ECLI:DE:BFH:2017:B.110417.IXR31.16.0
BFH IX. Senat
EStG § 21 Abs 1 S 1 Nr 1, EStG § 22 Nr 3, BGB § 1090, EStG VZ 2008
vorgehend FG Düsseldorf, 19. September 2016, Az: 10 K 2412/13 E
Leitsätze
Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine einmalige Entschädigung, die für die Überspannung eines zum Privatvermögen gehörenden Grundstücks mit einer Hochspannungsleitung gezahlt wird, zu den nach dem EStG steuerbaren Einkünften zählt.
Tenor
Das Bundesministerium der Finanzen wird aufgefordert, dem Verfahren IX R 31/16 beizutreten.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die anlässlich der Überspannung eines Grundstücks mit einer Hochspannungsleitung gezahlte Einmalentschädigung steuerbar ist.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 2008 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Eigentümer eines bebauten und von den Ehegatten selbst bewohnten Grundstücks. Anlässlich der Planung einer Hochspannungsleitung, die genau über das Grundstück führen sollte, schloss der Kläger mit der D-GmbH im Oktober 2008 eine Vereinbarung, wonach die D-GmbH "zum Zwecke von Bau, Betrieb und Unterhaltung elektrischer Leitungen nebst Zubehör einschließlich Steuer- und Telekommunikationskabel und aller dazu erforderlichen Vorkehrungen" berechtigt war, das Grundstück des Klägers in Anspruch zu nehmen. Hierfür wurde dem Kläger, der sich zu der Bewilligung einer entsprechenden beschränkten persönlichen Dienstbarkeit im Grundbuch verpflichtete, eine einmalig zu zahlende Gesamtentschädigung in Höhe von 17.904 € gewährt. Der Betrag der Entschädigung wurde wie folgt ermittelt: Verkehrswert für das betroffene Bau-/Gewerbeland 170 €/qm, davon 10 % = 17 €/qm x 1.050 qm = 17.850 €, zzgl. 54 € für 36 m Telekommunikationslinie. Etwaige Verpflichtungen hinsichtlich der künftigen Nutzung bzw. Nichtnutzung des Grundstücks wurden dem Kläger nicht auferlegt. Die Zahlung erfolgte am 27. November 2008. Ein Mast wurde auf dem Grundstück des Klägers nicht erbaut. Dieses wurde lediglich überspannt.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 ließen die Kläger die Entschädigung unberücksichtigt. Die Einkommensteuer 2008 wurde mit Bescheid vom 16. September 2009 auf 17.529 € festgesetzt.
Im Oktober 2012 erfuhr der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) durch eine Kontrollmitteilung des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung von dem o.g. Vertrag. Es nahm dies zum Anlass, die Einkommensteuer 2008 mit Änderungsbescheid vom 31. Oktober 2012 unter Hinweis auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung auf 24.094 € heraufzusetzen. Dabei wurden Einkünfte aus sonstigen Leistungen nach § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 17.904 € berücksichtigt.
Das dagegen angestrengte Einspruchsverfahren der Kläger blieb mit Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2013 erfolglos.
Mit seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1877 veröffentlichten Entscheidung wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab. Zwar lägen keine Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG vor. Denn sowohl die Überspannung des Grundstücks als auch die Eintragung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit hätten notfalls auch zwangsweise durch Enteignung durchgesetzt werden können. Es lägen jedoch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG vor. Das Entgelt für die Belastung eines Grundstücks mit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit habe keinen endgültigen Rechtsverlust zur Folge und sei hier als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu beurteilen. Die Gegenleistung des Klägers bestehe ausschließlich darin, der D-GmbH einen Teil des Luftraums über seinem Grundstück für den Betrieb der Hochspannungsleitung zur Nutzung zu überlassen und der Eintragung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit zuzustimmen. Damit liege der Vereinbarung nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt eine Nutzungsüberlassung gegen Entgelt zu Grunde.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Sie hätten keine Chance gehabt, die Überspannung zu verhindern, da sie ansonsten zwangsweise dazu verpflichtet worden wären. Dies hätte zu einer Teilenteignung geführt. Die Überspannung habe zu einer erheblichen Wertminderung geführt. Diese werde nicht durch den gezahlten Betrag ausgeglichen. Ein derartiger endgültiger Rechtsverlust führe nicht zu Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Entscheidung des FG vom 20. September 2016 10 K 2412/13 E, die Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2013 und den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 31. Oktober 2012 aufzuheben.Das FA beantragt sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.Es hält daran fest, dass die erhaltene Entschädigungszahlung den Einkünften nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zuzuordnen sei.
Entscheidungsgründe
II.
Der Senat nimmt das Revisionsverfahren zum Anlass, sich grundlegend mit der Rechtsfrage zu befassen, ob, unter welchen Voraussetzungen und gegebenenfalls in welchem Umfang eine einmalige Entschädigung, die für die Überspannung eines zum Privatvermögen gehörenden Grundstücks mit einer Hochspannungsleitung gezahlt wird, nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes steuerbar ist, wenn der Grundstückseigentümer hierfür eine Grunddienstbarkeit bewilligen muss. Der Senat hält es für angezeigt, das Bundesministerium der Finanzen (BMF) an diesem Revisionsverfahren zu beteiligen und zum Beitritt aufzufordern (§ 122 Abs. 2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung).