ECLI:DE:BFH:2019:B.230919.IR25.17.0
BFH I. Senat
AEUV Art 108 Abs 3, FGO § 126a, KStG § 8 Abs 7 S 1 Nr 2, KStG § 8 Abs 9, KStG § 34 Abs 6 S 10, JStG 2009 , FGO § 74, KStG VZ 2009
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 13. March 2017, Az: 6 K 6144/15
Leitsätze
NV: § 8 Abs. 9 KStG erfordert nicht, dass im Zeitpunkt der Anwendung der Norm noch eine strukturell dauerdefizitäre Tätigkeit i.S. des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG ausgeübt wird; es genügt, dass die festgestellten Dauerverluste aus einer solchen Tätigkeit herrühren.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 14.03.2017 - 6 K 6144/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, war bis zum 31.12.2006 Pächterin und Betreiberin eines Museums. Verpächter war der Landkreis B. Dieser war bis zum 11.07.2005 auch alleiniger Gesellschafter der Klägerin, danach wurden die Anteile an der Klägerin durch die C GmbH gehalten, deren alleiniger Gesellschafter wiederum der Landkreis B ist. Es handelt sich bei der Klägerin damit um eine sog. Eigengesellschaft des Landkreises B.
Die Klägerin erzielte aus dem als dauerdefizitär einzustufenden Betrieb des Museums bis einschließlich 2006 erhebliche Verluste. Die körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Verlustvorträge aus dieser dauerdefizitären Tätigkeit beliefen sich zum 31.12.2006 auf über ... €.
Seit dem 01.01.2007 wird das Museum durch eine Schwestergesellschaft der Klägerin betrieben. Die Klägerin ist Verpächterin des Museums. Die jährliche Pacht entspricht den Kosten der Klägerin zuzüglich eines Gewinnaufschlags von 5 %.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) hat nach Durchführung einer steuerlichen Außenprüfung bei der Klägerin für die Jahre 2005 bis 2008 trotz der aus der dauerdefizitären Tätigkeit erzielten Verluste ‑‑wie schon in den Jahren davor‑‑ vom Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) für die Jahre 2005 und 2006 abgesehen. Eine Verrechnung der zum 31.12.2006 festgestellten Verluste mit den Gewinnen der Jahre 2007 und 2008 lehnte das FA hingegen ab.
Für das Streitjahr (2009) ging das FA davon aus, dass die sog. Spartenrechnung gemäß § 8 Abs. 9 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19.12.2008 (BGBl I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74) ‑‑KStG‑‑ zur Anwendung komme. Dementsprechend bildete das FA zwei Sparten. Die Sparte 1 "Museum" umfasste dabei die Verpachtung des Museumsbetriebs, während die Bauleistungen und Beteiligungen an Personengesellschaften der Sparte 2 "übrige Tätigkeiten" zugeordnet wurden. Den zum 31.12.2008 festgestellten Verlustvortrag ordnete das FA vollständig der Sparte 1 zu und verrechnete die Verlustvorträge mit (geringfügigen) positiven Einkünften aus der Verpachtung des Museums. Die Einkünfte der Sparte 2 "übrige Tätigkeiten" unterwarf das FA der Besteuerung und setzte entsprechend Körperschaftsteuer sowie Gewerbesteuermessbeträge fest.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass sie seit 2007 keine strukturell defizitäre Tätigkeit mehr ausübe und deshalb die Spartenrechnung nach § 8 Abs. 9 KStG nicht durchzuführen sei. Dem ist das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg nicht gefolgt. Mit Urteil vom 14.03.2017 - 6 K 6144/15 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 856) hat es die Klage hinsichtlich des Bescheids über Körperschaftsteuer 2009, des Bescheids über die gesonderte Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge in den Fällen des § 8 Abs. 9 KStG zum 31.12.2009, des Gewerbesteuermessbescheids 2009 und des Bescheids über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2009 als unbegründet zurückgewiesen und ist dabei davon ausgegangen, dass § 8 Abs. 9 KStG anzuwenden sei.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts geltend.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und den Körperschaftsteuerbescheid 2009, den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2009, den Bescheid über die gesonderte Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge in den Fällen des § 8 Abs. 9 KStG zum 31.12.2009 sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2009 dahingehend abzuändern, dass keine Spartentrennung gemäß § 8 Abs. 9 KStG vorgenommen wird und die zum 31.12.2008 festgestellten Verluste uneingeschränkt verrechnet werden können.Das FA beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision gegen das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2017 - 6 K 6144/15 für unbegründet; eine mündliche Verhandlung wird nicht für erforderlich gehalten. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
