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Urteil vom 20. November 2019, XI R 49/17

Änderungsmöglichkeit wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts (§ 174 Abs. 4 AO); nichtabziehbare Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG - "Gästehaus")

ECLI:DE:BFH:2019:U.201119.XIR49.17.0

BFH XI. Senat

AO § 174 Abs 4, EStG § 4 Abs 5 S 1 Nr 3, EStG § 4 Abs 5 S 2, KStG § 8 Abs 3 S 2, KStG § 8 Abs 3 S 2, FGO § 135 Abs 2, FGO § 136 Abs 1 S 1, GKG § 45

vorgehend FG Düsseldorf, 03. April 2017, Az: 6 K 3320/14 K,F

Leitsätze

1. NV: Ändert das FA seine Rechtsauffassung zu einem Dauersachverhalt (hier: Überlassung eines Wirtschaftsguts ohne angemessenes Nutzungsentgelt an den Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft), und hat dies in einzelnen Streitjahren einkommensmindernde Auswirkungen, kann nicht auf dieser Grundlage und unter Hinweis auf § 174 Abs. 4 AO eine einkommenserhöhende Wirkung in anderen Streitjahren durch Änderung von Bescheiden umgesetzt werden. § 174 Abs. 4 AO hat nicht zum Gegenstand, eine Folgerichtigkeit der Rechtsanwendung in allen Streitjahren herzustellen .

2. NV: § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG als Ausnahme zum Ansatz nichtabziehbarer Aufwendungen (unentgeltliche Überlassung von Räumlichkeiten - "Gästehaus") setzt voraus, dass die Tätigkeit mit der Absicht betrieben wird, einen Gewinn zu erzielen. Es reicht nicht aus, dass sich bei einer späteren Veräußerung des Gebäudes ein Totalgewinn ergeben soll .

Tenor

Sowohl die Revision der Klägerin als auch die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 04.04.2017 - 6 K 3320/14 K,F werden als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin zu 84 % und der Beklagte zu 16 %.

Tatbestand

I.

  1. Streitig ist der Ansatz von sog. nichtabziehbaren Betriebsausgaben (§ 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der in den Jahren 1998 und 1999 geltenden Fassung ‑‑KStG bzw. EStG‑‑) und die Rechtmäßigkeit der Korrektur von Steuerbescheiden 1996 und 1999 auf der Grundlage des § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO).

  2. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist eine geschäftsleitende Holding-Gesellschaft, die die zur Firmengruppe A gehörenden Beteiligungen hält und den betrieblichen Grundbesitz verwaltet sowie Bauträger-Geschäfte ausführt. Gesellschafter der Klägerin waren in den Streitjahren (1996, 1998, 1999) der Geschäftsführer … (96 %) ‑‑X‑‑ und Y (4 %).

  3. Im Zuge einer Außenprüfung (Prüfungsbericht vom 28.08.2009) wurde ermittelt, dass die Klägerin auf (Z) zwei bebaute Grundstücke und ein baureifes Grundstück hatte, die als Anlagevermögen erfasst waren. Das Objekt "…" ‑‑D‑‑ (ein geräumiges Einfamilienhaus mit mehreren Schlafzimmern nebst angegliedertem Sanitärbereich) ‑‑(Rück-)Erwerb von einer Tochtergesellschaft in 1992‑‑ wurde von September 1997 bis Juni 1998 "aufwändig saniert" (Gesamtaufwand 1.467.798 DM einschließlich Umsatzsteuer, der im Wesentlichen als laufender Betriebsaufwand angesetzt wurde) und zum Zweifamilienhaus ("Wohnung Süd" und "Wohnung Nord") umgebaut. Die Nutzung der Baulichkeiten ist in Übersichten festgehalten, wobei der Leerstand die Belegungszeiten deutlich überstieg.

  4. Im Prüfungsbericht vertrat man die Auffassung, dass im Hinblick auf das Objekt D verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) anzusetzen seien:

    1996: 

    44.435 DM

            

    1997: 

    78.539 DM

            

    1998: 

    1.362.474 DM

            

    1999: 

    101.266 DM

            
  5. Darüber hinaus komme ein weiterer vGA-Ansatz in Betracht (Aufwendungen für ein "Firmen-Archiv": ... DM [1996], ... DM [1997], ... DM [1998] und ... DM [1999]).

