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Urteil vom 06. Juni 2018, X R 41/17

Prämienzahlungen der gesetzlichen Krankenkassen aufgrund von § 53 Abs. 1 SGB V mindern Sonderausgabenabzug

ECLI:DE:BFH:2018:U.060618.XR41.17.0

BFH X. Senat

EStG § 10 Abs 1 Nr 3 S 1 Buchst a, SGB 5 § 53 Abs 1, SGB 5 § 65a, EStG VZ 2014

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 09. October 2017, Az: 6 K 6119/17

Leitsätze

Prämienzahlungen, die eine gesetzliche Krankenkasse ihren Mitgliedern gemäß § 53 Abs. 1 SGB V gewährt, stellen Beitragsrückerstattungen dar, die die wirtschaftliche Belastung der Mitglieder und damit auch ihre Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG reduzieren .

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Oktober 2017  6 K 6119/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die zusammen veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) erklärten im Streitjahr 2014 Vorsorgeaufwendungen für die gesetzliche Krankenversicherung in Höhe von 3.994 € (Kläger) und 2.182 € (Klägerin). Gleichzeitig wiesen sie darauf hin, dass der Kläger im Streitjahr von seiner gesetzlichen Krankenkasse X eine Prämie in Höhe von 450 € erhalten habe. Hierdurch würden aber die Vorsorgeaufwendungen nicht gemindert, da es sich um keine Beitragsrückerstattung handele.

  2. Grundlage der Prämienzahlung war der vom Kläger gewählte Wahltarif, der auf § 18a der Satzung der X i.V.m. § 53 Abs. 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) beruhte. § 18a Abs. 3 der Satzung der X sah vor, dass ihre Mitglieder in Abhängigkeit von ihrem Einkommen eine Prämie erhalten konnten. Im Streitfall hatte der Kläger die Tarifklasse 5 gewählt, die zu einer Prämie je Kalenderjahr in Höhe von 450 € führte. Der pauschale Selbstbehalt je ambulanter Behandlung, der mit einer Arznei-, Verband- und Heilmittelverordnung einherging, betrug 112,50 €, der Selbstbehalt je vollstationärem Krankenhausaufenthalt 225 €. Die von dem Mitglied zu tragenden Selbstbehalte waren je Kalenderjahr auf 550 € begrenzt. Der Unterschiedsbetrag von Prämie und Selbstbehalten für das Kalenderjahr war von der X spätestens bis zum Ende des zweiten Quartals des jeweiligen Folgejahres zu ermitteln. War die Prämie höher als die Summe der Selbstbehalte, wurde der Unterschiedsbetrag mit Ablauf des zweiten Quartals fällig. War hingegen die Summe der Selbstbehalte höher als die Prämie ‑‑im Falle des Klägers maximal 100 €‑‑ wurde der Unterschiedsbetrag 30 Tage nach Zugang der Zahlungsaufforderung fällig (§ 18a Abs. 4 der Satzung).

  3. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) sah die Prämienzahlung als Beitragsrückerstattung an und minderte die gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) abziehbaren Beiträge des Klägers zur gesetzlichen Krankenversicherung um die erhaltene Prämie in Höhe von 450 €. Danach kürzte das FA den so ermittelten Betrag wegen des Beitragsanteils, der der Finanzierung des Krankengeldes dient, gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 4 EStG um weitere 4 %, so dass es insgesamt Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 5.948 € als Sonderausgaben anerkannte.

  4. Ihre nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage stützten die Kläger auf das Senatsurteil vom 1. Juni 2016 X R 17/15 (BFHE 254, 111, BStBl II 2016, 989). Sie waren der Meinung, die vom Kläger erhaltene Prämie gemäß § 53 Abs. 1 SGB V dürfe ebenso wie der dort streitgegenständliche Bonus für gesundheitsbewusstes Verhalten gemäß § 65a SGB V ihre Sonderausgaben nicht mindern.

  5. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 104 veröffentlichten Urteil abgewiesen.

  6. Die Kläger begründen ihre Revision mit der Verletzung materiellen Rechts. Die von der X gezahlte Prämie sei nicht das Äquivalent bzw. die Kehrseite der Beiträge. Dies ergebe sich im Wesentlichen aus den Versicherungsbedingungen. Es sei vereinbart worden, dass die X unter Beachtung eines etwaigen Selbstbehaltes für bestimmte Leistungen den Klägern eine Prämie zahle. Diese Prämie sei ‑‑anders als vom FG angenommen‑‑ nicht von den Beiträgen bei der Ermittlung der Höhe der Sonderausgaben abzuziehen. Die Beiträge stünden in keinem logischen Verhältnis zu der davon unabhängigen Prämie.

