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Urteil vom 13. Mai 2020, VI R 7/18

Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 13.05.2020 VI R 4/18 - Keine Begünstigung nach § 35a Abs. 3 EStG für in der Werkstatt des Handwerkers erbrachte Arbeiten

ECLI:DE:BFH:2020:U.130520.VIR7.18.0

BFH VI. Senat

EStG § 35a Abs 3 S 1, EStG § 35a Abs 4 S 1, EStG § 35a Abs 5 S 2, EStG VZ 2016

vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt , 25. February 2018, Az: 1 K 1200/17

Leitsätze

NV: Soweit Arbeiten in der Werkstatt eines Handwerkers erbracht werden, sind die darauf entfallenden Lohnkosten nicht nach § 35a Abs. 3 EStG begünstigt.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 26.02.2018 - 1 K 1200/17 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden für das Streitjahr (2016) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. In ihrer Steuererklärung für das Streitjahr beantragten sie eine Steuerermäßigung gemäß § 35a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Anfertigung, Verzinkung, Lieferung und Montage einer Tür in Höhe von brutto 2.053 € (Werkstatt- und Montagearbeiten).

  2. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) berücksichtigte diese Aufwendungen nicht, da nach § 35a EStG nur die Arbeitsleistung im Privathaushalt begünstigt sei. In der Rechnung sei der Werkstatt- und Montagelohn aber in einer Summe ausgewiesen; eine Aufteilung der Aufwendungen im Schätzungswege sei nicht zulässig.

  3. Im Klageverfahren legten die Kläger eine Rechnungskopie vor, aus der sich eine Aufteilung der Arbeitsleistung in Werkstattarbeiten in Höhe von netto 706,15 € und Montagearbeiten in Höhe von netto 1.018,90 € (brutto 1.212,49 €) ergab. Das FA erließ daraufhin einen Änderungsbescheid, in dem es Handwerkerleistungen in Höhe von 1.213 € berücksichtigte.

  4. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der die Kläger eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG auch für die Werkstattarbeiten begehrten, aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 1270 veröffentlichten Gründen statt.

  5. Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

  6. Es beantragt,
    das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  7. Die Kläger beantragen,
    die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

  8. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Rechtsstreit beigetreten. Einen Antrag hat es nicht gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG kommt über den vom FA bereits gewährten Betrag für die auf dem Grundstück der Kläger ausgeführten Schlosserarbeiten nicht in Betracht. Das FG ist unzutreffend davon ausgegangen, die in der Werkstatt des Schlossers durchgeführte Anfertigung und Verzinkung der Tür sei ebenfalls als Handwerkerleistung nach § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG begünstigt.

  2. 1. a) Gemäß § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche Einkommen-steuer für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen um 20 %, höchstens um 1.200 €. Nach § 35a Abs. 5 Satz 2 EStG gilt die Ermäßigung nur für Arbeitskosten. Dass diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind, steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit. Der Senat sieht daher von weiteren Ausführungen ab.

  3. b) Die Handwerkerleistung muss allerdings "in" einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden (§ 35a Abs. 4 Satz 1 EStG). Dabei legt der erkennende Senat den Begriff "im Haushalt" räumlich-funktional aus (Senatsurteil vom 21.02.2018 - VI R 18/16, BFHE 261, 42, BStBl II 2018, 641, Rz 14, m.w.N.), so dass auch die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund erbracht werden, nach § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG begünstigt sein kann. Es muss sich dabei allerdings auch hier um Leistungen handeln, die in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen (Senatsurteile vom 20.03.2014 - VI R 55/12, BFHE 245, 45, BStBl II 2014, 880, und VI R 56/12, BFHE 245, 49, BStBl II 2014, 882; BMF-Schreiben vom 09.11.2016 - IV C 8-S 2296-b/07/10003:008, BStBl I 2016, 1213, Rz 2). Dies schließt es aus, eine teilweise in der Werkstatt des Handwerkers erbrachte Leistung vollumfänglich als nach § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG begünstigte Handwerkerleistung anzusehen.

