ECLI:DE:BFH:2016:U.270916.VIIIR66.13.0
BFH VIII. Senat
EStG § 11 Abs 1 S 1, EStG § 20 Abs 1 Nr 6
vorgehend Hessisches Finanzgericht , 04. December 2012, Az: 9 K 2235/07
Leitsätze
1. Wird ein Lebensversicherungsvertrag vor Ablauf der Versicherungslaufzeit durch Änderung von Laufzeit, Versicherungssumme, Versicherungsprämie und Prämienzahlungsdauer geändert, ohne dass eine solche Vertragsänderung von vornherein vertraglich vereinbart war oder einem Vertragspartner bereits im ursprünglichen Vertrag eine Option auf eine Änderung der Vertragsbestandteile eingeräumt worden ist, liegt hinsichtlich der Änderungen in ertragsteuerlicher Hinsicht ein neuer Vertrag vor (Anschluss an BFH-Urteil vom 6. Juli 2005 VIII R 71/04, BFHE 210, 326, BStBl II 2006, 53, m.w.N.).
2. Erfolgt die Änderung des Vertrages vor Fälligkeit der vertragsgemäß geschuldeten Versicherungsleistung unter (neuer) Vereinbarung eines späteren einheitlichen Fälligkeitszeitpunkts für die dem Steuerpflichtigen als Versicherungsnehmer zustehenden Zinsen (auch hinsichtlich des Zeitraums vor Änderung des Vertrages), entsteht die Zahlungspflicht des Versicherungsunternehmens erst zu diesem Zeitpunkt; erst mit dem dann veranlassten tatsächlichen Eingang der Zahlungen fließen die Zinsen dem Steuerpflichtigen nach Maßgabe des § 11 EStG zu.
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 5. Dezember 2012 9 K 2235/07 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2001) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
Der Kläger hatte am 15. Oktober 1981 ‑‑rückwirkend ab 1. Juli 1979‑‑ mit einer Laufzeit bis zum 1. Juli 1993 eine sog. Bankdarlehen-Tilgungsversicherung bei einer Lebensversicherungsgesellschaft abgeschlossen und die erste Prämienzahlung ‑‑einschließlich einer sogenannten Reservenachzahlung für den Zeitraum 1. Juli 1979 bis 15. Oktober 1981‑‑ am 12. November 1981 sowie in der Folgezeit die jeweils fälligen Jahresprämien geleistet.
Anlässlich einer in den Jahren 1986/1987 durchgeführten Außenprüfung wies der Prüfer den Kläger darauf hin, dass der Versicherungsvertrag eine Laufzeit von weniger als 12 Jahren habe und daher die künftigen Erträge aus der Versicherung zu versteuern seien.
Deshalb vereinbarte der Kläger mit der Lebensversicherungsgesellschaft unter dem 17. August 1989 eine Änderung des Versicherungsvertrages. Danach wurden die Laufzeit des Vertrages sowie der Beitragszahlungszeitraum ‑‑beginnend mit dem 1. Juli 1989‑‑ bis zum 1. Juli 2001 verlängert und die Versicherungssumme erhöht.
Am 5. Juli 1990 wurde die Versicherung rückwirkend ab dem 1. Juli 1990 bis zum Vertragsablauf am 1. Juli 2001 beitragsfrei gestellt und die Versicherungssumme herabgesetzt, wie die Lebensversicherungsgesellschaft bereits bei Abschluss der Änderungsvereinbarung vom 17. August 1989 empfohlen hatte.
Nachdem die Vertragsänderungen dem früher für die Kläger zuständigen Finanzamt im Rahmen der Veranlagung für 1993 bekannt geworden waren und die früheren Steuerberater der Kläger auf Anfrage des Finanzamts die bis zum 1. Juli 1989 erwirtschafteten Zinsen mit 625.875 DM beziffert hatten, erfasste das Finanzamt diese Zinsen unter Hinweis auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) zunächst im Einkommensteueränderungsbescheid vom 14. November 1996, hob diesen aber ‑‑nach Einspruch der Kläger‑‑ wieder auf.
Mit der am 26. Februar 2003 eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Kläger mit der Anlage KAP u.a. Zinsen und andere Erträge aus Lebensversicherungen in Höhe von 3.297.173 DM und fügten ihr eine Steuerbescheinigung der Lebensversicherungsgesellschaft vom 18. Juni 2001 über eine am 1. Juli 2001 vorgenommene Auszahlung in Höhe von 3.297.173 DM für den Zeitraum 1. Juli 1989 bis 1. Juli 2001 bei.
