BFH V. Senat
FGO § 51 Abs 1 S 1, ZPO § 42 Abs 2, ZPO § 44 Abs 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, FGO § 65 Abs 1 S 1
vorgehend Thüringer Finanzgericht , 30. September 2015, Az: 1 K 60/15
Leitsätze
1. NV: Eine angeblich rechtsfehlerhafte Entscheidung in einem Parallelverfahren begründet grundsätzlich keine Besorgnis der Befangenheit des Richters (vgl. BFH-Beschluss vom 26.03.2014 IX B 83/13) .
2. NV: Zur Bezeichnung des Klägers (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO) gehört vorbehaltlich besonderer Umstände die Angabe des tatsächlichen Wohnorts als ladungsfähiger Anschrift, und zwar auch dann, wenn der Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist (vgl. BFH-Rechtsprechung) .
Tenor
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Thüringer Finanzgerichts vom 1. Oktober 2015 1 K 60/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Sofern Zulassungsgründe überhaupt in einer den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form geltend gemacht wurden, liegen sie jedenfalls nicht vor.
1. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen. Ein solcher Verfahrensmangel ergibt sich weder aus der Behandlung der Befangenheitsgesuche der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) als rechtsmissbräuchlich und offensichtlich unzulässig noch aus der Abweisung der Klage als unzulässig.
a) Die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs durch das Finanzgericht (FG) begründet keinen Verfahrensmangel.
aa) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 der Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es darauf an, ob der Prozessbeteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlass hat, die Voreingenommenheit des oder der abgelehnten Richter zu befürchten. Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 44 Abs. 2 ZPO sind die das Misstrauen in die Unparteilichkeit rechtfertigenden Umstände im Ablehnungsgesuch substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen (zum Ganzen Senatsbeschluss vom 10. März 2015 V B 108/14, BFH/NV 2015, 849, Rz 5, m.w.N.).
bb) Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen können nach § 128 Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde und damit grundsätzlich auch nicht mit einer Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden (§ 124 Abs. 2 FGO). Geltend gemacht werden können somit nur solche Verfahrensmängel, die als Folge der Ablehnung des Befangenheitsgesuchs dem angefochtenen Urteil anhaften. Ein Zulassungsgrund ist daher nur dann gegeben, wenn die Ablehnung entweder gegen das Willkürverbot verstößt oder ein Verfahrensgrundrecht wie den Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) verletzt wird. Auch das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter schützt indes nur vor willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften. Eine Besetzungsrüge kann deshalb auch nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn sich dem Beschwerdevorbringen entnehmen lässt, dass der Beschluss über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich war (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 25. Juli 2005 VII B 2/05, BFH/NV 2005, 2035, sowie vom 13. Januar 2003 III B 51/02, BFH/NV 2003, 640; Senatsbeschluss in BFH/NV 2015, 849, Rz 6).
cc) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die Kläger haben den Inhalt ihrer Ablehnungsgesuche nicht mitgeteilt. Auch die von ihnen in Bezug genommene Niederschrift über die mündliche Verhandlung enthält dazu keine näheren Angaben. Der Senat entscheidet daher auf Grundlage der Tatsachen, die sich aus dem Urteil ergeben (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. September 2001 GrS 3/98, BFHE 196, 39, BStBl II 2001, 802, unter C.III.2.b bb). Danach ist für eine greifbar gesetzwidrige Zurückweisung nichts ersichtlich.
b) Das FG war trotz des Befangenheitsantrages des Klägers nicht gehindert, in seiner geschäftsverteilungsplanmäßigen Besetzung über die Klage zu entscheiden.
aa) Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO richtet sich die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch nach den §§ 45, 47 ZPO. Danach wirkt der abgelehnte Richter an der Entscheidung grundsätzlich nicht mit. Von diesem Grundsatz gilt jedoch dann eine Ausnahme, wenn die Ablehnung missbräuchlich ist (BFH-Beschluss vom 8. Oktober 1997 I B 103/97, BFH/NV 1998, 475, m.w.N.). Dies ist der Fall, wenn der Antrag offenbar grundlos ist (BFH-Beschluss vom 10. August 1987 X B 29/87, BFH/NV 1988, 103) oder nur der Verschleppung dient (BFH-Beschluss vom 12. November 2009 IV B 66/08, BFH/NV 2010, 671).
