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Beschluss vom 18. Mai 2017, XI B 1/17

Beteiligtenfähigkeit einer GmbH & Co. KG trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Komplementär-GmbH

ECLI:DE:BFH:2017:B.180517.XIB1.17.0

BFH XI. Senat

FGO § 57, FGO § 116 Abs 3, HGB § 131 Abs 2 S 1 Nr 1, HGB § 161 Abs 2, ZPO § 240, FamFG § 394

vorgehend FG Münster, 17. October 2016, Az: 15 K 851/11 U

Leitsätze

1. NV: Eine GmbH & Co. KG i.L. bleibt so lange beteiligtenfähig, bis alle das Gesellschaftsverhältnis betreffenden Ansprüche und Verpflichtungen, zu denen auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem FA gehört, abgewickelt sind .

2. NV: Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Komplementär-GmbH führt nicht zur Unterbrechung eines Klageverfahrens der KG .

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 18. Oktober 2016 15 K 851/11 U wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

  1. 1. Die Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der Frist des § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet worden ist.

  2. a) Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, hat die Frist zur Begründung der Beschwerde versäumt. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist der Klägerin am 30. November 2016 zugestellt worden. Die Frist zur Begründung der am 30. Dezember 2016 fristgerecht erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde lief daher am 30. Januar 2017 ab (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) und wurde vom Senatsvorsitzenden auf den 28. Februar 2017 verlängert. Eine Begründung der Beschwerde liegt indes bis heute nicht vor; vielmehr hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unter dem 28. Februar 2017 mitgeteilt, er sehe sich außerstande, die Beschwerde zu begründen.

  3. b) Die dafür vorgetragene Begründung, dass durch die Ablehnung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin und deren Löschung im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit die Klägerin bereits zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht mehr beteiligtenfähig gewesen sei, "so dass Rechtsmittelfristen insofern nicht in Gang gesetzt werden konnten", ist unzutreffend.

  4. Am steuerrechtlichen Fortbestand der Klägerin hat sich weder durch die mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) X vom 28. Mai 2015  ... erfolgte Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse, die nach § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB) zur Auflösung der Gesellschaft geführt hat, noch durch die am 10. Mai 2016 gemäß § 394 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) erfolgte Löschung aus dem Handelsregister etwas geändert (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 9. Dezember 1993 V R 108/91, BFHE 173, 458, BStBl II 1994, 483, unter II.1., Rz 20). Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH besteht eine Personengesellschaft steuerrechtlich auch nach ihrer Auflösung so lange (als Abwicklungsgesellschaft) fort, bis alle das Gesellschaftsverhältnis betreffenden Ansprüche und Verpflichtungen, zu denen auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Finanzamt gehört, abgewickelt sind (vgl. BFH-Urteile vom 21. Mai 1971 V R 117/67, BFHE 102, 174, BStBl II 1971, 540; vom 21. Mai 1992 IV R 146/88, BFH/NV 1993, 303; BFH-Beschluss vom 1. September 2010 XI S 6/10, BFH/NV 2010, 2140, Rz 12). Dies ist jedenfalls aufgrund des vorliegenden Verfahrens bei der Klägerin (noch) nicht der Fall.

  5. 2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) ist nicht zu gewähren. Zwar wäre eine Wiedereinsetzung nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO auch ohne Antrag möglich (z.B. Senatsbeschluss vom 11. August 2008 XI R 51/06, juris). Allerdings hat die Klägerin die versäumte Rechtshandlung nicht nachgeholt, was nach § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO auch für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen erforderlich wäre.

  6. 3. Der Senat ist nicht gehindert, über die Beschwerde zu entscheiden. Auch ist das FG stillschweigend zu Recht davon ausgegangen, dass es über die Klage entscheiden durfte.

  7. a) Das Verfahren ist nicht aufgrund der Insolvenz der KG unterbrochen.

  8. aa) Zwar ist im Laufe des Klageverfahrens am 26. Mai 2014 ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin gestellt worden, was der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2015 dem FG auch mitgeteilt hat. Allerdings ist dieser Antrag durch Beschluss des AG X vom 28. Mai 2015  ... mangels Masse abgelehnt worden. Zu einer für die Unterbrechung nach § 240 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erforderlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens (vgl. dazu u.a. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 240 Rz 5; Hüßtege in Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 38. Aufl., § 240 Rz 2, 3a) ist es nicht gekommen; das Verfahren ist nicht bereits durch den Insolvenzantrag nach § 155 FGO i.V.m. § 240 ZPO unterbrochen worden (Schoenfeld in Beermann/Gosch, FGO § 74 Rz 60).

  9. bb) Der Beschluss des AG X vom 20. August 2014 hat ebenfalls keine Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 155 FGO i.V.m. § 240 Satz 2 ZPO (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 22. Januar 2003 V B 122/02, BFH/NV 2003, 645, unter II.1., Rz 8; vom 8. August 2013 II B 3/13, BFH/NV 2013, 1805, Rz 2; jeweils m.w.N.) zur Folge gehabt, da lediglich ein Sachverständiger zur Erstellung des Gutachtens eingesetzt wurde. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der KG ging dadurch nicht auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter über. Selbst Sicherungsmaßnahmen wurden nicht angeordnet.

  10. b) Das Verfahren ist auch nicht infolge der Insolvenz der Komplementär-GmbH unterbrochen.

  11. aa) Die Auflösung der Klägerin führt nicht zu einer Unterbrechung des Verfahrens (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Juli 1988 V B 76/88, BFH/NV 1989, 187).

  12. bb) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters (hier: der GmbH) führt ebenso nicht zu einer Unterbrechung des Verfahrens der Gesellschaft (hier: der Klägerin; vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 14. Dezember 2010 VIII ZB 20/09, Neue Juristische Wochenschrift ‑‑NJW‑‑ 2011, 683, Rz 12).

  13. cc) Zu einer Unterbrechung analog § 239 ZPO (vgl. dazu BFH-Urteil vom 22. November 1988 VIII R 90/84, BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326, unter 2., Rz 12; BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2013 IV R 25/10, BFH/NV 2014, 170, Rz 18 und 21) ist es auch nicht gekommen, weil die Klägerin noch zwei Gesellschafter hat (vgl. dazu Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Juli 2011  8 C 10/10, NJW 2011, 3671, Rz 13; BGH-Urteil vom 25. Oktober 2010 II ZR 115/09, Deutsches Steuerrecht 2010, 2643, Rz 31).

  14. 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

  15. 5. Der Beschluss ergeht nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne weitere Begründung.

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