Auf der Grundlage dieser Erklärung wurden die Kläger unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO mit Bescheid vom 20. November 2003 erklärungsgemäß für das Streitjahr veranlagt.
Dagegen erhoben die Kläger mit der Begründung Einspruch, die Zinserträge aus der Lebensversicherung seien (entgegen der eingereichten Zinsbescheinigung) gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung (EStG) steuerfrei. Der 1981 abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag habe nach den Vorstellungen der Vertragsparteien eine Laufzeit vom 1. Juli 1979 bis zum 1. Juli 1993 gehabt, mithin eine Laufzeit von mehr als 12 Jahren.
Der während des Einspruchsverfahrens für die Einkommensbesteuerung der Kläger örtlich zuständig gewordene Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) wies die Kläger mit Schreiben vom 14. Juli 2005 auf die Möglichkeit einer Verböserung der Einkommensteuerfestsetzung nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO wegen der Steuerbarkeit der im Zeitraum bis zur Vertragsänderung (1. Juli 1989) erwirtschafteten Zinsen in Höhe von 625.875 DM hin.
Nachdem die Kläger den Einspruch nicht zurückgenommen hatten und der angefochtene Einkommensteuerbescheid mit Bescheiden vom 19. Juli 2004 und 3. Februar 2006 jeweils gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO (aus nicht streitigen Gründen) geändert worden war, wies das FA den Einspruch ‑‑unter verbösernder Erfassung der erwirtschafteten und mit 625.875 DM bezifferten Zinsen bei den Einkünften der Kläger aus Kapitalvermögen‑‑ als unbegründet zurück.
Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 5. Dezember 2012 9 K 2235/07 als unbegründet ab, nachdem der angefochtene Bescheid während des Gerichtsverfahrens durch Änderungsbescheid vom 18. Oktober 2007 abermals geändert worden war.
Die streitigen Kapitalerträge in Höhe von 625.875 DM seien dem Kläger erst im Streitjahr und nicht bereits vorher zugeflossen, weil er erst 2001 mit der Auszahlung (Gutschrift auf seinem Konto bei einem Kreditinstitut) wirtschaftlich über die Zinsen habe verfügen können.
Das FA habe die Zinsen aus dem Lebensversicherungsvertrag des Klägers auch zutreffend als steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG angesehen, weil es an der für eine Steuerfreiheit in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG vorausgesetzten Mindestlaufzeit von 12 Jahren fehle.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Die streitigen Zinserträge seien nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG steuerbar, zumindest aber nicht im Streitjahr zugeflossen.
Die gegenteilige Auffassung des FG sei in sich widersprüchlich und mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) unvereinbar. Denn auf der Grundlage seiner Auffassung, dass die 1989 getroffenen Änderungsvereinbarungen zu einem neuen Lebensversicherungsvertrag geführt hätten, hätte das FG konsequenterweise hinsichtlich des Altvertrages im Zeitpunkt der Änderungsvereinbarung einen Zufluss der Zinsen in Höhe von 625.875 DM annehmen müssen, weil die Änderung nach dem BFH-Urteil vom 30. November 2010 VIII R 40/08 (BFH/NV 2011, 592) zu einem Zufluss kraft Novation durch Verfügung über die bis dahin bereits erwirtschafteten Zinserträge geführt habe. Über die Zinserträge habe der Kläger ungeachtet ihrer Fälligkeit im Wege der Vorausverfügung disponieren können.
Wolle man ‑‑wie das FG‑‑ einen Zufluss im Jahr 1989 verneinen, könne man nicht bei der Beurteilung, ob die streitgegenständlichen Zinseinnahmen steuerbar seien, eine Novation mit der Folge bejahen, dass zwei getrennte Verträge vorlägen, die jeweils für sich betrachtet nicht die Mindestlaufzeit von 12 Jahren erfüllten.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2007 und des Änderungsbescheids vom 18. Oktober 2007 dergestalt zu ändern, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen um die im Wege der Verböserung angesetzten Zinserträge gemindert werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.Das FG habe rechtsfehlerfrei die Auffassung des FA bestätigt, dass die streitigen Zinserträge (zusätzlich zu den bereits erklärten 3.297.173 DM) bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen im Streitjahr anzusetzen seien.
