Zum Hauptinhalt springen Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen
auf der Richterbank liegen Barett und Arbeitsmappe, dahinter ein Richterstuhl, auf dem eine Robe hängt

Decisions
of the Federal Fiscal Court

Decisions online

Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen

Beschluss vom 13. Juli 2017, VII R 29/16

Festsetzung von Milchabgabe nach Ablauf des Zwölfmonatszeitraums 2014/2015

ECLI:DE:BFH:2017:B.130717.VIIR29.16.0

BFH VII. Senat

EGV 1234/2007 Art 79, EUV 1308/2013 Art 230, EGV 1788/2003 , EGV 595/2004 , AO § 167 Abs 1, AO § 168, MilchQuotV § 40 Abs 3, MilchQuotV § 40 Abs 4, AEUV Art 267

vorgehend FG Hamburg, 29. September 2016, Az: 4 K 13/16

Leitsätze

1. Durch Überlieferungen im Zwölfmonatszeitraum 2014/2015 entstandene Milchabgabe (sog. Überschussabgabe) durfte auch nach dessen Ablauf und dem damit einhergehenden Ende des Milchquotensystems festgesetzt werden .

2. Sog. interinstitutionelle Vereinbarungen zwischen den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organen der Union sind keine Rechtsvorschriften und begründen keine Rechte Einzelner .

3. Die Erhebung der im Zwölfmonatszeitraum 2014/2015 entstandenen Überschussabgabe verstößt weder gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit noch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit .

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 30. September 2016  4 K 13/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Milcherzeuger. Im Zwölfmonatszeitraum 2014/2015 überlieferte er seine verfügbare Milchquote. Die sich nach Fettgehaltskorrektur und Saldierung ergebende auf den Kläger entfallende Überschussabgabe übermittelte der Käufer (Molkerei) mit Abgabeanmeldung vom 30. Juni 2015 dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑).

  2. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der der Kläger geltend macht, für den Zwölfmonatszeitraum 2014/2015 fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Überschussabgabe, weil die Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 (VO Nr. 1234/2007) des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Amtsblatt der Europäischen Union ‑‑ABlEU‑‑ Nr. L 299/1) mit Ablauf dieses Zwölfmonatszeitraums am 31. März 2015 aufgehoben worden sei, wies das Finanzgericht (FG) ab. Die Rechtsgrundlagen der Abgabeanmeldung durch die Molkerei seien Art. 79 Unterabs. 2 VO Nr. 1234/2007 und § 40 Abs. 3 der Verordnung zur Durchführung der EU-Milchquotenregelung (MilchQuotV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Mai 2011 (BGBl I 2011, 775). Art. 230 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 (VO Nr. 1308/2013) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse ... (ABlEU Nr. L 347/671) habe die VO Nr. 1234/2007 zwar aufgehoben, jedoch habe Art. 230 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a VO Nr. 1308/2013 die Fortgeltung der Vorschriften der VO Nr. 1234/2007 über das System der Milchproduktionsregulierung bis zum 31. März 2015 angeordnet. Die Voraussetzungen des Art. 79 VO Nr. 1234/2007 über die Entstehung der Abgabenschuld seien im Streitfall mit Ablauf des 31. März 2015 erfüllt gewesen. Die unionsrechtlich unter der Geltung der VO Nr. 1234/2007 entstandene Überschussabgabe sei nach den nationalen Vorschriften der MilchQuotV sowie der Abgabenordnung (AO) festzusetzen gewesen. (Das Urteil ist in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ‑‑ZfZ‑‑ 2017, 16 veröffentlicht.)

  3. Mit seiner Revision macht der Kläger weiterhin geltend, für die Anmeldung der Überschussabgabe habe es nach dem 31. März 2015 keine Rechtsgrundlage mehr gegeben. Auch die Verordnung (EG) Nr. 595/2004 (VO Nr. 595/2004) der Kommission vom 30. März 2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 des Rates über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor (ABlEU Nr. L 94/22), die in ihrer Wirksamkeit an die VO Nr. 1234/2007 geknüpft sei, sei nicht mehr anwendbar. Anders als das FG geurteilt habe, sei im Streitfall kein Verwaltungsakt zur Festsetzung der Abgabenschuld ergangen. Die Abgabeanmeldung der Molkerei sei keine Abgabenfestsetzung i.S. des § 155 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 168 Satz 1 AO.

