ECLI:DE:BFH:2019:U.190619.IR5.17.0
BFH I. Senat
AStG § 1 Abs 1, AStG § 1 Abs 2, AStG § 1 Abs 4, OECDMustAbk Art 9 Abs 1, DBA CHE 1971 Art 9, AEUV Art 49, AEUV Art 63, AEUV Art 64, OECD-MA Art 9 Abs 1
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 11. January 2017, Az: 3 K 2647/15
Leitsätze
1. NV: Die fehlende Darlehensbesicherung gehört grundsätzlich zu den nicht fremdüblichen "Bedingungen" i.S. des § 1 Abs. 1 AStG. Gleiches gilt für Art. 9 Abs. 1 OECD-Mustabk (hier: Art. 9 DBA-Schweiz 1971/1992, Bestätigung des Senatsurteils vom 27.02.2019 - I R 73/16, BFHE 263, 525, BStBl II 2019, 394) .
2. NV: Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 DBA-Schweiz 1971/1992) beschränkt den Korrekturbereich des § 1 Abs. 1 AStG nicht auf sog. Preisberichtigungen, sondern ermöglicht auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung oder einer Teilwertabschreibung hierauf (Bestätigung des Senatsurteils vom 27.02.2019 - I R 73/16, BFHE 263, 525, BStBl II 2019, 394) .
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 12.01.2017 - 3 K 2647/15 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Einkünftekorrektur nach § 1 des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz) i.d.F. des Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (Steuervergünstigungsabbaugesetz) vom 16.05.2003 (BGBl I 2003, 660, BStBl I 2003, 321) ‑‑AStG‑‑.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine inländische GmbH, war seit dem 20.09.2001 zur Hälfte an der in der Schweiz ansässigen A S.A. beteiligt; die restlichen Anteile an der A S.A. hielt die ebenfalls in der Schweiz ansässige B S.A.
Zum 31.12.2001 war das Eigenkapital der A S.A. aufgebraucht. Daraufhin gewährte die Klägerin ‑‑wie auch die B S.A.‑‑ der A S.A. mit Darlehensvertrag vom 23.11.2002 ab dem 01.01.2002 ein Darlehen über ... CHF für eine feste Laufzeit bis zum 31.12.2003. Ein bestimmter ‑‑fester oder variabler‑‑ Zinssatz wurde nicht vereinbart, sondern nur ein Höchstbetrag, der sich an Vorgaben der Eidgenössischen Steuerverwaltung orientierte und zwischen 0 und 6,5 % bewegen konnte. Sicherheiten wurden keine vereinbart; die A S.A. sagte jedoch zu, anderen Gläubigern ohne ausdrückliche Zustimmung der Klägerin und der B S.A. keine Kreditsicherheiten einzuräumen, die über die Sicherheiten für die beiden Gesellschafterinnen hinausgehen.
Für das Geschäftsjahr 2002 wies die A S.A. einen Verlust über ... CHF aus, der zur bilanziellen Überschuldung der Gesellschaft führte. Die Klägerin verkaufte daraufhin in 2003 ihre Beteiligung an der A S.A. an die B S.A. für einen symbolischen Kaufpreis in Höhe von 2 CHF und verzichtete unwiderruflich auf die Rückzahlung des Darlehens zuzüglich fälliger Zinsen. Aufgrund der Beteiligungsveräußerung und des Verzichts nahm die Klägerin erfolgswirksame Wertberichtigungen in Höhe von insgesamt ... € vor, wovon ... € auf die Ausbuchung der Darlehensforderung entfielen. Der Verlust aus der Beteiligungsveräußerung in Höhe von ... € wurde ‑‑anders als die Ausbuchung der Darlehensforderung‑‑ nach § 8b Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr (2003) geltenden Fassung (KStG) außerbilanziell hinzugerechnet. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) neutralisierte demgegenüber die durch die Ausbuchung der Darlehensforderung eingetretene Gewinnminderung nach § 1 Abs. 1 AStG und erhöhte das zu versteuernde Einkommen um ... €.
Die Klage hatte Erfolg (Urteil des Finanzgerichts ‑‑FG‑‑ Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 12.01.2017 - 3 K 2647/15, Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 635).
Das FA rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Vorinstanz hat zu Unrecht angenommen, dass das Einkommen der Klägerin nicht zu korrigieren ist.
1. Der Senat hat wegen der unbestimmten Zinsabrede Zweifel, ob das zwischen der Klägerin und der A S.A. vereinbarte Darlehen ernstlich gewollt und damit steuerrechtlich anzuerkennen ist (vgl. Senatsurteil vom 17.01.2018 - I R 74/15, BFH/NV 2018, 836, zum formellen Fremdvergleich bei einer unbestimmten Zinsabrede). Dies kann jedoch offen bleiben, da sowohl im Fall einer durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Einlage als auch bei einem steuerrechtlich anzuerkennenden Darlehen die Gewinnminderung außerbilanziell zu berichtigen ist.
2. Im Fall einer Einlage hätten sich insoweit die Anschaffungskosten der Klägerin auf die Beteiligung an der A S.A. erhöht. Eine gewinnmindernde Teilwertabschreibung auf diese Beteiligung wäre gemäß § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG ausgeschlossen.
