ECLI:DE:BFH:2017:U.290817.VIIIR33.15.0
BFH VIII. Senat
AO § 110 Abs 1, EStG § 3 Nr 40 S 1 Buchst d, EStG § 3 Nr 40 S 2, EStG § 32d Abs 2 Nr 3 S 4, EStG § 32d Abs 6, SolZG § 110 Abs 2, EStG VZ 2010 , AO § 173 Abs 1 Nr 2
vorgehend Hessisches Finanzgericht , 26. August 2014, Az: 4 K 1617/13
Leitsätze
1. Sind Einkünfte aus der Ausschüttung einer Kapitalgesellschaft, deren Beteiligung der Steuerpflichtige im Privatvermögen hält, aufgrund eines Antrags auf Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG den tariflich zu besteuernden Einkünften hinzuzurechnen, findet die anteilige (40 %-ige) Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG keine Anwendung.
2. Sowohl die Unkenntnis des Antragsrechts gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG als auch die Unkenntnis, einen solchen Antrag neben einem Antrag auf Günstigerprüfung stellen zu können bzw. zu müssen, können bei einem nicht fachkundig beratenen Steuerpflichtigen unverschuldet sein und zur Wiedereinsetzung in die Antragsfrist gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG berechtigen. Dies kann selbst dann gelten, wenn die in Bezug auf die Antragsrechte unzureichende Anleitung zur Anlage KAP bei Anfertigung der Steuererklärung nicht vollständig gelesen wurde.
Tenor
Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 27. August 2014 4 K 1617/13 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 15. Juli 2013 aufgehoben.
Die Einkommensteuer 2010 wird unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids vom 21. April 2011 auf den Betrag festgesetzt, der sich nach Maßgabe der Gründe ergibt.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Kläger erstellten die Einkommensteuererklärung des Streitjahres ohne Inanspruchnahme einer steuerlichen Beratung. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) stand dem Kläger beim Ausfüllen der Anlage KAP die amtliche Anleitung mit dem Stand August 2010 zur Verfügung.
Die Einnahme aus der Gewinnausschüttung der GmbH trug der Kläger in Zeile 7 seiner Anlage KAP in der Rubrik "Kapitalerträge, die dem inländischen Steuerabzug unterlegen haben" ein. Die dort angegebenen Kapitalerträge in Höhe von 20.457 € setzten sich aus der Dividende der GmbH in Höhe von 18.000 € und weiteren bescheinigten Kapitalerträgen des Klägers in Höhe von 2.457 € zusammen.
In den Zeilen 22 bis 25 der Anlage KAP zum Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) machte der Kläger keine Angaben und stellte auch keine Anträge. Auch die Zeilen 55 bis 57 ("Anzurechnende Steuern zu Erträgen in den Zeilen 22 bis 25, 47 und 48 und aus anderen Einkunftsarten") füllte er nicht aus. In Zeile 4 ihrer Anlage KAP beantragten die Kläger jeweils, die Günstigerprüfung für sämtliche Kapitalerträge durchzuführen.
Dem Kläger waren bei Anfertigung der Erklärung sowohl die Existenz des Antragsrechts gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG als auch dessen Ausübbarkeit neben einem Antrag auf Günstigerprüfung unbekannt. Ferner steht fest, dass der Kläger bei Anfertigung der Steuererklärung die Ausführungen in der amtlichen Anleitung zu den Zeilen 24 und 25 der Anlage KAP nicht zur Kenntnis genommen hat.
Die Kläger reichten die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) ein. Die Steuerbescheinigung der GmbH war der Erklärung beigefügt.
Das FA setzte mit Bescheid vom 21. April 2011 die Einkommensteuer für das Streitjahr ohne Vorbehalt der Nachprüfung fest. Die Günstigerprüfung führte zu dem Ergebnis, dass die Besteuerung der Kapitalerträge der Kläger im Rahmen der tariflich zu besteuernden Einkünfte vorteilhafter war. Die Kapitalerträge des Klägers wurden im Bescheid unter Abzug des Sparer-Pauschbetrags von 801 € in Höhe von 19.656 € (d.h. ohne Anwendung der anteiligen Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG für die Ausschüttung) als tariflich zu besteuernde Einkünfte berücksichtigt.
