ECLI:DE:BFH:2020:U.110320.XIR7.18.0
BFH XI. Senat
UStG § 3 Abs 1, UStG § 4 Nr 1 Buchst b, UStG § 6a, EGRL 112/2006 Art 14 Abs 1, UStG VZ 2009
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz , 16. January 2018, Az: 3 K 1866/16
Leitsätze
1. NV: Um eine steuerpflichtige Lieferung ausführen zu können, muss der Lieferer selbst tatsächlich Verfügungsmacht innehaben.
2. NV: Für einen Übergang der Verfügungsmacht ist zivilrechtlicher (unmittelbarer oder mittelbarer) Besitz nicht erforderlich, die (innere) Vorstellung von Sachbeteiligten ohne Feststellung entsprechender objektiver Umstände ist nicht hinreichend.
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 17.01.2018 - 3 K 1866/16 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Rheinland-Pfalz zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH mit Sitz in T, ist mit der Vermietung von und dem Handel mit Autokränen unternehmerisch tätig. Ihr Gesellschafter B war bis zu seiner Ablösung im Mai 2009 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Neben der Klägerin gehören auch die Firmen D, E, F und ... S.A. (SA) im Großherzogtum Luxemburg (Luxemburg) zu der ...-Gruppe (C-Gruppe), die in großem Umfang mit Autokränen handelte.
Mit Rechnung vom 24.04.2009 und dem Lieferdatum März 2009 verkaufte E den Kran ... (Kran) für 920.000 € an die Klägerin. Die Klägerin veräußerte den Kran mit Rechnung vom 15.03.2009 und dem Vermerk "Lieferung März 2009" für 950.000 € an die SA. Der Kran war bereits von der SA mit Rechnung vom 09.02.2009 und dem Lieferdatum März 2009 für 1,17 Mio. € an die H in Dubai verkauft worden. Die Klägerin ging davon aus, dass der Kran nach den Herstellervorgaben nicht durch eine deutsche Firma habe vermarktet werden dürfen.
Der für die C-Gruppe tätige S verbrachte den Kran am Sonntagabend, den 15.03.2009, nach 22:00 Uhr von T nach Luxemburg und stellte ihn dort auf einem Parkplatz bei U direkt hinter der deutsch–luxemburgischen Grenze ab. Am 16.03.2009 fuhr er zunächst mit einem Transporter nach V in Luxemburg, wo sich die Betriebsstätte der SA befindet. In der Betriebsstätte in V unterschrieb B für die SA, deren Geschäftsführer er ebenfalls ist, die auf den 15.03.2009 datierte Empfangsbescheinigung und bestätigte damit, den Kran in Luxemburg erhalten zu haben. S fuhr dann mit dem Transporter zurück zu dem Parkplatz bei U, stellte den Transporter dort ab und beförderte den Kran wieder zum Sitz der Klägerin zurück.
Der Kran wurde am 17.03.2009 von E, die im Namen und für Rechnung der SA handelte, beim Zollamt W zur Ausfuhr angemeldet und am 18.03.2009 durch die Spedition ... mbH von T nach X zum weiteren Transport nach Dubai verbracht.
Die Klägerin hat die Lieferung des Krans an die SA als innergemeinschaftliche Lieferung nach Luxemburg erklärt. Steuerfahndung und Betriebsprüfung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) gingen hingegen davon aus, dass der Kran im Inland verblieben sei, da u.a. eine Zulassung in Luxemburg nicht vorliege. Der Kran sei im Zeitraum vom 06.01.2009 bis zum 06.04.2009 auf die F zugelassen gewesen. Dem folgte das FA und änderte die Umsatzsteuerfestsetzung für 2009 mit Bescheid vom 14.11.2014. Die Umsatzsteuerfestsetzung 2009 wurde nochmals aus Gründen, die nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind, mit Bescheiden vom 13.06.2016 und vom 11.08.2016 geändert.
Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 16.06.2016 zurückgewiesen, da die Klägerin den Nachweis für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung auch mit der Empfangsbescheinigung nicht erbracht habe. Diese sei nicht aussagekräftig, da sich die Firmen der C-Gruppe gegenseitig bestätigt hätten, was gerade benötigt worden sei. Auch die tatsächlichen Umstände sprächen gegen eine solche innergemeinschaftliche Lieferung.