  4. Das HZA schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des FG an.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

  2. Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die angefochtene Abgabeanmeldung ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

  3. 1. Nach § 40 Abs. 3 MilchQuotV in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Mai 2011 (BGBl I 2011, 775) übersendet der Käufer dem für ihn zuständigen Hauptzollamt innerhalb von vier Monaten nach Ablauf eines jeden Zwölfmonatszeitraums eine Anmeldung der Überschussabgaben (Abgabeanmeldung), die (u.a.) die Summe der überschussabgabepflichtigen Anlieferungen, die daraus folgende Summe der abzuführenden Überschussabgaben sowie (gemäß § 40 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b MilchQuotV) den Betrag der Überschussabgabe für jeden Milcherzeuger enthält.

  4. Bei der Überschussabgabe handelt es sich um eine Abgabe zu Marktordnungszwecken aufgrund von Regelungen i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (MOG) in der Fassung vom 24. Juni 2005 (BGBl I 2005, 1847), auf die nach § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG die Vorschriften der AO mit Ausnahme des § 222 Satz 3 und 4 AO entsprechend anzuwenden sind. Die in § 40 Abs. 3 MilchQuotV beschriebene Abgabeanmeldung ist daher als eine Steueranmeldung i.S. des § 167 Abs. 1 Satz 1 AO anzusehen, die nach § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (ständige Rechtsprechung: vgl. Senatsurteil vom 25. Juli 1995 VII R 71/94, BFH/NV 1996, 92, ZfZ 1995, 388; Senatsbeschluss vom 28. November 2006 VII B 54/06, BFHE 215, 418, ZfZ 2007, 54, jeweils m.w.N.). Hieran hält der Senat fest. Im Übrigen ist nicht erkennbar, weshalb es ‑‑wie die Revision offenbar meint‑‑ für die Entscheidung des Streitfalls von Bedeutung wäre, wenn man erst in der Mitteilung der übermittelten Daten an den Milcherzeuger gemäß § 40 Abs. 7 MilchQuotV den "beschwerenden Verwaltungsakt" sähe.

  5. 2. Im Streitfall waren die Voraussetzungen des § 40 Abs. 3 MilchQuotV für die Übersendung einer Abgabeanmeldung der Molkerei an das HZA innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Zwölfmonatszeitraums 2014/2015 erfüllt, da durch Überlieferungen der sog. Anlieferungsquoten während des vorgenannten Zwölfmonatszeitraums Überschussabgaben entstanden waren, die nach Art. 79 VO Nr. 1234/2007 auf die Erzeuger aufzuteilen waren, die zur Überschreitung der einzelstaatlichen Quote beigetragen hatten und die ihren entsprechenden Beitrag aufgrund der Überschreitung ihrer verfügbaren Quoten schuldeten. Nach dieser Vorschrift entsteht die Abgabenschuld des jeweiligen Milcherzeugers durch seine Lieferungen an den Käufer während des betreffenden Zwölfmonatszeitraums, soweit diese die am Ende des Zwölfmonatszeitraums verfügbare Quote überschreiten.

  6. Die Abgabenschuld des Klägers war daher im Zwölfmonatszeitraum 2014/2015 entstanden, denn bis zum Ende dieses Zwölfmonatszeitraums waren die unionsrechtlichen Vorschriften der VO Nr. 1234/2007 über das Milchquotensystem anwendbar, weshalb es ‑‑entgegen der Ansicht der Revision‑‑ an einer Rechtsgrundlage für die Entstehung der Abgabenschuld nicht fehlt. Das Ende des Milchquotensystems mit dem Ablauf des Zwölfmonatszeitraums 2014/2015 hat nicht zum Erlöschen der in diesem (oder einem früheren) Zwölfmonatszeitraum entstandenen Abgabenschuld geführt. Dies hat das FG zutreffend entschieden.

  7. Die Frage der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts beantwortet sich nicht nach den gesetzlichen Vorschriften, welche im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt in Kraft, sondern nach denjenigen, welche anwendbar sind. Insbesondere in unionsrechtlichen Verordnungen wird zwischen dem Inkrafttreten ihrer Vorschriften und deren Anwendbarkeit bzw. Gültigkeit unterschieden. So wird für bereits in Kraft getretene Vorschriften deren Anwendbarkeit häufig erst ab einem späteren Zeitpunkt angeordnet (vgl. für das Milchquotensystem: Art. 204 Abs. 1 und 2 VO Nr. 1234/2007). Ebenso können Vorschriften, die durch eine bereits in Kraft getretene Änderungsverordnung aufgehoben worden sind, insbesondere für zurückliegende Zeiträume, aber auch übergangsweise, weiter anwendbar bleiben (vgl. Art. 230 und Art. 232 VO Nr. 1308/2013; Art. 28 und Art. 29 VO Nr. 595/2004).

