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Beschluss vom 04. Dezember 2019, V R 31/18

Fremdüblichkeit im Umsatzsteuerrecht

ECLI:DE:BFH:2019:B.041219.VR31.18.0

BFH V. Senat

UStG § 1 Abs 1 Nr 1, FGO § 126a, UStG § 15, UStG § 2 Abs 1

vorgehend FG Köln, 26. September 2017, Az: 3 K 2546/16

Leitsätze

NV: Im Verhältnis zwischen nahen Angehörigen ist eine unternehmerische Tätigkeit nicht bereits deshalb zu verneinen, weil Vereinbarungen über Leistung und Gegenleistung nicht vertragsgemäß vollzogen werden oder nicht dem entsprechen, was unter Fremden üblich ist .

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 27.09.2017 - 3 K 2546/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) stellte ab Dezember 2012 seine Ehefrau auf geringfügiger Basis gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch als Büro-, Organisations- und Kurierkraft an. Der schriftliche Arbeitsvertrag sah eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von neun Stunden vor, wobei die Tätigkeit an Dienstagen von zu Hause (u.a. Bankgeschäfte, Vorbereitung der Buchhaltung, Mahnwesen) sowie donnerstags und freitags im Außendienst (Kurierfahrten etc.) auszuüben war. Die monatliche Vergütung betrug in den Streitjahren 400 €.

  2. Die Ehefrau wurde vereinbarungsgemäß im Wesentlichen durch die Einräumung einer unbeschränkten und selbstbeteiligungsfreien privaten Nutzungsmöglichkeit an einem PKW, der von ihr auch für die betrieblichen Fahrten einzusetzen war, vergütet.

  3. Von Dezember 2012 bis August 2014 stellte der Kläger seiner Ehefrau einen kurz zuvor gebraucht erworbenen PKW Opel Astra (Bruttolistenpreis: 26.300 €) und ab September 2014 ‑‑nach Verkauf des PKW Opel Astra‑‑ einen ebenfalls gebrauchten PKW Saab Vector Kombi (Bruttolistenpreis: 38.500 €) zur Verfügung. Den Sachbezug hieraus ermittelte er nach der 1 %-Regelung; den Differenzbetrag zum Gesamtvergütungsanspruch in Höhe von monatlich 137 € (Dezember 2012 bis August 2014) bzw. 15 € (ab September 2014) zahlte er aus.

  4. Nach einer für die Streitjahre durchgeführten Außenprüfung erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) das Arbeitsverhältnis steuerlich nicht an. Für den Prüfer bestanden zwar "keine Zweifel daran, dass das Arbeitsverhältnis tatsächlich auch durchgeführt wurde", allerdings hielt er die Vereinbarungen für nicht fremdüblich. Einem fremden Dritten wäre im Hinblick auf die lediglich geringe Vergütung und die im Gegensatz dazu bestehende uneingeschränkte private Nutzungsmöglichkeit kein Fahrzeug zur Erfüllung des Lohnanspruchs überlassen worden. Folglich ordnete der Prüfer die beiden der Klägerin überlassenen PKW dem Privatvermögen zu.

  5. Der Einspruch blieb erfolglos. Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 750 veröffentlichten Urteil der Klage statt. Der Arbeitsvertrag sei vereinbarungsgemäß durchgeführt worden. Der Kläger habe erläutert, wie und in welchem Umfang seine Ehefrau ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen erfüllt habe. Die Gestaltung sei nicht fremdunüblich. Zwar möge die der Ehefrau gewährte Vergütung in Gestalt eines in Bar- und Sachlohn aufgespaltenen Entgelts "hinsichtlich der eingeräumten privaten Nutzung eines Firmenwagens angesichts eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses als selten praktiziert empfunden werden". Allerdings überschreite die Entlohnung mit dem Sachbezug nicht die Grenze der Angemessenheit, sodass auch "die Ungewöhnlichkeit dieses Vergütungsbestandteils" unerheblich sei.

