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Urteil vom 21. Juni 2018, V R 63/17

Voraussetzungen der Umsatzsteuerbefreiung bei der Vermietung von Sportanlagen

ECLI:DE:BFH:2018:U.210618.VR63.17.0

BFH V. Senat

UStG § 4 Nr 12 Buchst a, UStG VZ 2006 , UStG VZ 2007 , UStG VZ 2008

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 07. November 2017, Az: 5 K 5122/15

Leitsätze

1. NV: Da das Betreiben einer Sportanlage im Allgemeinen nicht nur die passive Zurverfügungstellung des Grundstücks umfasst, ist die entgeltliche Überlassung einer Sporthalle regelmäßig keine bloße Raumüberlassung und deshalb nicht gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei .

2. NV: Ob besondere Umstände vorliegen, die bei der Überlassung einer Sporthalle ausnahmsweise die Annahme einer bloßen Raumüberlassung rechtfertigen, ist im Wesentlichen eine tatsächliche Feststellung, die das FG anhand der konkreten Umstände des einzelnen Falles zu treffen hat .

3. NV: Die Steuerbefreiung setzt keinen langfristigen Vertrag mit mehrjähriger Laufzeit ohne Kündigungsmöglichkeit voraus .

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 08. November 2017 5 K 5122/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie betreibt ein Fitness- und Freizeitcenter auf eigenem Grundstück und vermietete mit zwei Mietverträgen einen Sport- und Gymnastikraum für Rehabilitationssport und eine Sporthalle für Kampfsport an einen Sportverein, der sich u.a. in die Abteilungen Rehasport und Kampfsport gliedert.

  2. Vertragsgegenstand des Vertrags "Rehasport" vom 30. April 2007 war die Überlassung eines Sport- und Gymnastikraums nebst Umkleide, Toiletten, Sauna und Ruheraum. Zudem wurde dem Verein gestattet, die Sportgeräte in den anderen Räumlichkeiten des Vermieters unter dessen Aufsicht zu nutzen. Im Rahmen einer Außenprüfung legte die Klägerin einen weiteren Mietvertrag vom 21. Mai 2007 vor, in dem vereinbart wurde, dass der "Vertrag vom 30. April 2007 nicht mehr gültig" sei. Gegenstand dieses Vertrags war die Überlassung eines leeren Raums ohne Betriebsvorrichtungen von 90 qm und eines Lagerraums ohne Inventar von ca. 40 qm gegen eine Monatsmiete von 4.680 €.

  3. Gegenstand des Vertrags "Kampfsport" vom 10. Juni 2007 war die Überlassung einer Sporthalle von 150 qm an zwei Tagen wöchentlich für jeweils drei Stunden nach Absprache, ebenso wie die Nutzung von Duschen und Umkleiden an den Nutzungstagen.

  4. Hinsichtlich der Vertragslaufzeit wurde in den Verträgen gleichlautend vereinbart: "Die Mietzeit beginnt am [Datum]. Er verlängert sich um jeweils ein Jahr, wenn er nicht von einem der beiden Vertragsparteien einen Monat vor Ablauf gekündigt wird".

  5. Im Anschluss an eine steuerliche Außenprüfung behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) die Vermietungen als einheitliche, steuerpflichtige sonstige Leistung eigener Art, unterwarf sie dem Regelsteuersatz und setzte die Umsatzsteuer für die Streitjahre (2006 bis 2008) mit Bescheiden vom 9. November 2012 entsprechend geändert fest.

  6. Die Klage hatte keinen Erfolg (veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2018, 587). Die entgeltliche Überlassung der Sporthalle sei nicht gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei.

  7. Mit der Revision macht die Klägerin Verletzung materiellen Rechts geltend (§ 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a Satz 2 UStG). Das Finanzgericht (FG) habe die Vermietung des Gymnastikraumes und der Sporthalle zu Unrecht der Umsatzsteuer unterworfen.

  8. Hinsichtlich des Vertrags vom 21. Mai 2007 (Rehasport) lägen besondere Umstände i.S. der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vor. Dieser Vertrag sei im Interesse des Mieters unbefristet mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen geschlossen worden, weil die Refinanzierung der Mietkosten über die Krankenkassen bei den Rehamaßnahmen ungewiss gewesen sei. Im Übrigen seien beide Mietverträge insoweit auf Dauer angelegt gewesen, als nicht ein bestimmtes Ende der Mietzeit, sondern lediglich eine frühestmögliche Kündigung vereinbart worden sei.

  9. Duschen, Umkleidekabinen und –räume, Toiletten, Saunen, bewegliche Trennwände und Schwingböden seien keine Betriebsvorrichtungen; ihre Überlassung sei im Hinblick auf die Frage, ob eine Vermietung vorliege, unschädlich.

  10. Die Klägerin beantragt,
    das FG-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2008 vom 9. November 2012 sowie die Einspruchsentscheidung vom 27. Mai 2015 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2006 um 5.198,57 €, die Umsatzsteuer 2007 um 8.685,37 € und die Umsatzsteuer 2008 um 9.516,10 € herabgesetzt wird.

  11. Das FA beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Vermietungsleistungen der Klägerin wurden nicht von der Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG umfasst.

