ECLI:DE:BFH:2019:B.111219.IIB67.18.0
BFH II. Senat
BpO § 4 Abs 3, FGO § 102
vorgehend FG München, 15. May 2018, Az: 4 K 1112/17
Leitsätze
1. NV: Lässt der angezeigte schenkungsteuerrechtliche Sachverhalt auf weitere steuerbare Zuwendungen schließen, kann die Finanzbehörde ihre Prüfung auch auf weitere Zeiträume ausdehnen und ist nicht darauf beschränkt, nur die betreffenden Stichtage zu überprüfen .
2. NV: Die Grenze des Ermessens ist lediglich dort erreicht, wo die Außenprüfung einer unzulässigen Ausforschungsprüfung "ins Blaue" hinein gleichkommt .
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 16.05.2018 - 4 K 1112/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn hinsichtlich ihrer Beantwortung Unsicherheit besteht. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage wird dagegen nicht aufgeworfen, wenn die streitige Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 29.08.2018 - II B 9/18, BFH/NV 2019, 44, Rz 10). So verhält es sich im Streitfall.
b) Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hält die Rechtsfrage für klärungsbedürftig, ob eine Prüfungsanordnung wegen Schenkungsteuer über die in dem Schenkungsteuerbescheid bezeichneten Zuwendungszeiträume hinaus ohne weitere Begründung ausgedehnt werden darf. Diese Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung.
aa) Bei der Prüfungsanordnung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung (vgl. BFH-Urteil vom 15.06.2016 - III R 8/15, BFHE 254, 203, BStBl II 2017, 25, Rz 15). Diese Ermessensentscheidung kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahingehend überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (vgl. § 102 FGO). In Bezug auf die Ermessensausübung bei der Anordnung sowie der Durchführung einer Außenprüfung hat sich die Finanzverwaltung durch die Regelungen in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung (Betriebsprüfungsordnung) vom 15. März 2000 (BpO 2000) eine Selbstbindung auferlegt (vgl. BFH-Urteile vom 19.08.1998 - XI R 37/97, BFHE 186, 506, BStBl II 1999, 7, und vom 28.06.2000 - I R 20/99, BFH/NV 2000, 1447). In § 4 BpO 2000 sind Regelungen über den Umfang der Prüfung und in § 5 BpO 2000 Regelungen über den Inhalt der Prüfungsanordnung getroffen worden.
bb) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG im Streitfall die Ermessensentscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ‑‑FA‑‑) dahingehend überprüft, ob sie mit den Grundsätzen der BpO 2000 übereinstimmen. Es ist zu der Erkenntnis gelangt, dass die Prüfungsanordnung im konkreten Einzelfall ermessensgerecht ergangen ist. Die Ausweitung des Prüfungszeitraums sei schon allein aufgrund der enormen Höhe der von der Klägerin als zugewendet erklärten Geldbeträge und Goldbestände gerechtfertigt gewesen. Darüber hinaus habe sich eine erhebliche Unsicherheit über schenkungsteuerrechtliche Erwerbsvorgänge dadurch ergeben, dass die Klägerin zunächst im Rahmen einer Selbstanzeige eine Schenkung aus dem Jahre 2008 in Höhe von 12 Mio. € angezeigt und 2013 weitere Zuwendungen in Höhe von über 46 Mio. € erklärt habe, die von August 2005 bis Februar 2007 stattgefunden haben. Angesichts der Komplexität des Sachverhalts unter Einbeziehung von Stiftungen, Anstalten und Treuhandunternehmen sowie der Eröffnung von etlichen Auslandskonten, sei auch die Erweiterung des Prüfungszeitraumes von 2001 bis 2013 nicht ermessensfehlerhaft. Dies gelte vor allem deshalb, weil sämtliche Aktivitäten der Klägerin dem vornehmlichen Ziel gedient hätten, Kapitalvermögen in Millionenhöhe gegenüber den Steuerbehörden zu verschleiern und zu verbergen. Auch bei periodisch wiederkehrenden Steuern sei die Überschreitung des Regelfalls der Prüfung von drei zeitlich zusammenhängenden Besteuerungszeiträumen (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 BpO 2000) zulässig, wenn mit einem steuerlichen Mehrergebnis gerechnet werden könne (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000). Was für die periodisch wiederkehrenden Veranlagungssteuern gelte, gelte in gleichem Maße für die stichtagsbezogene Schenkungsteuer.
cc) Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG hat anhand der Besonderheiten des konkreten Einzelfalls die Ermessensentscheidung des FA überprüft. Die dabei angestellten Kriterien sind nicht zu beanstanden. Der Umfang und die Komplexität eines Sachverhalts rechtfertigen im Einzelfall eine Erweiterung des Prüfungszeitraums. Das gilt auch für die stichtagsbezogene Schenkungsteuer. Lässt ‑‑wie im konkreten Streitfall‑‑ der angezeigte schenkungsteuerrechtliche Sachverhalt auf weitere steuerbare Zuwendungen schließen, kann die Finanzbehörde ihre Prüfung auch auf weitere Zeiträume ausdehnen und ist nicht darauf beschränkt, nur die betreffenden Stichtage zu überprüfen. Die Grenze des Ermessens ist lediglich dort erreicht, wo die Außenprüfung einer unzulässigen Ausforschungsprüfung "ins Blaue" hinein gleichkommt. Auch dies hat das FG zutreffend geprüft und im konkreten Einzelfall verneint.