Die hiergegen erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 17.01.2018 - 3 K 1866/16 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 505) als unbegründet abgewiesen, da eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht nachgewiesen worden sei. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass E der SA nicht durch den Transport des Krans nach Luxemburg am 15.03.2009, sondern erst durch die Gestellung des Krans zur Ausfuhr beim Zollamt W die Verfügungsmacht verschafft habe.
Die Klägerin macht mit der Revision die Verletzung von Verfahrensrecht und materiellem Recht (§ 6a des Umsatzsteuergesetzes ‑‑UStG‑‑) geltend.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 16.06.2016 ‑‑soweit diese die Umsatzsteuer 2009 betreffen‑‑ und den Umsatzsteuerbescheid für 2009 vom 11.08.2016 aufzuheben und die Umsatzsteuer für 2009 auf ... € herabzusetzen.Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.Das FA macht auch geltend, dass aufgrund eines erst am 22.08.2018 in beschlagnahmtem Aktenmaterial aufgefundenen Mietvertrags und entsprechender Überweisungen nachgewiesen sei, dass die SA den Kran vom 01.01.2009 bis 31.03.2009 an die G vermietet habe. Damit müsse die SA den Kran bereits früher durch eine Inlandslieferung erhalten haben, was eine spätere innergemeinschaftliche Lieferung ausschließe. Dieser neue Sachverhalt sei beachtlich, da dessen Beachtung sonst im Wege einer Restitutionsklage gegen die Vorentscheidung durchgesetzt werden könne.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die vom FG getroffenen Feststellungen tragen die Vorentscheidung nicht. Das FG hat nicht festgestellt, ob und wann die Klägerin Verfügungsmacht am Kran erlangt hatte und welcher Vorgang eine steuerpflichtige Lieferung der Klägerin im Streitjahr 2009 darstellen soll.
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer u.a. die Lieferungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
a) Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).
aa) Diese Bestimmung setzt Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL; vormals Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern) in nationales Recht um. Gemäß Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, grundsätzlich als Lieferung von Gegenständen.
bb) Nach ständiger Rechtsprechung erhält der Begriff "Lieferung von Gegenständen" i.S. der MwStSystRL eine dem Unionsrecht eigene autonome und einheitliche Auslegung (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union ‑‑EuGH‑‑ De Fruytier vom 03.06.2010 - C-237/09, EU:C:2010:316, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 2010, 892, Rz 22; Enteco Baltic vom 20.06.2018 - C-108/17, EU:C:2018:473, HFR 2018, 672, Rz 85). Danach bezieht sich der Begriff "Lieferung von Gegenständen" nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen, sondern erfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (EuGH-Urteile British American Tobacco International und Newman Shipping vom 14.07.2005 - C-435/03, EU:C:2005:464, HFR 2005, 1033, Rz 35; De Fruytier, EU:C:2010:316, HFR 2010, 892, Rz 24; Evita-K vom 18.07.2013 - C-78/12, EU:C:2013:486, HFR 2013, 857, Rz 33; Enteco Baltic, EU:C:2018:473, HFR 2018, 672, Rz 86).
Hiervon ist bei der Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag auszugehen, die allerdings häufig mit der Übertragung bürgerlich-rechtlichen Eigentums verbunden ist (Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 09.09.2015 - XI R 21/13, BFH/NV 2016, 597, Rz 20; vom 06.04.2016 - V R 12/15, BFHE 253, 475, BStBl II 2017, 188, Rz 18, jeweils m.w.N.).
cc) Zwar können Gegenstände auch ohne zivilrechtliche Eigentumsverschaffung geliefert werden, z.B. wenn dem "Lieferer" die Befähigung, rechtlich über die Gegenstände zu verfügen, fehlt (vgl. EuGH-Urteil PPUH Stehcemp vom 22.10.2015 - C-277/14, EU:C:2015:719, HFR 2015, 1182, Rz 44; BFH-Urteil vom 08.09.2011 - V R 43/10, BFHE 235, 501, BStBl II 2014, 203, Rz 20, m.w.N.). Allerdings kann nur derjenige einem anderen Verfügungsmacht verschaffen, der selbst tatsächlich die Verfügungsmacht innehat (BFH-Urteil vom 16.04.1975 - V R 2/71, BFHE 115, 535, BStBl II 1975, 622, Rz 8; Neubert in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 102; Nieskens in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 663; Slapio in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 3 Rz 181).
b) Tragfähige Feststellungen zur entscheidungserheblichen Frage der Verfügungsmacht am Kran sind dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen.
