ECLI:DE:BFH:2016:B.230816.VB32.16.0
BFH V. Senat
FGO § 40 Abs 2, FGO § 74, FGO § 76 Abs 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, UStG § 1 Abs 1 Nr 1, UStG § 3 Abs 9a, UStG § 13a Abs 1, UStG § 18 Abs 3, BGB § 744 Abs 1, FGO § 155, ZPO § 251
vorgehend Hessisches Finanzgericht , 24. January 2016, Az: 1 K 2206/13
Leitsätze
1. NV: Richtet sich ein Umsatzsteuerbescheid gegen eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern als Steuerschuldnerin, so ist grundsätzlich nur diese ‑‑und nicht ein einzelner oder mehrere Gemeinschafter‑‑ klagebefugt.
2. NV: Die Gesellschafter einer GbR sind durch einen Umsatzsteuerbescheid, der sich gegen die (bestehende oder vermeintliche) Gesellschaft richtet, nicht beschwert; daher fehlt ihnen für eine persönlich gegen den Umsatzsteuerbescheid gerichtete Klage die Klagebefugnis.
Tenor
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 25. Januar 2016 1 K 2206/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Gründe
Die auf Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) und Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) gestützte Beschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist unbegründet.
I. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Beschwerde zuzulassen, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
1. Erlässt ein Finanzgericht (FG) zu Unrecht ein Prozessurteil, anstatt zur Sache zu entscheiden, liegt darin zwar nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ein die Zulassung der Revision begründender Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (vgl. BFH-Urteil vom 24. September 1985 IX R 47/83, BFHE 145, 299, BStBl II 1986, 268; BFH-Beschluss vom 19. Dezember 2013 IV B 73/13, BFH/NV 2014, 555, m.w.N.).
Im Streitfall hat das FG ‑‑entgegen der Ansicht der Kläger‑‑ deren Klagen zu Recht als unzulässig erachtet, sodass ein Prozessurteil ergehen durfte. Dafür ist es in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht irrelevant, ob die sonstigen Leistungen (Stromeinspeisung) von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (WEG) oder einer personenidentischen, konkludent gegründeten GbR erbracht wurden:
a) Schuldner der Umsatzsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ist der Unternehmer (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG). Dieser hat nach § 18 Abs. 3 UStG für das Kalenderjahr eine Steuererklärung abzugeben. Wer bei einem Umsatz als Leistender ‑‑und damit Unternehmer‑‑ anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei der Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11, BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, unter II.4.a, m.w.N.).
b) Nach den bindenden Feststellungen des FG schloss die Wohnungseigentümergemeinschaft C (WEG) einen Stromeinspeisevertrag mit der E-GmbH; dementsprechend wurden die Gutschriften und Rechnungen an die WEG adressiert. Daraus ergibt sich, dass die WEG sonstige Leistungen (§ 3 Abs. 9a UStG) an die E-GmbH erbrachte. Anhaltspunkte dafür, dass die WEG im Außenverhältnis für eine GbR aufgetreten wäre, ergeben sich weder aus dem Tatbestand des FG-Urteils noch aus dem Vortrag der Kläger.
c) Richtet sich ‑‑wie im Streitfall‑‑ der Umsatzsteuerbescheid gegen eine Gemeinschaft als Steuerschuldnerin, so ist grundsätzlich nur diese ‑‑und nicht ein einzelner oder mehrere Gemeinschafter‑‑ klagebefugt. Diesem Grundsatz entsprechend muss eine Klage im Namen der Gemeinschaft, und zwar gemäß § 744 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) durch alle Gemeinschafter, erhoben werden (vgl. BFH-Beschluss vom 1. September 2010 XI S 6/10, BFH/NV 2010, 2140). Da die Klage vorliegend lediglich von einzelnen Gemeinschaftern (Kläger) und zudem im eigenen Namen erhoben wurde, ist sie zu Recht als unzulässig abgewiesen worden.
d) Selbst wenn ‑‑wie die Kläger behaupten‑‑ eine GbR konkludent gegründet und diese die sonstigen Leistungen erbracht hätte, wäre die von den "Gesellschaftern" (Kläger) erhobene Klage unzulässig. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind die Gesellschafter einer GbR durch einen Umsatzsteuerbescheid, der sich gegen die (bestehende oder vermeintliche) Gesellschaft richtet, nicht beschwert, weil eine Vollstreckung aus diesem Bescheid nur in das Gesellschaftsvermögen erfolgen kann. Daher fehlt den (wirklichen oder vermeintlichen) Gesellschaftern für eine persönlich gegen den Gesellschaftsbescheid gerichtete Klage die Klagebefugnis (BFH-Beschluss vom 5. März 2010 V B 56/09, BFH/NV 2010, 1111, m.w.N.).
