Zum Hauptinhalt springen Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen
auf der Richterbank liegen Barett und Arbeitsmappe, dahinter ein Richterstuhl, auf dem eine Robe hängt

Decisions
of the Federal Fiscal Court

Decisions online

Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen

Urteil vom 18. September 2018, VII R 3/18

Zolltarif: Einreihung sog. Katzenkratzbäume

ECLI:DE:BFH:2018:U.180918.VIIR3.18.0

BFH VII. Senat

KN Pos 5609, KN Pos 4421 UPos 9097, KN Pos 6307 UPos 9010, EUV 350/2014

vorgehend FG München, 06. December 2017, Az: 14 K 2162/15

Leitsätze

NV: Soweit eine Einreihungsverordnung der Kommission auf der tatsächlichen Würdigung der Beschaffenheitsmerkmale der einzureihenden Ware beruht, ist sie für die Tarifierung ähnlicher Waren nicht verbindlich, wenn sich diese hinsichtlich der seitens der Kommission gewürdigten Beschaffenheitsmerkmale deutlich von der Ware der Einreihungsverordnung unterscheiden .

Tenor

Die Revision des Hauptzollamts und die Anschlussrevision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 7. Dezember 2017  14 K 2162/15 werden als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Klägerin und das Hauptzollamt je zur Hälfte zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) meldete im Juli 2014 jeweils in Einzelteile zerlegte und in einem Karton zusammen mit Montagematerial verpackte Katzenkratzbäume unter Angabe der Unterpos. 4421 90 97 (andere Waren aus Holz, Zollsatz "frei") der Kombinierten Nomenklatur (KN) zur Abfertigung zum freien Verkehr an.

  2. Bei der Ware mit der Art.-Nr. X handelt es sich (nach dem Zusammenbau der Teile) um eine dreistöckige, ca. 108 cm hohe Konstruktion bestehend aus einem fünfeckigen, aus Holzspanplatten gefertigten, außen mit Plüschgewirken beklebten und mit einem runden Einstieg versehenen Kasten, auf dem mit Seilen aus Sisal umwickelte Pappsäulen befestigt sind, die zwei übereinander liegende, quadratische, ebenfalls mit Plüschgewirken beklebte Holzspanplatten tragen.

  3. Bei der Ware mit der Art.-Nr. Y handelt es sich (nach der Montage) um eine mehrstöckige, ca. 170 cm hohe Konstruktion, ebenfalls bestehend aus unterschiedlich hohen, zum Teil mit Plüsch beklebten, zum Teil mit Seilen aus Sisal umwickelten Pappsäulen, die auf einer quadratischen, mit Plüsch beklebten Holzspanplatte befestigt sind und in den verschiedenen Stockwerken wiederum mit Plüsch beklebte, teilweise mit einer befestigten Spielzeugmaus versehene Holzspanplatten sowie aus solchen Platten bestehende Kästen mit Einstiegsöffnungen tragen.

  4. Nachdem die Waren zunächst mit nicht abschließender Festsetzung wie angemeldet abgefertigt und entnommene Proben später mit dem Einreihungsergebnis Unterpos. 6307 90 10 KN (andere konfektionierte Waren, Zollsatz 12 %) geprüft worden waren, erhob der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) die sich daraus ergebenden Einfuhrabgaben nach. Der Einspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen.

  5. Die hiergegen erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Einfuhrwaren seien in die Pos. 5609 KN (Waren aus Seilen, anderweit weder genannt noch inbegriffen, Zollsatz: 5,8 %) einzureihen, und hob den angefochtenen Abgabenbescheid auf, soweit mit diesem Einfuhrabgaben nach einem höheren Zollsatz festgesetzt worden waren (Das Urteil ist in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ‑‑ZfZ‑‑ 2018, Beilage 3, S. 37, veröffentlicht).

  6. Mit seiner Revision macht das HZA geltend, das FG-Urteil lasse sich nicht mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 350/2014 (VO Nr. 350/2014) der Kommission vom 3. April 2014 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (Amtsblatt der Europäischen Union 2014, Nr. L 104/4) vereinbaren. Diese Verordnung sei im Streitfall analog anzuwenden, weil sich die im Anhang dieser Verordnung beschriebene Ware nur unerheblich von den Einfuhrwaren des Streitfalls unterscheide.

