ECLI:DE:BFH:2016:U.200916.XR23.15.0
BFH X. Senat
EStG § 3 Nr 63, EStG § 22 Nr 5 S 1, EStG § 22 Nr 5 S 2, EStG § 34 Abs 1, EStG § 34 Abs 2 Nr 4, BetrAVG § 3
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz , 18. May 2015, Az: 5 K 1792/12
Leitsätze
1. Die einmalige Kapitalabfindung laufender Ansprüche gegen eine der betrieblichen Altersversorgung dienende Pensionskasse unterliegt jedenfalls dann dem regulären Einkommensteuertarif, wenn das Kapitalwahlrecht schon in der ursprünglichen Versorgungsregelung enthalten war. Es handelt sich nicht um ermäßigt zu besteuernde außerordentliche Einkünfte.
2. Die volle Einkommensteuerpflicht von Leistungen aus Pensionskassen nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG tritt schon dann ein, wenn die früheren Beitragszahlungen tatsächlich nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei gestellt waren. Ob die Voraussetzungen des § 3 Nr. 63 EStG bei materiell-rechtlich zutreffender Betrachtung objektiv vorgelegen haben, ist für die Steuerpflicht der Leistungen ohne Belang.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Mai 2015 5 K 1792/12 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wurde im Streitjahr 2010 getrennt zur Einkommensteuer veranlagt. Mit Ablauf des 31. Dezember 2009 war sie kurz nach Vollendung ihres 60. Lebensjahres vorzeitig in den Ruhestand getreten. Im Streitjahr bezog sie u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (eine Sonderzahlung und eine Abfindung), eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine mit dem Ertragsanteil zu versteuernde Leibrente aus einer Zusatzversorgungskasse.
Ferner erhielt sie von einer Pensionskasse eine Kapitalabfindung in Höhe von 16.923,88 €, die dem Grunde nach unstreitig gemäß § 22 Nr. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu besteuern ist. Dem lag eine Entgeltumwandlung zugrunde, die die Klägerin im Jahr 2003 mit ihrem Arbeitgeber vereinbart hatte. Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Pensionskasse (AVB) war Gegenstand des Vertrages eine betriebliche Versorgung i.S. des § 1b Abs. 3 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG). Versicherungsnehmer war der Arbeitgeber, versicherte Person der Arbeitnehmer (hier: die Klägerin). Die monatlichen Altersrentenzahlungen sollten mit dem 1. Januar des Jahres nach Vollendung des 65. Lebensjahres beginnen (§ 4 Abs. 1 AVB), was im Fall der Klägerin einen Rentenbeginn zum 1. Januar 2015 bedeutet hätte. Auf Verlangen des Versicherten war eine vorgezogene Altersrente zu zahlen, wenn eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen wurde (§ 4 Abs. 2 AVB). § 4 Abs. 7 AVB enthielt eine Regelung über eine Kapitalabfindung, deren ersten beiden Sätze wie folgt lauteten: "Soweit keine steuerliche Förderung nach §§ 10a, 79 ff. EStG erfolgt, kann der Versicherungsnehmer im Einvernehmen mit der versicherten Person anstelle der Rente die Kapitalabfindung wählen. Der Antrag muss uns spätestens drei Jahre vor dem Termin, zu dem eine Rente aus diesem Vertrag verlangt werden kann (vgl. § 4 Absätze 1 und 2), zugehen."
Die Klägerin nahm für ihre im Rahmen der Entgeltumwandlung geleisteten Beitragszahlungen die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 63 EStG in Anspruch. Im Zuge der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses beantragte sie mit Zustimmung ihres Arbeitgebers die Kapitalabfindung. Die Pensionskasse verzichtete auf die Einhaltung der in § 4 Abs. 7 Satz 2 AVB genannten Drei-Jahres-Frist.
In ihrer Einkommensteuererklärung 2010 erklärte die Klägerin die Kapitalabfindung als "Nachzahlung für mehrere Jahre", was zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 EStG führen würde. Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2010 vom 2. Januar 2012 legte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) indes den tariflichen Steuersatz zugrunde.
