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Urteil vom 12. Juli 2016, IX R 11/14

Verfassungsmäßigkeit der Verlustausgleichsbeschränkung bei privaten Veräußerungsgeschäften - Sachliche Unbilligkeit der Erhebung eines Einkommensteueranspruchs

ECLI:DE:BFH:2016:U.120716.IXR11.14.0

BFH IX. Senat

EStG § 22 Nr 2, EStG § 22 Nr 3, EStG § 23 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst b, EStG § 23 Abs 1 S 1 Nr 2, EStG § 23 Abs 1 S 1 Nr 4, EStG § 23 Abs 3 S 6, EStG § 23 Abs 3 S 7, EStG § 23 Abs 3 S 8, EStG § 23 Abs 3 S 9, GG Art 3, GG Art 100, EStG VZ 2005 , EStG VZ 2006

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 25. September 2013, Az: 9 K 9388/12

Leitsätze

1. NV: Wer einem Anderen eine Option einräumt und dafür eine Prämie als Gegenleistung für die Bindung und Risiken erhält, die er durch das Begeben des Optionsrechts eingeht, muss dieses Entgelt auch bei einem wirtschaftlichem Zusammenhang (Begrenzung des Verlustrisikos) mit Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften (Optionshandel) nach § 22 Nr. 3 EStG versteuern .

2. NV: Die Beschränkung des Verlustausgleichs bei privaten Veräußerungsgeschäften durch § 23 Abs. 3 Sätze 6 und 7 (1999) bzw. Sätze 8 und 9 (ab 2000) EStG ist verfassungsgemäß (Bestätigung des BFH-Urteils vom 18. Oktober 2006 IX R 28/05, BFHE 215, 202, BStBl II 2007, 259) .

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. September 2013 9 K 9388/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

  1. I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden in den Streitjahren 1995 bis 2006 als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Nach den Angaben in ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1995 (Abgabe im Jahr 1997), 1996 und 1997 (Abgabe jeweils im Jahr 1998) erzielten sie Einkünfte aus Kapitalvermögen, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) in die Einkommensteuerbescheide der Kläger für das Jahr 1995 vom 19. März 1997, für das Jahr 1996 vom 30. März 1998 (Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 126.318 DM) und für das Jahr 1997 vom 23. März 1999 (Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 91.181 DM) weitgehend übernahm. Außerdem bezog der im Jahr 1943 geborene Kläger ab 1. Januar 1999 eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von anfänglich 26.186,04 DM pro Jahr sowie ab dem 1. Juni 2000 zusätzlich eine Rente aus einer privaten Versicherung.

  2. Der Kläger unterhielt ab dem Jahr 1995 ein Wertpapierdepot bei der C-Bank und in der Folgezeit auch ein Depot bei der Bank A in ... Er wickelte über seine Konten Optionsgeschäfte mit Derivaten ab, bei denen er als Optionsgeber (Stillhalter) von Verkaufsoptionen (sog. Put-Optionen) auf den DAX fungierte. Für die Übernahme der Stillhalterfunktion erhielt der Kläger Prämien. Die Schließung (sog. closing) dieser Optionen erfolgte durch betrags- und laufzeitkongruente Gegengeschäfte (Glattstellungen), für welche der Kläger seinerseits Prämien entrichten musste.

  3. In der Anlage zum Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1997 wies das FA die Kläger darauf hin, dass Spekulationsgewinne nicht erklärt worden seien und bat insoweit um eine Stellungnahme sowie um die Vorlage von Depotauszügen. Mit Schreiben vom 10. Juli 1999 teilte der Kläger mit, dass er in der Vergangenheit vergessen habe, sämtliche Zinserträge anzugeben und demnächst Depotaufstellungen einreichen werde. Hierbei handele es sich um Einnahmen, die bei einer in der Schweiz (...) belegenen Filiale der C-Bank erzielt worden seien. Das FA änderte nach Eingang der entsprechenden Ertragsaufstellungen (31. August 1999) daraufhin am 14. September 1999 die Einkommensteuerbescheide 1995 bis 1997 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) und setzte nunmehr Einkünfte aus Kapitalvermögen von 273.433 DM für das Jahr 1995, 253.801 DM für das Jahr 1996 und 233.546 DM für das Jahr 1997 an.