aa) Zwar wurden Feststellungen der Steuerfahndung des FA in den Tatbestand des Urteils aufgenommen, die darauf hindeuten könnten, dass die Klägerin durch E den Kran geliefert erhalten hätte - sie sind jedoch lediglich als Beteiligtenvortrag gekennzeichnet. Danach sei ein Kran ... mit Rechnung vom 17.12.2008 von D über 930.000 € fakturiert und am 23.12.2008 mit der Lieferadresse ..., Bremen, ausgeliefert worden. Mit Rechnung vom 17.12.2008 und dem Lieferzusatz "Übernahme Kran im November in Y" habe die D den Kran zum Einkaufspreis an E weiterverkauft. Mit Rechnung vom 24.04.2009 und dem Lieferdatum März 2009 habe E den Kran für 920.000 € an die Klägerin weiterverkauft.
bb) Diese Wiedergabe stellt keine bindende tatsächliche Feststellung dar; es ist nur festgestellt, dass das FA einen bestimmten Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, nicht aber, dass das FG die behaupteten Tatsachen als unstreitig oder erwiesen ansieht. Zu den tatsächlichen Feststellungen, die den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich binden, gehört das Vorbringen eines Beteiligten nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 11.02.2011 - XI S 1/11, BFH/NV 2011, 829, Rz 11 f.; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 118 Rz 39; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz 120; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Rz 64).
cc) Zudem steht die tatsächliche Würdigung der Vorentscheidung (unter 3.b, Rz 35 der Gründe), dass E der SA am 17.03.2009 durch die Ausfuhranmeldung beim Zollamt in W die Verfügungsmacht über den Kran verschafft habe, zu der Annahme, dass die Klägerin zuvor Verfügungsmacht am Kran (von E) erhalten hatte, in Widerspruch.
2. Die Sache ist nicht spruchreif.
a) Das FG wird zunächst festzustellen haben, wann und durch wen der Klägerin Verfügungsmacht verschafft wurde, bevor es annimmt, die Klägerin habe diese danach an einen anderen übertragen.
Insofern sind im zweiten Rechtsgang sowohl die vom FA neu vorgetragenen Tatsachen hinsichtlich einer etwaigen Nutzungsüberlassung am Kran vom 01.01.2009 bis 31.03.2009 durch die SA an G als auch der Vortrag, dass der Kran im Zeitraum vom 06.01.2009 bis zum 06.04.2009 auf F zugelassen gewesen sei, zu bewerten.
Ebenfalls wird auf den Berichtigungsbedarf nach § 107 FGO hingewiesen, da als Streitgegenstand und im Klageantrag im Urteil der Vorinstanz versehentlich auch die Streitjahre 2007 und 2008 ausgewiesen wurden.
b) Sollte das FG zum Ergebnis kommen, dass die Klägerin im März 2009 Verfügungsmacht am Kran hatte, steht der Annahme einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung an die SA zwar ‑‑entgegen der Auffassung des FG‑‑ nicht entgegen, dass weder B noch S das Bewusstsein über einen Besitzwechselwillen hatten. Jedoch wird das FG festzustellen haben, ob tatsächlich eine Beförderung über die Grenze vorlag. Dies wäre nicht der Fall, wenn die Beförderung des Krans am Parkplatz bei U noch nicht beendet, sondern lediglich unterbrochen gewesen wäre.
aa) Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei.
Eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung setzt u.a. voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG).
Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 138 MwStSystRL.
bb) Der Begriff der Lieferung (s. unter II.1.a) hat einen objektiven Charakter und ist unabhängig von Zweck und Ergebnis der betroffenen Umsätze anwendbar (EuGH-Urteile VSTR vom 27.09.2012 - C-587/10, EU:C:2012:592, HFR 2012, 1212, Rz 30; Vega International Car Transport and Logistic vom 15.05.2019 - C-235/18, EU:C:2019:412, HFR 2019, 625, Rz 28; BFH-Urteil vom 25.02.2015 - XI R 15/14, BFHE 249, 343, Rz 37, jeweils m.w.N.). Die Steuerverwaltung ist dabei nicht verpflichtet, Untersuchungen anzustellen, um die Absicht des betroffenen Steuerpflichtigen zu ermitteln oder gar die Absicht eines von diesem Steuerpflichtigen verschiedenen, an derselben Lieferkette beteiligten Händlers zu berücksichtigen (EuGH-Urteile Dixons Retail vom 21.11.2013 - C-494/12, EU:C:2013:758, HFR 2014, 84, Rz 21; Vega International Car Transport and Logistic, EU:C:2019:412, HFR 2019, 625, Rz 28).