  6. Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) erließ auf dieser Grundlage Änderungsbescheide zur Körperschaftsteuer 1996 bis 1999 und den gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG auf den 30.09.1996 bis 30.09.1999 gemäß § 164 Abs. 2 AO und hob den Vorbehalt der Nachprüfung jeweils auf (Bescheide vom 05.10.2009). Die Einsprüche blieben erfolglos (Einspruchsentscheidungen vom 17.09.2014).

  7. Im Klageverfahren begehrte die Klägerin zunächst Änderungen zum Ansatz der vGA (Grundbesitz D; Archiv) und der Zinsen gemäß § 233a AO, wobei das zuletzt angeführte Begehren später entfiel. In einem finanzgerichtlichen Verfahren zur Einkommensteuer des X (Az.: 7 K 371/10) wurde eine tatsächliche Verständigung dahingehend erzielt, dass eine vGA betreffend Nutzung des Objekts D nur insoweit anzunehmen sei, als X für die Nutzung keine angemessene Miete gezahlt habe (der Höhe nach die sog. Kostenmiete zzgl. Gewinnzuschlag von 10 %; für 1997 zeitanteilig acht Monate [Leerstand wegen Umbaus ab September]). Nach dem Umbau (ab Juli 1998) sei eine vGA nur noch betreffend die sog. Südwohnung (Kostenanteil geschätzt 60 %) anzusetzen. Im Einzelnen:

    1996   

    1.853.208 DM x 6 % + 10 % =

    122.311 DM

    1997   

    122.311 DM x 8/12 =

    81.540 DM

    1998   

    3.321.006 DM x 6 % + 10 % = 219.186 DM, hiervon 60 % für 1/2 Jahr

    65.755 DM

    1999   

    219.186 DM x 60 % =

    131.511 DM

  8. Darüber hinaus wurde die vGA/Archiv einvernehmlich herabgesetzt auf ... DM (1996), ... DM (1997), ... DM (1998) bzw. ... DM (1999).

  9. Das FA folgte dem für die Besteuerung bei der Klägerin; ferner vertrat es die Auffassung, dass die nach dem Umbau entstandene sog. Nordwohnung bis April 2002 Gästen zur Verfügung gestanden habe und die Aufwendungen gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig seien (Berechnung unter Berücksichtigung der Gesamtaufwendungen laut Anlage 20 zum Prüfungsbericht):

    1998   

    1.362.474 DM x 40 % =

    544.989 DM

    1999   

    101.266 DM x 40 % =

    40.506 DM

  10. Das FA erließ auf dieser Grundlage am 09.02.2016 entsprechend geänderte Bescheide zur Körperschaftsteuer und den gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen (§ 47 Abs. 1 KStG) für die Jahre 1996 bis 1999 bzw. die entsprechenden Feststellungszeitpunkte. Als Änderungsvorschrift führte das FA "§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO" an, bei den Bescheiden für 1996 und für 1999 zusätzlich "§ 174 AO".

  11. Nachdem die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung zum Veranlagungszeitraum 1997 die Rücknahme der Klage erklärt hatte, gab das Finanzgericht (FG) Düsseldorf der Klage (Streitjahre 1996, 1998, 1999) teilweise statt (Urteil vom 04.04.2017 - 6 K 3320/14 K,F, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 886). Eine belastende Änderung könne nicht auf § 174 AO gestützt werden; allerdings sei der Ansatz nichtabziehbarer Betriebsausgaben zu Recht erfolgt.

  12. Beide Beteiligte haben Revision eingelegt.

  13. Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil dahingehend zu ändern, dass zum Streitjahr 1998 der Ansatz von 544.989 DM nichtabziehbare Betriebsausgaben entfällt und der ungemildert belastete Teilbetrag des § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KStG um diesen Betrag erhöht wird, sowie die Revision des FA zurückzuweisen.

  14. Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen sowie die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revisionen der Beteiligten sind unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat der Klage zu den Streitjahren 1996 und 1999 ohne Rechtsfehler stattgegeben (keine Rechtsgrundlage für den Erlass der belastenden Änderungsbescheide) und die Klage zum Streitjahr 1998 ohne Rechtsfehler abgewiesen (Ansatz nichtabziehbarer Betriebsausgaben).