  4. Das FA berücksichtigte in dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1998 vom 18. August 2000 Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 224.438 DM. Im Rahmen einer Außenprüfung für die Jahre 1995 bis 1999 ermittelte die Prüferin nachfolgende Einkünfte des Klägers aus Wertpapiergeschäften, die das FA in den jeweiligen Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1995 bis 1999 der Besteuerung zugrunde legte:

  5. Jahr 1995:

    Einkünfte aus Leistungen (Stillhalterprämien) in Höhe von

    63.778 DM

    Jahr 1996:

    Einkünfte aus Leistungen (Stillhalterprämien) in Höhe von

    99.781 DM

            

    Einkünfte aus Spekulationsgeschäften  in Höhe von

    7.806 DM

    Jahr 1997:

    Einkünfte aus Leistungen (Stillhalterprämien) in Höhe von

    334.123 DM

            

    Einkünfte aus Spekulationsgeschäften in Höhe von

    4.177 DM

    Jahr 1998:

    Verluste aus Spekulationsgeschäften

    ./. 43.222,16 DM

            

    Procter (Kauf 25. Juli 1997)

    +  3.086,84 DM

            

    Schering (Kauf 21. Oktober 1997)

    + 21.638,80 DM

                    

    ./. 18.496,52 DM

            

    zuzüglich Erwerb einer Verkaufsoption 2. Juli 1998

    + 57.250,80 DM

            

    Glattstellung 13. August 1998

    ./. 208.630,00DM

            

    (im Rahmen des § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG)=

    ./. 151.379,20 DM

            

    wegen Erfassung gemäß § 23 EStG:

    151.379,20 DM

            

    Summe der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften

    132.882,68 DM

            

    Verrechnung (Rücktrag Jahr 1999):

    ./. 132.882,68 DM

                    

    0 DM   

            

    Einkünfte aus Leistungen (Stillhalterprämien) in Höhe von

    638.738 DM

    Jahr 1999:

    Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von

    244.276 DM

            

    Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von

    ./. 1.021.297 DM

            

    (davon gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ./. 822.727,56 DM und gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG ./. 198.569,82 DM)

            
            

    Einkünfte aus Leistungen (= Stillhalterprämien) in Höhe von

    608.217 DM.

  6. Das FA hat den Verlust des Jahres 1999 aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 132.882 DM in das Vorjahr 1998 zurückgetragen und mit Bescheid vom 23. Juli 2003 einen verbleibenden Verlustvortrag aus privaten Veräußerungsgeschäften zum 31. Dezember 1999 in Höhe von 888.415 DM festgestellt.

  7. Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. März 2004  2 BvL 17/02 (BStBl II 2005, 56), wonach die Erfassung von Spekulationsgewinnen in den Jahren 1997 und 1998 wegen Nichtigerklärung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG verfassungswidrig sei, änderte das FA am 1. Juni 2004 den noch nicht bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1997 und setzte keine Einkünfte aus Spekulationsgeschäften mehr an. Die Berichtigungen des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1998 vom 1. Juni 2004 sowie vom 15. Juli 2004 (gemäß § 129 AO) führten wegen der Verrechnung mit den im Jahre 1999 festgestellten Verlusten zu keiner Änderung der Einkommensteuer.

  8. In dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2000 vom 31. August 2005 ermittelte das FA das Ergebnis für die Options- und Wertpapiergeschäfte wie folgt:

  9. "Einnahmen lt. Aufstellung

    278.705 DM

    ./. Verlust cash-settlement

    +   243.662 DM

    ./. Werbungskosten

    ./.  27.699 DM

    = Einkünfte § 22 Nr. 3 EStG

    494.668 DM

    Einnahmen § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

    ./. 418.118 DM

    + Einnahmen § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG

            

    = Verlust cash-settlement

    ./. 243.662 DM

    ./. Werbungskosten

    ./.  37.845 DM

    = Einkünfte § 23 EStG

    ./. 699.625 DM

    Einkünfte aus cash-settlement fallen unter § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG ...".

