufpreis als Bemessungsgrundlage anzusetzen. Eine Aufteilung des Kaufpreises entsprechend den Grundsätzen zur Aufteilung einer Gesamtgegenleistung ist nur dann geboten, wenn der Kaufvertrag Gegenstände umfasst, deren Erwerb nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt (vgl. BFH-Urteil vom 09.10.1991 - II R 20/89, BFHE 165, 548, BStBl II 1992, 152). Leistungen des Erwerbers, die nicht den der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang betreffen, insbesondere also für eine andere Leistung aufgewendet werden als für die Verpflichtung, Besitz und Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen, scheiden folglich aus der Gegenleistung i.S. der §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aus (BFH-Urteil vom 06.12.2017 - II R 55/15, BFHE 261, 58, BStBl II 2018, 406, Rz 12, m.w.N.).
bb) Die anteilige Instandhaltungsrückstellung ist Teil des Verwaltungsvermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 10 Abs. 7 Satz 1 WEG; Merle in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 14. Aufl., § 21, Rz 146) und damit nicht Vermögen des Wohnungseigentümers, sondern Vermögen eines anderen Rechtssubjekts (BFH-Urteil in BFHE 253, 271, BStBl II 2016, 619, Rz 13).
(1) Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist ein vom jeweiligen Mitgliederbestand unabhängiger teilrechtsfähiger und parteifähiger Verband sui generis (vgl. BFH-Urteil in BFHE 253, 271, BStBl II 2016, 619, Rz 14, m.w.N.). Ihr gehört nach § 10 Abs. 7 Satz 1 WEG das Verwaltungsvermögen. Dieses besteht aus den im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gesetzlich begründeten und rechtsgeschäftlich erworbenen Sachen und Rechten sowie den entstandenen Verbindlichkeiten (§ 10 Abs. 7 Satz 2 WEG).
(2) Eine ordnungsmäßige, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechende Verwaltung erfordert nach § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG auch die Ansammlung einer angemessenen Instandhaltungsrückstellung, die zum Verwaltungsvermögen zählt. Die Instandhaltungsrückstellung i.S. des § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG, bei der es sich nicht um eine Rückstellung im bilanztechnischen Sinne handelt, ist die Ansammlung einer angemessenen Geldsumme, die der wirtschaftlichen Absicherung künftig notwendiger Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum dient und die im Wesentlichen durch Beiträge der Wohnungseigentümer angesammelt wird (Merle in Bärmann, a.a.O., § 21 Rz 144, 147). Sie bleibt bei einem Eigentümerwechsel Vermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft. Anders als das Zubehör eines Grundstücks i.S. des § 97 Abs. 1 Satz 1, § 98 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, das nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt (vgl. BFH-Beschluss vom 03.06.2020 - II B 54/19, BFH/NV 2020, 1174, Rz 8), kann damit die (anteilige) Instandhaltungsrückstellung beim Eigentumserwerb durch Rechtsgeschäft auch bei entsprechender Einigung von Veräußerer und Erwerber über den Übergang der Instandhaltungsrückstellung nicht auf den Erwerber übergehen.
(3) Ein für die Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer typischer Rechtsträgerwechsel findet bezüglich der Instandhaltungsrückstellung nicht statt. Die Wohnungseigentümer haben keinen Anteil am Verwaltungsvermögen, über den sie verfügen können (BFH-Urteil in BFHE 253, 271, BStBl II 2016, 619, Rz 16, m.w.N.). Auch wenn die Vertragsparteien vereinbart haben, dass ein Teil des Kaufpreises "für die Übernahme des in der Instandhaltungsrückstellung angesammelten Guthabens" geleistet wird, und der Instandhaltungsrückstellung im Kaufvertrag folglich ein eigenständiger Wert zugemessen wurde, handelt es sich dabei nicht um Aufwand für die Übertragung einer geldwerten nicht unter den Grundstücksbegriff des Grunderwerbsteuergesetzes fallenden Vermögensposition (anders noch zum WEG a.F. BFH-Urteil in BFHE 165, 548, BStBl II 1992, 152, unter II.a). Ein rechtsgeschäftlicher Erwerb dieser Position ist zivilrechtlich nicht möglich (Loose in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 19. Aufl., § 9 Rz 106).
(4) Vor diesem Hintergrund gehört auch das Entgelt, das der Erwerber bei wirtschaftlicher Betrachtung für die anteilige Instandhaltungsrücklage aufwendet, zu denjenigen Leistungen, die er nach Maßgabe des BFH-Urteils in BFHE 262, 169, BStBl II 2018, 602 gewährt, um das Grundstück zu erwerben. Unbeachtlich ist dabei, wie die Instandhaltungsrücklage ertragsteuerrechtlich zu behandeln ist.
cc) Auch der mit dem Eigentumsübergang des Teileigentums verbundene gesetzliche Übergang der Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft auf den Erwerber rechtfertigt es nicht, die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer um die anteilig auf das Teileigentum entfallende Instandhaltungsrückstellung zu mindern.
(1) Die Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft begründet kraft Gesetzes eine schuldrechtliche Sonderrechtsbeziehung, aus der sich eine Vielzahl von Rechten und Pflichten ergibt, die untrennbar mit dem Sondereigentum an der Wohnung und dem Miteigentumsanteil am gemeinschaftlichen Eigentum verbunden sind (BFH-Urteil in BFHE 253, 271, BStBl II 2016, 619, Rz 18, m.w.N.). Zu den Rechten des einzelnen Eigentümers gehört z.B. der Anspruch gegenüber der Gemeinschaft auf pflichtgemäße Ermessensentscheidung, ob größere Reparaturarbeiten aus der Instandhaltungsrückstellung bezahlt werden sollen oder ob insoweit eine Sonderumlage erhoben wird (Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 27.03.2003 - 2Z BR 37/03, Zeitschrift für Miet- und Raumrecht 2003, 694, unter II.2.b(1), m.w.N.; Reichel-Scherer in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 21 WEG Rz 357; vgl. ferner Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.09.2015 - V ZR 244/14, BGHZ 207, 99, Rz 22).
(2) Bei einer Veräußerung des Teileigentums wird der Erwerber mit Einigung der Beteiligten über den Eintritt der Rechtsänderung und Eintragung ins Grundbuch Eigentümer des Teileigentums (§ 4 Abs. 1 WEG) und kraft Gesetzes zugleich Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Mitgliedschaft kann für sich allein nicht Gegenstand einer gesonderten Veräußerung sein. Soweit sie überhaupt einen bezifferbaren Wert hat, ist die entsprechende Leistung des Erwerbers untrennbarer Bestandteil dessen, was er aufwendet, um das Grundstück zu erwerben.
3. Das FG ist rechtsfehlerfrei von den dargelegten Maßstäben über die Berücksichtigung der Instandhaltungsrückstellung ausgegangen und hat ihren Abzug bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage zu Recht abgelehnt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.