Die Kläger erhoben am 24. Mai 2011 Einspruch. In einem Schriftsatz vom 27. Mai 2011 beantragten sie die Wiedereinsetzung in die Antragsfrist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG gemäß § 110 der Abgabenordnung (AO). Der Kläger habe das Antragsrecht und die Frist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht gekannt und wegen der komplizierten Abfragelogik des Formulars auch nicht erkannt, dass er diesen Antrag neben einem Antrag auf Günstigerprüfung habe stellen müssen, um eine Nullfestsetzung zu erreichen. Er habe geglaubt, mit dem Antrag auf Günstigerprüfung alle notwendigen Anträge gestellt zu haben, um die für ihn günstigste Besteuerung zu erreichen. Der Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG wurde im Schreiben vom 27. Mai 2011 nachgeholt.
Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Es versagte die Wiedereinsetzung, da der Kläger beim Ausfüllen der Anlage KAP einem Irrtum über den Inhalt des materiellen Rechts unterlegen habe. Die Unkenntnis des Antragsrechts in § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG sei schuldhaft, weil der Kläger die Erläuterungen zu den Zeilen 24 und 25 der Anleitung zur Anlage KAP beim Ausfüllen der Erklärung nicht gelesen habe.
Die anschließend erhobene Klage blieb erfolglos. Das FG sah die Versagung der Wiedereinsetzung des Klägers in die Antragsfrist durch das FA als rechtmäßig an. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen dürfen, mit dem Eintrag der Dividendeneinkünfte in Zeile 7 der Anlage KAP und dem Antrag auf Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG sämtliche einschlägigen und günstigen Anträge gestellt zu haben. Zwar habe er die Möglichkeit und Notwendigkeit, einen Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG neben einem Antrag auf Günstigerprüfung zu stellen, nicht gekannt. Diese Unkenntnis des materiellen Rechts sei vermeidbar gewesen und vom Kläger verschuldet. Hätte der Kläger den Erklärungsvordruck und die Anleitung zu den Zeilen 24 und 25 der Anlage KAP gelesen, hätten ihm Zweifel kommen müssen, ob nicht auch ein Eintrag in Zeile 24 der Anlage KAP erforderlich gewesen sei. Diese Zweifel hätten ihn zumindest zur Einholung einer qualifizierten Beratung oder einer kurzen (z.B. telefonischen) Erläuterung des FA veranlassen müssen.
Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Das Urteil des FG verletze materielles Bundesrecht in Gestalt des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG und des § 110 AO.
Das FG habe nicht erkannt, dass die Kläger mit dem im Rahmen der Einkommensteuererklärung gestellten Antrag auf Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG konkludent auch einen Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG gestellt hätten.
Werde dem nicht gefolgt, sei jedenfalls dem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Antragsfrist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG stattzugeben gewesen. Die Unkenntnis des Klägers, einen Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG spätestens mit der Einkommensteuererklärung neben einem Antrag auf Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG stellen zu können und im Streitfall auch zu müssen, sei trotz unterbliebener Lektüre der Anleitung zur Anlage KAP unverschuldet.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das FG-Urteil vom 27. August 2014 4 K 1617/13 und die Einspruchsentscheidung des FA vom 15. Juli 2013 aufzuheben und unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids vom 21. April 2011 die Einkommensteuer 2010 auf Null € festzusetzen.Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.Ein Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG sei im Rahmen der Einkommensteuererklärung nicht konkludent gestellt worden. Hierfür hätte für das FA sowohl erkennbar sein müssen, dass die Beteiligung des Klägers eine unternehmerische Beteiligung i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG sei, als auch, dass der Kläger mit einer Bindung an die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens für die nächsten vier Veranlagungszeiträume einverstanden gewesen sei. Dies habe der Einkommensteuererklärung nicht entnommen werden können.
Das FG habe zu Recht auch die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in die Antragsfrist gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG verneint. Es liege ein verschuldeter Rechtsirrtum des Klägers über den Inhalt des materiellen Rechts vor. Die Würdigung des FG, der Kläger habe fahrlässig gehandelt, weil er den Erklärungsvordruck samt der Anleitung nicht vollständig gelesen habe, sei nicht zu beanstanden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet.