            

  10. In dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2001 vom 31. August 2005 berechnete das FA das Ergebnis für die Options- und Wertpapiergeschäfte wie folgt:

  11. "Einnahmen lt. Aufstellung

    ./. 356.071 DM

    ./. Verlust cash-settlement

    + 1.007.404 DM

    Werbungskosten

    ./. 28.429 DM

    Einkünfte § 22 Nr. 3 EStG

    622.904 DM

    Einnahmen § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

    ./. 415.835 DM

    + Einnahmen § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4

    = Verlust cash-settlement

    ./. 1.007.404 DM

    Werbungskosten

    ./. 20.961 DM

    Einkünfte § 23 EStG

    ./. 1.444.200 DM."

  12. In den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2002 bis 2006 setzte das FA die Einkünfte aus den Stillhalter- und Optionsgeschäften in € wie folgt an:

  13. Jahr 

    2002

    2003

    2004

    Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften

    0

    0

    0

    Einkünfte aus Leistungen

    - 245.799

    45.683

    48.420

    Jahr 

    2005

    2006

    Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (nach Verrechnung von Vorträgen)

    0

    0

    Einkünfte aus Leistungen

    24.067

    35.784

  14. In den Bescheiden zum 31. Dezember 2000, zum 31. Dezember 2001, zum 31. Dezember 2002, zum 31. Dezember 2003, zum 31. Dezember 2004, zum 31. Dezember 2005 und zum 31. Dezember 2006 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer wurde der verbleibende Verlustvortrag für den Kläger bis zum Jahr 2001 in DM/ab dem Jahr 2002 in € wie folgt festgestellt:

  15. Jahr

    2000

    2001

    2002

    Sonstige Einkünfte

    -

    -

    183.965

    Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften

    1.588.040

    3.032.240

    2.061.645

    Jahr

    2003

    2004

    2005

    Sonstige Einkünfte

    93.281

    15.336

    -

    Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften

    2.213.181

    2.225.602

    2.229.957

    Jahr

    2006

    Sonstige Einkünfte

    -

    Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften

    2.229.957

  16. Nach Klageerhebung hat der Kläger folgende Einkünfte aus Kapitalvermögen (insbesondere Dividenden und Zinsen), die er bei Schweizer Banken erzielte, nacherklärt:
    Jahr 1998: 59.529 DM; Jahr 1999: 62.209 DM;
    Jahr 2000: 65.570 DM; Jahr 2001: 63.550 DM;
    Jahr 2002: 27.725 €; Jahr 2003: 19.494 €;
    Jahr 2004: 12.712 €; Jahr 2005: 16.789 €;
    Jahr 2006: 17.791 €.

  17. Die daraufhin vom FA erlassenen Änderungsbescheide beinhalten folgende Festsetzungen bzw. Feststellungen:

  18. Bescheid für Jahr

    mit Datum

    Festgesetzte ESt bzw. verbleibender Verlustvortrag

    Einkommensteuer 1998

    27. Dezember 2010

    187.143,57 €

    Einkommensteuer 1999

    20. Januar 2011

    212.591,59 €

    Einkommensteuer 2000

    3. Mai 2011

    182.319,02 €

    Einkommensteuer 2001

    17. Mai 2011

    186.296,36 €

    Einkommensteuer 2002

    2. August 2011

    0 €

    Feststellung Verlust zum 31. Dezember 2002

    2. August 2011

    § 22 EStG   156.240 €
    § 23 EStG  2.061.645 €

    Einkommensteuer 2003

    2. August 2011

    0 € 

    Feststellung Verlust zum 31. Dezember 2003

    2. August 2011

    § 22 ESt     46.062 €
    § 23 EStG 2.213.181 €

    Einkommensteuer 2004

    25. August 2011

    2.379 €

    Feststellung Verlust zum 31. Dezember 2004

    25. August 2011

    § 22 EStG          0 €
    § 23 EStG 2.225.602 €

    Einkommensteuer 2005

    14. September 2011

    10.825 €

    Einkommensteuer 2006

    19. Oktober 2011

    17.665 €

    Feststellung Verlust zum 31. Dezember 2006

    23. September 2009

    § 23 EStG 2.229.957 €

  19. Die Einsprüche und die Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) beurteilte die Einkünfte aus der Glattstellung der von dem Kläger erworbenen Optionsrechte als steuerbare private Veräußerungsgeschäfte i.S. des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Das Gegengeschäft, mit dem der Optionsberechtigte seine Position glattstelle, führe zu einer Veräußerung der Option. Die Prämien, die der Kläger aus der Einräumung von Optionen als Stillhalter vereinnahmt habe, seien abzüglich der Aufwendungen für die Glattstellung dieser Stillhaltergeschäfte als Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG (Einkünfte aus Leistungen) zu erfassen. Eine Verrechnung von Einkünften aus den Spekulationsgeschäften mit den Einkünften aus Stillhaltergeschäften sei nicht möglich.