Nach Zurückweisung des Einspruchs hatte die Klage Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte 2015, 1441). Das Finanzgericht (FG) sah die Kapitalzahlung als Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG) an. Dieser Tatbestand sei auf sämtliche Einkunftsarten anwendbar, insbesondere auch auf Einkünfte aus Leibrenten der Basisversorgung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG. Da Einkünfte aus der Basisversorgung (erste Schicht der Alterseinkünfte) sowie aus der betrieblichen Altersversorgung (zweite Schicht) einkommensteuerrechtlich sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen als auch hinsichtlich der Rechtsfolgen grundsätzlich gleichbehandelt würden, müsse aus verfassungsrechtlichen Gründen die Begünstigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG gleichermaßen gewährt werden.
Es handele sich zudem um eine Zusammenballung von Einkünften, da der Gesamtbetrag der Einkünfte der Klägerin im Streitjahr deutlich höher gewesen sei als in den drei Vorjahren. Diese Zusammenballung habe nicht dem vertragsgemäßen oder typischen Ablauf entsprochen, da dieser auf eine monatliche Rentenzahlung gerichtet gewesen sei. Die Klägerin habe die Kapitalauszahlung nur erlangen können, weil ihr Arbeitgeber zugestimmt und die Pensionskasse auf die Einhaltung der Drei-Jahres-Frist verzichtet habe.
Mit seiner Revision rügt das FA, die Zusammenballung entspreche hier dem vertragsgemäßen oder typischen Ablauf und sei daher nicht "außerordentlich". Anders als bei der Basisversorgung ‑‑insbesondere den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung oder von Versorgungswerken‑‑ seien unverfallbare Anwartschaften aus einer betrieblichen Altersversorgung sowohl kapitalisierbar (§ 3 BetrAVG) als auch übertragbar (§ 4 BetrAVG). Erst seit 2005 seien für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 63 EStG engere Kriterien zu erfüllen.
Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.Sie schließt sich dem erstinstanzlichen Urteil an.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
Die Einmalzahlung der Pensionskasse ist nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG steuerbar (dazu unten 1.) und nicht nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt zu besteuern (unten 2.).
1. Die Kapitalauszahlung ist ‑‑wie das FG zu Recht erkannt hat und zwischen den Beteiligten unstreitig ist‑‑ in vollem Umfang nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG zu besteuern. Es handelt sich um Leistungen aus einem Pensionsfonds, die nicht unter § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG fallen.
Das FG hat ‑‑mit Bindungswirkung für den erkennenden Senat und von den Beteiligten nicht angegriffen‑‑ festgestellt, dass die Beiträge "gemäß § 3 Nr. 63 EStG steuerbefreit, d.h. gefördert gewesen sind".
Für die Steuerbarkeit der Leistungen aus dem Pensionsfonds kommt es nicht darauf an, ob die Steuerbefreiung der früheren Beitragszahlungen gemäß § 3 Nr. 63 EStG materiell-rechtlich zu Recht gewährt worden ist.
a) Daran bestehen in Bezug auf den Streitfall für die von der Klägerin ab dem 1. Januar 2005 geleisteten Beiträge Zweifel. § 3 Nr. 63 EStG setzt ab diesem Zeitpunkt voraus, dass die "Auszahlung der zugesagten Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgungsleistungen in Form einer Rente oder eines Auszahlungsplans (§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes ...) vorgesehen ist". Demgegenüber hatte die Pensionskasse vorliegend dem Arbeitgeber ein im Einvernehmen mit der Klägerin auszuübendes Kapitalwahlrecht eingeräumt (§ 4 Abs. 7 AVB), das nicht an besondere Voraussetzungen geknüpft war. Ein solches Kapitalwahlrecht steht außerhalb der in § 3 Nr. 63 EStG aufgeführten Auszahlungsformen (Rente oder qualifizierter Auszahlungsplan) und wirft daher zumindest Zweifel daran auf, ob die Voraussetzungen der Steuerbefreiung in einem derartigen Fall erfüllt sind.
b) Diese Zweifel können an dieser Stelle aber auf sich beruhen. Nach seinem klaren Wortlaut stellt § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG allein auf die (tatsächliche) Anwendung des § 3 Nr. 63 EStG ab, nicht aber darauf, ob auch bei objektiv zutreffender Betrachtung die Voraussetzungen dieser Norm vorgelegen hätten.