Wegen des im Steuerrecht geltenden Prinzips der wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei für die Beurteilung der Frage, ob der abgeschlossene Versicherungsvertrag eine Laufzeit von mindestens 12 Jahren habe, nicht nur auf die zivilrechtliche Beurteilung abzustellen. Vielmehr seien die den Vertrag prägenden Merkmale, nämlich Laufzeit, Versicherungssumme, Versicherungsprämie und Prämienzahlungsdauer zu betrachten.
Dabei sei nach ständiger Rechtsprechung bei nachträglich vereinbarten Vertragsänderungen ‑‑wie im Streitfall vom FG zugrunde gelegt‑‑ grundsätzlich vom Fortbestand des alten Vertrages und nur hinsichtlich der Änderungen von einem neuen Vertrag auszugehen.
Davon unabhängig sei die Entscheidung zu treffen, in welchem Kalenderjahr die Zinsen anzusetzen seien. Zu Recht habe das FG einen Zufluss erst im Streitjahr angenommen, weil der Kläger erst mit der in jenem Jahr erfolgten Gutschrift auf seinem Konto über die Zinserträge habe verfügen können.
Die Belastung des alten Versicherungskontos mit den bis zum 1. Juli 1989 erwirtschafteten Zinsen und die Gutschrift auf dem neuen Konto im Wege der Umbuchung im Jahr 1989 habe demgegenüber nicht zu einem Zufluss geführt, weil zu jenem Zeitpunkt eine Zahlungsverpflichtung der Versicherung nicht bestanden habe. Denn der im ursprünglichen Vertrag für den 1. Juli 1993 vereinbarte Auszahlungstermin sei durch die Vertragsänderung im August 1989 auf den neuen Auszahlungszeitpunkt 1. Juli 2001 festgelegt worden, so dass erst zu diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Auszahlung der erwirtschafteten Zinserträge aus dem alten Vertrag vom 15. Oktober 1981 und dem neuen Vertrag vom 17. August 1989 bestanden habe.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unbegründet zurückzuweisen, weil das angefochtene Urteil des FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
Zu Recht hat das FG die Auffassung des FA bestätigt, dass die streitigen Zinserträge in Höhe von 625.875 DM bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen in der Einkommensteuerveranlagung der Kläger für das Streitjahr zu berücksichtigen sind. Denn sie sind erst in diesem Jahr und nicht bereits im Zeitpunkt der 1989 vorgenommenen Vertragsänderungen zugeflossen. Außerdem erfüllen sie nicht die Voraussetzungen der Steuerfreiheit gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG.
1. Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, unterliegen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 36 EStG der Steuerpflicht. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies nicht für Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrages nach Ablauf von 12 Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Zu den Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG gehören u.a. Kapitalversicherungen gegen laufende Beitragsleistung mit Sparanteil, wenn der Vertrag für die Dauer von mindestens 12 Jahren abgeschlossen worden ist. Die Beiträge zu den Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG konnten mit den in Abs. 2 derselben Vorschrift aufgeführten Einschränkungen als Sonderausgaben abgezogen werden.
a) Werden Versicherungsverträge vor Ablauf der Zwölfjahresfrist geändert, so ist die Frage, ob sie nach Inhalt und wirtschaftlichem Gehalt unverändert geblieben sind oder ob aufgrund der Änderungen Neuverträge vorliegen, im Wesentlichen nach den den Vertrag prägenden Merkmalen, nämlich Laufzeit, Versicherungssumme, Versicherungsprämie und Prämienzahlungsdauer zu beurteilen (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteile vom 9. Mai 1974 VI R 137/72, BFHE 112, 484, BStBl II 1974, 633; vom 6. Juli 2005 VIII R 71/04, BFHE 210, 326, BStBl II 2006, 53, unter Bezugnahme auf Harenberg in Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 EStG Rz 756; Blümich/Stuhrmann, § 20 EStG Rz 288; Schlotter in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 20 Rz 585; Kreußler, Vertragsänderungen bei Lebensversicherungen im Steuerrecht, Versicherungswirtschaft 1996, 1506; Weinmann, Steuerrechtliche Novationen in der deutschen Lebensversicherung, Zeitschrift für Versicherungswesen 1997, 531; Schoor, Einkommensteuerliche Behandlung von Vertragsänderungen bei Lebensversicherungsverträgen, Versicherungswirtschaft 1996, 1654; kritisch Horlemann, Steuerfragen bei der privaten, insbesondere fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherung, Finanz-Rundschau 2000, 749; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ‑‑BMF‑‑ vom 19. April 1999 IV C 4 -S 2221- 132/99, Der Betrieb 1999, 1298, und vom 22. August 2002 IV C 4 -S 2221- 211/02, BStBl I 2002, 827). Danach liegt ein neuer Vertrag ‑‑mit der Folge einer ab dem Änderungszeitpunkt neu laufenden Zwölfjahresfrist i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG‑‑ vor, wenn der zuvor abgeschlossene Versicherungsvertrag u.a. hinsichtlich der Merkmale Laufzeit, Versicherungssumme, Versicherungsprämie und Prämienzahlungsdauer nachträglich geändert wird, ohne dass eine solche Vertragsänderung von vornherein vertraglich vereinbart war, oder dass einem Vertragspartner bereits im ursprünglichen Vertrag eine Option auf eine Änderung der Vertragsbestandteile eingeräumt worden ist (BFH-Urteil in BFHE 210, 326, BStBl II 2006, 53, unter II.1.b).