  20. Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§§ 22 Nr. 2 und 3, 23 EStG). Die Trennung des Stillhaltergeschäfts von dem Barausgleich und die Versagung der steuerrechtlichen Verrechnung dieser beiden Positionen werde dem zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Sachverhalt nicht gerecht und führe zu verfassungswidrigen Ergebnissen. Eine Besteuerung verstoße gegen das objektive und subjektive Nettoprinzip sowie Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Es kämen verschiedene Möglichkeiten zur Verrechnung der vereinnahmten Stillhalterprämien mit den Ausgleichszahlungen in Betracht, die eine rechtmäßige Besteuerung ermöglichten.

  21. Die Kläger beantragen,
    das angefochtene Urteil des FG und die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 2006 sowie die gesonderten Feststellungsbescheide über die verbleibenden Verlustvorträge zum 31. Dezember 2000 bis zum 31. Dezember 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen und Änderungsbescheide dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus den vereinnahmten Stillhalterprämien mit den Verlusten aus den Abschlussgeschäften (Barausgleich bzw. cash-settlement) verrechnet werden,
    hilfsweise das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen,
    hilfsweise das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG darüber einzuholen, ob die Besteuerung von Stillhaltergeschäften nach den §§ 22, 23 EStG in den im Streitzeitraum gültigen Fassungen verfassungswidrig ist.

  22. Das FA beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

  2. Zutreffend hat das FG den Differenzbetrag zwischen den bei Abschluss des Eröffnungsgeschäfts gezahlten (Anschaffungskosten) und den bei Abschluss des Gegengeschäfts vereinnahmten Optionsprämien (Veräußerungspreis) als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG im Streitjahr 1996 bzw. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in den Streitjahren ab 1999 erfasst (1.). Es hat ferner zu Recht die Prämien, welche der Kläger aus der Einräumung von Optionen als Stillhalter vereinnahmte, als Einkünfte aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG erfasst (2.) und die Verrechnung der (negativen) Einkünfte des Klägers aus den privaten Veräußerungsgeschäften mit den (positiven) Einkünften aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG abgelehnt (3.). Die Besteuerung der privaten Veräußerungs- und Stillhaltergeschäfte verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG und nicht gegen das objektive oder subjektive Nettoprinzip (4.). Die Hilfsanträge sind unbegründet (5.). Über einen etwaigen Erlass aus Billigkeitsgründen hat der Senat nicht zu entscheiden (6.).

  3. 1. Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) sind gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (bzw. Nr. 1 Buchst. b im Streitjahr 1996) EStG Veräußerungsgeschäfte von Wirtschaftsgütern, insbesondere bei Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr (bzw. sechs Monate im Streitjahr 1996) beträgt. Zu den Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines Spekulationsgeschäfts sein können, zählen auch Optionen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 24. Juli 1996 X R 139/93, BFH/NV 1997, 105; vom 24. Juni 2003 IX R 2/02, BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752, und vom 11. Februar 2014 IX R 10/12, BFH/NV 2014, 1020). Werden ‑‑wie nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und damit nach § 118 Abs. 2 FGO den Senat bindenden Feststellungen des FG im Streitfall‑‑ die erworbenen Optionsrechte durch Gegengeschäfte innerhalb der Veräußerungsfrist glattgestellt, verwirklicht sich in Höhe der Differenz zwischen der bei Abschluss des Eröffnungsgeschäfts gezahlten und der bei Abschluss des Gegengeschäfts vereinnahmten Optionsprämien der Steuertatbestand des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG im Streitjahr 1996 bzw. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in den Jahren ab 1999.

  4. 2. Einkünfte aus Leistungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH u.a. Entgelte, die der Stillhalter als Entschädigung für die Bindung und die Risiken, die er durch das Begeben des Optionsrechts eingeht und unabhängig vom Zustandekommen des Basisgeschäfts allein für das Stillhalten erhält (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 29. Juni 2004 IX R 26/03, BFHE 206, 418, BStBl II 2004, 995; in BFH/NV 2014, 1020).