1. Die Klägerin hat die Revision nicht deshalb teilweise zurückgenommen, weil sie bei der Revisionseinlegung (Schriftsatz vom 21.04.2017) den Sachgegenstand aus dem Urteil der Vorinstanz unverändert übernommen und erst mit dem Revisionsantrag (Schriftsatz vom 19.05.2017) nicht mehr alle dort genannten Bescheide angegriffen hat. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 19.05.2017 ihr Begehren dahingehend bestimmt, dass Revision nur in Bezug auf den Bescheid über Körperschaftsteuer 2009, den Bescheid über die gesonderte Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge in den Fällen des § 8 Abs. 9 KStG zum 31.12.2009, den Gewerbesteuermessbescheid 2009 und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2009 eingelegt wird. Hinsichtlich der übrigen in der Betreffzeile des Rubrums des vorinstanzlichen Urteils genannten Bescheide war die Klage von der Vorinstanz als unzulässig zurückgewiesen worden. Die Klägerin hat diese Bescheide im Revisionsverfahren in ihre eigene Betreffzeile übernommen, aber nicht mehr mit dem Revisionsantrag angegriffen. Da der Gegenstand des Revisionsverfahrens durch den Revisionsantrag im Zusammenhang mit dem Revisionsbegehren bestimmt wird (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 25.06.2002 - IX R 47/98, BFHE 199, 361, BStBl II 2002, 756, und vom 16.10.2008 - IV R 82/06, BFH/NV 2009, 581), ist in der streitgegenständlichen "Beschränkung" des Revisionsantrags weder eine teilweise Rücknahme der Revision noch ein teilweiser Verzicht auf diese zu sehen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 199, 361, BStBl II 2002, 756, und in BFH/NV 2009, 581).
2. Die Vorinstanz hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass im Streitjahr auf die bis einschließlich des Jahres 2006 entstandenen Verluste aus dem Betrieb des Museums die sog. Spartenrechnung nach § 8 Abs. 9 KStG anzuwenden ist. Dementsprechend hat das FA die Einkünfte der Klägerin zutreffend zwei Sparten zugeordnet, den zum 31.12.2008 festgestellten Verlustvortrag vollständig der Sparte 1 zugerechnet und die festgestellten Verlustvorträge lediglich mit (geringfügigen) positiven Einkünften aus der Verpachtung des Museums im Streitjahr verrechnet, nicht aber mit den Einkünften der Sparte 2 "übrige Tätigkeiten". Diese Einkünfte hat das FA zu Recht der Besteuerung unterworfen und entsprechend Körperschaftsteuer sowie einen Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr festgesetzt.
a) Nach § 8 Abs. 9 KStG sind bei Kapitalgesellschaften, bei denen § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG zur Anwendung kommt, einzelne Tätigkeiten der Gesellschaft nach bestimmten Maßgaben jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen; eine Verrechnung von positiven und negativen Betriebsergebnissen zwischen den jeweiligen Sparten wird damit verhindert. U.a. sollen die nach den für Betriebe gewerblicher Art (BgA) gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG geltenden Grundsätzen zusammenfassbaren Tätigkeiten jeweils einer gesonderten Sparte zugeordnet werden (§ 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 KStG). Bei Eigengesellschaften mit strukturell dauerdefizitären Tätigkeiten wird damit die Ergebnisverrechnung an den für BgA geltenden Grundsätzen ausgerichtet (vgl. hierzu ausdrücklich BTDrucks 16/10189, S. 70). § 34 Abs. 6 Satz 9 KStG ordnet eine erstmalige Anwendung der Regelung für den Veranlagungszeitraum 2009 an.