  7. Die Kläger beantragen sinngemäß,
    das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung vom 18. April 2017 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 16. Dezember 2015 dahingehend zu ändern, dass die im Jahr 2014 erhaltene Prämie in Höhe von 450 € den Sonderausgabenabzug des Jahres 2014 nicht mindert.

  8. Das FA beantragt,
    die Revision zurückzuweisen und schließt sich vollumfänglich der Auffassung des FG an.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

  2. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Prämie, die der Kläger von seiner gesetzlichen Krankenversicherung erhalten hat, die als Sonderausgaben abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge mindert (unter 1.). Dem steht das Senatsurteil in BFHE 254, 111, BStBl II 2016, 989 nicht entgegen (unter 2.).

  3. 1. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG sind Beiträge zu Krankenversicherungen als Sonderausgaben abziehbar, soweit diese zur Erlangung eines durch das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch bestimmten sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich sind und auf die Leistungen ein Anspruch besteht. Für Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sind dies die nach dem Dritten Titel des Ersten Abschnitts des Achten Kapitels SGB V geleisteten Zahlungen mit Ausnahme etwaiger auf das Krankengeld entfallenden Beitragsanteile.

  4. a) Da nach dem Eingangssatz des § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG nur "Aufwendungen" als Sonderausgaben abziehbar sind, folgt hieraus sowie aus dem Zweck des § 10 EStG, bestimmte die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindernde Privatausgaben vom Abzugsverbot des § 12 EStG auszunehmen, dass nur solche Ausgaben als Sonderausgaben berücksichtigt werden dürfen, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, vgl. z.B. Senatsurteil vom 28. Mai 1998 X R 7/96, BFHE 186, 521, BStBl II 1999, 95, unter 3.a, m.w.N.). Bei den in der Regel jährlich wiederkehrenden Sonderausgaben, wie den hier streitgegenständlichen Krankenversicherungsbeiträgen, steht häufig die endgültige Belastung im Zahlungsjahr noch nicht fest, weil dem Steuerpflichtigen nach Ablauf des Veranlagungszeitraums ein Teil der Versicherungsbeiträge zurückerstattet werden kann. In diesen Fällen sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Verwaltungspraxis die erstatteten Beträge mit den im Jahr der Erstattung gezahlten gleichartigen Sonderausgaben zu verrechnen, so dass nur der Saldo zum Abzug als Sonderausgaben verbleibt (Senatsurteil in BFHE 254, 111, BStBl II 2016, 989, Rz 18, m.w.N.)

  5. b) Die streitgegenständliche Prämie gemäß § 53 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 18a der X-Satzung stellt eine solche Beitragsrückerstattung dar. Sie mindert insoweit die Aufwendungen des Klägers zur Erlangung des Basisversicherungsschutzes und damit seine für den Abzug als Sonderausgaben notwendige wirtschaftliche Belastung.

  6. aa) Nach Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ‑‑BMF‑‑ vom 24. Mai 2017 IV C 3-S 2221/16/10001:004, BStBl I 2017, 820, Rz 88) und ‑‑soweit erkennbar‑‑ auch des Schrifttums (vgl. z.B. Stöcker in Bordewin/Brandt, § 10 EStG Rz 170; Cöster in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 10, Rz 275; Wilhelm in Kanzler/Kraft/Bäuml/Marx/Hechtner, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., § 10 Rz 70) gehören Prämienzahlungen nach § 53 SGB V zu den Beitragsrückerstattungen, die bei der Ermittlung der als Sonderausgaben zu berücksichtigenden Krankenversicherungsbeiträge gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG in Abzug zu bringen sind.

  7. bb) Der erkennende Senat stimmt dieser Rechtsauffassung für die streitgegenständliche Prämienzahlung zu, die auf § 53 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 18a der X-Satzung beruht.