  6. Aufgrund der Wirksamkeit des Arbeitsverhältnisses mit Gestattung der Privatnutzung an dem überlassenen PKW sah das FG den Kläger umsatzsteuerlich als berechtigt an, das jeweilige Fahrzeug seinem Unternehmen zuzuordnen. Mit dem vereinbarten und tatsächlich durchgeführten Einsatz eines Kfz zur Vergütung der Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers liege eine unternehmerische Nutzung i.S. des Umsatzsteuerrechts vor. Nach dem Urteil des FG waren daher die Bescheide zur Umsatzsteuer 2012 bis 2014 dahingehend zu ändern, dass zum einen die Gestattung der privaten Fahrzeugbenutzung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) als tauschähnlicher Umsatz i.S. des § 3 Abs. 12 Satz 2 UStG sowie die Veräußerung des zum Unternehmensvermögen gehörenden Fahrzeugs der Umsatzbesteuerung unterzogen werden. Zum anderen sah das FG den Kläger aus der Anschaffung sowie aus den laufenden Kosten für die Fahrzeuge gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG als zum Vorsteuerabzug berechtigt an.

  7. Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme, wobei das FA keine Rücknahme des Rechtsmittels erklärt hat. Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass es im Umsatzsteuerrecht auf einen ertragsteuerrechtlich geprägten Fremdvergleich nicht ankommt.

  2. 1. Unternehmer ist gemäß Art. 2 Abs. 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), wonach als Steuerpflichtiger gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt, und auf Art. 9 Abs. 2 MwStSystRL, nach dem als wirtschaftliche Tätigkeit alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe gelten und nach dem als wirtschaftliche Tätigkeit insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen gilt.

  3. 2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist im Verhältnis zwischen nahen Angehörigen eine unternehmerische Tätigkeit nicht bereits deshalb zu verneinen, weil Vereinbarungen über Leistung und Gegenleistung nicht vertragsgemäß vollzogen werden oder nicht dem entsprechen, was unter Fremden üblich ist. Bei der Prüfung von Leistungsbeziehungen zwischen nahen Angehörigen kann allerdings die Fremdüblichkeit für die Frage bedeutsam sein, ob der Leistende ernsthaft damit gerechnet hat, ein Entgelt für seine Leistung zu erhalten (BFH-Urteile vom 22.06.1989 - V R 37/84, BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913; vom 09.07.1998 - V R 68/96, BFHE 186, 161, BStBl II 1998, 637, und vom 11.12.2003 - V R 48/02, BFHE 204, 349, BStBl II 2006, 384).

  4. 3. Im Streitfall hat das FG ein unternehmerisches Handeln des Klägers (und eine sich hieraus ergebende Berechtigung zum Vorsteuerabzug) daraus abgeleitet, dass das zwischen ihm und seiner Ehefrau bestehende Arbeitsverhältnis wirksam vereinbart worden sei, so dass es sich bei der Gestattung der privaten Nutzung des ihr überlassenen Kfz um einen Bestandteil ihrer Vergütung gehandelt habe. Mit dem Einsatz eines Kfz zur Vergütung der Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers liege eine unternehmerische Nutzung vor. Dies stimmt mit der vorstehenden Senatsrechtsprechung überein. Dabei kommt es auf den Umfang der Nutzung durch die Ehefrau im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses nicht an, da insoweit nicht zwischen regulären und geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen zu unterscheiden ist. Der vereinbarte Barlohn reichte jedenfalls zur Verrechnung mit dem Sachvorteil der Nutzungsüberlassung aus.

  5. Nach den Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ist auch davon auszugehen, dass die vertraglichen Vereinbarungen auch tatsächlich durchgeführt wurden und die Ehefrau die von ihr geschuldete Leistung auch erbracht hat.

  6. 4. Auf die Verfahrensrügen kommt es nicht an.

  7. 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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