  2. 1. Zum Streitjahr 1996 ist Gegenstand des Revisionsverfahrens ausschließlich das Revisionsbegehren des FA, das vorinstanzliche Urteil insoweit aufzuheben, als das FG die Voraussetzungen für eine belastende Änderung der zunächst im gerichtlichen Verfahren angegriffenen Bescheide durch die Bescheide vom 09.02.2016 als nicht erfüllt angesehen hat. Diesem Begehren ist nicht zu entsprechen; das FG hat ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass die Voraussetzungen für eine belastende Änderung der Festsetzung bzw. der Feststellung auf der Grundlage des § 174 Abs. 4 AO nicht erfüllt sind.

  3. a) Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Gemäß § 174 Abs. 4 Satz 2 AO gilt dies auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Die Regelung findet nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO sinngemäß auch auf Feststellungsbescheide Anwendung (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 10.05.2012 - IV R 34/09, BFHE 239, 485, BStBl II 2013, 471, Rz 25).

  4. Eine irrige Beurteilung eines Sachverhalts i.S. der genannten Vorschrift liegt vor, wenn sich die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts nachträglich als unrichtig erweist (BFH-Urteil vom 25.10.2016 - X R 31/14, BFHE 255, 399, BStBl II 2017, 287). Sachverhalt i.S. des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO ist der einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Der Begriff des "bestimmten Sachverhalts" ist dabei nicht auf eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes Merkmal beschränkt, sondern erfasst den einheitlichen, für diese Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex. Unerheblich ist, ob der für die rechtsirrige Beurteilung ursächliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen lag. Der Steuerpflichtige soll im Falle seines Obsiegens mit einem gewissen Rechtsstandpunkt an seiner Auffassung festgehalten werden, soweit derselbe Sachverhalt zu beurteilen ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 239, 485, BStBl II 2013, 471, Rz 26; vom 02.10.2018 - IV R 24/15, BFH/NV 2019, 516). Eine Korrekturmöglichkeit ist danach etwa dann zu bejahen, wenn ein bestimmter Sachverhalt in einem anderen Besteuerungszeitraum als bisher geschehen zu erfassen ist und einem Rechtsbehelf aus diesem Grund stattgegeben wird (vgl. BFH-Urteil vom 19.05.2005 - IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl II 2005, 637, unter I.2.a).

  5. b) Im Streitfall war das FA im weiteren Verlauf des Verfahrens ‑‑vielleicht auf der Grundlage von Erkenntnissen aus dem parallel anhängigen finanzgerichtlichen Verfahren zur Besteuerung des Gesellschafters, vielleicht auf der Grundlage neuerer BFH-Rechtsprechung (s. in diesem Zusammenhang das BFH-Urteil vom 12.06.2013 - I R 109-111/10, BFHE 241, 549, BStBl II 2013, 1024)‑‑ zu der Auffassung gelangt, dass der den bisher angefochtenen Bescheiden zugrunde liegende Sachverhalt rechtsirrig beurteilt worden sei: Zur Nutzung des Hauses in Z sei nicht von einer vGA aufgrund der "Unterhaltung eines Verlustwirtschaftsgutes im Interesse des Gesellschafters" auszugehen, sondern von einer vGA aufgrund der "unentgeltlichen Überlassung eines Wirtschaftsgutes an den Gesellschafter". Daraus folge eine andere Bewertung der durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Einkommens- und Vermögensminderung bei der Klägerin, was bezogen auf die (damaligen) Streitjahre 1997 und 1998 zu einer Minderung der bislang angesetzten Einkommenserhöhungen und für die Streitjahre 1996 und 1999 zu einer Erhöhung der bislang angesetzten Einkommenserhöhungen führte. Entsprechende Änderungsbescheide wurden (unter Berücksichtigung einer weiteren Minderung der Höhe von bislang angesetzten vGA aus einem hier nicht streitigen Komplex [vGA/Archiv]) zum Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens (§ 68 Satz 1 FGO), wobei das FA zu den Bescheiden der Streitjahre 1996 und 1999 auf "§ 174 AO" verwiesen hat. Nachdem die Klägerin zum Streitjahr 1997 (Einkommensminderung) die Klage zurückgenommen hatte, hat das FA zum Streitjahr 1999 vorgetragen, dass die Berichtigung nicht auf § 174 AO zurückgeführt werden müsse, da die Verböserung auf der geänderten Beurteilung bei der sog. Südwohnung beruhe und sich hinsichtlich der sog. Nordwohnung ein für die Klägerin günstiger Saldo ergeben habe (einkommenserhöhender Ansatz der nichtabziehbaren Betriebsausgaben: 40.506 DM; gegenläufig die Minderung der vGA um diesen Betrag zzgl. Körperschaftsteuer-Ausschüttungsbelastung: 57.865 DM).

  6. c) Das FG hat im angefochtenen Urteil zutreffend dahin erkannt, dass der Hinweis des FA auf ‑‑dem Klagebegehren entsprechende‑‑ außergerichtlich umgesetzte Einkommensminderungen zu den Streitjahren 1997 und 1998 (vGA im Zusammenhang mit der Nutzung des Objekts D) nicht ausreicht, um zu den Streitjahren 1996 und 1999 (vGA/Nutzung des Objekts D) belastende Änderungen auf der Grundlage des § 174 Abs. 4 AO zu rechtfertigen. Denn die belastenden Änderungen zu den Streitjahren 1996 und 1999 können nicht als Folge einer rechtsirrigen Beurteilung des Sachverhalts der Streitjahre 1997 und 1998 angesehen werden, die nun infolge einer antragsgemäßen Änderung der Streitjahre 1997 und 1998 ebenfalls ("nachträglich") geändert werden müssten (s. zu dieser "Abfolge" der Korrektur der rechtsirrigen Beurteilung und der Folgeänderung als Tatbestandsvoraussetzung der Berichtigungsnorm z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10.11.1997 - GrS 1/96, BFHE 184, 1, BStBl II 1998, 83; BFH-Urteil in BFHE 255, 399, BStBl II 2017, 287). Es ist nicht so, dass die Änderung der Streitjahre 1997 und 1998 einen "negativen Widerstreit" (s. dazu Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 184, 1, BStBl II 1998, 83; s.a. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 42; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, AO/FGO, § 174 AO Rz 257) ausgelöst hätte, der eine belastende (Anschluss-)Änderung der Streitjahre 1996 und 1999 zur Folge haben musste. Vielmehr beruht die (belastende) Änderung der Streitjahre 1996 und 1999 auf der (konsequenten) Umsetzung einer geänderten Rechtsmeinung zu dem einheitlichen (in allen Streitjahren einschlägigen) Sachverhalt der unentgeltlichen Nutzung des Objekts D, damit einer Korrektur der dort (schon im Jahr 1996) ebenfalls rechtsirrigen Würdigung des Sachverhalts, um den Sachverhalt nunmehr jahresübergreifend nach einem einheitlichen (folgerichtigen) Maßstab zu beurteilen. Es ist insoweit aber nicht Gegenstand des § 174 Abs. 4 AO, eine Folgerichtigkeit der Rechtsanwendung herzustellen, wenn sie nicht kraft Gesetzes vorgesehen ist (z.B. von Groll in HHSp, a.a.O., § 174 AO Rz 271).

  7. Dabei ist dem FG auch darin zu folgen, dass sich dem BFH-Urteil vom 18.02.1997 - VIII R 54/95 (BFHE 183, 6, BStBl II 1997, 647) nichts Abweichendes entnehmen lässt. Zwar hat der BFH in diesem Urteil entschieden, dass sich die irrige Beurteilung des Sachverhalts in mehreren Besteuerungsabschnitten auswirken und dementsprechend die Änderung der Steuerbescheide gemäß § 174 Abs. 4 Satz 1 AO für mehrere Veranlagungszeiträume (zugunsten und zu Lasten ein- und desselben Steuerpflichtigen) erforderlich machen kann. Dies wurde damit begründet, dass der einheitliche Sachverhalt im Urteilsfall darin liege, dass der Kläger eine GmbH-Beteiligung während des gesamten Beurteilungszeitraumes mit Einkunftserzielungsabsicht gehalten habe, und dass der Umstand, dass die tatsächlichen Voraussetzungen dieses Sachverhalts nicht durch die Verhältnisse eines Veranlagungszeitraumes, sondern erst aufgrund der Entwicklung der Einkünfte über mehrere Jahre hinweg bestimmt werden könnten, der Einheitlichkeit des Lebensvorganges nicht entgegen stehe. Die dortige Situation, dass sich das rechtserhebliche Merkmal erst auf der Grundlage einer veranlagungszeitraumübergreifenden Sicht ergeben konnte, und die Rechtsfolge dann in diesen Veranlagungszeiträumen einheitlich zu ziehen ist, liegt hier erkennbar nicht vor. Auf der Grundlage der (neuen) Rechtserkenntnis des FA zum Gegenstand der vGA wäre die Objektnutzung jedes Streitjahrs schon (unabhängig von Folgejahren) in diesem jeweiligen Jahr als rechtsirrig einzustufen gewesen und nicht erst auf der Grundlage einer Gesamtsicht der Streitjahre.

