ECLI:DE:BFH:2020:U.230720.VR32.19.0
BFH V. Senat
UStG § 2 Abs 2 Nr 2, UStG § 13b Abs 5 S 2, UStG § 13b Abs 2 Nr 4, UStG § 13b Abs 2 S 2, UStG § 13b Abs 1 S 1 Nr 4, UStG VZ 2008 , UStG VZ 2009 , UStG VZ 2010 , UStG VZ 2011
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 11. September 2019, Az: 2 K 2161/16
Leitsätze
Bei einer Organschaft bezieht der Organträger die Eingangsleistung, so dass es für § 13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG auf die Außenumsätze des Organkreises ankommt.
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 12.09.2019 - 2 K 2161/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein Einzelunternehmer, war Mehrheitsgesellschafter bei verschiedenen Kapitalgesellschaften. Hierzu gehörte die X-GmbH (GmbH). Die GmbH erbrachte Bauleistungen an Schwestergesellschaften für nach § 4 Nr. 9 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfreie Umsätze im Rahmen von Bauträgertätigkeiten. Die GmbH beauftragte ihrerseits andere Unternehmer (Drittunternehmer), an denen der Kläger nicht beteiligt war, mit der Erbringung von Bauleistungen. Die Drittunternehmer und die GmbH gingen dabei von einer Steuerschuldnerschaft der GmbH nach § 13b Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG (ab 01.07.2010: § 13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG) aus.
Im Anschluss an mehrere Außenprüfungen nahm der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) an, dass zwischen dem Kläger als Organträger sowie der GmbH und ihren Schwestergesellschaften als Organgesellschaften eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG gegeben sei. Am 24.06.2014 ergingen Änderungsbescheide für die Streitjahre (2008 bis 2011), mit denen das FA vom Bestehen einer Organschaft ab dem 01.04.2010 ausging. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Am 13.04.2015 ergingen während des Einspruchsverfahrens Änderungsbescheide, in denen das FA nunmehr die Organschaft für alle Streitjahre anerkannte und die Steuerschuld für die von der GmbH bezogenen Bauleistungen beim Kläger erfasste. Im Einspruchsverfahren machte der Kläger hiergegen geltend, dass die Voraussetzungen für eine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf der Grundlage des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.08.2013 - V R 37/10 (BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128) nicht gegeben seien. Zwar habe die GmbH die von den Drittunternehmern bezogenen Bauleistungen dazu verwendet, gegenüber ihren Schwestergesellschaften Bauleistungen zu erbringen. Aufgrund der Organschaft sei dies aber als Innenumsatz unbeachtlich. Maßgeblich sei daher, dass die von der GmbH als Organgesellschaft bezogenen Bauleistungen vom Organkreis für nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Grundstückslieferungen verwendet worden seien. Mit Einspruchsentscheidung vom 13.06.2016 wies das FA den Einspruch insoweit als unbegründet zurück.
Demgegenüber hatte die Klage zum Finanzgericht (FG) Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2019, 1802 veröffentlichten Urteil des FG liegen die Voraussetzungen für eine Steuerschuld des Klägers nach § 13b Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG (ab 01.07.2010: § 13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG) nicht vor, da die bezogenen Bauleistungen nicht für die Erbringung von Bauleistungen, sondern für nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Grundstücksumsätze verwendet worden seien. Auf Innenumsätze innerhalb des Organkreises komme es nicht an.
Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, mit der es geltend macht, dass für die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nur auf das Erbringen von Bauleistungen durch den Leistungsempfänger abzustellen sei, nicht aber auch auf die Steuerpflicht dieser Leistungen, wie sich auch aus der Maßgeblichkeit eines Weltumsatzes ergebe. Abschn. 13b.3 Abs. 7 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) sehe eine Aufspaltung des Organkreises vor. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wirke die Organschaft nur im Innenverhältnis zwischen den verbundenen Unternehmen. In Fällen der Organschaft bestehe für den Leistenden ansonsten keine Möglichkeit, rechtssicher zu bestimmen, ob er oder der Leistungsempfänger Steuerschuldner sei. Damit komme es zu einem Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.Die Voraussetzungen einer Steuerschuldnerschaft als Leistungsempfänger lägen im Hinblick auf die Außenwirkung der Organschaft nicht vor.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger für die von der GmbH als Organgesellschaft bezogenen Bauleistungen nicht Steuerschuldner ist. Bei einer Organschaft bezieht der Organträger, nicht aber die Organgesellschaft die Eingangsleistung, so dass es bei § 13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG auf die dem Organträger zuzuordnenden Außenumsätze und nicht auf nichtsteuerbare Innenumsätze der Unternehmen des Organkreises ankommt.
1. Nach § 13b Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG (ab 01.07.2010: § 13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG) ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner für Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, wenn er ein Unternehmer ist, der diese Leistungen erbringt. Ausgenommen sind Planungs- und Überwachungsleistungen.
Für die Entstehung der Steuerschuld beim Leistungsempfänger kommt es darauf an, dass der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet (BFH-Urteil in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128). Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung zur damaligen Rechtslage weiter fest.