  8. (1) § 53 Abs. 1 SGB V in der im Streitjahr geltenden Fassung beruht auf dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26. März 2007 (BGBl I 2007, 378). Dessen Ziel war die Neustrukturierung und die wettbewerblichere Ausrichtung des Gesundheitssystems auf allen Ebenen durch die Erweiterung der Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten der Versicherten (BTDrucks 16/3100, 85). Durch die Einführung der Wahltarife des § 53 SGB V sollten die Versicherten durch mehr Wettbewerb und mehr Transparenz stärkere Wahlmöglichkeiten erhalten, so dass "bei Wahrung des sozialen Schutzes gleichzeitig mehr Individualität verwirklicht und eine am jeweiligen Bedarf orientierte medizinische Versorgung weiterhin gefördert" werde (so BTDrucks 16/3100, 86). Krankenkassen haben dadurch die Möglichkeit erhalten, ihren Versicherten u.a. auch Selbstbehaltungstarife in begrenzter Höhe oder Kostenerstattungstarife anzubieten (vgl. BTDrucks 16/3100, 87). Die seit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (BGBl I 2003, 2190) bestehende Möglichkeit der Krankenkassen, ihren freiwilligen Mitgliedern, die Kostenerstattung in Anspruch nehmen, einen Selbstbehalt anzubieten, ist damit auch den Pflichtversicherten eröffnet worden und nicht mehr an die Kostenerstattung gekoppelt. Nach Einschätzung des Gesetzgebers hätten Erfahrungen der Krankenkassen gezeigt, dass auch im Sachleistungssystem Selbstbehaltungstarife realisierbar seien (so BTDrucks 16/3100, 108).

  9. Eine Verpflichtung des Mitglieds einer Krankenkasse auf Abschluss eines Wahltarifs besteht nicht. Es ist weiterhin die Möglichkeit gegeben, ausschließlich am herkömmlichen Sachleistungsverfahren teilzunehmen. Da die Teilnahme am Wahltarif freiwillig ist, muss sich das Mitglied gegenüber der Krankenkasse erklären. Bei der Erklärung handelt es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, mit welcher das Mitglied ab Zugang nach Maßgabe der Satzungsregelung an dem gewählten Tarif teilnimmt (Hohnholz in: Hauck/Noftz, SGB V, 02/18, § 53 SGB V, Rz 16; Nolte, in: Kasseler Kommentar, § 53 Rz 8). Der Selbstbehalt ist vom Mitglied zu tragen, der finanzielle Vorteil, die Prämienzahlung, kommt ausschließlich ihm und nicht seinem Arbeitgeber zugute (vgl. Henle in Hänlein/ Schuler, Sozialgesetzbuch V, 5. Aufl., § 53 Rz 11).

  10. (2) Die Rechtsnatur der Prämie gemäß § 53 Abs. 1 SGB V ist im sozialrechtlichen Schrifttum umstritten.

  11. Zum Teil wird vertreten, bei den an den Versicherten im Rahmen von Wahltarifen gezahlten Prämien handele es sich nicht um die Rückzahlung zuvor zu Recht oder zu Unrecht entrichteter Beiträge. Vielmehr spiele sich die Prämienzahlung an den Versicherten ausschließlich auf der "Leistungsseite" des Versicherungsverhältnisses ab. Die Beitragstragungs- und Beitragszahlungspflicht der Versicherten und ihrer Arbeitgeber oder sonstiger Träger bleibe von der Prämienzahlung unberührt. Handelte es sich nämlich bei den von der Krankenkasse gezahlten Prämien um die Rückerstattung zuvor entrichteter Beiträge, stünde man vor der Frage, ob nicht auch Dritte an der Zahlung partizipieren müssten, wie dies bei der Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge der Fall sei (so Dreher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 53 SGB V, Rz 16; im Ergebnis ebenso Nolte, s. Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB V § 53 Rz 13, der in der Prämienzahlung keine Beitragsermäßigung oder -rückzahlung, sondern eine "besondere Leistung" sieht; ähnlich auch Henle in Hänlein/Schuler, a.a.O., § 53 Rz 11). Auch wird in der Prämie an den Versicherten ein sozialpolitisches Instrument gesehen, das letztlich durch Anreize zu bestimmtem Verhalten der Sicherung der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung und als Wettbewerbsinstrument der Krankenkasse diene und nicht um eine auf soziale Rechte ausgerichtete Leistung. Die Prämienansprüche des Berechtigten gegen die Krankenkasse aus § 53 SGB V seien keine Sozialleistungen i.S. der §§ 2, 4 und 11 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch, sondern vermögensrechtliche Ansprüche des Tarifteilnehmers gegenüber seiner Krankenkasse (so Preisner, Wahltarife im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, Dissertation, 2011, 218). Nach wiederum anderer Ansicht handelt es sich bei der Prämienzahlung durch die Krankenkasse um eine Art Beitragsrückerstattung (so Schlegel, juris Praxisreport Sozialrecht 4/2007, Anm. 4 unter 4.1) oder um eine Prämie, die als Beitragsreduzierung zu werten sei (so Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, SGB V § 53 Rz 7).