b) Der Zufluss der nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG steuerbaren Zinsen richtet sich nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind Einnahmen zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige wirtschaftlich über sie verfügen kann. Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Auch die Hingabe eines (gedeckten) Schecks führt zum Zufluss des entsprechenden Geldbetrags (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juli 1997 VIII R 13/96, BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767).
bb) Ebenso kann eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten den Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 9. April 1968 IV 267/64, BFHE 92, 221, BStBl II 1968, 525). Der Gläubiger muss allerdings in der Lage sein, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480, und vom 22. Juli 1997 VIII R 57/95, BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755).
Danach kann ein Zufluss durch Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten grundsätzlich nur in Betracht kommen, wenn und soweit eine Zahlungsverpflichtung besteht (vgl. BFH-Urteile in BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480, unter 2.a; in BFH/NV 2011, 592).
cc) Der Zufluss kann zudem durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger, nach der der Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet sein soll, bewirkt werden. In einer solchen Schuldumwandlung (Novation) kann eine Verfügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung liegen, die einkommensteuerrechtlich so zu werten ist, als ob der Schuldner die Altschuld durch Zahlung beglichen und der Gläubiger den vereinnahmten Betrag in Erfüllung des neu geschaffenen Verpflichtungsgrundes dem Schuldner sofort wieder zur Verfügung gestellt hätte.
Die Novation stellt sich dann als eine bloße Verkürzung des Leistungswegs dar (vgl. BFH-Urteile vom 28. Oktober 2008 VIII R 36/04, BFHE 223, 166, BStBl II 2009, 190; in BFH/NV 2011, 592) und setzt mithin eine Zahlungspflicht des Schuldners voraus. Fehlt eine solche Zahlungspflicht, ist die Annahme einer Schuldumschaffung nicht veranlasst (BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 592, Rz 25).
Die Novation muss sich zudem als Folge der Ausübung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Gläubigers über den Gegenstand der Altforderung darstellen, also auf seinem freien Entschluss beruhen (vgl. BFH-Urteile vom 17. Juli 1984 VIII R 69/84, BFHE 142, 215, BStBl II 1986, 48; in BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755). Ein nicht geltend gemachter (bestehender) Anspruch kann deshalb mangels Ausübung für sich genommen noch nicht zu einem Zufluss führen (so BFH-Urteil vom 20. Oktober 2015 VIII R 40/13, BFHE 252, 260, BStBl II 2016, 342, zu einem fehlenden Zufluss bei unterlassener Geltendmachung eines testamentarischen Vermächtnisanspruchs gegen den Erben).
Dementsprechend hat der BFH den Verzicht auf Teilzahlungsansprüche aus einer Lebensversicherung nicht als Schuldumschaffung, sondern allenfalls als Stundung angesehen (BFH-Urteil vom 16. September 2014 VIII R 15/13, BFHE 247, 220, BStBl II 2015, 468). Auch das Schrifttum geht in einem solchen Fall "verschobener Auszahlung" vor Fälligkeit durch Änderung eines Versicherungsvertrages von einem fehlenden Zufluss aus, weil der Sachverhalt grundsätzlich ‑‑vorbehaltlich eines besonderen eigenen Interesses an einer späteren und deshalb höheren Auszahlung‑‑ nicht anders zu werten sei als derjenige, in dem eine Auszahlung von vornherein (schon bei Begründung des Versicherungsvertrages) erst später vorgesehen sei (so Dötsch, jurisPR-SteuerR 16/2015 Anm. 2).
dd) Eine zum Zufluss führende Novation kann auch vorliegen, wenn der Steuerpflichtige die Wahl zwischen Auszahlung und Wiederanlage bereits vor der Entstehung und Fälligkeit der Kapitalerträge getroffen hat.