  4. aa) Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG sind Leistungen, die außerhalb des Haushalts erbracht werden, nicht begünstigt, auch wenn sie für den Haushalt erbracht werden (Schmidt/Krüger, EStG, 39. Aufl., § 35a Rz 21). Insoweit kommt es auf die tatsächliche Erbringung der Leistung an. Eine Handwerkerleistung, die in der Werkstatt des Handwerkers an einem Gegenstand des Haushalts erbracht wird, weist keinen (unmittelbaren) räumlichen Zusammenhang mit dem Haushalt auf, für den sie erbracht wird, sondern lediglich einen funktionalen (ebenso Schlenk, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2018, 2122, 2126; Urteile des FG München vom 24.10.2011 - 7 K 2544/09; FG Rheinland-Pfalz vom 06.07.2016 - 1 K 1252/16, EFG 2016, 1350; FG Nürnberg vom 04.08.2017 - 4 K 16/17, EFG 2017, 1447; FG München vom 13.12.2017 - 11 K 2998/16, EFG 2019, 540; i.E. ebenso Schmidt/Krüger, a.a.O., § 35a Rz 21; Fischer in Kirchhof, EStG, 19. Aufl., § 35a Rz 10; Blümich/Erhard, § 35a EStG Rz 41; a.A. Urteile des FG München vom 23.02.2015 - 7 K 1242/13; FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 26.02.2018 - 1 K 1200/17, EFG 2018, 1270).

  5. bb) Ob der Leistungserfolg im Haushalt erzielt wird, ist daher grundsätzlich unerheblich; auf den zivilrechtlichen Leistungsort kommt es insoweit deshalb nicht an (ebenso FG München, Urteil vom 24.10.2011 - 7 K 2544/09; Schlenk in DStR 2018, 2122, 2127 f.; a.A. Arbeitskreis Steuern und Revision im Bund der Wirtschaftsakademiker e.V., DStR 2020, 325). Ein bloßes Abstellen auf den Leistungserfolg würde vielmehr zu einer rein funktionalen Betrachtungsweise führen, die vom Wortlaut des Gesetzes nicht mehr gedeckt ist und auch nicht dem räumlich-funktionalen Verständnis des erkennenden Senats entspricht. Die räumlich-funktionale Verbindung zum Haushalt kann nicht allein dadurch begründet werden, dass sich die Handwerkerleistung auf einen Haushaltsgegenstand bezieht.

  6. Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus dem Senatsurteil vom 03.09.2015 - VI R 18/14 (BFHE 251, 435, BStBl II 2016, 272). Denn auch dort hat der Senat darauf abgestellt, dass das mit der Betreuungspauschale abgegoltene Notrufsystem im Not- und sonstigen Bedarfsfall zu einer Hilfeleistung in der Wohnung führte. Ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang zum Haushalt war im Gegensatz zum Streitfall insoweit gegeben.

  7. cc) Das grundsätzlich enge Verständnis des räumlich-funktionalen Haushaltsbegriffs entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der mit der Erweiterung des § 35a EStG auf Handwerkerleistungen zwar den privaten Haushalt als Feld für neue Beschäftigungsmöglichkeiten fördern (BTDrucks 16/643, 1, 6), eine zu starke Ausdehnung der begünstigten Leistungen allerdings vermeiden wollte (BTDrucks 16/974, 8).

  8. dd) Der Senat hat keine Bedenken, dass die hiernach gegebenenfalls erforderliche Aufteilung der Arbeitskosten in einen "Werkstattlohn" und in einen "vor Ort Lohn" tatsächlich möglich ist. Dies zeigt auch die im Streitfall tatsächlich durchgeführte Aufteilung des Werklohns. Eine solche Aufteilung widerspricht auch nicht dem gesetzgeberischen Willen, Schwarzarbeit zu bekämpfen (ebenso Schlenk in DStR 2018, 2122, 2127; a.A. FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil in EFG 2018, 1270).

  9. c) Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze kommt eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG für die Anfertigung und Verzinkung der Tür vorliegend nicht in Betracht. Denn nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) wurden diese Arbeiten mit einem Lohnkostenanteil in Höhe von netto 706,15 € (brutto 840,32 €) in der Werkstatt der Schlosserei und daher ‑‑anders als die Montage der Tür‑‑ nicht im Haushalt der Kläger erbracht.

  10. 2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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