2. Das FG hat nicht dadurch gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verstoßen, dass es offen gelassen hat, wer tatsächlich Betreiber des Blockheizkraftwerkes ist (GbR oder WEG).
a) Da die Sachaufklärungspflicht dazu dient, die Spruchreife der Klage herbeizuführen, hat das Gericht nur das aufzuklären, was aus seiner (materiell-rechtlichen) Sicht entscheidungserheblich ist (vgl. BFH-Beschluss vom 23. September 2009 IV B 133/08, BFH/NV 2010, 52, m.w.N.).
b) Das FG ist auf S. 8 seines Urteils vom Fehlen der Klagebefugnis (§ 40 Abs. 2 FGO) ausgegangen. Dabei komme es nicht darauf an, ob die sonstigen Leistungen von der WEG oder einer GbR erbracht wurden. Dies ist zutreffend, wie sich aus den Ausführungen des Senats unter I.1.c und d ergibt.
II. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zum BFH-Beschluss vom 16. Mai 2002 V B 165/01 (BFH/NV 2002, 1061) zuzulassen.
a) Es kann dahinstehen, ob die Kläger tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen des BFH und anderer Gerichte andererseits herausgearbeitet und einander gegenübergestellt und so eine mögliche Abweichung ausreichend verdeutlicht hat. Denn einer Zulassung steht bereits entgegen, dass die Divergenzrüge erst mit dem ‑‑nach Ablauf der Beschwerdefrist eingegangenen‑‑ Schriftsatz vom 4. Juli 2016 erfolgte. Diese Darlegungen der Kläger sind nicht zu berücksichtigen: Entscheidungsgegenstand der Beschwerde sind nur die innerhalb der Beschwerdefrist geltend gemachten Zulassungsgründe (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Juni 1998 V B 103/97, BFH/NV 1999, 315).
b) Darüber hinaus setzt die schlüssige Rüge einer Abweichung der Vorentscheidung in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von einer Entscheidung des BFH oder eines FG voraus, dass in der Divergenzentscheidung über eine revisible Rechtsfrage entschieden wurde. Daran fehlt es ‑‑wie im vorliegenden Fall‑‑ bei einem Beschluss über die Zulassung der Revision (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. April 2014 V B 38/13, BFH/NV 2014, 1106, sowie vom 13. Juli 2004 X B 175/03, BFH/NV 2004, 1544).
III. Der Senat ist durch die Anträge der Kläger auf Ruhen oder Aussetzen des Verfahrens nicht an einer Entscheidung über die Beschwerde gehindert.
1. Ein Ruhen des Verfahrens kann zwar auch hinsichtlich einer Nichtzulassungsbeschwerde angeordnet werden (vgl. BFH-Beschluss vom 23. Juni 1998 V B 160/96, BFH/NV 1999, 83). Eine derartige Anordnung setzt aber übereinstimmende Anträge der Beteiligten voraus (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Juni 2009 V B 154/08, BFH/NV 2009, 1597). Im Streitfall fehlt es daran, weil sich der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) dem entsprechenden Antrag der Kläger nicht angeschlossen hat.
2. Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Im Streitfall ist weder vorgetragen noch für den Senat ersichtlich, dass die Entscheidung über die beim IV. Senat anhängige Revision (IV R 6/16) vorgreiflich für die Entscheidung über die Zulassung der Revision wegen Umsatzsteuer 2011 wäre. Jedenfalls fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit des Verfahrens IV R 6/16 für den Beschluss über die Beschwerde. Denn die Klage war unzulässig, ohne dass es darauf ankommt, ob das Blockheizkraftwerk durch die WEG oder eine konkludent gegründete GbR betrieben wurde.
IV. Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.