Ob Verfügungsmacht übertragen wird, richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalls, d.h. den konkreten vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 09.02.2006 - V R 22/03, BFHE 213, 83, BStBl II 2006, 727, unter II.1.b aa, Rz 20; vom 16.04.2008 - XI R 56/06, BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909, unter II.2.a, Rz 27; in BFH/NV 2016, 597, Rz 22). Es ist Sache der Tatsacheninstanz, im Lichte aller tatsächlichen Umstände zu prüfen, ob dies in dem vor ihr anhängigen Rechtsstreit der Fall ist (vgl. EuGH-Urteile Evita-K, EU:C:2013:486, HFR 2013, 857, Rz 34; Enteco Baltic, EU:C:2018:473, HFR 2018, 672, Rz 90; BFH-Urteil in BFH/NV 2016, 597, Rz 22, jeweils m.w.N.).
aaa) Das FG hat aufgrund der Beweisaufnahme festgestellt, dass der Kran am 15.03.2009 von T über die Grenze nach Luxemburg auf einen Parkplatz bei U und am nächsten Tag wieder zurück nach T gelangt ist. Außerdem hat das FG festgestellt, dass B als Geschäftsführer der SA für diese in ihrer luxemburgischen Betriebsstätte eine Empfangsbestätigung für den Kran unterzeichnet hat und daraufhin S den Kran wieder in die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) transportiert hat.
Das FG würdigt diese Feststellungen dahingehend, dass die Klägerin hierdurch keine Verfügungsmacht auf die SA übertragen habe, da die SA weder unmittelbaren noch mittelbaren Besitz erhalten habe. Insbesondere fehle es insofern am entsprechenden Besitzwillen der SA bzw. am Besitzaufgabewillen der Klägerin.
bbb) Allerdings ist das FG insofern von falschen Rechtsgrundsätzen ausgegangen, da nach den o.g. Grundsätzen der Übergang der Verfügungsmacht weder zivilrechtlichen (unmittelbaren oder mittelbaren) Besitz zwingend voraussetzt noch auf innere Tatbestandsmerkmale bei den Beteiligten abzustellen ist, soweit hierfür keine objektiven Umstände festgestellt werden können.
Die Übertragung der Befugnis, über einen körperlichen Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, verlangt weder, dass die Partei, der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert wird und/oder physisch von ihr empfangen wird (EuGH-Urteil Enteco Baltic, EU:C:2018:473, HFR 2018, 672, Rz 87, m.w.N.). Eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit ist somit nicht notwendige Voraussetzung für das Vorliegen einer Lieferung (BFH-Urteil in BFH/NV 2016, 597, Rz 23).
Die Einstufung einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs hat anhand objektiver Kriterien wie des Vorliegens einer physischen Bewegung der betreffenden Gegenstände zwischen Mitgliedstaaten zu erfolgen (EuGH-Urteile Teleos u.a. vom 27.09.2007 - C-409/04, EU:C:2007:548, BStBl II 2009, 70, Rz 40; X vom 18.11.2010 - C-84/09, EU:C:2010:693, HFR 2011, 221, Rz 41). Insofern ist nicht auf die subjektive Kenntnis der Klägerin oder des Empfängers abzustellen, sondern sind die objektiven Umstände maßgeblich (vgl. BFH-Urteil vom 25.02.2015 - XI R 30/13, BFHE 249, 336, Rz 38).
ccc) Die von B im Namen der SA unterzeichnete Empfangsbestätigung wurde explizit "für den innergemeinschaftlichen Warenverkehr als Empfangsnachweis bei Eigentransport der Ware durch den Leistungserbringer als Versender" ausgefüllt. Danach hat B bestätigt, dass er den Kran und damit die in der Rechnung bezeichnete Ware in Luxemburg erhalten hat. Darauf, ob B nicht bewusst gewesen ist, dass für die Verschaffung der Verfügungsmacht auch ein Wechsel des mittelbaren Besitzes notwendig gewesen wäre, kommt es entgegen der Auffassung des FG nicht an.