Das FG hat zwar zu Recht einen rechtzeitig gestellten Antrag der Kläger gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG und die Gewährung der anteiligen Steuerfreistellung gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG für die Dividendeneinkünfte des Klägers allein auf Grundlage der Günstigerprüfung verneint (s. unter II.1. und II.2.). Es hat aber zu Unrecht die Versagung der Wiedereinsetzung des Klägers in die Antragsfrist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG i.V.m. § 110 AO durch das FA als rechtmäßig angesehen (s. unter II.3.). Die Sache ist spruchreif. Die Vorentscheidung wird aufgehoben und der Klage stattgegeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
1. Der Kläger hat für die Dividenden aus der GmbH-Beteiligung im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr weder einen ausdrücklichen noch einen konkludenten Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG gestellt.
a) Der Senat hält an seiner im Senatsurteil vom 28. Juli 2015 VIII R 50/14 (BFHE 250, 413, BStBl II 2015, 894) geäußerten Auffassung fest, dass eine konkludente Antragstellung gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG bei nicht fachkundig beratenen Steuerpflichtigen, die ‑‑wie die Kläger‑‑ die Steuererklärung selbst erstellen, in Betracht kommt.
b) Das FG hat das Vorliegen eines konkludenten Antrags gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht geprüft. Daher darf der Senat die Auslegung der Einkommensteuererklärung als Willenserklärung nachholen, da das FG diese nicht selbst vorgenommen hat, die Auslegung aber notwendig ist und das FG alle notwendigen Umstände für die Auslegung festgestellt hat (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 30. Juli 1991 IX R 43/89, BFHE 165, 245, BStBl II 1991, 918, unter 1.a, zur unterlassenen Auslegung eines privatrechtlichen Vertrags; zur Geltung gleicher Auslegungsgrundsätze für privatrechtliche Willenserklärungen und Willenserklärungen gegenüber dem FA s.a. Werth in Beermann/Gosch, FGO § 118 Rz 64). Das FG hat auf die in der Einkommensteuerakte der Kläger abgelegte Einkommensteuerklärung für das Streitjahr samt Steuerbescheinigung der GmbH in der Vorentscheidung Bezug genommen und damit sämtliche darin enthaltenen Angaben inhaltlich festgestellt.
c) Allerdings ist im Streitfall nicht von einem konkludent gestellten Antrag des Klägers gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG auszugehen. Ein solcher Antrag ergibt sich nicht allein aus der in der Einkommensteuererklärung beantragten Günstigerprüfung und der Beifügung der Steuerbescheinigung der GmbH. Es fehlt vor allem daran, dass das FA aus den Angaben des Klägers nicht alle Voraussetzungen zur Beteiligungshöhe erkennen konnte, die für einen Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG notwendig wären. Weder war dem FA ersichtlich, ob der Kläger an der GmbH zu mindestens 25 % beteiligt war noch ob er zu mindestens 1 % beteiligt und für die GmbH beruflich tätig war. Für eine konkludente Antragstellung müssen in der Erklärung des Steuerpflichtigen jedoch alle tatsächlichen Angaben enthalten sein, die für die materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines Antrags oder Abzugstatbestands erforderlich sind (BFH-Urteile vom 30. Oktober 2003 III R 24/02, BFHE 204, 10, BStBl II 2004, 394, und vom 18. August 2015 V R 47/14, BFHE 251, 287). Ob für eine konkludente Antragstellung gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG ‑‑wie das FA meint‑‑ neben den Angaben zur Beteiligungshöhe oder beruflichen Tätigkeit für die Gesellschaft auch ersichtlich sein muss, dass der Steuerpflichtige sich der fünfjährigen Bindung eines solchen Antrags unterwerfen will, ist im Streitfall nicht erheblich und daher nicht zu entscheiden.
2. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass allein aufgrund des erfolgreichen Antrags auf Günstigerprüfung keine anteilige Steuerbefreiung für die Dividendeneinkünfte des Klägers aus der GmbH gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG zu gewähren ist.
Die Günstigerprüfung bewirkt im Streitfall nur, dass gemäß § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG die Kapitalerträge der Kläger einschließlich der Beteiligungserträge des Klägers (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) den regelbesteuerten Einkünften hinzuzurechnen sind. Für die hinzugerechneten Beteiligungserträge kann die anteilige Steuerbefreiung des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG gemäß § 3 Nr. 40 Satz 2 EStG nicht in Anspruch genommen werden, da es sich um Beteiligungseinkünfte im Privatvermögen handelt. Erst ein Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG eröffnet für diese die anteilige Steuerfreistellung, da § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG für diesen Fall bestimmt, dass § 3 Nr. 40 Satz 2 EStG keine Anwendung findet.