  2. 1. Steuerfrei ist gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken. Nach der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesfinanzhofs (BFH) liegt eine steuerfreie Grundstücksvermietung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG vor, wenn dem Vertragspartner gegen Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück in Besitz zu nehmen und andere von ihm auszuschließen (EuGH-Urteile Varenne vom 22. Januar 2015 C-55/14, EU:C:2015:29, Rz 22; Medicom und Maison Patrice Alard vom 18. Juli 2013 C-210/11, C-211/11, EU:C:2013:479, Rz 26; BFH-Urteile vom 21. Juni 2017 V R 3/17, BFHE 259, 140, BStBl II 2018, 372; vom 24. September 2015 V R 30/14, BFHE 251, 456, BStBl II 2017, 132; vom 13. Februar 2014 V R 5/13, BFHE 245, 92, BStBl II 2017, 846). Werden Betriebsvorrichtungen mitüberlassen, kommt es für die Annahme einer steuerfreien Vermietung oder einer steuerpflichtigen sonstigen Leistung darauf an, welche Leistung prägend ist (BFH-Beschluss vom 7. Mai 2014 V B 94/13, BFH/NV 2014, 1242).

  3. a) Die entgeltliche Überlassung einer Sporthalle ist regelmäßig keine bloße Raumüberlassung und deshalb nicht gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 28. Juni 2017 XI R 12/15, BFHE 258, 532, Rz 62; vom 12. Oktober 2016 XI R 5/14, BFHE 255, 457, BStBl II 2017, 500, Rz 28; vom 10. November 2011 V R 41/10, BFHE 235, 554, BStBl II 2017, 869, Rz 28 und 35; vom 11. März 2009 XI R 71/07, BFHE 227, 200, BStBl II 2010, 209, Rz 21; vom 31. Mai 2001 V R 97/98, BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658, Rz 38). Denn das Betreiben einer Sportanlage umfasst im Allgemeinen nicht nur die passive Zurverfügungstellung des Grundstücks, sondern außerdem eine Vielzahl geschäftlicher Tätigkeiten wie Aufsicht, Verwaltung und ständige Unterhaltung sowie Zurverfügungstellung anderer Anlagen (vgl. EuGH-Urteil Stockholm Lindöpark vom 18. Januar 2001 C-150/99, EU:C:2001:34, Rz 26, zur Überlassung eines Golfplatzes; BFH-Urteile vom 17. Dezember 2008 XI R 23/08, BFHE 224, 162, BStBl II 2010, 208, Rz 21; in BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658).

  4. b) Das Urteil des FG entspricht diesen Maßstäben. Ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH und des BFH zur Vermietung von Sportanlagen ist es im Rahmen einer revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu dem rechtlich vertretbaren Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen einer Grundstücksvermietung i.S. von § 4 Nr. 12 UStG nicht erfüllt sind.

  5. aa) Ob besondere Umstände vorliegen, die bei der Überlassung einer Sporthalle ausnahmsweise die Annahme einer bloßen Raumüberlassung rechtfertigen, ist im Wesentlichen eine tatsächliche Feststellung, die das FG anhand der konkreten Umstände des einzelnen Falles zu treffen hat. Sofern ‑‑wie hier‑‑ keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben worden sind und die Sachverhaltswürdigung nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, ist der BFH als Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO daran gebunden, selbst wenn die Wertung des FG nicht zwingend, sondern lediglich möglich ist (vgl. BFH-Urteile vom 12. Juli 2017 VI R 59/15, BFHE 258, 444; vom 11. November 2015 V R 3/15, BFH/NV 2016, 795; vom 27. Januar 2011 V R 21/09, BFHE 233, 77, BStBl II 2011, 524, Rz 24).

  6. bb) Das FG hat sowohl hinsichtlich der Überlassung einer Sporthalle zur Ausübung von Kampfsport als auch der eines Sport- und Gymnastikraums zur Durchführung von Rehasport festgestellt, dass die Klägerin neben der reinen Raumüberlassung weitere Leistungen erbracht hat (vergünstigte Saunanutzung, Bereitstellung von Umkleideräumen und Sanitäranlagen, Pflege der Sportanlage) und dies dahingehend gewürdigt, dass damit keine bloß passive Zurverfügungstellung des Grundstücks vorliege. Diese Würdigung ist verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und weist weder Verstöße gegen Denkgesetze auf noch vernachlässigt sie wesentliche Umstände.

  7. c) Auf die vom FG in den Vordergrund gestellte Frage, ob bei der Überlassung von Sportanlagen das Vermietungselement der Leistung ‑‑wie das FG meint‑‑ nur im Rahmen eines langfristigen (mehrjährigen) Vertrags ohne Kündigungsmöglichkeit prägend sein kann, kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Zwar hat der BFH in BFHE 224, 162, BStBl II 2010, 208 entschieden, dass bei der Überlassung eines Turnhallengebäudes samt Betriebsvorrichtungen an einen einzigen Vertragspartner für die Dauer von 15 Jahren die Raumüberlassung der Leistung das Gepräge gebe.

  8. Daraus lässt sich aber nicht im Umkehrschluss herleiten, dass bei der Überlassung von Sportanlagen eine Steuerbefreiung nur bei einem derart langfristigen Vertrag ohne Kündigungsmöglichkeit in Betracht kommt. Im Übrigen lag der Entscheidung des XI. Senats ein anderer, mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde.

  9. 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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