So führt zum einen mangelndes Bewusstsein über die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6a UStG nicht zwingend dazu, dass diese nicht vorliegen. Zum anderen geht auch die Argumentation des FG fehl, dass B Vorsorge für eine Dokumentation äußerer Beweisanzeichen eines Besitzwechsels getroffen hätte, wenn ihm die Notwendigkeit eines solchen bewusst gewesen wäre. Vielmehr liegt eine solche Dokumentation mit der Unterzeichnung einer Empfangsbestätigung vor, da diese üblicherweise nicht nur der Dokumentation des physischen Grenzübertritts, sondern auch des Besitzübergangs dient.
ddd) Dennoch fehlt für die Feststellung, ob der Kran von der Klägerin an die SA im Zusammenhang mit dem Transport nach Luxemburg geliefert wurde, die Feststellung aller besonderen Umstände des Einzelfalls (vgl. allgemein BFH-Urteil in BFHE 249, 336, Rz 38).
Zwar stellt im Regelfall die Unterzeichnung einer Empfangsbestätigung im Zusammenhang mit dem Transport des Gegenstands ein ausreichendes Indiz für die Annahme eines Übergangs der Verfügungsmacht dar. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine übereinstimmende Wertung von Lieferant und Erwerber über das Vorliegen einer Lieferung als Indiz hinzukommt (BFH-Urteil in BFHE 249, 336, Rz 39).
Obwohl das FG insofern besondere Umstände festgestellt hat, als Lieferer und Erwerber jeweils durch B handelten, hat es keine Feststellungen dazu getroffen, auf wessen Weisung/mit welchem Auftrag S beim Transport des Krans gehandelt hat. Ein objektiver Anhaltspunkt gegen die Übertragung der Verfügungsmacht am 15./16.03.2009 könnte darin liegen, dass die Klägerin noch nach dem Transport nach Luxemburg über den Kran verfügt hätte, z.B. indem S ausdrücklich auf Weisung der Klägerin den Rücktransport nach Deutschland übernommen hätte und die Klägerin insofern nicht im Auftrag der SA gehandelt hätte. Das FG wird im zweiten Rechtsgang Feststellungen dazu nachzuholen haben.
eee) Gegenstand der Erwägungen des FG wird auch sein müssen, ob es sich bei dem Transport des Krans (Parkplatz bei U) und dem anschließenden Rücktransport um zwei gesonderte Beförderungen (jeweils über die Grenze) oder um eine einheitliche Beförderung (vom Inland ins Inland) handelte, denn bei der Verschaffung der Verfügungsmacht (§ 3 Abs. 1 UStG, Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL) und der Beförderung bzw. Versendung in den anderen Mitgliedstaat (§ 3 Abs. 6 UStG, Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL) handelt es sich um zwei verschiedene Tatbestandsmerkmale der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (BFH-Urteil in BFHE 249, 343, Rz 55, m.w.N.).
(1) Nach § 3 Abs. 6 Satz 2 UStG ist "Befördern" jede Fortbewegung eines Gegenstands. Die Beförderung ist beendet, wenn der Gegenstand der Lieferung seinen Bestimmungsort erreicht hat (BFH-Urteil vom 20.12.2006 - V R 11/06, BFHE 216, 379, BStBl II 2007, 424, unter II.1.d, Rz 26).
(2) Insofern kommt es zur Bestimmung des Endpunktes der Beförderung nicht auf den Transportweg oder darauf an, ob dieser unterbrochen wurde. Vielmehr ist für die Einstufung eines Umsatzes als innergemeinschaftliche Lieferung oder innergemeinschaftlicher Erwerb festzustellen, ob ein hinreichender zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der Lieferung des in Rede stehenden Gegenstands und seiner Beförderung sowie ein kontinuierlicher Ablauf des Vorgangs gegeben sind (EuGH-Urteile X, EU:C:2010:693, HFR 2011, 221, Rz 33; Fonderie 2A vom 02.10.2014 - C-446/13, EU:C:2014:2252, HFR 2014, 1130, Rz 29). Der danach erforderliche zeitliche und sachliche Zusammenhang als kontinuierlicher Ablauf wird durch eine von vornherein nur vorübergehende Einlagerung auf kurze Zeit nicht beeinträchtigt (BFH-Urteil vom 20.10.2016 - V R 31/15, BFHE 255, 550, BStBl II 2017, 1076, Rz 20).
(3) Da die Beurteilung, wo eine Beförderung endet, im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung ist, die dem FG als Tatsacheninstanz obliegt (BFH-Urteil in BFHE 216, 379, BStBl II 2007, 424, unter II.1.d, Rz 27, m.w.N.), wird das FG auch diesbezüglich Feststellungen zu treffen haben.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird gemäß § 143 Abs. 2 FGO dem FG übertragen.