ECLI:DE:BFH:2018:B.080618.XB112.17.0
BFH X. Senat
EStG § 10 Abs 1 Nr 1a, SvEV , EStG § 10 Abs 1 Nr 1a, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, AO § 162, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1, SachBezV , EStG VZ 2007 , EStG VZ 2008 , EStG VZ 2009 , EStG VZ 2010 , EStG VZ 2011
vorgehend FG München, 21. June 2017, Az: 11 K 894/15
Leitsätze
NV: Der Wert unbarer Altenteilsleistungen kann seit 2007 am Maßstab der Sachbezugswerte der Sozialversicherungsentgeltverordnung geschätzt werden, soweit deren Anwendung nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt.
Tenor
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 22. Juni 2017 11 K 894/15 wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat anlässlich der Übertragung des landwirtschaftlichen Betriebs seiner Eltern diesen ein unentgeltliches Leibgeding in Form von Wohnrecht, der Mitbenutzung von Gegenständen, Wart und Pflege, Kost und Verpflegung sowie der Gewährung von Taschengeld eingeräumt.
In den Streitjahren 2007 bis 2011 machten die Kläger jeweils Altenteilsleistungen in Höhe von ... € als dauernde Last für die Eltern des Klägers geltend. Erst nach der antragsgemäßen Veranlagung erfuhr der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) vom Ableben des Vaters des Klägers. Das FA änderte daraufhin die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre und kürzte die zu berücksichtigenden Barleistungen um ein Drittel. Die unbaren Altenteilsleistungen setzte das FA entsprechend der Sachbezüge der Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) vom 21. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 3385, BStBl I 2006, 782) allein für die Mutter des Klägers an. Im Einspruchsverfahren korrigierte das FA die Barleistungen entsprechend dem Antrag der Kläger, behielt jedoch die Bewertung der unbaren Altenteilsleistungen bei.
Die Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurück. Unbare Altenteilsleistungen seien mit dem tatsächlichen Wert anzusetzen. Werde, wie vorliegend, kein Nachweis über die Höhe dieser Aufwendungen erbracht, seien sie zu schätzen. Ausgehend von der höchstrichterlichen Rechtsprechung seien dabei die Werte der früheren Verordnung über den Wert der Sachbezüge in der Sozialversicherung (Sachbezugsverordnung ‑‑SachbezVO‑‑), ab dem Veranlagungszeitraum 2007 die Werte der SvEV als geeigneter Schätzungsmaßstab anzusehen. Diese führten hier nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung.
Die Kläger begehren die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts.
Das FA tritt der Beschwerde entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen. Die Kläger haben die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebotenen Art und Weise dargelegt.
1. Der Beschwerdeführer hat im Fall der Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen. Dafür ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert; nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Des Weiteren muss die Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darlegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (vgl. nur Senatsbeschluss vom 24. Juni 2014 X B 216/13, BFH/NV 2014, 1888).
a) Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Kläger nicht gerecht.
aa) Soweit die Kläger (sinngemäß) die Frage aufwerfen, ob die Anwendung von Pauschalen, die auf statistischen Erhebungen beruhen und das Verbraucherverhalten in einem breiten Normalbereich abdecken, als Bewertungsmaßstab begründungslos als Abweichung von der Besonderheit des Einzelfalls herangezogen werden können, fehlt es nicht nur an einer Auseinandersetzung mit der bisherigen Senatsrechtsprechung (Senatsurteile vom 23. Mai 1989 X R 34/86, BFHE 157, 161, BStBl II 1989, 784; vom 21. Juni 1989 X R 13/85, BFHE 157, 165, BStBl II 1989, 786, und vom 18. Dezember 1990 X R 151/88, BFHE 163, 356, BStBl II 1991, 354) und dem sich hiervon abgrenzenden Urteil des Niedersächsischen FG (Urteil vom 31. März 2010 4 K 18/08, Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1610). Auch einschlägige (Kommentar-)Literatur (vgl. etwa Schmidt/Heinecke, EStG, 37. Aufl., § 10 Rz 146; Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG § 10 Rz D 316) wird mit keinem Wort erwähnt. Die Kläger verweisen lediglich darauf, dass sie aus ihrer Sicht keine befriedigende und rechtssichere Klärung böten. Insoweit machen sie (ausdrücklich) darauf aufmerksam, dass die Urteile aus den Jahren 1989 und 1990 stammten und suggerieren, diese seien schon deshalb überholt. Allerdings führt das Vorliegen älterer Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ (für sich) noch nicht dazu, dass (zwischenzeitlich wieder) eine grundsätzliche Bedeutung zur Klärung der Rechtsfrage entstanden ist. Denn eine Rechtsfrage ist geklärt, wenn auf den Sachverhalt durch die Rechtsprechung geklärte Rechtsgrundsätze anzuwenden sind und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute höchstrichterliche Prüfung und Entscheidung dieser Frage geboten erscheinen lassen. Dies gilt auch dann, wenn bei einer gesetzlichen Neuregelung eines Sachverhalts in das neue Gesetz Tatbestandsmerkmale übernommen werden, zu denen bereits eine feststehende höchstrichterliche Rechtsprechung besteht (BFH-Beschluss vom 4. Mai 1999 IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587, unter 1.). Für den Fall der Ablösung der SachbezVO durch die SvEV kann nichts anderes gelten.
