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Urteil vom 06. Mai 2020, II R 34/17

Erwerb eines Geschäftsanteils durch Pooltreuhänder - Schenkungsteuer im Managermodell

ECLI:DE:BFH:2020:U.060520.IIR34.17.0

BFH II. Senat

ErbStG § 1 Abs 1 Nr 2, ErbStG § 7 Abs 1 Nr 1, ErbStG § 7 Abs 7 S 1, AO § 39 Abs 2, AO § 174 Abs 5 S 2, AO § 42

vorgehend FG Düsseldorf, 13. April 2017, Az: 4 K 2596/16 Erb

Leitsätze

Veräußert ein Gesellschafter einem vorformulierten Vertragswerk entsprechend seinen Geschäftsanteil an einen Pooltreuhänder, der diesen bis zur Aufnahme eines neuen Gesellschafters treuhänderisch für die verbleibenden Gesellschafter hält, unterliegt der Vorgang bei den verbleibenden Gesellschaftern nicht der Schenkungsteuer.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 14.04.2017 - 4 K 2596/16 Erb wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Wirtschaftsprüfer und war seit dem 01.07.1988 Gesellschafter einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (W GmbH). Die Gesellschafter hielten jeweils einen Geschäftsanteil im Nennbetrag von 50.000 €.

  2. Am 30.06.2004 hatten die Gesellschafter die Neufassung eines notariell beurkundeten Poolvertrags beschlossen, der die Verhältnisse der Gesellschafter untereinander im Managermodell regelte. Dazu gehörte die Beendigung der Mitgliedschaft bei Vollendung des 63. Lebensjahrs. Der Gesellschafter sollte zu einem näher bestimmten Tag (gekoppelt an die Rechnungslegung) seinen Geschäftsanteil nach einem vorformulierten Vertragsmuster an einen Pooltreuhänder, der durch die Poolversammlung bestimmt wurde, verkaufen und übertragen. Der Pooltreuhänder hatte hierfür auf Rechnung der aktiven Poolmitglieder den Nominalbetrag des Geschäftsanteils zu entrichten, die W GmbH die bisher aufgelaufenen Gewinnanteile. Ein Anspruch auf Abfindung stiller Reserven oder eines Goodwills bestand nicht. Die Geschäftsanteile der ausscheidenden Poolmitglieder waren für die Aufnahme neuer Poolmitglieder vorgesehen. Der Pooltreuhänder hatte die Geschäftsanteile bis zu ihrer Übertragung treuhänderisch für alle in der W GmbH verbleibenden Poolmitglieder zu erwerben und zu halten. Diese Geschäftsanteile waren in der Poolversammlung nicht stimmberechtigt und auch bei der Gewinnverteilung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Einzelheiten regelte ein dem Poolvertrag beigefügter Treuhandvertrag, demzufolge der Pooltreuhänder als fremdnütziger Treuhänder handelte und im Außenverhältnis Vollrechtsinhaber war. Zahlungen und sonstige Leistungen aus der Gesellschafterstellung waren grundsätzlich an den Treugeber abzuführen.

  3. Gesellschafter X der W GmbH kündigte aus Altersgründen und verkaufte und übertrug seinen Geschäftsanteil nach Maßgabe der vorbeschriebenen Regelungen zum 30.06.2005 an den Pooltreuhänder für 50.000 €. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) nahm zunächst die W GmbH unter Berufung auf § 7 Abs. 7 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) auf Schenkungsteuer in Anspruch. Im Einspruchsverfahren zog das FA den Kläger unter Berufung auf § 174 Abs. 5 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) hinzu.

  4. Wegen des Ausscheidens eines weiteren Gesellschafters setzte das FA ebenfalls Schenkungsteuer gegen die W GmbH fest. Die Klage war erfolgreich (Urteil des Finanzgerichts ‑‑FG‑‑ Düsseldorf vom 13.11.2013 - 4 K 834/13 Erb, Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2014, 220), die Revision des FA erfolglos. Der Bundesfinanzhof (BFH) vertrat die Auffassung, die W GmbH sei jedenfalls nicht Steuerschuldnerin (Urteil vom 04.03.2015 - II R 51/13, BFHE 249, 252, BStBl II 2015, 672).

