ECLI:DE:BFH:2018:B.030918.IIIB74.17.0
BFH III. Senat
EStG § 24a S 3, EStG § 24a S 5, GG Art 3 Abs 1, EGRL 78/2000 , FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 116 Abs 3 S 3, EStG VZ 2011 , FGO § 115 Abs 2 Nr 3, AEUV Art 267, GG Art 103 Abs 1, EUGrdRCh Art 21 Abs 1
vorgehend FG München, 08. June 2017, Az: 15 K 1781/16
Leitsätze
NV: Die Frage der Europarechtswidrigkeit des § 24a EStG ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, denn es ist durch den EuGH bereits geklärt, dass die Besteuerung nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG fällt (EuGH-Urteil C vom 2. Juni 2016 C-122/15, ABlEU 2016, Nr. C 287, 11, Rz 27) und daher auch Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der EU nicht anwendbar ist (EuGH-Urteil vom 2. Juni 2016 C-122/15, ABlEU 2016, Nr. C 287, 11, Rz 30) .
Tenor
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 9. Juni 2017 15 K 1781/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Der im November 1983 geborene Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielte im Streitjahr 2011 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Finanzbeamter. Er wurde mit Bescheid vom 17. Juni 2016 durch den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) ohne Berücksichtigung des Altersentlastungsbetrages gemäß § 24a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zur Einkommensteuer veranlagt.
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Sprungklage als unbegründet ab. Es führte zur Begründung im Wesentlichen aus, der Kläger erfüllte nicht die Altersvoraussetzungen i.S. des § 24a Satz 3 EStG; die Regelung in § 24a EStG verstoße auch nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, gegen Europarecht oder gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) und Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Die von dem Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage herausstellt, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts erforderlich ist und die im konkreten Streitfall klärungsfähig ist. Dazu ist auszuführen, ob und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist. Vor allem sind, sofern zu dem Problemkreis Rechtsprechung und Äußerungen im Fachschrifttum vorhanden sind, eine grundlegende Auseinandersetzung damit sowie eine Erörterung geboten, warum durch diese Entscheidungen die Rechtsfrage noch nicht als geklärt anzusehen ist oder weshalb sie einer weiteren oder erneuten Klärung bedarf (z.B. Senatsbeschluss vom 21. Juni 2016 III B 95/15, BFH/NV 2016, 1575, Rz 8, m.w.N.).
Macht ein Beschwerdeführer mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine gesetzliche Regelung geltend, so ist darüber hinaus eine substantiierte, an den Vorgaben des GG und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundesfinanzhofs (BFH) orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik erforderlich (z.B. Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2016, 1575, Rz 8, m.w.N.; vom 4. Januar 2005 III B 1/04, BFH/NV 2005, 1080, Rz 5).
Macht der Beschwerdeführer geltend, eine Norm verstoße gegen das Recht der Europäischen Union, so genügt es nicht, dies mit allgemeinen Wendungen zu behaupten, vielmehr bedarf es einer substantiierten, an den Vorgaben des Unionsrechts sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des BFH orientierten Auseinandersetzung (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Dezember 2008 III B 156/07, BFH/NV 2009, 580, unter II.1., m.w.N.).
a) Die grundsätzliche Bedeutung ist nicht durch den Verweis darauf dargelegt, dass der BFH mit Beschluss vom 31. Januar 2017 III B 55/16 (BFH/NV 2017, 609) die Beschwerde mit vergleichbarer Rechtsfrage wegen fehlender Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung verworfen hat und nicht wegen Fehlens der grundsätzlichen Bedeutung.
b) Soweit der Kläger die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam erachtet, ob "§ 24a EStG gegen Art. 3 GG [...] und damit gegen höherrangiges Recht [verstößt], da die darin geregelte Entlastung nur Steuerpflichtigen ab einem bestimmten Alter gewährt wird", fehlt es sowohl an der Klärungsbedürftigkeit, als auch an der Klärungsfähigkeit.
