ECLI:DE:BFH:2019:U.220519.XIR1.18.0
BFH XI. Senat
UStG § 3a Abs 2 S 1, UStG § 3a Abs 2 S 2, UStG § 13b Abs 2, UStG § 13b Abs 4, UStG § 15 Abs 4b, UStG § 16 Abs 2 S 1, UStG § 18 Abs 4a, UStG § 18 Abs 9 S 6, UStDV § 59, EGRL 112/2006 Art 44, EGRL 112/2006 Art 56, EGRL 112/2006 Art 170, EGRL 112/2006 Art 171, EGRL 112/2006 Art 171a, EUV 282/2011 Art 11 Abs 1, EWGRL 560/86 Art 1 Nr 1, EWGRL 560/86 Art 2 Abs 2, EUGrdRCh Art 20, GG Art 3 Abs 1, GATS , UStG VZ 2007
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 05. July 2017, Az: 5 K 5270/15
Leitsätze
1. Die im Vorsteuer-Vergütungsverfahren geltende Einschränkung des § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG (jetzt: § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG) zur Gegenseitigkeit findet gemäß § 15 Abs. 4b UStG unter den dort genannten Voraussetzungen auch im allgemeinen Besteuerungsverfahren Anwendung. Fehlt es in den dort genannten Fällen an der für eine Vorsteuer-Vergütung erforderlichen Gegenseitigkeit, ist auch im allgemeinen Besteuerungsverfahren der Vorsteuerabzug des nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers für sämtliche Eingangsleistungen ausgeschlossen.
2. § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG (jetzt: § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG) und § 15 Abs. 4b UStG verstoßen weder gegen Verfassungsrecht noch gegen Unionsrecht.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 06.07.2017 - 5 K 5270/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist in X, einem Drittland, ansässig und betreibt Hotels und Resorts auf Y, einem Übersee-Département der Französischen Republik (Frankreich), in X und Z sowie in V und W (Drittländer).
In A, Bundesrepublik Deutschland (Deutschland), unterhielt sie im Streitjahr (2007) in angemieteten, 56 qm großen Räumlichkeiten ein Verbindungsbüro, in dem durchschnittlich ca. fünf Mitarbeiter tätig waren.
Zu den Aufgaben des Verbindungsbüros gehörten jährliche Vertragsverhandlungen mit Reiseveranstaltern über die Überlassung von Zimmerkontingenten, die Kontrolle von Reiseveranstaltungsverträgen sowie der Darstellung der Hotels in den jeweiligen Reisekatalogen, die Erstellung und Kontrolle des Jahresbudgets für Sales und Marketing, die tägliche Prüfung der Auslastung der Hotels, der generierten Umsätze sowie der gesetzten Verkaufsziele, die Betreuung von deutschen Reiseveranstaltern, Reisebüros, Veranstaltungsagenturen, Fluglinien und Tourismuszentralen, die Überprüfung der Internetseiten der Reiseveranstalter, die Durchführung von Vertriebsaktionen in Zusammenarbeit mit Reiseveranstaltern, Reisebüros, Fluglinien und Flughäfen sowie die Teilnahme an Reisemessen, Roadshows, Workshops, Programmvorstellungen und Studienreisen in Deutschland.
Die Überlassung der Hotelzimmer und Resorts an die Kunden erfolgte durch die Klägerin selbst.
Im Streitjahr erhielt die Klägerin für von dem Verbindungsbüro in A beauftragte, verwertete bzw. bezogene Leistungen Rechnungen mit ausgewiesener deutscher Umsatzsteuer in Höhe von 30.722,22 € sowie acht Netto-Rechnungen ausländischer Dienstleister, mit denen diese Werbeleistungen abrechneten.
Die Klägerin reichte zunächst auch keine Steuererklärung im allgemeinen Besteuerungsverfahren ein. Am 26. Oktober 2009 erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) gegenüber der Klägerin einen Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr, mit dem die Umsatzsteuer auf 0 € festgesetzt wurde. Mit Bescheid vom 3. November 2014 hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein und begehrte den Vorsteuerabzug. Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 24. November 2015 als unbegründet zurück.
Während des Klageverfahrens hat die Klägerin am 10. Juni 2016 ihre Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr eingereicht (festzusetzende Umsatzsteuer: ./. 30.722,22 €).