2. Bezieht eine Organgesellschaft eine Bauleistung und verwendet sie diese für eine Bauleistung an eine andere mit ihr organschaftlich verbundenen Gesellschaft, so kommt es für die Leistungsverwendung i.S. des BFH-Urteils in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 nicht auf diesen Innenumsatz, sondern darauf an, für welchen ‑‑dem Organträger zuordenbaren‑‑ Außenumsatz die bezogene Bauleistung verwendet wird.
a) Nach ständiger BFH-Rechtsprechung führt die durch § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG angeordnete Unselbständigkeit der Organgesellschaft dazu, dass deren Tätigkeit dem Organträger zuzurechnen ist. Im Rahmen der Organschaft kommt der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG angeordneten Behandlung der inländischen Unternehmensteile als ein Unternehmen Vorrang gegenüber der sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG ergebenden Beschränkung der Organschaft auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen des Organkreises zu (BFH-Urteil vom 29.10.2008 - XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, unter II.2.d). Daraus folgt nicht nur die Nichtsteuerbarkeit von sog. Innenumsätzen zwischen den Mitgliedern des Organkreises; vielmehr hat der Organträger auch die Umsätze der Organgesellschaften als Außenumsätze zu versteuern. Damit wirkt sich die organschaftliche Verbindung nicht nur im Innenverhältnis aus ‑‑z.B. bei der Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs, der sich nach der Verwendung von Eingangsleistungen für Außenumsätze des Organkreises (und nicht nach der Verwendung für Innenumsätze) richtet‑‑, sondern auch auf die dem Organträger zuzuordnenden Außenumsätze und deren umsatzsteuerrechtliche Qualifikation (vgl. beispielhaft die BFH-Urteile in BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, unter II.2.d; vom 06.05.2010 - V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II 2010, 1114, Leitsatz 3; vom 10.08.2017 - V R 64/16, BFHE 259, 166, BStBl II 2019, 455, unter II.2.b, und vom 01.03.2018 - V R 23/17, BFHE 261, 369, BStBl II 2018, 503, unter II.2.a bb).
b) Die organschaftliche Zusammenfassung ist auch bei § 13b Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG (ab 01.07.2010: § 13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG) zu beachten, so dass es auf die dem Organträger zuzuordnenden Außenumsätze und nicht auf nichtsteuerbare Innenumsätze der Unternehmen des Organkreises ankommt.
Bestätigt wird dies durch den Wortlaut der gesetzlichen Regelung. Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG (ab 01.07.2010: § 13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG) ist der Leistungsempfänger, wenn er ein Unternehmer ist, der die dort beschriebenen Bauleistungen erbringt. Die Unternehmereigenschaft richtet sich dabei nach der allgemeinen Unternehmerdefinition in § 2 UStG. Mithin ist auch insoweit die Sonderregelung zur Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu beachten. Unternehmer im Rahmen der Organschaft ist nur der Organträger, da die Organgesellschaften ihre Tätigkeiten nicht selbständig ausüben. Daher hat im Streitfall aufgrund der Organschaft der Kläger als Organträger, nicht aber die GmbH als Organgesellschaft die Bauleistung, auf die das FA § 13b UStG anwenden will, bezogen.
Hierfür spricht auch die unionsrechtliche Grundlage der Organschaft in Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, wonach die miteinander verbundenen Personen als ein Steuerpflichtiger zu behandeln sind. Der Gegenauffassung von Stadie, in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 13b Rz 384, auf die sich das FA bezogen hat, schließt sich der erkennende Senat daher nicht an.
c) Die hiergegen gerichteten Einwendungen des FA greifen nicht durch. Insbesondere kommt es nach dem BFH-Urteil in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 nicht auf die Überlegungen zu einem Weltumsatz an. Soweit das FA auf Abschn. 13b.3 Abs. 7 UStAE hinweist, ergibt sich daraus nur ein Erfordernis des (nachhaltigen) Erbringens von Bauleistungen, ohne dass sich die Finanzverwaltung weitergehend dazu äußert, ob sie damit bei einer Organschaft deren Innen- oder Außenumsätze meint. Sollte sie dabei auf Innenumsätze abstellen, folgt dem der erkennende Senat aus den vorstehend aufgeführten Gründen nicht. Die vom FA angeführte Problematik der rechtssicheren Bestimmung des Steuerschuldners bestand im Übrigen nach der in den Streitjahren bestehenden Rechtslage allgemein (vgl. BFH-Urteil in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, unter II.3.b cc) und ist erst aufgrund der Einführung eines Bescheinigungsverfahrens durch § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG in seiner ab 01.10.2014 geltenden Fassung (Art. 8 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. bb des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.07.2014, BGBl I 2014, 1266) gemindert. Dieses Bescheinigungsverfahren ermöglicht nunmehr auch in Fällen der Organschaft eine rechtssichere Bestimmung des Steuerschuldners.
3. Auf die Frage der Vereinbarkeit der Organschaft mit dem Unionsrecht (vgl. hierzu BFH-Beschlüsse vom 11.12.2019 - XI R 16/18, BFHE 268, 240, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2020, 645, und vom 07.05.2020 - V R 40/19, BFHE 270, 166, DStR 2020, 1367) kommt es im Streitfall, in dem der vom FA geltend gemachte Steueranspruch auch auf der Grundlage einer Organschaft nicht besteht, nicht an.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.