ECLI:DE:BFH:2017:U.270417.IIIR21.14.0
BFH III. Senat
InvZulG § 2 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a Alt 1, FGO § 120 Abs 3 Nr 2 Buchst a
vorgehend Thüringer Finanzgericht , 13. May 2014, Az: 3 K 276/13
Leitsätze
NV: Ein Betrieb, der Bohrlöcher abteuft und darin Erdwärmesonden verlegt, ist auf der Grundlage der WZ 2008 nicht dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Thüringer Finanzgerichts vom 14. Mai 2014 3 K 276/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I. Streitig ist die Gewährung einer Investitionszulage für das Kalenderjahr 2008. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) beschäftigt sich mit der Verlegung von Erdwärmesonden, d.h. mit dem Abteufen von Bohrlöchern, der Installation von Erdwärmesonden und Verteilerschächten aus Polyethylenrohr, der Befüllung dieser Rohre mit Sole, dem Anschluss an das Verteilersystem und der Verschließung der Bohrlöcher mit Verpressmaterial.
Die Klägerin beantragte eine Investitionszulage für das Kalenderjahr 2008 in Höhe von 12.814,25 €. Mit Bescheid vom 2. Oktober 2009 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) die Investitionszulage für das Kalenderjahr 2008 zunächst auf 0 € fest. Nachdem die Klägerin im Einspruchsverfahren die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Erstinvestitionsvorhabens und die Verbleibensvoraussetzungen dargelegt hatte, setzte das FA mit Bescheid vom 24. November 2009 die Investitionszulage antragsgemäß auf 12.814,25 € fest; der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach Durchführung einer Außenprüfung bei der Klägerin änderte das FA den Bescheid über eine Investitionszulage für das Kalenderjahr 2008 mit Bescheid vom 10. August 2011 auf 0 € ab, da die Klägerin dem nicht investitionszulagenbegünstigten Baugewerbe zuzuordnen sei und forderte die Investitionszulage nebst Zinsen in Höhe von 1.280 € zurück.
Bereits mit Schreiben vom 5. August 2003 beantragte Frau X, die spätere Geschäftsführerin, beim Thüringer Landesamt für Statistik (TLS) für das damals noch zu gründende Unternehmen, das sich mit der "Produktion geothermischer Systeme" beschäftige, eine Einstufung in die Klassifikation der Wirtschaftszweige. Folgende Teilleistungen wurden benannt:
1.
Herstellung einer Vertikalbohrung ins Erdreich,
2.
Verarbeitung von HDPE-Rohren zu Erdwärmesonden,
3.
Einbau von Erdwärmesonden in das vorab hergestellte Bohrloch und Verpressung der Ringräume mit geeigneter Suspension,
4.
Produktion von passenden Sammler-/Verteilersystemen,
5.
Horizontale Anbindung der Einzelsonden ins Gesamtsystem,
6.
Qualitätskontrolle mittels Druckproben,
7.
Befüllung des Gesamtsystems mit Wärmeträgermedium/Sole.
Hierauf teilte das TLS mit Schreiben vom 12. August 2003 mit, die Klägerin sei der Unterklasse 33.20.2 (Herstellung von feinmechanisch-optischen Mess-, Kontroll-, Navigations- u.ä. Instrumenten und Vorrichtungen) des Abschnitts D (Verarbeitendes Gewerbe) der Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ) 2003 zugeordnet worden. Das TLS bestätigte die Zuordnung des Betriebs der Klägerin zum "Verarbeitenden Gewerbe"; es stufte sie mit Schreiben vom 1. Oktober 2004, 3. Mai 2011 und 23. Juli 2013 nach dem Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit in die Wirtschaftsklasse "Herstellung von kälte- und lufttechnischen Erzeugnissen, nicht für den Haushalt" (Unterklasse 29.23.0 der WZ 2003 und Unterklasse 28.25.0 der WZ 2008) ein. Das Statistische Bundesamt führte dagegen in seinem Schreiben vom 18. Mai 2011 u.a. aus, die Klägerin befasse sich offensichtlich mit der Errichtung von Erdwärmegewinnungsanlagen zur Nutzung in Gebäuden. Da sie die Materialien zur Erzeugung von Erdwärme nicht selbst herstelle, sei ihre Tätigkeit wie die Installation von Heizungsanlagen zu bewerten und daher der Unterklasse 45.33.0 (Klempnerei, Gas-, Wasser-, Heizungs- und Lüftungsinstallation) der WZ 2003 zuzuordnen; diese Zuordnung entspreche der Unterklasse 43.22.0 (Gas-, Wasser-, Heizungs- sowie Lüftungs- und Klimainstallation) der WZ 2008; beide Zuordnungen seien damit Bestandteil des jeweiligen Abschnitts F (Baugewerbe).