Mit der Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie einen Anspruch auf Berücksichtigung der Vorsteuer im allgemeinen Besteuerungsverfahren habe. Streitig sei allein die Frage, ob sie im Inland ansässig sei und die Umsatzsteuer für Werbeleistungen von ihr im Inland geschuldet werde. Die übrigen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug lägen unstreitig vor.
Gemäß § 3a Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) werde eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt werde, zwar grundsätzlich an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibe. Dies sei im vorliegenden Fall X (Drittlandsgebiet), weil sich dort ihr Sitz befinde. Dies gelte nach § 3a Abs. 2 Satz 2 UStG aber dann nicht, wenn ‑‑wie im vorliegenden Fall‑‑ die sonstige Leistung an eine Betriebsstätte eines Unternehmens ausgeführt werde. In diesem Fall sei der Ort der Betriebsstätte maßgeblich. Diese befinde sich in A im Inland.
Das Verbindungsbüro in A sei als Betriebsstätte anzusehen. Art. 11 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (VO Nr. 282/2011) definiere die passive feste Niederlassung als jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit nach Art. 10 der VO Nr. 282/2011, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweise, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaube, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht würden, zu empfangen und dort zu verwenden. Dies entspreche im Wesentlichen auch der von der Finanzverwaltung verwendeten Definition.
Das Verbindungsbüro in A erfülle diese Voraussetzungen. Es befinde sich in fest angemieteten Räumen mit eingerichteten Büroarbeitsplätzen und Personal.
Dass das Verbindungsbüro keine Ausgangsumsätze erbringe, sei unerheblich. Dies sei nur für eine aktive Betriebsstätte erforderlich, nicht hingegen für eine (durch das Verbindungsbüro betriebene und zur Bestimmung des Ortes der sonstigen Leistung ausreichende) passive Betriebsstätte i.S. von § 3a Abs. 2 Satz 2 UStG bzw. eine passive feste Niederlassung i.S. von Art. 11 Abs. 1 der VO Nr. 282/2011, die sich dadurch auszeichne, dass sie lediglich Leistungen von anderen Unternehmern empfange. Da die in A unterhaltene Betriebsstätte/feste Niederlassung mit dem von ihr, der Klägerin, betriebenen Unternehmen eine Einheit bilde, komme es nur darauf an, dass sie, die Klägerin, Ausgangsumsätze erziele, da das Verbindungsbüro kein Unternehmer sei.
Da es sich bei den vorsteuerbehafteten Leistungen vorwiegend um Werbeleistungen auf dem deutschsprachigen Markt handele, stehe auch außer Frage, dass diese dem deutschen Verbindungsbüro zuzuordnen seien.
Entgegen der Auffassung des FA sei sie, die Klägerin, berechtigt, die Vorsteuer im allgemeinen Besteuerungsverfahren geltend zu machen. Es treffe zwar zu, dass sie mit dem von ihr betriebenen Unternehmen grundsätzlich in Deutschland keine steuerbaren Umsätze erzielen könne, weil die Überlassung von Übernachtungsmöglichkeiten sowie die Abgabe von Speisen und Getränken dort steuerbar und steuerpflichtig seien, wo sie, die Klägerin, die Leistungen tatsächlich erbringe. Dies sei jedenfalls nicht im Inland der Fall. Gleichwohl führe nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Verpflichtung eines Unternehmers, im Inland Steuererklärungen im Besteuerungsverfahren abzugeben, dazu, dass er sämtliche Vorsteuerbeträge dieses Jahres geltend machen könne. Eine solche Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen könne sich dabei aus dem Empfang von Eingangsleistungen ergeben, bei denen das Reverse-Charge-Verfahren nach § 13b UStG anwendbar sei. Da sie, die Klägerin, im Jahr 2007 acht Netto-Rechnungen von ausländischen Dienstleistern empfangen habe, für welche sie die Umsatzsteuer nach § 13b UStG schulde, sei ein Besteuerungsverfahren durchzuführen, bei dem die geltend gemachte Vorsteuer zu berücksichtigen sei.
Außerdem führte das FA A bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Nachschau und das FA für die Jahre 2009 bis 2011 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Die Prüfer hielten in ihren Berichten u.a. fest, dass dem Verbindungsbüro in A ein Budget für Werbeaktionen und Messeveranstaltungen zur Verfügung stand, dessen Nutzung vom Stammhaus in X genehmigt werden musste.
Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg wies die Klage mit seinem in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst (DStRE) 2018, 1140 abgedruckten Urteil vom 6. Juli 2017 - 5 K 5270/15 ab. Es führte aus, dass die Klägerin nach § 59 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStDV) vom allgemeinen Besteuerungsverfahren ausgeschlossen sei.
Dem stehe nicht entgegen, dass die Klägerin nach ihrer Auffassung für im Inland ausgeführte Umsätze nach § 13b Abs. 2 und 5 UStG die Umsatzsteuer schulde. Zwar gehe der BFH in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass eine aus § 13b Abs. 2 UStG resultierende Steuerschuld dazu führt, dass der Steuerpflichtige berechtigt ist, im Rahmen der nach § 18 Abs. 3 UStG abzugebenden Steuererklärung alle in dem Kalenderjahr entstandenen Vorsteuerbeträge geltend zu machen. Nach Auffassung des FG schulde die Klägerin im Streitjahr allerdings für keine Umsätze nach § 13b Abs. 2 UStG die Umsatzsteuer. Die bezogenen Werbeleistungen seien nicht im Inland steuerbar. Der Ort der Werbeleistungen liege in X. Selbst wenn man mit der Klägerin davon ausgehe, dass die Werbeleistungen dem Verbindungsbüro zuzuordnen seien, würde man gleichwohl zu keinem anderen Ergebnis gelangen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 3a Abs. 2 Satz 2 UStG) sowie die Nichtberücksichtigung des Art. 11 der ‑‑im Streitjahr noch nicht geltenden‑‑ VO Nr. 282/2011.
Sie bringt vor, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sei Art. 11 der VO Nr. 282/2011 bereits vor seinem Inkrafttreten (und daher auch im Streitjahr) zu berücksichtigen.
Weiter macht sie geltend, der Ort der bezogenen Werbeleistungen liege gemäß § 3a Abs. 2 Satz 2 UStG im Inland. Sie, die Klägerin, habe im Streitjahr eine passive feste Niederlassung im Inland unterhalten. Für die von ihr bezogenen Werbeleistungen ausländischer Unternehmer schulde sie daher die Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 und 4 UStG. Sie, die Klägerin, sei daher befugt, für alle bezogenen Eingangsleistungen den Vorsteuerabzug im allgemeinen Besteuerungsverfahren vorzunehmen. Die Werbeleistungen habe die feste Niederlassung für ihre eigenen Zwecke (Werbung in Deutschland für die wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin im Sitzstaat und weiteren Drittländern) bestellt, bezahlt und verwendet, auch wenn sie keine eigenen Ausgangsumsätze ausgeführt habe.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 24. November 2015 sowie den Bescheid vom 3. November 2014 aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2007 vom 26. Oktober 2009 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf ./. 30.722,22 € festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es bringt vor, unionsrechtlich habe sich im Streitjahr der Ort der bezogenen Werbeleistungen nach Art. 56 Abs. 1 Buchst. b (und nicht Art. 44) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Richtlinie 2006/112/EG ‑‑sog. MwStSystRL‑‑) bestimmt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist im Ergebnis unbegründet; die Vorentscheidung stellt sich jedenfalls aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 2 und 4 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Der Vorsteuerabzug der Klägerin ist auch im allgemeinen Besteuerungsverfahren ‑‑seine Anwendbarkeit zugunsten der Klägerin unterstellt‑‑ ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus § 15 Abs. 4b UStG.
1. Zutreffend hat das FG angenommen, dass die Klägerin eine nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmerin i.S. des § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG (jetzt: Satz 4) ist, so dass das allgemeine Besteuerungsverfahren nur dann anzuwenden ist, wenn die Klägerin Umsatzsteuer gemäß § 13b UStG schuldet.
a) Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG, mit dem der deutsche Gesetzgeber von der Möglichkeit des Art. 261 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2006/112/EG, eine Jahreserklärung vorzusehen, Gebrauch gemacht hat, hat der Unternehmer für das Kalenderjahr (oder für den kürzeren Besteuerungszeitraum) eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln, in der er die zu entrichtende Steuer oder den Überschuss, der sich zu seinen Gunsten ergibt, nach § 16 Abs. 1 bis 4 und § 17 UStG selbst zu berechnen hat (Steueranmeldung).