  7. Die Klägerin ist der Ansicht, das verarbeitete Holz verleihe den Einfuhrwaren des Streitfalls ihren wesentlichen Charakter.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Sowohl die Revision des HZA als auch die Anschlussrevision der Klägerin sind unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat die Einfuhrwaren des Streitfalls zu Recht in die Pos. 5609 KN eingereiht und deshalb den angefochtenen Abgabenbescheid zu Recht insoweit aufgehoben, als Einfuhrabgaben nach einem höheren Zollsatz als für Waren der Pos. 5609 KN nacherhoben worden sind. Insoweit ist der angefochtene Abgabenbescheid rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die darüber hinaus gehende Klage hat das FG zu Recht abgewiesen.

  2. 1. Ein Katzenkratzbaum, der in seinen objektiven Beschaffenheitsmerkmalen denjenigen des Streitfalls in mancherlei Hinsicht gleicht, wird im Anhang der VO Nr. 350/2014 beschrieben, die am 28. April 2014 in Kraft getreten ist und somit auf die Einfuhrwaren des Streitfalls ‑‑jedenfalls in zeitlicher Hinsicht‑‑ angewendet werden kann.

  3. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat mangels zulässiger und begründeter Revisionsgründe gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), stimmen die Beschaffenheitsmerkmale der Einfuhrwaren des Streitfalls in einigen Punkten mit denen des im Anhang der VO Nr. 350/2014 beschriebenen Katzenkratzbaums überein. Soweit solche Übereinstimmungen der Beschaffenheitsmerkmale bestehen, lassen sich der VO Nr. 350/2014 rechtliche Aussagen für die zutreffende zolltarifliche Einreihung der im vorliegenden Fall eingeführten Waren entnehmen, auch wenn die Ware der VO Nr. 350/2014 und diejenigen des Streitfalls nicht in jeder Hinsicht identisch sind. Damit wird dem mit einer verbindlichen Einreihungsverordnung verbundenen Ziel der kohärenten Auslegung der KN und der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer Rechnung getragen (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ‑‑EuGH‑‑ GROFA vom 22. März 2017 C-435/15 und C-666/15, EU:C:2017:232, Rz 37, ZfZ 2017, 163).

  4. Ebenso wie der im Anhang der VO Nr. 350/2014 beschriebene Katzenkratzbaum bestehen die Kratzbäume des Streitfalls aus mit Stoff überzogenen Holzkästen mit Einstiegsöffnungen bzw. mit Stoff überzogenen Holzplatten sowie darauf befindlichen, mit Sisalseil umwickelten Pappröhren, die wiederum mehrere mit Stoff überzogene Holzplattformen tragen. In beiden Fällen handelt es sich um Konstruktionen, die nach ihren objektiven Beschaffenheitsmerkmalen so gestaltet sind, "dass sie für Katzen attraktiv [sind] und diese von Möbeln fern [halten], die andernfalls von ihnen beansprucht und zerkratzt würden" (vgl. Wortlaut des Anhangs der VO Nr. 350/2014). Solche Waren sind ‑‑was sich aus der VO Nr. 350/2014 ergibt und was das FG daher zutreffend auch für die Einfuhrwaren des Streitfalls entschieden hat‑‑ weder als Möbel in die Pos. 9403 KN noch als Spielzeug (trotz vorhandener Spielzeugmaus) in die Pos. 9503 KN einzureihen.

  5. 2. Die Waren des Streitfalls, die in ihrer vorstehend beschriebenen Funktion von keiner speziellen Unterposition der KN erfasst werden, sind aus verschiedenen Stoffen (Holz, Pappe, Spinnstoffe) und Bestandteilen zusammengesetzte Waren, die ‑‑auch das folgt aus der rechtlichen Begründung der Einreihung gemäß der VO Nr. 350/2014 sowie den zutreffenden Ausführungen des FG‑‑ gemäß den Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (AV) Nr. 3 Buchst. b nach dem Stoff bzw. Bestandteil einzureihen sind, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht. Dabei sind als ein wichtiges Erkenntnismittel die Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) zur AV 3 Buchst. b Rz 19.1 zu berücksichtigen, denen zufolge sich das charakterbestimmende Merkmal einer Ware aus der Art und Beschaffenheit der Bestandteile, aus ihrem Umfang, Menge, Gewicht, dem Wert oder der Bedeutung für die Verwendung der Ware sowie auch aus dem Erscheinungsbild der Ware ergeben kann; welches dieser nicht abschließend aufzählbaren Merkmale im Einzelfall zu berücksichtigen ist, hängt von der Art der Ware ab (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2006 VII R 8/06, BFH/NV 2007, 1368, ZfZ 2007, 192).