  12. (3) Der erkennende Senat kann die Frage nach der sozialrechtlichen Einordnung der Prämie gemäß § 53 Abs. 1 SGB V unbeantwortet lassen. Aus Sicht des Steuerrechts stellt sich die Prämienzahlung nach § 53 Abs. 1 SGB V als Beitragsrückerstattung dar, die den vom Mitglied zu tragenden Krankenkassenbeitrag mindert und seine wirtschaftliche Belastung reduziert. Es handelt sich demzufolge nicht um eine Versicherungsleistung der Krankenkasse, die nach § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerfrei wäre und nicht die als Sonderausgaben abziehbaren Beiträge minderte (vgl. dazu Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 EStG Rz 83).

  13. (a) Nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG sind nur Beiträge "zu" einer Krankenversicherung abziehbar, woraus folgt, dass nur solche Ausgaben zu den Beiträgen zu Krankenversicherungen gehören können, die zumindest im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen und damit ‑‑als Vorsorgeaufwendungen‑‑ letztlich der Vorsorge dienen (ständige Senatsrechtsprechung, s. z.B. Urteil vom 18. Juli 2012 X R 41/11, BFHE 238, 103, BStBl II 2012, 821, Rz 11). Entscheidend für die Beurteilung der Prämienzahlung des Wahltarifs als Beitragsrückerstattung ist damit, dass auch diese im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen. Dies ist zu bejahen, da sich durch die Prämie die Gegenleistung ändert, die von dem Mitglied zu erbringen ist, um den vereinbarten Krankenversicherungsschutz zu erhalten. Der Wahltarif modifiziert insoweit das Versicherungsverhältnis des Mitglieds der Krankenkasse, hier des Klägers. Dass hiervon nur das Mitglied und nicht auch sein Arbeitgeber betroffen ist, ändert daran nichts.

  14. Dem Wahltarif gemäß § 53 Abs. 1 SGB V fehlt es auch an einem Zusammenhang mit den Leistungen, die die Krankenkasse gemäß §§ 11 ff. SGB V zu erbringen hat. Dies zeigt der Streitfall deutlich: Der Kläger hat einen ‑‑in dem Sachleistungssystem der X rechnerischen‑‑ Selbstbehalt in Höhe von maximal 550 € zu tragen, ihm steht dafür aber in jedem Fall eine Prämie in Höhe von 450 € zu, so dass er im Ergebnis in dem für ihn ungünstigsten Fall der X weitere 100 € zahlen muss. Auswirkungen auf die von der X den Leistungserbringern (Ärzte, Krankenhaus u.Ä.) ggf. zu gewährenden Leistungen bestehen dagegen nicht. Es wird insoweit recht plastisch von einer Wette um niedrigere Gesundheitskosten gesprochen, die der Versicherte gemäß § 53 Abs. 1 SGB V mit seiner Krankenkasse abschließt (s. Schlegel, in Schlegel/Voelzke, juris Praxiskommentar SGB V, 2008, § 53 Rz 49).

  15. (b) Das FG hat zudem zutreffend auf die Vergleichbarkeit der streitgegenständlichen Prämie mit den klassischen Beitragsrückerstattungen der privaten Krankenversicherung hingewiesen, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die abzugsfähigen Sonderausgaben mindern (vgl. z.B. Senatsurteil vom 6. Juli 2016 X R 6/14, BFHE 254, 341, BStBl II 2016, 933, Rz 8 f., m.w.N.).

  16. In beiden Fällen erhält der Versicherte bzw. das Mitglied eine Zahlung von seiner Krankenversicherung bzw. Krankenkasse, weil diese von ihm nicht oder in einem geringeren Umfang in Anspruch genommen wurde als sie es worden wäre, wenn es keine vereinbarte Beitragserstattung oder Prämienzahlung gegeben hätte. Dadurch werden im Ergebnis die Beitragszahlung des jeweiligen Versicherten bzw. Mitglieds und damit dessen wirtschaftliche Belastung reduziert. Im Falle der Beitragserstattungen erkauft der Versicherte dies mit selbst getragenen Krankheitskosten; im streitgegenständlichen Wahltarif ist der Preis des Klägers das Risiko, an die X weitere Zahlungen in Höhe von maximal 100 € erbringen zu müssen.