b) Daneben hat der deutsche Gesetzgeber in § 18 Abs. 9 UStG zur Umsetzung der Art. 170 ff. der Richtlinie 2006/112/EG geregelt, dass zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Vergütung der Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) an im Ausland ansässige Unternehmer abweichend von § 16 UStG und von § 18 Abs. 1 bis 4 UStG in einem besonderen Verfahren regeln kann.
aa) Einem Unternehmer, der nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist, wird danach die Vorsteuer nur vergütet, wenn in dem Land, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat, keine Umsatzsteuer oder ähnliche Steuer erhoben oder im Fall der Erhebung im Inland ansässigen Unternehmern vergütet wird (sog. Gegenseitigkeit, § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG, jetzt § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG, i.V.m. Art. 171 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG, Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie 86/560/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige ‑‑Richtlinie 86/560/EWG‑‑).
bb) In § 59 UStDV war in Ausführung dieser Verordnungsermächtigung bestimmt, dass die Vergütung der abziehbaren Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) an im Ausland ansässige Unternehmer (§ 13b Abs. 4 UStG) abweichend von § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG nach den §§ 60 und 61 UStDV durchzuführen ist, wenn der Unternehmer im Vergütungszeitraum
"1. im Inland keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 5 des Gesetzes oder nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 4 Nr. 3 des Gesetzes ausgeführt hat,
2. nur Umsätze ausgeführt hat, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet (§ 13b des Gesetzes) oder die der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5 und § 18 Abs. 5 des Gesetzes) unterlegen haben,
3. im Inland nur innergemeinschaftliche Erwerbe und daran anschließende Lieferungen im Sinne des § 25b Abs. 2 des Gesetzes ausgeführt hat, oder
4. im Inland als Steuerschuldner nur Umsätze im Sinne des § 3a Abs. 3a des Gesetzes erbracht hat und von dem Wahlrecht nach § 18 Abs. 4c des Gesetzes Gebrauch gemacht hat oder diese Umsätze in einem anderen Mitgliedstaat erklärt sowie die darauf entfallende Steuer entrichtet hat".
cc) Ein im Ausland ansässiger Unternehmer war im Streitjahr gemäß § 13b Abs. 4 Satz 1 UStG (jetzt § 13b Abs. 7 Satz 1 Halbsatz 1 UStG) ein Unternehmer, der weder im Inland noch auf der Insel Helgoland oder in einem der in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete einen Wohnsitz, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Zweigniederlassung hatte.
Ebenso gilt nach Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 86/560/EWG i.S. dieser Richtlinie als "nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässiger Steuerpflichtiger" derjenige Steuerpflichtige, der im Vergütungszeitraum in diesem Gebiet weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung, von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind, gehabt hat, und der in dem gleichen Zeitraum in dem in Art. 2 der Richtlinie 86/560/EWG genannten Mitgliedstaat keine Gegenstände geliefert oder Dienstleistungen erbracht hat mit Ausnahme (u.a.) von Dienstleistungen, bei denen die Steuer lediglich vom Empfänger geschuldet wird.
dd) Ausgehend davon hat das FG zu Recht angenommen, dass die Klägerin eine nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmerin und daher an sich vom allgemeinen Besteuerungsverfahren ausgeschlossen ist, obwohl das nationale Recht im Streitjahr eine dem § 13b Abs. 7 Satz 3 UStG n.F. entsprechende Vorschrift noch nicht enthielt. Denn auch nach altem Recht war § 59 UStDV richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass der Unternehmer nur dann nicht im Ausland ansässig i.S. des § 59 UStDV war, wenn von einer ggf. vorhandenen inländischen "Zweigniederlassung" oder "Betriebsstätte" aus "Umsätze" bewirkt wurden (vgl. BFH-Urteil vom 5. Juni 2014 - V R 50/13, BFHE 245, 439, BStBl II 2014, 813; zum Unionsrecht s. EuGH-Urteil Daimler und Widex vom 25. Oktober 2012 - C-318/11 und C-319/11, EU:C:2012:666, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 2012, 1306, Rz 32, 35, 38 ff.). Da die Leistungen des Verbindungsbüros an den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit in X nicht steuerbar sind, weil das Stammhaus und das unselbständige Verbindungsbüro Teile desselben Unternehmens sind (vgl. EuGH-Urteile FCE Bank vom 23. März 2006 - C-210/04, EU:C:2006:196, HFR 2006, 624, Rz 35, 38; TGE Gas Engineering vom 7. August 2018 - C-16/17, EU:C:2018:647, HFR 2018, 846, Rz 41), ist die Klägerin ungeachtet ihres Verbindungsbüros im Inland ‑‑i.S. des § 59 Nr. 1 UStDV, § 13b Abs. 4 Satz 1 UStG‑‑ ein im Ausland ansässiger Unternehmer. Da X ein Drittland ist, ist die Klägerin nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig. Sie ist deshalb an sich vom allgemeinen Besteuerungsverfahren ausgeschlossen.