  5. Gegenüber dem Kläger setzte das FA für den Erwerb des Geschäftsanteils durch den Pooltreuhänder von X mit Bescheid vom 17.12.2015 unter Berufung auf § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG Schenkungsteuer fest, die es auf den Einspruch hin aus nicht streitrelevanten Gründen herabsetzte.

  6. Das FG gab der Klage statt. Der Übergang des Geschäftsanteils beruhe schon nicht auf einem Ausscheiden eines Gesellschafters, denn § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG sei auch nach der Neufassung durch Art. 10 Nr. 2 Buchst. b des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/ 2002 vom 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402) nicht auf einen derivativen Erwerb anwendbar. Ferner sei der Geschäftsanteil zivilrechtlich ‑‑was maßgebend sei‑‑ nicht auf den Kläger, sondern auf den Treuhänder übergegangen. Schließlich fehle auch die Bereicherung, weil die Verfügungsbeschränkungen des Treuhandverhältnisses die Realisierung eines Wertes über dem Nennwert ausschlössen. Das FG-Urteil ist in EFG 2017, 1388 veröffentlicht.

  7. Mit der Revision macht das FA die Verletzung des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG im Hinblick auf alle drei Begründungsansätze des FG geltend. Es handele sich nicht um einen derivativen, sondern um einen gesellschaftsrechtlich veranlassten Erwerb, da der Poolvertrag als wesentlicher Bestandteil des Gesellschaftsvertrags zu betrachten sei und das Entgelt eine verkappte Abfindung darstelle. Der durch den Pooltreuhänder erworbene Geschäftsanteil sei auch den Gesellschaftern zuzurechnen. Der Übergang des Geschäftsanteils auf den Pooltreuhänder sei zivilrechtlich als Abkürzung des über die verbleibenden Gesellschafter verlaufenden Leistungswegs erfolgt. Den verbleibenden Gesellschaftern hätte aber bis zur Weitergabe des Geschäftsanteils an einen Dritten ein Herausgabeanspruch gegen den Treuhänder zugestanden. Die objektive Bereicherung der Gesellschafter schließlich werde bereits durch die in § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG enthaltene Fiktion bewirkt. Im Übrigen könne es bei entsprechender Mehrheit auch zur Auflösung der W GmbH kommen.

  8. Das FA beantragt,
    die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  9. Der Kläger beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

  10. Die Anwendung von § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG sei schon deshalb ausgeschlossen, weil der Verkauf des Anteils auf den Hinzuerwerb von Einkommen gerichtet sei und die Schenkungsteuer von der Einkommensteuer verdrängt werde. Auch sei der Kläger weder zivilrechtlich Inhaber des Geschäftsanteils geworden noch steuerrechtlich bereichert, da dessen Wert allein aus der individuellen Leistung, nicht der Beteiligung als solcher fließe. Schließlich beruhe der Übergang des Geschäftsanteils nicht auf Gesetz oder Gesellschaftsvertrag, sondern auf einer rein schuldrechtlichen Vereinbarung.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht erkannt, dass die Übertragung des Geschäftsanteils an der W GmbH von X auf den Pooltreuhänder bei dem Kläger nicht der Schenkungsteuer unterliegt.

  2. 1. Der Vorgang ist nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG schenkungsteuerbar.

  3. a) Als Schenkung unter Lebenden i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gilt nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG auch der auf dem Ausscheiden eines Gesellschafters beruhende Übergang des Anteils oder des Teils eines Anteils eines Gesellschafters einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft auf die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft, soweit der Wert, der sich für seinen Anteil zur Zeit seines Ausscheidens nach § 12 ErbStG ergibt, den Abfindungsanspruch übersteigt.