Der gegen den Bescheid vom 10. August 2011 gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit der hiergegen gerichteten Klage begehrte die Klägerin die Aufhebung des Bescheids vom 10. August 2011 sowie der Einspruchsentscheidung vom 19. März 2013 und die Festsetzung einer Investitionszulage für das Kalenderjahr 2008 in Höhe von 12.814,25 €. Während des Klageverfahrens überprüfte das TLS die Einstufung der Klägerin und führte mit Schreiben vom 25. September 2013 aus, eine Einordnung habe bisher nur aufgrund von Rücksprachen mit dem Unternehmen erfolgen können. In Abstimmung mit dem Statistischen Bundesamt ordne das TLS die Klägerin nunmehr der Unterklasse 42.21.0 (Rohrleitungstiefbau, Brunnenbau und Kläranlagenbau) des Abschnitts F (Baugewerbe) der WZ 2008 zu. Mit Schreiben vom 8. April 2014 teilte das Hauptzollamt der Klägerin u.a. mit, sie könne anhand des Zeitaufwandes nicht dem Tief- bzw. Rohrleitungsbau zugeordnet werden.
Das Thüringer Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1502 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Thüringer FG vom 14. Mai 2014 3 K 276/13 aufzuheben und den Investitionszulagenbescheid für das Kalenderjahr 2008 dahingehend abzuändern, dass die Investitionszulage für 2008 mit 12.814,25 € festgesetzt wird.Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist zulässig. Die Revisionsbegründung entspricht den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a der Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO muss die Revisionsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Dies erfordert, dass erkennbar sein muss, welche Norm die Revisionsklägerin für verletzt hält. Ferner muss die Revisionsklägerin die Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art angeben, die nach ihrer Auffassung das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erscheinen lassen. Demgemäß muss sich die Revisionsklägerin mit den tragenden Gründen des finanzgerichtlichen Urteils auseinandersetzen und darlegen, weshalb sie diese für unrichtig hält. Aus der Revisionsbegründung muss erkennbar sein, welche Rechtsnorm die Revisionsklägerin für verletzt hält (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 15. Dezember 2016 VI R 86/13, BFHE 256, 150, Rz 10, m.w.N.).
2. Diesen Anforderungen genügt die Revisionsschrift. Zwar benennt die Klägerin nicht die Rechtsnorm, die sie für verletzt hält. Aus ihren Ausführungen geht aber hervor, dass das FG § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Variante 1 des Investitionszulagengesetzes 2007 (InvZulG 2007) verletzt haben soll, weil ihr Betrieb dem investitionszulagenbegünstigten verarbeitenden Gewerbe zuzurechnen sei und nicht dem nicht begünstigten Baugewerbe. Unschädlich ist, dass die Klägerin ihren erstinstanzlichen Standpunkt weitgehend wiederholt und nicht aufgegeben hat. Darin liegt keine bloße Bezugnahme auf erstinstanzliches Vorbringen ohne Auseinandersetzung mit der Begründung des angefochtenen Urteils (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11. Juli 2012 XI R 17/09, BFH/NV 2013, 266, Rz 33, m.w.N.).
III. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen; das Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin die begehrte Investitionszulage für das Kalenderjahr 2008 (Streitjahr) nicht zusteht, da sie im Streitjahr keinen Betrieb des verarbeitenden Gewerbes i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Variante 1 InvZulG 2007 unterhielt.
a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Variante 1 InvZulG 2007 sind neue abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens investitionszulagenbegünstigt, die ‑‑bei Vorliegen der weiteren zulagenrechtlichen Voraussetzungen‑‑ zum Anlagevermögen eines Betriebs des verarbeitenden Gewerbes des Anspruchsberechtigten im Fördergebiet gehören.
b) Der Begriff des verarbeitenden Gewerbes bestimmt sich nach der WZ. Der Gesetzgeber hat die Maßgeblichkeit der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen WZ zwar erstmals in § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 2010 ausdrücklich angeordnet. Der Senat hält aber an seiner ständigen Rechtsprechung fest, wonach sich der Begriff des verarbeitenden Gewerbes im Investitionszulagenrecht auch für frühere Gesetzesfassungen nach der für das jeweilige Kalenderjahr geltenden WZ bestimmt, im Streitfall also nach der WZ 2008. Die Gerichte haben hierbei die Einordnung eines Betriebs in eine Kategorie der WZ unabhängig von der Einordnung durch die Statistikbehörde zu prüfen und ggf. selbst vorzunehmen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Senatsurteile vom 22. September 2011 III R 64/08 (BFHE 236, 168, BStBl II 2012, 358, Rz 12 ff.), vom 22. September 2011 III R 14/09 (BFH/NV 2012, 451, Rz 12 ff.), vom 22. Dezember 2011 III R 1/10 (BFH/NV 2012, 1654, Rz 10 ff.), vom 26. Juli 2012 III R 43/11 (BFH/NV 2013, 86, Rz 13 f.), vom 16. Juli 2015 III R 34/14 (BFH/NV 2016, 64, Rz 11 f.) und vom 14. April 2016 III R 10/15 (BFH/NV 2016, 1493, Rz 18 f., m.w.N.) Bezug genommen.
2. Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass die Klägerin im Streitjahr keinen Betrieb des verarbeitenden Gewerbes i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Variante 1 InvZulG 2007 unterhielt, da die von ihr ausgeübte Tätigkeit nicht dem verarbeitenden Gewerbe i.S. des Abschnitts C der WZ 2008 zuzuordnen ist.
a) Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Begriff des verarbeitenden Gewerbes i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Variante 1 InvZulG 2007 im Streitfall nach der WZ 2008 auszulegen ist und es auf etwaige Zuordnungen durch die Statistikbehörden nicht ankommt. Das FG nimmt zwar noch Bezug auf die frühere Rechtsprechung des Senats, wonach die Einordnung durch eine Statistikbehörde von den Finanzämtern in aller Regel bei der Entscheidung über die Gewährung der Investitionszulage zu übernehmen war, soweit sie nicht zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führte, an der aber der Senat nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Mai 2011 1 BvR 857/07 (BVerfGE 129, 1) nicht mehr festhält. Das FG hat indessen ersichtlich die Zuordnung des Betriebs der Klägerin auf der Grundlage der WZ 2008 selbst geprüft und nicht lediglich die Einordnung durch die Statistikbehörde mangels offensichtlich falschen Ergebnisses unbeanstandet gelassen.
b) Dem FG ist auch darin zu folgen, dass der Betrieb der Klägerin im Streitjahr jedenfalls nicht dem verarbeitenden Gewerbe (Abschnitt C) der WZ 2008 zuzuordnen ist; denn die Klägerin hat weder (neue) Waren/Erzeugnisse hergestellt noch sonstige Tätigkeiten ausgeführt, die dem Abschnitt C der WZ 2008 und somit dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen sind.