  8. Die Vorschriften des Milchquotensystems waren von Anfang an (seit dem 1. April 1984) stets nur temporär, d.h. bezogen auf den in den Verordnungen jeweils bestimmten Zwölfmonatszeitraum anzuwenden, weshalb es für die Anwendbarkeit der im Lauf der Folgejahre ergangenen zahlreichen Änderungsvorschriften ‑‑unabhängig vom Inkrafttreten‑‑ grundsätzlich auf deren Gültigkeit in dem betreffenden Zwölfmonatszeitraum ankam und die Rechtmäßigkeit von Quotenberechnungen sowie Abgabenfestsetzungen bei Überlieferungen gemäß den auf den jeweiligen Zwölfmonatszeitraum anzuwendenden unions- und nationalrechtlichen Vorschriften zu beurteilen war (vgl. zum Unionsrecht: Art. 27 der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 ‑‑VO Nr. 1788/2003‑‑ des Rates vom 29. September 2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor, ABlEU Nr. L 270/123; Art. 28 und Art. 29 VO Nr. 595/2004; Art. 204 Abs. 2 Buchst. g VO Nr. 1234/2007; zum nationalen Recht: §§ 57, 58 der Milchabgabenverordnung vom 7. März 2007, BGBl I 2007, 295; Art. 3 der Dritten Verordnung zur Änderung der Milchquotenverordnung vom 8. März 2011, BGBl I 2011, 379). Die Anwendbarkeit während eines bestimmten Zwölfmonatszeitraums gültiger Milchabgabevorschriften auf die Abgabenberechnung und -festsetzung für diesen Zwölfmonatszeitraum wird daher durch ihre Änderung oder Aufhebung für die Zeit nach Ablauf dieses Zwölfmonatszeitraums nicht berührt.

  9. Wollte somit der Unionsgesetzgeber das Milchquotensystem einschließlich der Erhebung einer Milchabgabe im Fall des Überschreitens der Quote bis zum Ende des Zwölfmonatszeitraums 2014/2015 am 31. März 2015 beibehalten, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass sowohl die VO Nr. 1234/2007 als auch die für diesen Zwölfmonatszeitraum gültigen Durchführungsrechtsakte des Unionsrechts und des nationalen Rechts weiterhin anwendbar bleiben, soweit es um die Festsetzung und Erhebung der in diesem Zwölfmonatszeitraum (und im Übrigen auch in vorangegangenen Zwölfmonatszeiträumen) entstandenen Überschussabgabe geht. Ein entsprechender Wille des Rates ergibt sich ‑‑wie das FG zutreffend ausgeführt hat‑‑ deutlich aus dem 205. Erwägungsgrund der VO Nr. 1308/2013.

  10. Die Kommission hat diesen Willen des Rates richtig erkannt, indem sie nach dem Inkrafttreten der VO Nr. 1308/2013 ‑‑jedoch gestützt auf die weiter anwendbaren Milch-Regelungen der (Rats-) VO Nr. 1234/2007‑‑ mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1380/2014 (VO Nr. 1380/2014) vom 17. Dezember 2014 (ABlEU Nr. L 367/82) die VO Nr. 595/2004 änderte und dabei klar zum Ausdruck brachte, dass die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erhebung der Überschussabgabe für den Zwölfmonatszeitraum 2014/2015 auch nach dem 31. März 2015 weiter bestehen sollte. Gleiches gilt in Anbetracht der Änderung des Art. 15 VO Nr. 595/2004 durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/517 (VO 2015/517) der Kommission vom 26. März 2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 595/2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor (ABlEU Nr. L 82/73).

  11. Warum es insoweit ‑‑wie die Revision meint‑‑ für das Entstehen der Abgabenschuld einen Unterschied ausmacht, ob der Unionsgesetzgeber als Ablauf der Gültigkeit marktordnungsrechtlicher Vorschriften ‑‑wie mit Art. 204 Abs. 3 VO Nr. 1234/2007‑‑ das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres bestimmt oder ‑‑wie mit Art. 230 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a VO Nr. 1308/2013‑‑ das maßgebende Ende des Wirtschaftsjahres mit seinem konkreten Datum bezeichnet, erschließt sich nicht.