  4. b) Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG sind schon deshalb nicht erfüllt, weil der Geschäftsanteil nicht auf den Kläger übergegangen ist, sondern auf den Pooltreuhänder.

  5. aa) Die Frage, ob und auf wen ein Geschäftsanteil übergeht, ist nach dem Zivilrecht zu beurteilen. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer knüpft grundsätzlich an bürgerlich-rechtliche Vorgänge an. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ist daher regelmäßig nicht anwendbar. So kommt es auch bei anderen Tatbeständen der Schenkungsteuer für die Prüfung, wer als Zuwendender und Bedachter an einer freigebigen Zuwendung beteiligt ist, grundsätzlich auf die Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise Vermögen oder Einkommen zuzurechnen ist, denn die Schenkungsteuer ist eine Verkehrsteuer (grundlegend BFH-Urteil vom 22.09.1982 - II R 61/80, BFHE 137, 188, BStBl II 1983, 179; ferner etwa BFH-Urteile vom 25.01.2001 - II R 39/98, BFH/NV 2001, 908, unter II.1., und vom 21.05.2001 - II R 10/99, BFH/NV 2001, 1404, unter II.1.). Im Regelfall bleibt es bei der Anknüpfung an die zivilrechtlichen Verhältnisse.

  6. bb) Für Treuhandverhältnisse an jedwedem Treugut, mithin auch an gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen, gilt nichts anderes. Geht es im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer um die Frage der Rechtszuständigkeit an dem Treugut, so bleibt maßgebend, wer zivilrechtlicher Rechtsinhaber ist. Das ist regelmäßig der Treuhänder. Die abweichende Zurechnungsvorschrift des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Alternative 1 AO betrifft eine besondere Form wirtschaftlichen Eigentums und ist im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht grundsätzlich ebenso wenig anwendbar wie § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO insgesamt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 908, unter II.1.).

  7. cc) § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG bietet keine Grundlage, für den Übergang eines Gesellschaftsanteils nicht ‑‑wie regelmäßig‑‑ an den Erwerb zivilrechtlichen Eigentums, sondern ‑‑ausnahmsweise‑‑ an den Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums anzuknüpfen. Die Wortwahl "Übergang des Anteils" ist eine originär zivilrechtliche. Eine den Prinzipien der Erbschaft- und Schenkungsteuer zuwiderlaufende rein wirtschaftliche Betrachtung, die die bei allen Vertragsbeteiligten eintretenden wirtschaftlichen Vor- und Nachteile beleuchtete, hätte einer besonderen gesetzlichen Anordnung bedurft. Insbesondere gibt § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG für die Besteuerung einer etwaigen bei einem Dritten eingetretenen Bereicherung keine Handhabe, da die Vorschrift nicht an die Bereicherung, sondern an den Anteilserwerb anknüpft.

  8. dd) Nach diesen Maßstäben hat nicht der Kläger, sondern der Pooltreuhänder den Geschäftsanteil des X an der W GmbH erworben, so dass der Vorgang bei dem Kläger nicht nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG steuerbar ist. Der Pooltreuhänder ist zivilrechtlicher Eigentümer geworden. Die Annahme des FA, in Wahrheit sei lediglich der über die verbleibenden Gesellschafter verlaufende Leistungsweg abgekürzt worden, findet in dem Poolvertrag, der von vornherein den tatsächlich gewählten Übertragungsweg vorsah, keine Stütze. Es kann deshalb offenbleiben, ob dem Grunde nach die Rechtsfigur des abgekürzten Leistungswegs im Rahmen von § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG einen tatsächlich nicht stattgefundenen Übergang des Geschäftsanteils zu fingieren geeignet ist. Es ist auch nicht mehr von Bedeutung, ob den verbleibenden Gesellschaftern der W GmbH aus dem Vorgang ein vermögenswerter Vorteil zugekommen ist oder ob sie sogar als wirtschaftliche Eigentümer dieses Geschäftsanteils zu betrachten sein könnten.