3. Im Fall der Ausbuchung einer betrieblich veranlassten Darlehensforderung wäre hingegen ‑‑mit dem nämlichen Ergebnis‑‑ die Minderung des Steuerbilanzgewinns nach § 1 Abs. 1 AStG zu neutralisieren (vgl. Senatsurteil vom 27.02.2019 - I R 73/16, BFHE 263, 525, BStBl II 2019, 394, Rz 17 ff.).
a) Werden Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus Geschäftsbeziehungen mit einer ihm nahestehenden Person dadurch gemindert, dass er im Rahmen solcher Geschäftsbeziehungen zum Ausland Bedingungen vereinbart, die von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten, so sind seine Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften gemäß § 1 Abs. 1 AStG so anzusetzen, wie sie unter den zwischen unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären. Geschäftsbeziehung in diesem Sinne ist gemäß § 1 Abs. 4 AStG jede den Einkünften zugrunde liegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist und entweder beim Steuerpflichtigen oder bei der nahestehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 des Einkommensteuergesetzes anzuwenden sind oder im Fall eines ausländischen Nahestehenden anzuwenden wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde.
b) Das Darlehensverhältnis zwischen der Klägerin und der A S.A. wäre eine Geschäftsbeziehung i.S. von § 1 Abs. 4 AStG, zu deren Bedingungen die Nichtbesicherung der Ansprüche gehört. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in dem Senatsurteil in BFHE 263, 525, BStBl II 2019, 394, Rz 21 Bezug genommen.
c) Die Nichtbesicherung der Rückzahlungsforderung aus dem Darlehen weicht auch von den Bedingungen ab, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten (sog. Fremdvergleich).
aa) Zwar hat das FG zu der Frage, ob die fehlende Besicherung der Darlehensrückzahlungsforderung dem entspricht, was ein fremder, nicht mit der A S.A. verbundener Darlehensgeber (ex ante) vereinbart hätte, keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen. Es hat sich ‑‑aus seiner Sicht konsequent‑‑ mit der Fremdvergleichsproblematik nicht näher befasst, weil es der bisherigen Senatsrechtsprechung (Urteile vom 17.12.2014 - I R 23/13, BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261, und vom 24.06.2015 - I R 29/14, BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258) gefolgt ist. Dieser Rechtsprechung zufolge sollte unter der Geltung der Art. 9 Abs. 1 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-Musterabkommen ‑‑OECD-MustAbk‑‑) nachgebildeten Bestimmungen, zu denen auch der im Streitfall einschlägige Art. 9 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11.08.1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. des Protokolls vom 21.12.1992 (BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) ‑‑DBA-Schweiz 1971/1992‑‑ gehört, eine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG nur dann möglich sein, wenn der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Preis seiner Höhe (seiner Angemessenheit) nach dem Fremdvergleichsmaßstab nicht standhalte. An dieser Rechtsprechung hält der Senat indessen nicht fest. Vielmehr ermöglicht der Korrekturbereich des Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung oder einer Teilwertabschreibung hierauf. Zur Begründung wird wiederum auf das Senatsurteil in BFHE 263, 525, BStBl II 2019, 394, Rz 24 ff. Bezug genommen. Für Art. 9 DBA-Schweiz 1971/1992 ergibt sich insoweit nichts anderes.
bb) Die Prüfung anhand dessen, was fremde Dritte vereinbart hätten (§ 1 Abs. 1 AStG) ist auch nicht aufgrund des sog. Rückhalts im Konzern entbehrlich. Zum einen verfügte die Klägerin mit ihrem 50 %-Anteil nicht über eine Mehrheitsbeteiligung an der A S.A., so dass bereits das Vorliegen eines Konzernverhältnisses zweifelhaft ist. Zum anderen beschreibt der Topos des sog. Konzernrückhalts lediglich den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen der Unternehmensverflechtung und bringt die Üblichkeit zum Ausdruck, innerhalb eines Konzerns Kreditansprüche nicht wie unter Fremden abzusichern. Eine fremdübliche (werthaltige) Besicherung des Rückzahlungsanspruchs im Sinne einer aktiven Einstandsverpflichtung kann allein in den Einflussnahmemöglichkeiten des (beherrschenden) Gesellschafters auf den Darlehensnehmer jedoch nicht gesehen werden. Auch insoweit wird auf die Senatsurteile in BFHE 263, 525, BStBl II 2019, 394, Rz 13, 18 und vom 27.02.2019 -I R 81/17 (BFHE 264, 297, Rz 15) Bezug genommen.
cc) Der Senat kann die erforderliche Würdigung nach Maßgabe des Fremdvergleichs jedoch selbst nachholen, da aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen zur Vermögenssituation der A S.A. ein fremder Darlehensgeber das konkrete Darlehen ‑‑insbesondere auch unter Berücksichtigung der unbestimmten Zinsabrede‑‑ nur gegen werthaltige Sicherungsrechte gewährt hätte. Dass die B S.A. ein Darlehen zu vergleichbaren Konditionen gewährt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die B S.A. als 50 %iger Mitgesellschafter nicht zum Kreis der "fremden" Dritten gehört.
d) Die Einkünfteminderung ist ferner i.S. von § 1 Abs. 1 AStG durch ("dadurch") die fehlende Besicherung eingetreten. Zur weiteren Begründung wird erneut auf das Senatsurteil in BFHE 263, 525, BStBl II 2019, 394, Rz 23 Bezug genommen.
e) Schließlich widerstreitet auch das Unionsrecht nicht einer Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG. Da die Schweizerische Eidgenossenschaft kein Mitgliedsstaat der Europäischen Union ist, wird insoweit auf die Ausführungen im Senatsurteil vom 27.02.2019 - I R 51/17 (BFHE 264, 292, Rz 20 ff.) Bezug genommen.
4. Nach dem Ausgeführten ist das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.