Diese Gesetzesauslegung ist auch sinnvoll, um eine genau einmalige Besteuerung sicherzustellen. Ansonsten könnte es vorkommen, dass zwar während der Beitragsphase die Steuerbefreiung in Anspruch genommen wurde, sich aber bei der späteren Überprüfung der Steuerpflicht der Leistungen herausstellt, dass dies zu Unrecht geschehen war. Käme es dann zu einer Steuerfreistellung der Leistungen, obwohl die Steuerfreiheit der Beiträge in der entfernten Vergangenheit möglicherweise nicht mehr rückgängig zu machen wäre, widerspräche dies dem im Bereich der Besteuerung von Alterseinkünften geltenden Prinzip des genau einmaligen Steuerzugriffs ‑‑entweder auf der Beitrags- oder auf der Leistungsseite‑‑ und damit dem Leistungsfähigkeitsprinzip.
2. Die Kapitalabfindung ist nicht als außerordentliche Einkünfte in Gestalt einer Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten gemäß § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt zu besteuern.
a) Das FG hat allerdings zu Recht erkannt, dass § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG grundsätzlich auf alle Einkunftsarten anwendbar ist, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind und im Einzelfall keine Gründe für eine einschränkende Auslegung gegeben sind. Weder dem Wortlaut noch der Systematik noch dem Zweck der Norm lässt sich eine Beschränkung ihres Anwendungsbereichs auf bestimmte Einkunftsarten entnehmen (grundlegend Senatsurteil vom 25. Februar 2014 X R 10/12, BFHE 245, 1, BStBl II 2014, 668, Rz 37 ff.; zur Anwendung auf Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 1 EStG auch Senatsurteil vom 23. Oktober 2013 X R 3/12, BFHE 243, 287, BStBl II 2014, 58, Rz 69).
b) Auch stellt die Kapitalabfindung eine "Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten" dar. Als "Vergütung" in diesem Sinne kommen alle Vorteile von wirtschaftlichem Wert in Betracht, die der Steuerpflichtige im Rahmen der jeweiligen Einkunftsart erzielt (Senatsurteil in BFHE 245, 1, BStBl II 2014, 668, Rz 47 f.). Die "Tätigkeit" besteht bei Alterseinkünften in der früheren Leistung von Beiträgen (Senatsurteil in BFHE 243, 287, BStBl II 2014, 58, Rz 70). Die Voraussetzung der Mehrjährigkeit (vgl. die Legaldefinition in § 34 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG) ist ebenfalls erfüllt, da die früheren Beitragszahlungen der Klägerin sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckten und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfassten.
c) Es fehlt jedoch an der "Außerordentlichkeit" dieser Einkünfte.
Dieses Erfordernis wird sowohl vom Wortlaut des § 34 Abs. 1 EStG als auch von dem des Einleitungssatzes des § 34 Abs. 2 EStG vorausgesetzt. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dient es der Einschränkung des eher weit geratenen Wortlauts des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG (vgl. Senatsurteil in BFHE 245, 1, BStBl II 2014, 668, Rz 33). Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten sind nur dann außerordentlich, wenn die Zusammenballung der Einkünfte nicht dem vertragsgemäßen oder typischen Ablauf der jeweiligen Einkünfteerzielung entspricht (Senatsurteil in BFHE 243, 287, BStBl II 2014, 58, Rz 74, m.w.N.).