b) Auf den Streitfall übertragen bedeutet dies, dass die Einkünfte der Klägerin als sog. Eigengesellschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts der Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG unterstehen. Aus einer Nichtanwendung des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG folgt umgekehrt, dass eine Spartenrechnung nach § 8 Abs. 9 KStG unterbleibt. Obwohl die Klägerin seit dem 01.01.2007 aufgrund des Betriebs des Museums durch eine Schwestergesellschaft selbst kein Dauerverlustgeschäft mehr ausübt und entsprechend der Entscheidung des Senats vom 09.11.2016 - I R 56/15 (BFHE 256, 75, BStBl II 2017, 498) dem Grunde nach die Begünstigung des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG seither nicht mehr in Anspruch nehmen kann, ist die Vorinstanz zutreffend davon ausgegangen, dass dies die Anwendung von § 8 Abs. 9 KStG auf die zum 31.12.2008 festgestellten "Altverluste" im Streitfall nicht hindert.
aa) Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von § 8 Abs. 9 Satz 1 KStG. Danach ist Voraussetzung für die Anwendung der sog. Spartenrechnung, dass "für Kapitalgesellschaften § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 zur Anwendung kommt". Die Vorinstanz hat festgestellt, dass aus dem Betrieb des Museums bis einschließlich 2006 Dauerverluste erzielt und diese Verluste nicht als vGA berücksichtigt worden sind. Im Ergebnis ist daher für diesen Zeitraum nach der rückwirkend (§ 34 Abs. 6 Satz 4 KStG) anzuwendenden Vorschrift des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG zu Gunsten der Klägerin verfahren worden. Die Vorschrift ist damit i.S. des § 8 Abs. 9 Satz 1 KStG zur Anwendung gekommen.
bb) Die Verwendung der Zeitform Präsens in der gesetzlichen Formulierung ("zur Anwendung kommt") statt der Zeitform Perfekt ("zur Anwendung gekommen ist") steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Die Übergangsregelung des § 34 Abs. 6 Satz 10 KStG bringt, indem sie eine sachgerechte Aufteilung für auf den Schluss des Veranlagungszeitraums 2008 festgestellte Verlustvorträge nach Maßgabe des § 8 Abs. 9 KStG verlangt, hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die Spartenrechnung des § 8 Abs. 9 KStG (auch) auf sog. Altverluste angewendet werden soll. Dabei wird ‑‑mit der Vorinstanz‑‑ nicht vorausgesetzt, dass auch im Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung des § 8 Abs. 9 KStG ‑‑vorliegend mithin im Streitjahr‑‑ noch eine strukturell dauerdefizitäre Tätigkeit ausgeübt werden muss; es genügt, dass die Verluste aus einer solchen Tätigkeit herrühren. Der Senat vermag danach weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Regelung des § 8 Abs. 9 KStG eine einschränkende Auslegung i.S. des Revisionsbegehrens der Klägerin zu entnehmen.
c) Aus den Sonderregelungen in § 8 Abs. 9 Satz 6 und 7 KStG ergibt sich nichts Gegenteiliges. Darin wird lediglich für den hier nicht einschlägigen Sonderfall, dass sich die Beherrschungs- und Verlustübernahmeverhältnisse bei der Eigengesellschaft geändert haben, der Untergang der Verlustvorträge geregelt.
3. Es besteht kein Anlass, den Rechtsstreit gemäß § 74 FGO auszusetzen, bis der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) über das Vorabentscheidungsersuchen des Senats gemäß Senatsbeschluss vom 13.03.2019 - I R 18/19 (BFHE 265, 23) zu der Frage, ob § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG dem beihilferechtlichen Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) unterliegt, entschieden hat. Denn selbst wenn die Vorlagefrage zu bejahen wäre, dürfte der Senat aufgrund des sog. Verböserungsverbots (Verbot der reformatio in peius) die Rechtsposition der Klägerin im Vergleich zur Rechtslage vor Klageerhebung nicht verschlechtern (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26.11.1997 - X R 146/94, BFH/NV 1998, 961). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der nationale Richter nicht dazu verpflichtet, von Amts wegen eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts anzuwenden, wenn er infolge einer derartigen Anwendung den im einschlägigen nationalen Recht verankerten Grundsatz des Verbots der "reformatio in peius" durchbrechen müsste (EuGH-Urteil Heemskerk und Schaap vom 25.11.2008 - C-455/06, EU:C:2008:650).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.