aa) § 24a EStG wurde mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz) vom 5. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1427) mit Wirkung ab dem Jahr 2005 neu gestaltet. Dabei verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, die Vorgaben des BVerfG aufnehmend (vgl. BVerfG-Urteil vom 6. März 2002 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618), die bestehenden altersspezifischen Vergünstigungen gleichmäßig abzubauen (vgl. BTDrucks 15/2150, S. 25).
bb) Der Kläger erläutert nicht, weshalb eine ‑‑seiner Auffassung nach bestehende‑‑ Ungleichbehandlung während des Übergangszeitraums des § 24a Satz 5 EStG den weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum überschreitet. Dieser hat bei der Umgestaltung komplexer Regelungssysteme einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfG-Beschluss vom 29. September 2015 2 BvR 2683/11, BStBl II 2016, 310, Rz 32, m.w.N.) und hat sich an der Notwendigkeit einfacher, praktikabler und gesamtwirtschaftlich tragfähiger Lösungen zu orientieren (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618, Rz 224). Der Kläger setzt sich auch nicht hinreichend damit auseinander, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Ungleichbehandlung während einer Übergangsregelung als verfassungsrechtlich zulässig hinzunehmen wäre (vgl. BVerfG-Beschluss vom 14. Juni 2016 2 BvR 323/10, BFH/NV 2016, 1421, Rz 90, zu § 10 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG; so auch BFH-Urteil vom 19. Januar 2010 X R 53/08, BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567, zu § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 3 und 4 EStG). Denn es ist unvermeidlich, dass während des Übergangszeitraums auch Nachteile fortdauern, die bereits mit der früheren (teilweise) vorgelagerten Besteuerung der Alterseinkünfte verbunden waren (BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2016, 1421, Rz 76). Dem steht auch das Prinzip der Abschnittsbesteuerung nicht entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 2009 X R 28/07, BFHE 227, 165, BStBl II 2010, 348, Rz 97, und nachgehend BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2016, 1421).
Es erfolgt auch keine Auseinandersetzung mit kontroversen Äußerungen im Fachschrifttum zur streitgegenständlichen Norm, die eine Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage aufzeigen würden. Die Darlegung des Klägers beschränkt sich im Wesentlichen auf die Behauptung einer vermeintlichen Fehlerhaftigkeit der Vorentscheidung.
c) Auch soweit der Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam erachtet, ob "§ 24a [...] gegen die Richtlinie 2000/78/EG und damit gegen höherrangiges Recht [verstößt], da die darin geregelte Entlastung nur Steuerpflichtigen ab einem bestimmten Alter gewährt wird", ist dazu nichts dargetan. Denn es fehlt an einer substantiierten Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung mit Blick auf die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung. So ist durch den EuGH bereits geklärt, dass die Besteuerung nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie des Rates 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ‑‑ABlEG‑‑ Nr. L 303/16 vom 2. Dezember 2000) fällt (EuGH-Urteil C vom 2. Juni 2016 C-122/15, ABlEU 2016, Nr. C 287, 11, Rz 27; so auch bereits Senatsurteil vom 19. Oktober 2006 III R 29/06, BFH/NV 2007, 663, Rz 34) und daher auch Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der EU (Charta) nicht anwendbar ist, da diese gemäß Art. 51 Abs. 1 der Charta nur bei der Durchführung des Rechts der Union gilt (EuGH-Urteil in ABlEU 2016, Nr. C 287, 11, Rz 30; so auch bereits Senatsurteil in BFH/NV 2007, 663, Rz 37).
2. Schließlich greift auch die Rüge, das FG habe das Recht des Klägers auf den gesetzlichen Richter verletzt, weil es den EuGH habe anrufen müssen, nicht durch. Denn erstinstanzliche Gerichte sind nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union unionsrechtlich nicht zur Vorlage verpflichtet. Dies gilt auch dann, wenn eine Zulassung des Rechtsmittels durch das oberste Gericht erforderlich ist (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Januar 2014 III B 89/13, BFH/NV 2014, 521, Rz 8, m.w.N.).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.