Eine entsprechende Vereinbarung wirkt als Vorausverfügung auf die Zeitpunkte der späteren Wiederanlage fort (vgl. BFH-Urteile in BFHE 92, 221, BStBl II 1968, 525, und vom 24. März 1993 X R 55/91, BFHE 171, 191, BStBl II 1993, 499; in BFH/NV 2011, 592). Eine Vorausverfügung über (zukünftige) Einkünfte stellt lediglich eine ‑‑an der Zurechnung der Einkünfte nichts ändernde‑‑ Einkunftsverwendung dar (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1981 IV R 77/76, BFHE 135, 175, BStBl II 1982, 340).
Ob eine solche Vorausverfügung vorliegt, ist grundsätzlich anhand der für die Annahme einer Novation geltenden Maßstäbe zu prüfen, wobei die Interessenlage der Vertragspartner als Indiz weniger Gewicht hat, wenn die Modalitäten einer Auszahlung bzw. Verrechnung im Vorhinein vereinbart werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 171, 191, BStBl II 1993, 499, unter 3.c bb der Entscheidungsgründe).
ee) Ob der Steuerpflichtige im Einzelfall tatsächlich die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt und ausgeübt hat und ob eine Schuldumschaffung im alleinigen oder überwiegenden In-teresse des Gläubigers lag, ist eine Frage der Tatsachenfest-stellung und -würdigung, die dem FG obliegt (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Juni 2000 XI B 10/00, BFH/NV 2000, 1469: keine Fiktion des Zuflusses; BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 592). Hierbei hat das FG alle Umstände des Einzelfalles zu prüfen. Entscheidend kommt es auf den Zeitpunkt des mutmaßlichen Zuflusses an (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 2010 VIII R 4/07, BFHE 229, 141, BStBl II 2014, 147).
2. Nach diesen Grundsätzen ist die angefochtene Entscheidung des FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Entscheidung beruht auf den vom FG ausdrücklich zustimmend in Bezug genommenen ‑‑unter II.1. dieses Urteils dargestellten‑‑ Grundsätzen der Rechtsprechung.
Seine Würdigung, auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen seien die Voraussetzungen für die Annahme eines steuerbaren Zuflusses der streitigen Zinsen erst im Streitjahr gegeben, ist nach § 118 Abs. 2 FGO für den Senat bindend, weil sie von einem zutreffenden Sachverhalt ausgeht und weder gegen die Denkgesetze noch allgemeinen Erfahrungssätze verstößt (vgl. dazu BFH-Urteile vom 14. Februar 1995 IX R 95/93, BFHE 177, 95, BStBl II 1995, 462; vom 9. Oktober 2013 IX R 2/13, BFHE 244, 247, BStBl II 2014, 527; vom 12. April 2016 VIII R 60/14, BFH/NV 2016, 1455; BFH-Beschluss vom 10. Februar 2005 VI B 113/04, BFHE 209, 211, BStBl II 2005, 488).
a) Im Ausgangspunkt ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass die im Jahr 1989 vereinbarten Änderungen des Versicherungsvertrages vom 15. Oktober 1981 steuerlich zu einem neuen Vertrag zwischen den Vertragsbeteiligten geführt haben und deshalb sowohl für den Alt- wie für den Neuvertrag gesondert zu prüfen ist, ob jeweils die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit der daraus erzielten Zinserträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG gegeben sind.
aa) Die Würdigung des FG kann sich auf die von den Beteiligten nicht in Abrede gestellte tatsächliche und damit für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindende Feststellung stützen, dass die für die Annahme eines neuen Vertrages wesentlichen Merkmale wie die Laufzeit, Versicherungssumme, Versicherungsprämie und Prämienzahlungsdauer geändert wurden (zu diesen Kriterien s. BFH-Urteile in BFHE 112, 484, BStBl II 1974, 633; in BFHE 210, 326, BStBl II 2006, 53, m.w.N.; BMF—Schreiben in BStBl I 2002, 827).
Dies rechtfertigt den Schluss des FG, dass in steuerlicher Hinsicht ab dem Änderungszeitpunkt hinsichtlich der vorgenommenen Änderungen ein neuer Vertrag mit einer neu laufenden Zwölfjahresfrist i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG vorliegt.
bb) Diese Würdigung des FG verstößt entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht gegen die Denkgesetze, soweit das Gericht einerseits wegen der Vertragsänderungen ab 1989 neue Versicherungsverträge angenommen, andererseits aber hinsichtlich des Altvertrages keinen Zufluss der bis dahin erwirtschafteten Zinsen im Zeitpunkt der Vertragsänderung bejaht hat.
