ECLI:DE:BFH:2018:B.250618.IXB138.17.0
BFH IX. Senat
FGO § 76 Abs 1 S 1, FGO § 94, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, FGO § 155, EStG § 17 Abs 2 S 1, EStG § 17 Abs 4 S 2, ZPO § 165, ZPO § 295, EStG VZ 2010
vorgehend FG Köln, 18. October 2017, Az: 15 K 3894/13
Leitsätze
1. NV: Das FG verstößt bei der Festlegung des Zeitpunkts für die Berücksichtigung eines Auflösungsverlusts nach § 17 Abs. 4 EStG nicht gegen die Grundsätze der Rechtsprechung des BFH, wenn es den Verlust in dem Jahr berücksichtigen will, in dem der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens einerseits und die Liquidations- und Anschaffungskosten des Gesellschafters andererseits im Wesentlichen feststehen.
2. NV: Wird eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht als (verzichtbarer) Verfahrensmangel in Gestalt des Übergehens von Beweisanträgen gerügt, verliert der ‑‑fachkundig vertretene‑‑ Kläger sein Rügerecht schon durch rügelose Verhandlung zur Sache.
Tenor
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 19. Oktober 2017 15 K 3894/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind nicht gegeben. Die Revision ist weder wegen einer Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO, dazu unter 1.) noch wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, dazu unter 2.) zuzulassen.
1. Der von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) vorgebrachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (Divergenz, § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) liegt nicht vor.
a) Die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung setzt voraus, dass das Finanzgericht (FG) in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dass dabei über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde und diese für beide Entscheidungen rechtserheblich war, dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, dass die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und dass eine Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 8. Mai 2013 III B 140/12, BFH/NV 2013, 1248).
b) Die Frage des Zeitpunkts der Berücksichtigung eines Auflösungsverlusts nach § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat in der Rechtsprechung des BFH vielfach ihren Niederschlag gefunden (vgl. u.a. zuletzt BFH-Urteile vom 1. Juli 2014 IX R 47/13, BFHE 246, 188, BStBl II 2014, 786; vom 2. Dezember 2014 IX R 9/14, BFH/NV 2015, 666; vom 13. Oktober 2015 IX R 41/14, BFH/NV 2016, 385, und vom 10. Mai 2016 IX R 16/15, BFH/NV 2016, 1681). Ein Auflösungsverlust steht danach fest und ist damit steuerlich zu berücksichtigen, wenn der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens einerseits (§ 17 Abs. 4 Satz 2 EStG) und die Liquidations- und Anschaffungskosten des Gesellschafters andererseits (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) im Wesentlichen feststehen. Gleiches gilt, wenn sicher ist, dass eine Zuteilung oder Rückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter ausscheidet und die durch die Beteiligung veranlassten Aufwendungen feststehen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 246, 188, BStBl II 2014, 786, unter II.1.d; in BFH/NV 2015, 666, unter II.2.; in BFH/NV 2016, 385, unter II.2.c, und in BFH/NV 2016, 1681, unter II.2.a).
Die angefochtene Entscheidung folgt den Grundsätzen dieser Rechtsprechung. So nimmt die Entscheidung auf die tragenden Rechtsätze der vorgenannten Entscheidungen Bezug und wendet diese auf den entschiedenen Fall an. Nach den Feststellungen des FG stand im Jahr 2010 noch nicht fest, ob Vermögen an den Kläger zurückgezahlt werden kann. Zudem war das FG zu dem Ergebnis gekommen, dass im Veranlagungszeitraum 2010 die nachträglichen Anschaffungskosten des Klägers und damit die durch die Beteiligung veranlassten Aufwendungen noch nicht im Wesentlichen feststanden.
2. Die von den Klägern gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor.
a) Der gerügte Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) durch Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens liegt nicht vor. Ausweislich des Sitzungsprotokolls der mündlichen Verhandlung (zu dessen Beweiskraft s. § 94 FGO i.V.m. § 165 der Zivilprozessordnung ‑‑ZPO‑‑) wurde kein Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gestellt oder seitens der Kläger auf ihn oder andere Aufklärungsmaßnahmen hingewirkt, obwohl im Lauf des Verfahrens eindeutig erkennbar war, dass das FG eine mögliche Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht durchzuführen beabsichtigte. Zudem hat der an der mündlichen Verhandlung teilnehmende Prozessbevollmächtigte der Kläger sich zu weiteren Aufklärungsmaßnahmen nicht geäußert, sondern rügelos zur Sache verhandelt. Damit haben die Kläger ihr Rügerecht durch bloßes Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO).
b) Auch der gerügte Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten ist nicht gegeben. Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten liegt u.a. dann vor, wenn das FG eine nach Aktenlage feststehende Tatsache, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätte einfließen müssen, unberücksichtigt lässt oder seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 28. April 2016 IX B 18/16, BFH/NV 2016, 1173, unter 4.b, m.w.N.; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 115 Rz 80). Das FG hat den von den Klägern angeführten Schlussbericht des Insolvenzverwalters vom 20. Dezember 2010 als Akteninhalt zur Kenntnis genommen und ausweislich der umfangreichen Ausführungen dazu in Tatbestand und Gründen der Entscheidung auch in die rechtliche Würdigung einbezogen. Auch die angeführten Bestandteile der Insolvenzakte (Bl. 89, 150, 186, 216, 238, 254, 259, 319 und Bl. 334 der Insolvenzakte) wurden vom FG gewürdigt. Das Gleiche gilt für den von den Klägern angeführten Umstand der Reduzierung der Forderung des Kreditinstituts X und dem Umstand, dass doch noch Auszahlungen an die Gläubiger erfolgt waren. Dass es aufgrund der Würdigung dieser Unterlagen dennoch zu einem für die Kläger nachteiligen Ergebnis kam, kann einen Verstoß gegen den Inhalt der Akten nicht begründen.
3. Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.