bb) Das Ablehnungsgesuch ist rechtsmissbräuchlich. Der Senat entscheidet auch insofern anhand des Inhalts des FG-Urteils (vgl. unter a cc). Danach hat der Kläger die Berufsrichter abgelehnt, weil zwei von ihnen in Parallelverfahren Befangenheitsanträge gegen den dritten zurückgewiesen haben. Eine angeblich rechtsfehlerhafte Entscheidung in einem Parallelverfahren begründet aber grundsätzlich keine Besorgnis der Befangenheit (BFH-Beschluss vom 26. März 2014 IX B 83/13, Rz 4). Hinzu kommt im Streitfall, dass der BFH in dem Parallelverfahren keine Anhaltspunkte für eine greifbar gesetzeswidrige oder willkürliche Entscheidung gesehen hat. Zu Recht hat das FG die Ablehnung daher als offenbar grundlos erachtet und auf verfahrensfremde Zwecke geschlossen.
cc) Ist das Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich und deshalb offensichtlich unzulässig, entscheidet das Gericht darüber in der nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Besetzung, ohne dass es einer vorherigen dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richter nach § 51 FGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO bedarf (z.B. BFH-Beschluss vom 1. April 2003 VII S 7/03, BFH/NV 2003, 1331). In diesem Fall ist es auch nicht notwendig, über den Antrag in einem besonderen Beschluss zu entscheiden, sondern es kann im Urteil darüber mitentschieden werden (BFH-Beschlüsse vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422; vom 21. November 2002 VII B 58/02, BFH/NV 2003, 485, und vom 31. August 1999 V B 53/97, V S 13/99, BFH/NV 2000, 244).
c) Auch die Klageabweisung als unzulässig begründet keinen Verfahrensfehler. Weist das FG eine Klage zu Unrecht durch Prozessurteil als unzulässig ab, statt zur Sache zu entscheiden, liegt ein Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vor (Senatsbeschluss vom 25. März 2015 V B 163/14, BFH/NV 2015, 948, Rz 2, m.w.N.). Das FG hat die Klage aber zu Recht durch Prozessurteil abgewiesen, da die Klage nicht ordnungsgemäß erhoben worden war.
aa) Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss die Klage u.a. den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH gehört zur Bezeichnung des Klägers vorbehaltlich besonderer Umstände die Angabe des tatsächlichen Wohnorts als ladungsfähiger Anschrift, und zwar auch dann, wenn der Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist (vgl. BFH-Urteile vom 28. Januar 1997 VII R 33/96, BFH/NV 1997, 585; vom 11. Dezember 2001 VI R 19/01, BFH/NV 2002, 651; vom 17. Juni 2010 III R 53/07, BFH/NV 2011, 264; BFH-Beschlüsse vom 7. Dezember 2007 VII S 17/07 (PKH), BFH/NV 2008, 589; vom 20. Dezember 2012 I B 38/12, Rz 3; vom 30. Juni 2015 X B 28/15, BFH/NV 2015, 1423, Rz 11). Nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO kann das FG dem Kläger für die Ergänzung der Klage eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO genannten Erfordernisse fehlt.
bb) Das FG hat sich in für den Senat nicht zu beanstandender Weise davon überzeugt, dass die Kläger an keiner der in der Klageschrift angegebenen Adressen tatsächlich wohnten. Die von dem FG gesetzte Ausschlussfrist zur Ergänzung der Klage ist fruchtlos verstrichen.
2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
a) Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt voraus, dass der Streitfall eine Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Allgemeinheit klärungsbedürftig und im gegebenenfalls zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 24. Juli 2014 III B 28/13, BFH/NV 2014, 1741, Rz 3). An der Klärungsfähigkeit fehlt es, wenn die vermeintlich aufgeworfene Rechtsfrage von einem anderen als dem vom FG festgestellten, mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht angegriffenen Sachverhalt ausgeht (Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 V B 122/15, Rz 10, m.w.N.).
b) Die Beschwerde zeigt keine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage auf. Sie lässt nicht erkennen, weshalb hinsichtlich der Angabe des tatsächlichen Wohnorts trotz der unter 1.c aa genannten Entscheidungen des BFH weiterer Klärungsbedarf bestehen soll.
Die von den Klägern für rechtsentscheidend gehaltene Frage, wie zu verfahren sei, wenn der Kläger über keinen Wohnsitz verfüge, würde sich im Streitfall nicht stellen. Die Behauptung der Kläger, sie würden seit 2008 tatsächlich über keinen Wohnsitz verfügen, hat das FG nicht für glaubhaft erachtet. Zulässige und begründete Verfahrensrügen gegen diese Würdigung sind nicht vorgebracht.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO abgesehen.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 2 FGO.