  8. 2. Zum Streitjahr 1998 ist Gegenstand des Revisionsverfahrens ausschließlich das Revisionsbegehren der Klägerin, das vorinstanzliche Urteil insoweit abzuändern, als das FG die Voraussetzungen für einen ‑‑der entlastenden Änderung durch das FA teilweise gegenläufigen‑‑ Ansatz nichtabziehbarer Betriebsausgaben als erfüllt angesehen hat. Diesem Begehren ist nicht zu entsprechen; das FG hat ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass die Voraussetzungen für den Ansatz nichtabziehbarer Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG erfüllt sind.

  9. a) Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG dürfen Aufwendungen für Einrichtungen des Steuerpflichtigen, soweit sie der Bewirtung, Beherbergung oder Unterhaltung von Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, dienen (Gästehäuser) und sich außerhalb des Orts eines Betriebs des Steuerpflichtigen befinden, den Gewinn nicht mindern. Das Abzugsverbot gilt nach Satz 2 der Regelung allerdings nicht, soweit der (u.a.) in Satz 1 Nr. 3 bezeichnete Zweck Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen ist. Aufwendungen i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG sind gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 EStG einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufzuzeichnen. Soweit diese Aufwendungen nicht bereits nach § 4 Abs. 5 EStG vom Abzug ausgeschlossen sind, dürfen sie bei der Gewinnermittlung nur berücksichtigt werden, wenn sie besonders aufgezeichnet worden sind (§ 4 Abs. 7 Satz 2 EStG).

  10. b) Das FG hat die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG ohne Rechtsfehler als erfüllt angesehen.

  11. aa) Die streitigen Aufwendungen, die aus dem Vermögensbereich der Klägerin als Kapitalgesellschaft stammen und auch angesichts der Betriebsvermögenseigenschaft der Baulichkeiten Betriebsausgaben darstellen (was auch nicht im Streit ist), sind nach den Feststellungen des FG der "Wohnung Nord" zuzuweisen; in den Streitjahren 1998 und 1999 hat eine unentgeltliche Nutzung der Wohnung durch Personen stattgefunden, die nach den weiteren Feststellungen des FG keine Arbeitnehmer der Klägerin waren. Soweit das FG festgestellt hat, dass eine Nutzung durch die Personen nicht im Zuge eines in Aussicht stehenden betrieblichen Verhältnisses (u.a. als Miet- und Kaufinteressenten) stattgefunden hat, würdigt die Klägerin dies zwar abweichend, ohne aber revisionsrechtlich erhebliche Einwendungen gegen diese Würdigung des FG geltend zu machen.

  12. Rechtsfehlerfrei hat das FG auch erkannt, dass sich die "Wohnung Nord" außerhalb des Orts eines Betriebs der Klägerin befunden hat. Denn die "Wohnung Süd" war angesichts der von der Klägerin zugestandenen außerbetrieblichen Nutzung durch den Gesellschafter-Geschäftsführer und der (entgeltlichen) Baubetreuung durch eine Honorarkraft ‑‑ungeachtet der vom FG nicht geprüften Frage einer Erfüllung der Anzeigepflicht aus § 138 Abs. 1 Satz 1 AO oder der Zerlegung gewerblicher Einkünfte nach § 28 ff. des Gewerbesteuergesetzes‑‑ nicht als Betriebsstätte der Klägerin i.S. des § 12 AO anzusehen.