2. Die Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zuzulassen.
a) Für die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) gelten dieselben Grundsätze wie für die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung. Die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO gilt als Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung (BFH-Beschluss vom 05.06.2019 - II B 21/18, BFH/NV 2019, 1253, Rz 4).
b) Die Klägerin hält die Rechtsfrage für klärungsbedürftig, ob dem Steuerpflichtigen ein Recht auf Überprüfung der Festlegung des Prüfers zusteht, wenn zu befürchten ist, dass der Prüfer Rechte des Steuerpflichtigen verletzen werde, ohne dass diese Rechtsverletzung durch spätere Rechtsbehelfe rückgängig gemacht werden könne. Diese Rechtsfrage ist jedoch bereits vom BFH geklärt. In dem von der Klägerin zitierten BFH-Beschluss vom 29.04.2002 - IV B 2/02 (BFHE 198, 310, BStBl II 2002, 507) hat der BFH diese Frage ausnahmsweise für besonders gelagerte Einzelfälle bejaht. Das FG hat im Streitfall diese Entscheidung angewandt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass ein solcher Einzelfall nicht gegeben ist. Es bleibe daher bei dem Grundsatz, dass die Bestimmung des Prüfers nicht isoliert anfechtbar sei.
c) Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage ist ‑‑wie sie selbst einräumt‑‑ höchstrichterlich geklärt. Soweit sie die Auffassung vertritt, die Grundsätze der Entscheidung in BFHE 198, 310, BStBl II 2002, 507 seien nicht nur in besonderen Ausnahmefällen anzuwenden, wendet sie sich im Kern gegen die Richtigkeit der Entscheidung des FG, das die abstrakten Grundsätze der höchstrichterlichen Entscheidung auf den konkreten Einzelfall angewandt hat. Dies begründet jedoch nicht die Zulassung der Revision.
3. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).
a) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO entscheidet das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Zum Gesamtergebnis des Verfahrens gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten. Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten und damit eine Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist insbesondere gegeben, wenn das FG eine nach Aktenlage feststehende Tatsache, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätte einfließen müssen, unberücksichtigt lässt oder seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde legt, der dem protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht (vgl. BFH-Beschluss vom 02.01.2019 - VIII B 131/18, BFH/NV 2019, 286, Rz 7).
b) Ein solcher Verstoß lässt sich dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen. Ausweislich der Urteilsgründe hat sich das FG eingehend mit dem klägerischen Vorbringen, wonach die Prüferin durch telefonische und schriftliche Kontaktaufnahmen zu dem Nachlassverwalter das Steuergeheimnis verletzt habe, auseinandergesetzt. Dass das FG möglicherweise diesem Vorbringen im Ergebnis nicht gefolgt ist, reicht für die Revisionszulassung nicht aus.
4. Die Revision ist schließlich auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) zuzulassen.
a) Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen (Amtsermittlungsgrundsatz). Danach ist es grundsätzlich Aufgabe des Gerichts, die tatsächlichen Grundlagen der zu treffenden Entscheidung zu ermitteln. Diese Verpflichtung des FG zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen bedeutet nicht, dass jeder fernliegenden Erwägung nachzugehen ist. Wohl aber muss das FG die sich im Einzelfall aufdrängenden Überlegungen auch ohne ausdrücklichen Hinweis der Beteiligten anstellen und entsprechende Beweise erheben (BFH-Beschluss vom 26.04.2018 - XI B 117/17, BFH/NV 2018, 953, Rz 30, m.w.N.).
b) Die Klägerin legt schon nicht dar, welche konkreten, entscheidungserheblichen Tatsachen das FG nicht ermittelt hat. Das FG hat im Einzelnen begründet, weshalb es ‑‑ausgehend von seiner Rechtsauffassung‑‑ von einer weiteren Beweisaufnahme zu der Kontaktaufnahme der Prüferin absehen durfte. Nach Ansicht des FG kam es darauf für die Frage nach einer künftigen etwaigen Rechtsverletzung durch die Prüferin nicht an. Die Klägerin hätte ausgehend von dieser Rechtsauffassung des FG im Einzelnen darlegen müssen, welche Tatsachen das FG hätte weiter aufklären müssen. Dies ist nicht geschehen.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
6. Im Übrigen ergeht die Entscheidung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Angabe weiterer Gründe, insbesondere ohne Darstellung des Tatbestands.