3. Das FG hat jedoch zu Unrecht eine Wiedereinsetzung des Klägers gemäß § 110 AO in die Ausschlussfrist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG verneint.
a) Von der Anwendbarkeit des § 110 AO auf die Antragsfrist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG für nicht fachkundig vertretene Steuerpflichtige gehen sowohl der Senat (Senatsurteil in BFHE 250, 413, BStBl II 2015, 894) als auch die Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 18. Januar 2016 IV C 1-S 2252/08/10004:017, 2015/0468306, BStBl I 2016, 85, Rz 141) aus.
b) Gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO ist, wenn jemand ohne Verschulden verhindert ist, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag hierzu ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen (§ 110 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 AO). Danach ist dem Kläger entgegen der Auffassung des FG die Wiedereinsetzung in die Antragsfrist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG zu gewähren.
aa) Der Senat geht trotz Fehlens einer ausdrücklichen Prüfung durch das FG mit den Beteiligten von einem gemäß § 110 Abs. 2 Satz 1 AO rechtzeitig gestellten Wiedereinsetzungsantrag des Klägers aus. Es ist im Verfahren unstreitig, dass die Unkenntnis des Klägers sowohl über das Antragsrecht aus § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG als auch über die Möglichkeit, den Antrag neben einem Antrag auf Günstigerprüfung stellen zu können und im Streitfall auch stellen zu müssen, erst durch die Belehrung des Prozessbevollmächtigten entfallen ist und der Wiedereinsetzungsantrag vom 27. Mai 2011 rechtzeitig erfolgte.
bb) Den Kläger trifft kein Verschulden daran, weder das Antragsrecht und die Frist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG noch die Notwendigkeit gekannt zu haben, für das günstigste Besteuerungsergebnis im Streitjahr diesen Antrag neben einem Antrag auf Günstigerprüfung stellen zu müssen.
aaa) Nach der Rechtsprechung des BFH handelt schuldhaft i.S. des § 110 AO, wer die für einen gewissenhaft und sachgemäß handelnden Verfahrensbeteiligten gebotene und ihm nach den Umständen zumutbare Sorgfalt nicht beachtet (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Urteile vom 29. November 2006 VI R 48/05, BFH/NV 2007, 861; vom 17. März 2010 X R 57/08, BFH/NV 2010, 1780, m.w.N.; vom 29. Februar 2012 IX R 3/11, BFH/NV 2012, 915). Zudem ist im Rahmen des § 110 AO ‑‑anders als im Rahmen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO‑‑ bereits bei einem leicht fahrlässigen Verhalten eine Wiedereinsetzung zu versagen (BFH-Urteil vom 27. August 1998 III R 47/95, BFHE 187, 134, BStBl II 1999, 65, unter 2.a). Die Rechtsprechung sieht nach diesem Maßstab ‑‑worauf sich auch das FG gestützt hat‑‑ die Unkenntnis des materiellen Rechts grundsätzlich schon dann als verschuldet an, wenn für diese Unkenntnis ein Verhalten des Steuerpflichtigen mitursächlich ist (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 915; zur Investitionszulage BFH-Beschluss vom 28. Juli 2003 III B 129/02, BFH/NV 2003, 1610, m.w.N.).
Irrtümer über eine verfahrensrechtliche Frist oder deren formale Einhaltung können bei fehlendem Verschulden hingegen zur Wiedereinsetzung berechtigen (BFH-Urteil vom 3. Juli 1986 IV R 133/84, BFH/NV 1986, 717; s.a. die Nachweise zur Rechtsprechung oben unter II.3.b bb aaa). Ein entschuldbarer Irrtum über den materiell-rechtlichen Gehalt einer Rechtsvorschrift kann anknüpfend hieran nach der Rechtsprechung zur Wiedereinsetzung führen, wenn dieser einen Irrtum über deren verfahrensrechtliche Folge nach sich zieht und die Fristversäumnis darauf beruht (BFH-Beschluss vom 28. August 2003 VII B 98/03, BFH/NV 2004, 376). Danach kann auch die Unkenntnis eines fristgebundenen Antragsrechts als Grund der Fristversäumung unverschuldet sein und zur Wiedereinsetzung berechtigen (s.a. BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 861, unter II.2.b zu § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG, sowie BFH-Urteile vom 22. Mai 2006 VI R 51/04, BFHE 214, 145, BStBl II 2006, 833, unter II.2.a; vom 25. März 2015 X R 20/14, BFHE 249, 475, BStBl II 2015, 709, Rz 34). Diese Grundsätze sind auch bei Unkenntnis des Antragsrechts und der Frist in § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG und bei Unkenntnis, Anträge gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG und gemäß § 32d Abs. 6 EStG kombinieren zu können bzw. zu müssen, anwendbar.