  5. a) Der BFH trennt zwischen Eröffnungs-, Basis- und Gegengeschäft (so BFH-Urteile in BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752; vom 18. Dezember 2002 I R 17/02, BFHE 201, 234, BStBl II 2004, 126, und vom 17. April 2007 IX R 40/06, BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608). Deshalb bilden das die Prämie auslösende Begeben einer Option und das nachfolgende Geschäft (z.B. Glattstellung oder Basisgeschäft) kein einheitliches Termingeschäft. Der Optionsgeber erhält die Prämie als Gegenleistung für eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung, nämlich für seine vertraglich eingegangene Bindung und das damit verbundene Risiko, in Anspruch genommen zu werden. Er behält sie auch dann, wenn er aus der Option nicht in Anspruch genommen wird und ein Basisgeschäft nicht durchführen muss (s. auch BFH-Urteil vom 28. November 1990 X R 197/87, BFHE 163, 175, BStBl II 1991, 300, und in BFH/NV 2014, 1020).

  6. b) An dieser Auffassung hält der BFH ‑‑wie er bereits im Urteil in BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608, m.w.N. entschieden hat‑‑ auch für die Rechtslage nach Einführung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG fest (so auch Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 27. November 2001, BStBl I 2001, 986 ff., Rz 24 und 27): Die Stillhalterprämie ist nicht zusammen mit den anderen Optionsgeschäften einheitlich § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zuzuordnen, da die Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift nicht erfüllt sind. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG betrifft lediglich Optionen, die der Berechtigte erwirbt, nicht aber solche, die er einräumt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608; Heuermann, Der Betrieb 2004, 1848, 1852). Der Senat verweist zur weiteren Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil in BFH/NV 2014, 1020.

  7. 3. Das FG hat zu Recht die Verrechnung der (negativen) Einkünfte des Klägers aus den privaten Veräußerungsgeschäften mit den (positiven) Einkünften aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG abgelehnt.

  8. a) Der Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 6 (1999) bzw. Satz 8 (ab 2000) EStG schließt einen solchen sog. vertikalen Verlustausgleich zwischen privaten Veräußerungsverlusten i.S. des § 23 Abs. 1 EStG und positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausdrücklich aus. Danach sind Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nur bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat, auszugleichen, nicht aber nach § 10d EStG abzuziehen. Sie mindern lediglich nach Maßgabe des § 10d EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften nach Abs. 1 erzielt hat oder erzielt (§ 23 Abs. 3 Satz 7 ‑‑1999‑‑ bzw. Satz 9 ‑‑ab 2000‑‑ EStG).

  9. b) Die Beschränkung des Verlustausgleichs bei privaten Veräußerungsgeschäften durch § 23 Abs. 3 Sätze 6 und 7 (1999) bzw. Sätze 8 und 9 (ab 2000) EStG ist ‑‑entgegen der Auffassung der Kläger‑‑ verfassungsgemäß. Der Senat verweist insofern auf sein Urteil vom 18. Oktober 2006 IX R 28/05 (BFHE 215, 202, BStBl II 2007, 259). Anders noch als zur früheren Rechtslage vor Geltung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG fällt ein durch einen Barausgleich vermittelter Verlust im Basisgeschäft nicht mehr in die nicht steuerbare Vermögensebene, sondern kann im Rahmen der Einkunftsart des § 22 Nr. 2 EStG (private Veräußerungsgeschäfte, § 23 Abs. 1 EStG) ausgeglichen oder abgezogen werden.

  10. Aus dem Beschluss des BVerfG vom 11. Oktober 2010  2 BvR 1710/10 (BFH/NV 2011, 180) folgt nichts anderes. Dort hat das BVerfG bei der in einem Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung zwar Zweifel daran, ob eine Besteuerung unter getrennter Erfassung von Options- und Basisgeschäft verfassungsgemäß ist, nicht für völlig ausgeschlossen gehalten. Die dortigen Ausführungen beruhen indes auf den Besonderheiten eines Eilverfahrens und der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung und sind daher nicht auf den Streitfall übertragbar. Abweichend vom vorliegenden Fall war dort ausschlaggebend, dass gerichtlicher Rechtsschutz namentlich in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeten Tatsachen zuvorzukommen hat, die dann, wenn sich eine Maßnahme bei (endgültiger) richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1020).

