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Beschluss vom 31. Mai 2016, V B 26/16

Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde - "Wiedereinsetzung" in die nach positiver Entscheidung über PKH-Gesuch versäumte Wiedereinsetzungsfrist

BFH V. Senat

FGO § 56 Abs 2 S 2, FGO § 56 Abs 2 S 3, FGO § 62 Abs 4, FGO § 116 Abs 1, FGO § 116 Abs 2, FGO § 142

Leitsätze

NV: "Wiedereinsetzung" in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist ist zu gewähren, wenn aus Unkenntnis des erfolgreich Prozesskostenhilfe (PKH) beantragenden Beschwerdeführers die bereits von ihm persönlich eingelegte Beschwerde und die Wiedereinsetzung nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung der PKH-Bewilligung, aber umgehend nach der Bevollmächtigung vom postulationsfähigen Vertreter (wiederholt) eingelegt bzw. beantragt wird .

Tenor

Dem Antragsteller wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Tatbestand

  1. I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat gegen das am 12. Februar 2016 zugestellte Urteil des Finanzgerichts innerhalb der Beschwerdefrist ohne Beachtung des Vertretungszwanges Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Daraufhin hat der Senat mit am 15. April 2016 zugestelltem Beschluss vom 18. März 2016 V S 7/16 dem PKH-Antrag des Klägers stattgegeben und ihm antragsgemäß einen Rechtsanwalt oder Steuerberater seiner Wahl beigeordnet.

  2. Mit Schreiben vom 11. Mai 2016, beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen am 17. Mai 2016, zeigte der Prozessbevollmächtigte seine Vertretung an. Nach sofortigem telefonischem Hinweis der Geschäftsstelle des Senates vom 18. Mai 2016 auf das Erfordernis eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragte er mit Fax vom 19. Mai 2016 Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist und holte die versäumte Rechtshandlung ‑‑die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde unter Beachtung des Vertretungszwanges‑‑ nach. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags trug er vor, der Kläger habe keine Kenntnis vom Vertretungszwang für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gehabt und sei auf weitere Fristen nicht hingewiesen worden. Er habe keine Möglichkeit gehabt, zu einem früheren Zeitpunkt einen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt zu finden. Er sei davon ausgegangen, die Nichtzulassungsbeschwerde bereits eingelegt zu haben.

Entscheidungsgründe

  1. II. 1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die nach Ablauf der Beschwerdefrist (14. März 2016) erhobene verspätete Nichtzulassungsbeschwerde des Bevollmächtigten vom 19. Mai 2016 ist stattzugeben.

  2. a) Ein mittelloser Steuerpflichtiger ist an der formgerechten Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde bis zur Entscheidung über seinen Antrag auf PKH als unverschuldet verhindert anzusehen, sodass ihm nach der Entscheidung über das PKH-Gesuch grundsätzlich Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist zu gewähren ist. Voraussetzung für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist, dass der Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt wird (§ 56 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) und die versäumte Rechtshandlung nachgeholt wird (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO).

  3. b) Im Streitfall ist die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist zwar versäumt. Wird die beantragte PKH durch Beiordnung eines Rechtsbeistandes seiner Wahl gewährt, ist das in der Mittellosigkeit begründete Hindernis mit Zustellung des Beschlusses über die PKH-Gewährung (vorliegend 15. April 2016) weggefallen (BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2011 III B 92/10, BFH/NV 2012, 421; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 56 FGO Rz 190, 191), sodass die zweiwöchige Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung und die Nachholung der versäumten Handlung am 29. April 2016 ablief (§ 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Antrag auf Wiedereinsetzung und die Einlegung der Beschwerde durch einen hierzu befugten Vertreter erfolgten erst am 19. Mai 2016.

  4. Zwar ist eine Rechtsbehelfsbelehrung darüber, dass nach Gewährung der PKH die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde durch einen hierzu befugten Vertreter erforderlich ist, gesetzlich nicht vorgesehen. Jedoch geht der Senat davon aus, dass die Versäumung der Frist, die dem Kläger nicht bekannt war und auch nicht bekannt sein musste, entschuldigt ist. Nachdem dem Kläger vom Senat PKH zum Zwecke der Beiordnung eines am BFH postulationsfähigen Vertreters bewilligt worden war und der Kläger bereits eine Nichtzulassungsbeschwerde ‑‑wenn auch ohne den hierzu befugten Vertreter‑‑ eingelegt hatte, wäre das Erfordernis, binnen zwei Wochen unter Wiederholung der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde einen Wiedereinsetzungsantrag beim Senat zu stellen eine Förmlichkeit, mit der der nicht vertretene Kläger nicht zu rechnen braucht. Die Situation eines Antragstellers, dem PKH für die Beiordnung eines Prozessvertreters bewilligt worden ist, unterscheidet sich grundlegend vom Wiedereinsetzungsantrag z.B. eines Klägers, der die Klagefrist aufgrund eines besonderen Ereignisses (z.B. Verkehrsunfalls) versäumt hat und nun erstmals dem Gericht den Wiedereinsetzungsantrag mit den ihm unbekannten Gründen für die Fristversäumnis unterbreitet. Der Bevollmächtigte hat auch umgehend nach seiner Bevollmächtigung den Wiedereinsetzungsantrag und die Einlegung einer formgerechten Nichtzulassungsbeschwerde nachgeholt. Ihm ist deshalb die begehrte "Wiedereinsetzung" in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist zu gewähren.

  5. 2. Eine Kostenentscheidung für den Wiedereinsetzungsantrag war nicht zu treffen, weil es sich hierbei um einen unselbständigen Teil des Verfahrens handelt.

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