  17. (c) Demgegenüber spielt es keine Rolle, dass der Wahltarif gemäß § 53 Abs. 1 SGB V im Dritten Kapitel des SGB V "Leistungen der Krankenversicherung" geregelt ist. In diesem Kapitel sind nicht nur Vorschriften bezüglich der Leistungen der Krankenversicherung enthalten, sondern auch Normen mit anderen Regelungsinhalten, wie z.B. Zuzahlungen gemäß §§ 61 f. SGB V, die zu den Pflichten des Versicherten gehören.

  18. (d) Dass die dem Kläger von der X gewährte Zahlung im SGB V nicht als Beitragsrückerstattung, sondern als Prämie bezeichnet wird, ist ebenfalls unschädlich. Der Senat hat bereits in Übereinstimmung mit der Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2017, 820, Rz 87) darauf hingewiesen, dass eine Beitragserstattung auch unabhängig von ihrer konkreten Bezeichnung ‑‑z.B. als Bonus oder Pauschalleistung‑‑, soweit sie auf die Basisabsicherung entfällt, die nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge in dem Jahr mindert, in dem sie zufließt (Urteil in BFHE 254, 111, BStBl II 2016, 989, Rz 27).

  19. 2. Der Qualifizierung der Prämienzahlung gemäß § 53 Abs. 1 SGB V als Beitragserstattung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG steht das Senatsurteil in BFHE 254, 111, BStBl II 2016, 989 nicht entgegen. In dem dortigen Fall hat der Senat entschieden, es liege eine Leistung einer gesetzlichen Krankenkasse vor, die nicht mit den als Sonderausgaben abziehbaren Krankenversicherungsbeiträgen des Steuerpflichtigen zu verrechnen sei, wenn sie dem Steuerpflichtigen im Rahmen eines Bonusprogramms gemäß § 65a SGB V von ihm getragene Kosten für Gesundheitsmaßnahmen erstatte.

  20. Als entscheidende Voraussetzung für die Beurteilung der in jenem Verfahren streitgegenständlichen Bonusvariante gemäß § 65a SGB V sah der Senat vor allem die Tatsache an, dass der Versicherte konkrete Aufwendungen für Gesundheitsmaßnahmen tätigen musste, und ihm demzufolge von der gesetzlichen Krankenkasse lediglich ein Teil dieser ‑‑zusätzlichen‑‑ Kosten erstattet wurde. Daraus folgte, dass diese Bonuszahlung nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Beiträgen zur Erlangung des Basiskrankenversicherungsschutzes stand, sondern eine Erstattung der von der dortigen Klägerin getragenen gesundheitsbezogenen Aufwendungen und damit eine Leistung der Krankenkasse darstellte (Urteil in BFHE 254, 111, BStBl II 2016, 989, Rz 24). Die Prämienzahlung gemäß § 53a SGB V i.V.m. § 18a der X-Satzung hatte demgegenüber ihren Grund nicht in der Erstattung zusätzlicher gesundheitsbezogener Aufwendungen, sondern beruhte auf der Übernahme des Risikos, der Krankenkasse ggf. weitere, jedoch der Höhe nach begrenzte Beitragszahlungen leisten zu müssen.

  21. Der Unterschied zwischen dem Bonus gemäß § 65a SGB V und der Prämie gemäß § 53 Abs. 1 SGB V zeigt sich zudem in ihren unterschiedlichen Zwecken: Durch die Einführung der Wahltarife des § 53 SGB V sollten die Versicherten durch mehr Wettbewerb und mehr Transparenz stärkere Wahlmöglichkeiten erhalten (so BTDrucks 16/3100, 86). Den Bonus gemäß § 65a SGB V können (seit dem Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention vom 17. Juli 2015, BGBl I 2015, 1368 "sollen") Versicherte demgegenüber für ihr gesundheitsbewusstes Verhalten erhalten, das sich darin zeigt, dass sie an bestimmten Vorsorgeuntersuchungen und Gesundheitsmaßnahmen teilnehmen.

  22. 3. Die als Sonderausgaben abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge sind im Streitfall zutreffend ermittelt worden. Das FA und ‑‑ihm folgend‑‑ das FG haben zu Recht den pauschalen Abschlag in Höhe von 4 % gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 4 EStG auf der Grundlage der bereits durch die Erstattungen geminderten Beiträge vorgenommen (so auch BMF-Schreiben in BStBl I 2017, 820, Rz 101). Entscheidend ist nämlich, dass der Kläger nur Aufwendungen in dieser Höhe hatte, um eine Basisabsicherung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 2 EStG zu erlangen.

  23. 4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 2 FGO.

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