  11. 4. Anders als die Kläger insbesondere in den Schriftsätzen vom 16. Mai 2014 und 29. April 2016 sowie im Vortrag in der mündlichen Verhandlung meinen, verstößt die Besteuerung der privaten Veräußerungs- und Stillhaltergeschäfte nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, gegen das objektive oder subjektive Nettoprinzip (vgl. auch BFH-Urteile vom 29. November 2005 IX R 49/04, BFHE 211, 330, BStBl II 2006, 178; in BFHE 215, 202, BStBl II 2007, 259; BVerfG-Beschluss vom 10. Januar 2008  2 BvR 294/06, BFH/NV 2008, Beilage 2, 161 ‑‑Nichtannahmebeschluss‑‑; BFH-Beschluss vom 19. Dezember 2007 IX B 219/07, BFHE 219, 353, BStBl II 2008, 382; BFH-Urteile vom 19. August 2008 IX R 71/07, BFHE 222, 484, BStBl II 2009, 13; in BFH/NV 2014, 1020; BVerfG-Beschluss vom 28. September 2015  2 BvR 1109/14, nicht veröffentlicht ‑‑Nichtannahmebeschluss‑‑). Vielmehr ist ihr Ergebnis (kein Abzug der durch das private Veräußerungsgeschäft erlittenen Verluste bei den Einkünften aus § 22 Nr. 3 EStG) die folgerichtige Ausprägung der Systematik des § 22 Nr. 2 und 3 EStG. Das Stillhalten ist eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung, die losgelöst von dem nachfolgenden Effektengeschäft und damit auch unabhängig davon zu beurteilen ist, ob es zu einer Abnahme oder Lieferung von Basiswerten oder von vornherein lediglich zu einem Ausgleich in Geld kommt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 201, 234, BStBl II 2004, 126, unter II.2.a; in BFH/NV 2014, 1020).

  12. Damit hält der Senat an seiner in den Urteilen in BFHE 206, 418, BStBl II 2004, 995 und in BFHE 211, 330, BStBl II 2006, 178 zum Ausdruck gekommenen Rechtsprechung fest (zu den Gründen vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1020).

  13. 5. Aus den vorstehenden Gründen folgt, dass die Hilfsanträge der Kläger unbegründet sind. Die für eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG erforderliche Überzeugung des Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der Besteuerung der privaten Veräußerungs- und Stillhaltergeschäfte liegt nicht vor. Einer durch das Zusammenwirken verschiedener Regelungen entstandenen Einkommensteuerschuld, der in Wirklichkeit keinerlei Zuwachs an Leistungskraft zugrunde liegt, kann durch einen etwaigen Erlass aus Billigkeitsgründen begegnet werden (sogleich unter 6.).

  14. 6. Das BVerfG hat eine Verfassungspflicht zum Billigkeitserlass festgestellt, wenn die Anwendung eines nicht zu beanstandenden Gesetzes in Einzelfällen zu einem "ungewollten Überhang" führt (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 5. April 1978  1 BvR 117/73, BVerfGE 48, 102, BStBl II 1978, 441, dort unter C.II.3.; vom 10. November 1998  2 BvR 1852/97, 2 BvR 1853/97, BVerfGE 99, 273, BStBl II 1999, 194). Die Erhebung einer durch das Zusammenwirken verschiedener Regelungen entstandenen Einkommensteuerschuld, der in Wirklichkeit keinerlei Zuwachs an Leistungskraft zugrunde liegt, verstößt gegen das für das gesamte Steuerrecht geltende Übermaßverbot und gegen das besonders das Einkommensteuerrecht beherrschende Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 22. Februar 1984  1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214, BStBl II 1984, 357, dort unter C.I.2., und vom 25. September 1992  2 BvL 5/91, 8/91 und 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413; BFH-Urteil vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297). Dem kann durch einen in diesem Verfahren nicht gegenständlichen und daher nicht zu entscheidenden Billigkeitserlass begegnet werden (vgl. BFH-Urteile vom 11. Februar 2014 IX R 46/12, BFH/NV 2014, 1025; in BFH/NV 2014, 1020).

  15. 7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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