c) Ebenso zutreffend hat das FG allerdings erkannt, dass das allgemeine Besteuerungsverfahren anzuwenden ist, falls die Klägerin Umsatzsteuer i.S. des § 13b UStG schuldet (vgl. allgemein BFH-Urteile vom 14. April 2011 - V R 14/10, BFHE 233, 360, BStBl II 2011, 834, Rz 22; vom 7. März 2013 - V R 12/12, BFH/NV 2013, 1133, Rz 10; vom 28. August 2013 - XI R 5/11, BFHE 243, 51, BStBl II 2014, 497, Rz 19; vom 19. November 2014 - V R 41/13, BFHE 248, 406, BFH/NV 2015, 634, Rz 16). Nach § 18 Abs. 4a UStG haben u.a. eine Steuererklärung (§ 18 Abs. 3 und 4 UStG) auch die Unternehmer und juristischen Personen abzugeben, die ausschließlich Steuer für Umsätze nach § 13b Abs. 2 UStG (jetzt: Abs. 5) zu entrichten haben. Dies führt ggf. dazu, dass von der berechneten Steuer die in den Besteuerungszeitraum fallenden, nach § 15 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge abzusetzen sind (§ 16 Abs. 2 Satz 1 UStG). Besteuerungszeitraum wäre vorliegend das Kalenderjahr (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG).
2. Allerdings ist ‑‑was die Beteiligten und das FG nicht berücksichtigt haben‑‑ selbst dann, wenn das allgemeine Besteuerungsverfahren anzuwenden wäre, der Vorsteuerabzug der Klägerin ausgeschlossen, was aus § 15 Abs. 4b UStG folgt.
a) Nach § 15 Abs. 4b UStG gelten für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Abs. 2 UStG schulden, die Einschränkungen des § 18 Abs. 9 Sätze 6 und 7 UStG (jetzt: Sätze 4 und 5) entsprechend.
b) Die Vorschrift stellt sicher, dass die im Vorsteuer-Vergütungsverfahren geltenden Einschränkungen des § 18 Abs. 9 UStG, z.B. zur Gegenseitigkeit, wie bisher auch im allgemeinen Besteuerungsverfahren Anwendung finden (BTDrucks 14/6877, S. 37; Abschn. 13b.15 Abs. 4 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses ‑‑UStAE‑‑; Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 186 Rz 4, 33 und 82; Henseler, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2006, 237, 245; Kraeusel in Reiß/ Kraeusel/Langer, UStG § 15 Rz 711; Monfort, Umsatzsteuer-Rundschau ‑‑UR‑‑ 2002, 245, 246; Nieskens, UR 2002, 53, 59; Oelmaier in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 945; Raudszus, Der Umsatz-Steuer-Berater 2002, 258, 260; Stadie in Rau/ Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 15 Rz 1935 ff.; ders., UStG, 3. Aufl., § 15 Rz 506 f.; Widmann, Der Betrieb 2002, 166, 172). Dies führt zu einer Gleichstellung der Drittlands-Unternehmer, die wegen der Verpflichtung zur Abführung der nach § 13b UStG geschuldeten Steuer in Deutschland umsatzsteuerrechtlich erfasst sind, mit Drittlands-Unternehmern, die nicht in Deutschland erfasst sind und ihre Vorsteuerbeträge im Vergütungsverfahren geltend machen müssen (Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 15 Rz 712). Fehlt es an der Gegenseitigkeit, ist der Vorsteuerabzug für sämtliche Eingangsleistungen ausgeschlossen (vgl. Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, a.a.O., § 186 Rz 94).