aa) Vorliegend war die Geltendmachung der Kapitalabfindung vertragsgemäß, weil sie ihre Rechtsgrundlage ‑‑seit dem Vertragsschluss im Jahr 2003 unverändert‑‑ in § 4 Abs. 7 AVB fand. Dieser Würdigung steht nicht entgegen, dass eine Kapitalauszahlung nach dem Wortlaut der genannten Vertragsklausel nur bei einem Zusammenwirken des Versicherungsnehmers (hier: des Arbeitgebers der Klägerin) mit der versicherten Person (hier: der Klägerin) erlangt werden konnte und der entsprechende Antrag der Pensionskasse spätestens drei Jahre vor dem Rentenbeginn vorliegen musste, wobei die Pensionskasse vorliegend offenbar auf die Einhaltung dieser Frist verzichtet hat. Beide Einschränkungen betreffen lediglich die Modalitäten der Geltendmachung des Kapitalwahlrechts. Sie ändern aber nichts daran, dass es sich bei der Kapitalabfindung um eine im Vertrag vorgesehene Leistung handelt.
bb) Die Kapitalabfindung stellt vorliegend auch keinen atypischen Ablauf in Bezug auf die jeweilige Einkünfteerzielung dar.
(1) Der erkennende Senat hat die Atypik einer Kapitalabfindung allerdings in einem Fall bejaht, in dem die Satzung eines Versorgungswerkes für den Teil des Deckungskapitals, der auf vor dem 1. Januar 2005 (Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes) geleisteten Beitragszahlungen beruhte, ein Kapitalwahlrecht gewährt hatte. Dies hat der Senat mit der Erwägung begründet, die Renten der Basisversorgung würden erst mit Erreichen einer bestimmten Altersgrenze bzw. bei Erwerbsunfähigkeit gezahlt. Nach ihrer Grundkonzeption seien sie als Entgeltersatzleistung auf die Sicherung des Lebensunterhalts gerichtet. Die tatsächliche Verwendung als Altersversorgung werde dadurch grundsätzlich sichergestellt, dass die Ansprüche aus der Basisversorgung weder beleihbar noch vererblich, veräußerbar, übertragbar oder kapitalisierbar seien. Daher seien für den Bereich der Basisversorgung ausschließlich Rentenzahlungen typisch; eine Satzungsregelung, die Kapitalleistungen auch insoweit ermöglichen würde, als sie auf ab dem Jahr 2005 geleisteten Beiträgen beruhten, stünde der Einordnung eines solchen Versorgungswerks als Basisversorgung entgegen. Vor diesem Hintergrund hat der Senat die von einzelnen Versorgungswerken vorgesehene Möglichkeit, Beiträge, die vor 2005 geleistet worden sind, durch eine einmalige Kapitalzahlung abzufinden, als "eng begrenzte und auslaufende Ausnahmeregelung" angesehen (zum Ganzen Senatsurteil in BFHE 243, 287, BStBl II 2014, 58, Rz 75 f.).
(2) Im Streitfall verhält es sich indes in entscheidenden Punkten anders. Das in § 4 Abs. 7 AVB ‑‑einem Klauselwerk, das für eine unbestimmte Vielzahl von Verträgen mit der Pensionskasse gilt‑‑ eingeräumte Kapitalwahlrecht ist weder eng begrenzt noch auslaufend und kann daher nicht als Ausnahmeregelung angesehen werden.
Anders als in dem Fall, über den der Senat mit seinem Urteil in BFHE 243, 287, BStBl II 2014, 58 entschieden hat, ist das Kapitalwahlrecht vorliegend gerade nicht auf diejenigen Beiträge begrenzt, die vor 2005 geleistet worden sind. Es bezieht sich vielmehr unbegrenzt auf das gesamte Deckungskapital, das zum Zeitpunkt des Rentenbeginns vorhanden ist (§ 4 Abs. 7 Satz 3 AVB).
Es ist auch nicht ersichtlich, dass es sich um eine auslaufende Regelung handelt. Vielmehr hat die Klägerin ihre Klage u.a. damit begründet, die Versagung des ermäßigten Steuersatzes für Kapitalabfindungen würde das "Instrument der betrieblichen Altersversorgung komplett unterlaufen", da ein Kapitalwahlrecht für Darlehensablösungen oder Reparaturen an der selbstgenutzten Wohnung erforderlich sei. Dieses Vorbringen spricht dafür, dass die Klägerin davon ausgeht, Kapitalabfindungen gehörten auch künftig zu den Wesensmerkmalen der betrieblichen Altersversorgung und seien Hauptgründe für deren Attraktivität.