aa) Das verarbeitende Gewerbe (Abschnitt C, WZ 2008) umfasst u.a. die mechanische, physikalische oder chemische Umwandlung von Stoffen oder Teilen in (neue) Waren, mit dem Ergebnis eines neuen Erzeugnisses (vgl. Erläuterung zu Abschnitt C ‑‑Verarbeitendes Gewerbe‑‑, WZ 2008, S. 186 f.). Soweit die Klägerin eine Zuordnung zu der dem verarbeitenden Gewerbe zugehörigen Unterklasse 28.25.0 der WZ 2008 (Herstellung von kälte- und lufttechnischen Erzeugnissen, nicht für den Haushalt) der Abteilung 28 (Maschinenbau) begehrt, erfordert dies zudem, dass ihre Tätigkeit durch den Bau von Maschinen gekennzeichnet ist, die mechanisch oder durch Wärme auf Materialien einwirken oder an Materialien Vorgänge durchführen (vgl. Erläuterung zu Abteilung 28 ‑‑Maschinenbau‑‑, WZ 2008, S. 291).
bb) Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG besteht die Tätigkeit der Klägerin indessen im Wesentlichen im Abteufen von Bohrlöchern bis zu einer Tiefe von 150 Metern, in der Verbindung vorgefertigter Polyethylenrohre und in der Einbringung dieser in die Bohrlöcher, sodann in der Befüllung der Rohre mit Sole (als wärmeleitendes Medium), dem Anschluss an das Verteilersystem und dem Verschließen der Bohrlöcher mit Verpressmaterial auf Zementbasis.
cc) Nach Maßgabe der unter III.2.b aa genannten Grundsätze ist diese Tätigkeit nicht dem verarbeitenden Gewerbe (Abschnitt C), insbesondere nicht dem Maschinenbau (Abteilung 28) der WZ 2008 zuzuordnen. Denn die Klägerin stellt keine (neuen) Waren oder Erzeugnisse i.S. des Abschnitts C her, insbesondere keine Maschinen. Sie verbaut vielmehr im Wesentlichen hinzuerworbene vorgefertigte Rohre im Erdreich und schließt sie an ein Verteilersystem an. Der Senat teilt daher die Auffassung des FG, wonach die Tätigkeit der Klägerin im Wesentlichen durch die im Baugewerbe üblichen Erd-, Rohrverlegungs- und Bohrarbeiten geprägt und damit dem nicht investitionszulagenbegünstigten Baugewerbe (Abschnitt F) der WZ 2008 zuzuordnen ist. Unerheblich ist, ob die Tätigkeit der Klägerin ‑‑wie vom FG angenommen‑‑ wegen einer Nähe zum Brunnen- oder Tunnelbau der Unterklasse 42.21.0 (Rohrleitungstiefbau, Brunnenbau und Kläranlagenbau) oder wegen einer strukturellen Vergleichbarkeit der Tätigkeit mit Rohrverlegungsarbeiten bei Heizungsinstallationen der Unterklasse 43.22.0 (Gas-, Wasser-, Heizungs- sowie Lüftungs- und Klimainstallation) der WZ 2008 zuzuordnen ist. Denn in beiden Fällen begründete diese Zuordnung jedenfalls keine Zugehörigkeit zum verarbeitenden Gewerbe und führte ebenfalls zu keinem Anspruch auf Investitionszulage.
dd) Das Zuschneiden, Anpassen und Verbinden/Verschweißen der Rohrleitungen könnte zwar als eine verarbeitende Tätigkeit angesehen werden, zumal das Zusammenbauen zugekaufter Teile von Waren grundsätzlich auch als Herstellung von Waren gilt (vgl. Erläuterung zu Abschnitt C ‑‑Verarbeitendes Gewerbe‑‑, WZ 2008, S. 186). Dies ist aber gerade dann nicht der Fall, soweit es ‑‑wie hier‑‑ Herstellungstätigkeiten auf der Baustelle betrifft, da diese Tätigkeiten nicht zum verarbeitenden Gewerbe zählen, sondern ebenfalls in Abschnitt F (Baugewerbe) einzuordnen sind (vgl. Erläuterung zu Abschnitt C ‑‑Verarbeitendes Gewerbe‑‑, WZ 2008, S. 187).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.