  13. bb) Das FG hat ebenfalls rechtsfehlerfrei dahin erkannt, dass die unentgeltliche Überlassung der "Wohnung Nord" nicht Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung der Klägerin war. Auch wenn die Klägerin tatsächlich im Zeitpunkt der Veräußerung einen "Totalgewinn" erzielt haben sollte, was das FG unter Hinweis auf nicht berücksichtigte Aufwendungen in Vorjahren bezweifelt hat, ist dem FG darin zu folgen, dass das von der Klägerin behauptete Betreiben eines sog. Gästehauses mit Gewinnabsicht angesichts der stets unentgeltlichen Nutzungsüberlassung der Räumlichkeiten den schlüssigen Nachweis durch eine veranlagungszeitraumübergreifende Prognose, dass die Erzielung eines Totalgewinns zu erwarten ist, erfordert (s. insoweit eine Parallele zum Maß des Verhaltens eines ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters in der Fallsituation des Erwerbs/Unterhaltens von Wohnhäusern zur Mietnutzung durch den Gesellschafter-Geschäftsführer im BFH-Urteil vom 27.07.2016 - I R 8/15, BFHE 255, 32, BStBl II 2017, 214). Es reicht nicht aus, dass man behauptet, bei der Aufnahme der Nutzung davon ausgegangen zu sein, bei einer späteren Veräußerung des Gebäudes ungeachtet der fehlenden Erzielung von Nutzungsvergütungen einen (Gesamt-)Gewinn zu erzielen (und dieser evtl. sogar erzielt wird). Denn nur diese Auslegung berücksichtigt hinreichend den Zweck der Vorschrift, dass bestimmte Betriebsausgaben, die ‑‑durch die unentgeltliche Überlassung der Räumlichkeiten veranlasst‑‑ bereits ihrer Art nach als überflüssige und unangemessene Repräsentationsaufwendungen anzusehen sind, den steuerlichen Gewinn nicht mindern dürfen (s. ‑‑ausdrücklich zu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG, aber für Nr. 3 ebenfalls von Bedeutung‑‑ BFH-Urteil vom 14.10.2015 - I R 74/13, BFHE 252, 39, BStBl II 2017, 222).

  14. cc) Auf dieser Grundlage kann ‑‑wie das FG zutreffend ausgeführt hat‑‑ dahinstehen, welche Folgen es hat, dass die Klägerin nach den Feststellungen des FG zumindest nicht alle durch die "Wohnung Nord" veranlassten Aufwendungen i.S. des § 4 Abs. 7 Satz 1 EStG einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufgezeichnet hat.

  15. dd) Der Tatbestand des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Klägerin die Auffassung vertritt, kein "Gästehaus" betrieben zu haben. Es handelt sich um eine gesetzliche Begriffsbestimmung für den im Streitfall seit langem ‑‑zunächst im ungeteilten Gebäude praktizierten, nach dem Umbau in der sog. Nordwohnung fortgesetzten und hier allein streitgegenständlichen‑‑ Umstand einer unentgeltlichen Nutzungsmöglichkeit für Personen, die nicht Arbeitnehmer der Klägerin sind. Dass diese Nutzung bis zum Veräußerungszeitpunkt nur eine kurze Dauer währte, berührt den Tatbestand ebenso wenig wie der Umstand, dass die Rechtsfolge im konkreten Fall wegen des Aufwendungsbezugs und der "Zusammenballung" im Streitjahr (Umbaumaßnahme als Erhaltungsaufwand) eine besonders einschneidende Wirkung hat; die gesetzliche Rechtsfolge ist nicht auf einen nutzungsbezogenen Durchschnittsbetrag beschränkt.

  16. 3. Zum Streitjahr 1999 ist Gegenstand des Revisionsverfahrens ausschließlich das Revisionsbegehren des FA, das vorinstanzliche Urteil insoweit abzuändern, als das FG die Voraussetzungen für die Einkommenserhöhung als nicht erfüllt angesehen hat. Diesem Begehren ist nicht zu entsprechen; das FG hat ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass die Voraussetzungen für eine verbösernde Änderung des ursprünglich angefochtenen Bescheids auf der Grundlage des § 174 Abs. 4 AO aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht erfüllt sind; eine Änderung auf anderer verfahrensrechtlicher Grundlage kommt ‑‑was ebenfalls nicht im Streit steht‑‑ nicht in Betracht.

  17. 4. Das angefochtene Urteil hat daher wegen der jeweiligen Erfolglosigkeit der beiden Revisionen Bestand.

  18. 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO (unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO nach Maßgabe der Streitwertermittlung für das Revisionsverfahren nach § 45 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes).

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