c) Gemessen daran wäre selbst dann, wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass sie Umsatzsteuer gemäß § 13b Abs. 2 Satz 1 UStG schuldete, weil der Ort der bezogenen Werbeleistungen gemäß § 3a UStG im Inland läge, der Vorsteuerabzug für sämtliche Umsätze ‑‑gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 15 Abs. 4b UStG, § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG‑‑ ausgeschlossen. Mit X bestand und besteht keine Gegenseitigkeit (vgl. BMF-Schreiben vom 21. Juli 2005 - IV A 6-S 7359-108/05, BStBl I 2005, 832, Anlage 2; vom 17. Oktober 2014 - IV D 3-S 7359/07/10009, BStBl I 2014, 1369, Anlage 2).
d) Das in § 15 Abs. 4b i.V.m. § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG enthaltene Erfordernis der Gegenseitigkeit verstößt weder gegen Verfassungsrecht noch gegen Unionsrecht.
aa) Der BFH (vgl. Urteil vom 10. April 2003 - V R 35/01, BFHE 202, 187, BStBl II 2003, 782) hat zum nationalen Verfassungsrecht entschieden, dass das Erfordernis der Gegenseitigkeit in § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG im Einklang mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht. Die Benachteiligung von im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmern ist in Bezug auf Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gerechtfertigt, weil Unternehmer, die dem Vergütungsverfahren unterliegen, im Inland keine steuerpflichtigen Umsätze erzielen.
Das gilt in den Fällen des § 15 Abs. 4b UStG in gleicher Weise: Er stellt die Gleichbehandlung von im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmern, die im Inland keine Ausgangsumsätze bewirken, sicher, indem er die Einschränkung des § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG für diese Fallgruppe wirkungsgleich ins allgemeine Besteuerungsverfahren überträgt.
bb) Der EuGH hat zum Unionsrecht bereits entschieden, dass Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 86/560/EWG nicht ungeachtet seines klaren und genauen Wortlauts in einer Weise ausgelegt werden kann, die auf seine Berichtigung abzielt (vgl. EuGH-Urteil Kommission/ Vereinigtes Königreich vom 15. Juli 2010 - C-582/08, EU:C:2010:429, HFR 2010, 995, Rz 51). Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 86/560/EWG ist auch nicht dahingehend auszulegen, dass er auf Drittländer beschränkt ist, die sich nicht auf die Meistbegünstigungsklausel nach Art. II Abs. 1 des General Agreement on Trade in Services (GATS; BGBl II 1994, 1643) berufen können (vgl. EuGH-Urteil Rizeni Letoveho Provozu vom 7. Juni 2007 - C-335/05, EU:C:2007:321, BFH/NV 2007, Beilage 4, 386). Der EuGH hält danach das Prinzip der Gegenseitigkeit ebenfalls für unionsrechtlich zulässig.
cc) Aus Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EuGrdRCh) ergibt sich ‑‑entgegen der Auffassung der Klägerin‑‑ vor diesem Hintergrund nichts anderes.
aaa) Nach Art. 20 EuGrdRCh sind alle Personen vor dem Gesetz gleich; der Wortlaut entspricht dem des Art. 3 Abs. 1 GG.
bbb) Der Senat geht zugunsten der Klägerin davon aus, dass die EuGrdRCh im Bereich der Mehrwertsteuer anwendbar sein kann (vgl. EuGH-Urteile Akerberg Fransson vom 26. Februar 2013 - C-617/10, EU:C:2013:105, HFR 2013, 464, Rz 25 ff.; Ordre des barreaux francophones et germanophone u.a. vom 28. Juli 2016 - C-543/14, EU:C:2016:605, UR 2016, 634, Rz 22 ff.; RPO vom 7. März 2017 - C-390/15, EU:C:2017:174, DStRE 2017, 1183, Rz 38; im Verfahren der Erstattung von Mehrwertsteuer offen geblieben im EuGH-Urteil Volkswagen vom 21. März 2018 - C-533/16, EU:C:2018:204, UR 2018, 359, Rz 32, 52).