(1) Die Kläger verkennen damit schon im Ausgangspunkt, dass nach dem BFH-Urteil in BFHE 210, 326, BStBl II 2006, 53 (unter II.1.b) nur "die über die Ursprungsverträge hinausgehenden Vertragsmodifikationen steuerlich als neue Verträge zu werten sind" und der BFH damit ersichtlich der Auffassung der Finanzverwaltung folgt, dass bei nachträglich vereinbarten Vertragsänderungen grundsätzlich vom Fortbestand des alten Vertrages und nur hinsichtlich der Änderungen von einem neuen Vertrag auszugehen ist (BMF-Schreiben in BStBl I 2002, 827, Rz 39 f.; vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 210, 326, BStBl II 2006, 53, unter II.1.a).
(2) Auf dieser Grundlage wird der alte Vertrag (hier der Vertrag vom 15. Oktober 1981) durch die späteren Änderungen nicht obsolet, sondern nur hinsichtlich seiner Laufzeit bis zum Zeitpunkt dieser Änderungen begrenzt. Er ist deshalb hinsichtlich seiner Merkmale und der vertraglichen Ansprüche nach den Verhältnissen in diesem Zeitpunkt (insbesondere hinsichtlich der für die Steuerfreiheit nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG zu wahrenden ‑‑hier aber im maßgeblichen Zeitpunkt der Änderung nicht gewahrten‑‑ Mindestlaufzeit und der in jenem Zeitpunkt erwirtschaften Zinsen) zu beurteilen.
Danach ist die für eine Steuerfreiheit erforderliche Mindestlaufzeit von 12 Jahren (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG) mit Blick auf das ursprünglich vereinbarte Laufzeitende 1. Juli 1993 nicht gewahrt. Denn für die Bemessung der Mindestlaufzeit kommt es allein auf die Zeitspanne zwischen Abschluss des Vertrages (hier 15. Oktober 1981) und dem vereinbarten Endzeitpunkt (hier 1. Juli 1993) an; auf die vereinbarte Rückdatierung des Vertrages in das Jahr 1979 können sich die Kläger wegen der Maßgeblichkeit des Abschlussdatums des Vertrages für die Mindestlaufzeit (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2005 VIII R 87/03, BFHE 211, 467, BStBl II 2006, 251) nicht berufen.
Hinsichtlich des mit den unter dem 17. August 1989 vereinbarten Änderungen abgeschlossenen Neuvertrages fehlt es ebenfalls an der Einhaltung der Zwölfjahresfrist des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG, weil insoweit die von der Vorschrift vorausgesetzte zwölfjährige Beitragspflicht mangels laufender Beitragszahlungen nicht gewahrt wurde, nachdem die Versicherung am 5. Juli 1990 (rückwirkend ab dem 1. Juli 1990) bis zum Vertragsablauf am 1. Juli 2001 beitragsfrei gestellt und die Versicherungssumme herabgesetzt wurde (vgl. dazu BFH-Urteile vom 12. Oktober 2011 VIII R 7/09, BFH/NV 2012, 564; vom 26. November 2014 VIII R 31/10, BFHE 249, 12, BStBl II 2016, 653, sowie vom 6. Juli 2005 VIII R 71/04, BFHE 210, 326, BStBl II 2006, 53).
b) Zugeflossen sind die streitigen Zinserträge erst mit Ablauf eines neu vereinbarten und gleichermaßen für die Alt- wie die Neuvereinbarung geltenden Fälligkeitstermins.
Für die Annahme eines Zuflusses im Zeitpunkt der 1989 vereinbarten Änderung des Lebensversicherungsvertrages fehlt es schon an einer in diesem Zeitpunkt bestehenden Zahlungspflicht des Gläubigers (BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 592, Rz 25); denn die Vertragsänderung erfolgte noch vor Fälligkeit der Zinszahlungen nach Maßgabe des Altvertrages und bezweckte lediglich, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG zu erreichen. Eine vorzeitige wirtschaftliche Verfügungsmacht des Klägers über die Zinserträge sollte damit nicht verbunden sein. Vielmehr sollte die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Zinserträge zur Einhaltung der Mindestlaufzeit gerade länger als ursprünglich vereinbart hinausgeschoben werden.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.