bb) Soweit die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Sache darin sehen, dass noch keine Rechtsprechung des BFH zur Schätzung der unbaren Altenteilsleistungen anhand der SvEV vorliegt, verkennen sie die Reichweite dieses Revisionszulassungsgrundes. Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu einer konkreten Fallgestaltung reicht nicht aus, um insoweit eine Revision zuzulassen (Senatsbeschluss vom 10. November 2016 X B 85/16, BFH/NV 2017, 261, Rz 10).
cc) Im Übrigen fehlt es auch an der Klärungsbedürftigkeit. Denn der Senat hat in seinen Urteilen in BFHE 157, 161, BStBl II 1989, 784; in BFHE 157, 165, BStBl II 1989, 786 und in BFHE 163, 356, BStBl II 1991, 354 dargelegt, dass zum einen unbare Altenteilsleistungen mit ihrem tatsächlichen Wert anzusetzen seien. Insoweit gälten die allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätze. Zum anderen hat der Senat in diesen Urteilen klargestellt, dass für den ‑‑hier vorliegenden‑‑ Fall des fehlenden Einzelnachweises die Höhe der Aufwendungen zu schätzen sei. Die SachbezVO sei insoweit in den damaligen Streitjahren ein geeigneter Schätzungsmaßstab, wobei Ausnahmen mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur zuzulassen seien, wenn die Anwendung der SachbezVO aufgrund von Besonderheiten des Einzelfalls zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führe. Dabei ist der Senat davon ausgegangen, dass die statistischen Erhebungen, auf denen die Werte der SachbezVO fußten, ein in einem breiten Normalbereich liegendes Verbrauchsverhalten abdeckten. Insoweit seien einzelfallbezogene Erörterungen über hiervon abweichende Sachverhalte nicht zulässig (Senatsurteile in BFHE 157, 161, BStBl II 1989, 784).
Seit 2007 hat die SvEV die SachbezVO abgelöst. Auch diese fußt auf statistischen Erhebungen, die das Verbrauchsverhalten in einem breiten Normalbereich abdecken, weshalb die SvEV grundsätzlich als Schätzungsmaßstab für unbare Altenteilsleistungen geeignet erscheint. Eine Unterscheidung in Bezug auf den Bedarf von Altenteilern und erwerbstätigen Personen ist nicht geboten.
Allerdings setzt die SvEV in den Streitjahren voraus, dass sie derartige Werte als Schätzungsmaßstab zur Verfügung stellt. Dies ist im Hinblick auf die unbaren Altenteilsleistungen der Fall. Stehen amtliche Werte aus der SvEV nicht zur Verfügung, sind die insoweit dem Steuerpflichtigen entstandenen Aufwendungen nach den allgemeinen Grundsätzen zu schätzen (§ 162 der Abgabenordnung i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).
2. Zur Rechtsfortbildung ist die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zuzulassen, wenn der Streitfall Veranlassung gibt, Leitsätze zur Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen, Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen oder wenn gegen eine bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung Argumente vorgetragen werden, die der BFH noch nicht erwogen hat. Für diesen Zulassungsgrund gilt ebenso wie für den der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, dass die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegen und eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage betreffen muss (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 13. September 2016 X B 146/15, BFH/NV 2016, 1747, unter II.1., m.w.N.). Auch insoweit fehlt es an der Darlegung.
3. Das Vorbringen der Kläger richtet sich letztlich allein gegen die Richtigkeit der Schätzung des FG.
a) Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalls durch das FG im Rahmen einer Schätzung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt insbesondere für Einwendungen gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen (Verstöße gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze sowie materielle Rechtsfehler, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 21. Januar 2009 X B 125/08, BFH/NV 2009, 951).
b) Ein zur Zulassung der Revision berechtigender erheblicher Rechtsfehler aufgrund objektiver Willkür kann allenfalls in Fällen bejaht werden, in denen das Schätzungsergebnis des FG wirtschaftlich unmöglich und damit schlechthin unvertretbar ist. Ein Verstoß gegen Denkgesetze führt bei Schätzungen erst zur Zulassung der Revision wegen willkürlich falscher Rechtsanwendung, wenn sich das Ergebnis als offensichtlich realitätsfremd darstellt (Senatsbeschluss in BFH/NV 2009, 951). Ein solcher ist hier nicht erkennbar und substantiiert auch nicht geltend gemacht worden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
5. Von der Darstellung des Tatbestands und einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.