(3) Die fehlende Kapitalisierbarkeit von Ansprüchen gehört im Bereich der betrieblichen Altersversorgung nicht in gleichem Maße zum Wesen dieser Versorgungsform wie bei der Basisversorgung.
Dies folgt zwar ‑‑anders als das FA meint‑‑ nicht unmittelbar aus § 3 BetrAVG. Vielmehr sieht diese Regelung eine Kapitalabfindung unverfallbarer Anwartschaften im Falle der ‑‑vorliegend gegebenen‑‑ Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie eine Abfindung laufender Leistungen nur unter eng begrenzten Ausnahmevoraussetzungen vor, die im Streitfall überdies nicht erfüllt sind. Ebenso lässt § 4 BetrAVG eine Übertragung der Verpflichtungen des Arbeitgebers aus unverfallbaren Anwartschaften und laufender Leistungen nur unter eng begrenzten Ausnahmevoraussetzungen ‑‑i.d.R. bei einem Wechsel des Arbeitgebers‑‑ zu. Soweit das FA meinen sollte, auch die Übertragung von Ansprüchen des Arbeitnehmers aus der betrieblichen Altersversorgung auf einen Dritten sei beliebig möglich, findet diese Auffassung keine Grundlage im BetrAVG. § 4 BetrAVG ermöglicht nur die Übertragung auf einen neuen Arbeitgeber, nicht auf einen an die Stelle des Arbeitnehmers tretenden Dritten.
Indes beschränkt § 3 BetrAVG nach ständiger Rechtsprechung der Zivil- und Arbeitsgerichte lediglich die Zulässigkeit solcher Kapitalabfindungen, die im Wege einer Abänderung der ursprünglichen Zusage nachträglich vereinbart werden. Wird hingegen ein von Anfang an im Vertrag enthaltenes Kapitalwahlrecht ausgeübt, handelt es sich um eine Form der Erfüllung des ursprünglichen Anspruchs, die nicht unter § 3 BetrAVG fällt (vgl. Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofs vom 28. September 2009 II ZR 12/09, Deutsches Steuerrecht 2010, 178, und Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 9. Dezember 2008 11 Sa 1580/07 B, Arbeitsrechtliche Entscheidungen 2009, 156, rechtskräftig nach Rücknahme der zunächst eingelegten Revision, beide mit zahlreichen weiteren Nachweisen; Uckermann/Fuhrmanns/Ostermayer/Doetsch, Das Recht der betrieblichen Altersversorgung, Kommentar, 2015, Kapitel 6 § 3 BetrAVG Rz 8; Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber, BetrAVG, § 3 Rz 19).
Die damit gegebene unbeschränkte Zulässigkeit solcher Kapitalwahlrechte, die schon im Zeitpunkt der Zusage der betrieblichen Altersversorgung vereinbart worden sind, zeigt, dass Kapitalwahlrechte in der betrieblichen Altersversorgung ‑‑anders als bei der Basisversorgung‑‑ nicht atypisch sind. Einkünfte aus dem Zufluss solcher Einmalzahlungen sind daher nicht "außerordentlich".
(4) Im Gegensatz zur Auffassung des FG folgt nicht daraus etwas anderes, dass in den AVB zunächst der Rentenanspruch (§ 4 Abs. 1 bis 6 AVB) und erst im Anschluss daran das Recht zur Wahl einer Kapitalabfindung (§ 4 Abs. 7 AVB) geregelt worden ist. Allein diese Reihenfolge der Aufzählung der wählbaren Vertragsleistungen bedeutet nicht, dass nur die Rentenzahlung vertragstypisch wäre und die Kapitalabfindung als atypisch angesehen werden müsste. Inhaltlich unterlag das Kapitalwahlrecht ‑‑abgesehen von dem Erfordernis der Mitwirkung des Arbeitgebers sowie der Einhaltung einer Frist‑‑ keinen Beschränkungen; allein darauf kommt es für Zwecke des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG an.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.