  9. c) Ungeachtet dessen ist der Vorgang auch deshalb nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG steuerbar, weil es sich um einen von dieser Vorschrift nicht erfassten derivativen Erwerb handelt.

  10. aa) Nachdem die frühere Fassung des Gesetzes ausdrücklich nach einer gesellschaftsrechtlichen Grundlage verlangt hatte (dazu BFH-Urteile vom 01.07.1992 - II R 70/88, BFHE 168, 380, BStBl II 1992, 921, und vom 01.07.1992 - II R 12/90, BFHE 168, 390, BStBl II 1992, 925; BFH-Beschluss vom 24.01.1990 - II B 132/89, BFH/NV 1990, 675), fehlt es nach der Rechtsprechung des BFH auch unter der neueren Fassung an einem "Ausscheiden eines Gesellschafters" sowie einer "Abfindung", wenn ‑‑wie im Streitfall‑‑ der Gesellschaftsanteil unter Lebenden veräußert und dafür ein Kaufpreis entrichtet wird (vgl. BFH-Urteil vom 20.01.2016 - II R 40/14, BFHE 252, 453, BStBl II 2018, 284, Rz 26 bis 29).

  11. bb) Es kann offenbleiben, unter welchen Voraussetzungen ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 AO angenommen werden könnte, wenn das Ausscheiden eines Gesellschafters gegen Abfindung allein der äußeren Form nach in das Rechtskleid eines Kaufvertrags gehüllt wird, ohne dass dieser inhaltlich von einem Ausscheiden gegen Abfindung zu unterscheiden wäre. In der Veräußerung eines Geschäftsanteils an einen Treuhänder, damit dieser den Geschäftsanteil interimsweise bis zum Eintritt eines neuen Gesellschafters hält und verwaltet, vermag der Senat jedenfalls keinen Missbrauch zu erkennen. Das gilt erst recht, wenn der Geschäftsanteil zu demselben Preis veräußert werden muss, zu dem er erworben wurde, ohne dass ein Anspruch auf Abfindung stiller Reserven oder eines Goodwills bestünde.

  12. 2. Der Vorgang ist auch nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerbar.

  13. a) Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, vgl. § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Erforderlich hierfür ist eine Vermögensverschiebung, d.h. eine Vermögensminderung auf der Seite des Schenkers und eine Vermögensmehrung auf der Seite des Bedachten (vgl. BFH-Urteile vom 09.12.2009 - II R 28/08, BFHE 228, 169, BStBl II 2010, 566, unter II.1., und vom 30.01.2013 - II R 38/11, BFHE 240, 287, BStBl II 2018, 656, Rz 16).

  14. b) In subjektiver Hinsicht ist ein (einseitiger) Wille des Zuwendenden zur (Teil-)Unentgeltlichkeit seiner Leistung erforderlich. Der "Wille zur Unentgeltlichkeit" liegt vor, wenn und soweit der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, zu der Vermögenshingabe weder rechtlich verpflichtet zu sein noch dafür eine mit seiner Leistung in einem synallagmatischen, konditionalen oder kausalen Zusammenhang stehende (gleichwertige) Gegenleistung zu erhalten (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.2009 - II R 32/08, BFH/NV 2010, 893, unter II.3.a).

  15. c) In dem Poolvertrag war das Schicksal des Geschäftsanteils des jeweiligen Gesellschafters ‑‑hier des X‑‑ bei Erreichen der Altersgrenze bereits im Einzelnen geregelt. Alle Vermögensverschiebungen beruhten auf vertraglicher Verpflichtung, die ihrerseits angesichts der Verknüpfung mit dem ursprünglichen Erwerb des Geschäftsanteils schon objektiv eine Unentgeltlichkeit nicht erkennen lässt. Erst recht fehlt es an dem Willen zur Unentgeltlichkeit.

  16. 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

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