  12. 3. Es kann dahinstehen, ob es für das vorstehend beschriebene Ergebnis des Streitfalls, dass die unter der Geltung des Art. 79 VO Nr. 1234/2007 entstandene Abgabenschuld des Klägers nach den nationalen Vorschriften der MilchQuotV und der AO im Wege der Steueranmeldung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festzusetzen war, überhaupt auf die Weitergeltung der VO Nr. 595/2004 ankommt. Jedenfalls ist die VO Nr. 595/2004 weder aufgehoben worden noch mit der Aufhebung der VO Nr. 1234/2007 automatisch ungültig geworden. Wie sich aus den Ausführungen unter Nr. 2 der Entscheidungsgründe ergibt, bleibt die VO Nr. 595/2004 auf den Zwölfmonatszeitraum 2014/2015 (und ebenso auf vorangegangene Zwölfmonatszeiträume) anwendbar, und zwar ‑‑wie das FG zutreffend entschieden hat‑‑ so lange, bis sie ihren Anwendungsbereich verloren hat. Dieses Verständnis findet seine ausdrückliche Stütze in Abs. 2 der Erwägungsgründe der VO 2015/517.

  13. Die VO Nr. 595/2004 ist mit Art. 201 Abs. 3 Buchst. a der (Rats-) VO Nr. 1234/2007 ausdrücklich aufrechterhalten und als Durchführungsrechtsakt in das Milchquotensystem unter der Geltung der VO Nr. 1234/2007 übernommen worden, (jedenfalls) indem die Kommission ‑‑wie das FG zu Recht ausgeführt hat‑‑ die VO Nr. 595/2004 nach dem Inkrafttreten der VO Nr. 1234/2007 und gestützt auf die in dieser Verordnung enthaltenen Ermächtigungen (insbesondere Art. 78 Abs. 4 und Art. 85 VO Nr. 1234/2007) mehrfach änderte. Da die Kommission damit ihre VO Nr. 595/2004 auf der Grundlage der erteilten Ermächtigungen gemäß der VO Nr. 1234/2007 bestätigte, kommt es nicht auf die Frage an, ob die (Vorgänger-) VO Nr. 1788/2003 und die in ihrem Art. 24 erteilte Ermächtigung zu Durchführungsmaßnahmen ‑‑wie die Revision geltend macht‑‑ wegen eines Verstoßes gegen das sog. Konzertierungsverfahren nichtig sind. Im Übrigen teilt der erkennende Senat die Ansicht des FG, dass solche interinstitutionellen Vereinbarungen der Organe der Union keine Rechte Einzelner begründen. Die (auch) im Verhältnis zu den Unionsbürgern maßgebenden Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren der Union finden sich im Primärrecht (Sechster Teil, Titel I, Kapitel 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABlEU 2008 Nr. C 115/47).

  14. 4. Auch im Übrigen ‑‑soweit das FG die Erhebung der Überschussabgabe auf einen etwaigen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit geprüft hat‑‑ ist das angefochtene Urteil frei von Rechtsfehlern.

  15. a) Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, war es in Anbetracht des Art. 230 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a VO Nr. 1308/2013, des 205. Erwägungsgrundes dieser Verordnung sowie der VO Nr. 1380/2014 für die Milcherzeuger deutlich und zweifelsfrei erkennbar, dass der Unionsgesetzgeber die volle Geltung des Milchquotensystems bis zum Ende des Zwölfmonatszeitraums 2014/2015 beibehalten wollte, was zwingend zur Folge hatte, dass in diesem Zwölfmonatszeitraum durch Überlieferungen entstandene Überschussabgaben nach seinem Ablauf nach den weiterhin anzuwendenden nationalen Vorschriften abzurechnen, festzusetzen und zu erheben waren.

  16. b) Der erkennende Senat hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) wiederholt, und zwar für die Geltungszeiträume sowohl der VO Nr. 1788/2003 als auch der VO Nr. 1234/2007, entschieden, dass an der Vereinbarkeit der unionsrechtlichen Vorschriften über das Milchquotensystem und die Milchabgabe mit höherrangigem Recht und insbesondere mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keine Zweifel bestehen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. April 2015 VII B 44/14, BFH/NV 2016, 947, und vom 20. August 2015 VII B 54/15, BFH/NV 2016, 949, jeweils m.w.N.). Wie vom EuGH in seinem Urteil Azienda Agricola Disarò Antonio u.a. vom 14. Mai 2009 C-34/08 (EU:C:2009:304, ZfZ 2009, 219) ausgeführt, verfügt der Unionsgesetzgeber im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik über ein weites Ermessen, das er mit Erlass der VO Nr. 1788/2003 und nachfolgend der VO Nr. 1234/2007 nicht überschritten hat, indem er das Ziel der Stabilisierung der Märkte verfolgt und diesem Ziel Vorrang eingeräumt hat. Hieran hält der Senat fest.

  17. 5. Der Senat hält die Auslegung der im Streitfall maßgeblichen Vorschriften des Unionsrechts für nicht zweifelhaft und sieht daher keine Verpflichtung, die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen (vgl. EuGH-Urteil CILFIT vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EU:C:1982:335).

  18. 6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Print Page