  6. a) Für einen Katzenkratzbaum der im Anhang der VO Nr. 350/2014 beschriebenen Art hat die Kommission auf seinen erkennbaren und nach seinen Beschaffenheitsmerkmalen innewohnenden Verwendungszweck abgestellt, hat deshalb diejenigen Stoffe und Bestandteile des Kratzbaums als charakterbestimmend angesehen, welche diesen für Katzen attraktiv machen, und hat insoweit das Gewebe aus Spinnstoff und die Sisalschnur, nicht jedoch das Holz oder die Pappe als wesentlich angesehen.

  7. Um dem Ziel einer kohärenten Auslegung der KN und der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer Rechnung zu tragen, ist diese in Form einer Einreihungsverordnung gefasste tatsächliche Würdigung der Kommission ‑‑wie ausgeführt‑‑ auch für die Tarifierung anderer Katzenkratzbäume verbindlich, soweit nicht eine Ware tariflich einzureihen ist, die sich in ihrer Beschaffenheit völlig von derjenigen des Anhangs der VO Nr. 350/2014 unterscheidet. Anders als die Klägerin im Streitfall meint, hat das FG daher das für die Kratzbäume verarbeitete Holz zu Recht als nicht charakterbestimmend für die Ware angesehen.

  8. b) Soweit die Kommission hingegen mit der VO Nr. 350/2014 die für Katzen attraktiven Stoffe und Bestandteile des Kratzbaums dahin gewürdigt hat, dass sich eine höhere Attraktivität für Katzen weder für den Überzugstoff noch für die Sisalseile feststellen lasse, und deshalb gemeint hat, das in größerer Menge vorhandene Gewebe aus Spinnstoff sei charakterbestimmend, war das FG an diese tatsächliche Würdigung nicht gebunden.

  9. Zum einen ist das für die Würdigung der Kommission maßgebliche Kriterium der "größeren Menge" zu unbestimmt, da nicht erkennbar ist, ob insoweit die Fläche, das Volumen oder das Gewicht entscheidend sein soll. Zum anderen war im Streitfall nach den Feststellungen des FG eine "hinreichende Ähnlichkeit" (vgl. EuGH-Urteil GROFA, EU:C:2017:232, Rz 38, ZfZ 2017, 163) der Einfuhrwaren mit dem im Anhang der VO Nr. 350/2014 beschriebenen Kratzbaum nicht gegeben. Vielmehr unterschieden sich jene gerade hinsichtlich des optisch erkennbaren Mengenverhältnisses von Plüschgewirken zu Sisalseilen deutlich von diesem, zumal bei den Waren des Streitfalls die mit Sisalseilen umwickelten Pappröhren in größerer Anzahl vorhanden waren als bei der Ware der VO Nr. 350/2014.

  10. Soweit es danach dem FG ‑‑insofern ohne rechtliche Bindung an die VO Nr. 350/2014‑‑ oblag, für die Waren des Streitfalls zu entscheiden, ob den vorhandenen Plüschgewirken oder den verarbeiteten Sisalseilen ein für die Waren höherer charakterbestimmender Einfluss zukam, ist seine Entscheidung rechtlich nicht zu beanstanden, denn der charakterbestimmende Stoff oder Bestandteil einer aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen zusammengesetzten Ware ist anhand einer dem Tatsachengericht vorbehaltenen, revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren tatsächlichen Würdigung auf der Grundlage der festgestellten objektiven Beschaffenheitsmerkmale der Ware zu ermitteln (Senatsbeschluss vom 23. September 2014 VII B 202/13, BFH/NV 2015, 69). Dem FG insoweit unterlaufene Rechtsfehler sind weder seitens der Beteiligten gerügt worden (§ 118 Abs. 2 FGO) noch ersichtlich, zumal das FG die Kriterien der ErlHS zur AV 3 Buchst. b bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat.

  11. 3. Die aus dieser tatsächlichen Würdigung gezogene zolltarifrechtliche Folgerung, die Einfuhrwaren seien in die Pos. 5609 KN (Waren aus Seilen, anderweit weder genannt noch inbegriffen) einzureihen, ist rechtlich zutreffend.

  12. 4. Die darauf beruhende Berechnung der festzusetzenden Einfuhrabgaben greift weder die Revision noch die Anschlussrevision an.

  13. 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Print Page