ccc) Der in Art. 20 EuGrdRCh zum Ausdruck kommende Grundsatz der Gleichbehandlung besagt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. EuGH-Urteile RPO, EU:C:2017:174, DStRE 2017, 1183, Rz 41 und 42; BB construct vom 26. Oktober 2017 - C-534/16, EU:C:2017:820, UR 2017, 980, Rz 43). Die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch eine unterschiedliche Behandlung setzt u.a. voraus, dass die betreffenden Sachverhalte im Hinblick auf alle Merkmale, die sie kennzeichnen, vergleichbar sind (vgl. EuGH-Urteile Arcelor Atlantique et Lorraine u.a. vom 16. Dezember 2008 - C-127/07, EU:C:2008:728, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2009, 382, Rz 25; Compass Contract Service vom 14. Juni 2017 - C-38/16, EU:C:2017:454, DStRE 2017, 1516, Rz 25). Eine Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt, wenn sie im Zusammenhang mit einem rechtlich zulässigen Ziel steht, das mit der Maßnahme, die zu einer solchen unterschiedlichen Behandlung führt, verfolgt wird, und wenn die unterschiedliche Behandlung in angemessenem Verhältnis zu diesem Ziel steht; dem Unionsgesetzgeber ist in diesem Rahmen ein weites Ermessen zuzuerkennen, so dass sich die gerichtliche Kontrolle auf offensichtliche Fehler beschränken muss (EuGH-Urteil RPO, EU:C:2017:174, DStRE 2017, 1183, Rz 53 und 54, m.w.N.).
ddd) Gemessen daran liegt kein Verstoß vor, weil die von § 15 Abs. 4b UStG angeordnete Ungleichbehandlung in Art. 171 der Richtlinie 2006/112/EG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 86/560/EWG zugelassen ist und ‑‑ebenso wie im Bereich des Art. 3 GG‑‑ zur Durchsetzung des völkerrechtlich anerkannten Prinzips der Gegenseitigkeit dient (s. dazu die Ausführungen unter II.2.d aa). Für Art. 20 EuGrdRCh gilt insoweit nichts anderes als für die wortgleiche Vorschrift des Art. 3 Abs. 1 GG.
e) Ein etwaiger Verstoß der § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG (jetzt § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG), § 15 Abs. 4b UStG gegen das GATS führt nicht zur Unanwendbarkeit dieser Normen; denn dieses Abkommen gewährt dem Einzelnen keine subjektiven Rechte. Etwaige Verstöße sind nur im Rahmen eines von den Mitgliedstaaten einzuleitenden Verfahrens zu überprüfen (vgl. BFH-Urteile vom 8. August 2013 - V R 3/11, BFHE 242, 535, BStBl II 2014, 46, Rz 36; vom 19. November 2014 - V R 39/13, BFHE 248, 399, BStBl II 2015, 352, Rz 23, m.w.N.; FG Köln, Urteil vom 16. Oktober 2008 - 2 K 3126/04, Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 222, Rz 28; Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 18 Rz 662 f.).
3. Der Senat kann deshalb offen lassen, ob die Klägerin Umsatzsteuer gemäß § 13b UStG schuldet, was entscheidend davon abhängt, ob ‑‑wie das FG angenommen hat‑‑ eine feste Niederlassung steuerbare Umsätze ausführen muss (vgl. zu der Problematik Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 15. Mai 2014 in der Rechtssache Welmory C-605/12, EU:C:2014:340, Rz 40 ff.; Abschn. 3a.2 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 und Abschn. 3a.1 Abs. 3 Satz 3 UStAE; Haller, Mehrwertsteuerrecht 2015, 7 ff.; Heinrichshofen, Der EU-Umsatz-Steuer-Berater 2014, 70; Monfort, Deutsches Steuerrecht 2014, 2173, sowie UR 2012, 341 und 936; Scheller/Baier/Göcke, Die Steuerberatung 2014, 256, 262; Damaschke, Steuerberater Woche 2014, 1000, 1002; Scholz, UR 2015, 500). Eine Verböserung der Steuerfestsetzung zu Lasten der Klägerin ist aufgrund des Verbots der reformatio in peius im Finanzprozess (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 10. März 2016 - X B 198/15, BFH/NV 2016, 1042, Rz 8, m.w.N.) nicht möglich.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.