bbb) Im Streitfall hat der Kläger mit der Angabe der Beteiligungserträge aus der GmbH in Zeile 7 der Anlage KAP bei den "Kapitalerträgen, die dem inländischen Steuerabzug unterlegen haben", und dem Antrag auf Günstigerprüfung zutreffende und zulässige Angaben gemacht. Er durfte davon ausgehen, mit diesen Eintragungen alle notwendigen Angaben gemacht zu haben, um das für ihn günstigste Besteuerungsergebnis zu erreichen. Ein Anlass für weitere Eintragungen in Bezug auf die Beteiligungserträge ‑‑insbesondere in Zeile 24 und 25‑‑ ergab sich daher nicht für den Kläger.
Der Kläger muss sich entgegen der Ansicht des FG nicht entgegenhalten lassen, die amtliche Anleitung zur Anlage KAP nicht vollständig gelesen zu haben. Zur Günstigerprüfung enthält die Anleitung die ‑‑in dieser Absolutheit unvollständige und damit irreführende‑‑ Aussage, aufgrund des Antrags werde "das Finanzamt prüfen, ob sich eine niedrigere Besteuerung Ihrer Kapitalerträge ergibt". In der Anleitung fehlt zudem ein Hinweis auf die Möglichkeit, kumulative Anträge gemäß § 32d Abs. 6 EStG und gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG stellen zu können sowie zu den Rechtsfolgen, die sich bei einer Kombination der Anträge ergeben. Auch die vollständige Lektüre der Anleitung hätte dem Kläger daher nicht mit hinreichender Sicherheit vermittelt, dass er im Streitfall sowohl einen Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG als auch einen Antrag gemäß § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG hätte stellen müssen, um eine niedrigere Besteuerung als mit einem isolierten Antrag auf Günstigerprüfung zu erreichen. Bei dieser Sachlage kann ihm im Hinblick auf die unterbliebene Lektüre der Anleitung kein Verschuldensvorwurf gemacht werden (s.a. BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 861, unter II.2.b zu § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG; zur Wiedereinsetzung nach Falschangaben eines Steuerpflichtigen aufgrund fehlerhafter Angaben in einem Erklärungsvordruck s.a. das BFH-Urteil vom 9. Juni 2015 X R 14/14, BFHE 250, 19, BStBl II 2015, 931, Rz 28).
4. Die Sache ist spruchreif.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 21. April 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2013 ist rechtswidrig, verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO) und ist wie folgt zu ändern.
Da der Kläger im Rahmen seines Wiedereinsetzungsantrags vom 27. Mai 2011 das Wahlrecht in § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG ausgeübt hat, sind ‑‑unabhängig von dem daneben gestellten Antrag auf Günstigerprüfung‑‑ die Beteiligungserträge aus der GmbH in Höhe von 18.000 € unter Anwendung der anteiligen Steuerbefreiung aus § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG in Höhe von 10.800 € als tariflich zu besteuernde Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen. Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der bezogenen Dividende stehen, hat der Kläger nicht geltend gemacht.
Die weiteren Kapitalerträge des Klägers (2.457 €), die dem gesonderten Steuerabzug gemäß § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, sind um den Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 801 € zu mindern und in Höhe von 1.656 € aufgrund der Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG den tariflich zu besteuernden Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen hinzuzurechnen. Für die Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen gilt dies ebenfalls, was im angefochtenen Bescheid bereits berücksichtigt worden ist.
Zudem hat das FA im Streitfall bei der Ermittlung des Betrags der zumutbaren Belastung der Kläger die geänderte Rechtsprechung des BFH zu dessen Berechnungsweise zu beachten (BFH-Urteil vom 19. Januar 2017 VI R 75/14, BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684).
5. Die Berechnung der festzusetzenden Steuer wird dem FA übertragen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.