BFH X. Senat
EStG § 4 Abs 1, EStG § 5, EStG § 7g Abs 1, EStG § 15, FGO § 73 Abs 1 S 1 Alt 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2, FGO § 116 Abs 3 S 3, FGO § 116 Abs 5 S 2 Halbs 2, FGO § 135 Abs 2, EStG VZ 2010
vorgehend FG Nürnberg, 30. June 2015, Az: 5 K 843/14
Leitsätze
1. NV: Für die Frage, ob mehrere gewerbliche Betätigungen, die ein und derselbe Unternehmer ausübt, zu einem einheitlichen Gewerbebetrieb zusammenzufassen sind, kommt es auf das Gesamtbild der Verhältnisse an (ständige BFH-Rechtsprechung).
2. NV: Der Umstand, dass der von einer Photovoltaikanlage erzeugte Strom zu einem nicht unerheblichen Anteil (hier: zu 21,3 %) eigenbetrieblich genutzt wird, stellt einen im Rahmen der Gesamtschau aller Umstände zu berücksichtigenden Teilaspekt dar.
Tenor
I. Die Verfahren X B 130/15 und X B 131/15 werden gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 der Finanzgerichtsordnung zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
II. Die Beschwerde der Kläger zu 1. und 2. wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 1. Juli 2015 5 K 842/14 betreffend die Einkommensteuer 2010 und die Beschwerde des Klägers zu 1. gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 1. Juli 2015 5 K 843/14 betreffend den Gewerbesteuermessbetrag 2010 werden als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten für das Verfahren betreffend den Gewerbesteuermessbetrag 2010 hat der Kläger zu 1. zu tragen.
Im Übrigen tragen die Kläger zu 1. und 2. die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I. Die verheirateten Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) werden im Streitjahr 2010 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr u.a. gewerbliche Einkünfte (§ 15 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑) aus dem Betrieb eines Autohauses (Kfz-Reparaturwerkstatt, Kfz-Handel, Mietwagen). Den Gewinn des Einzelunternehmens ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG).
In den am 23. Dezember 2011 bei dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ‑‑FA‑‑) eingereichten Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen für 2010 brachte der Kläger bei der Ermittlung des Gewinns aus dem Autohaus einen Investitionsabzugsbetrag (§ 7g Abs. 1 EStG i.d.F. des Streitjahres) in Höhe von 25.000 € (knapp 40 % der voraussichtlichen Kosten von 64.000 €) für die geplante Anschaffung einer Photovoltaikanlage gewinnmindernd in Ansatz. Das FA berücksichtigte den Investitionsabzugsbetrag insgesamt nicht, weil der Betrieb der Photovoltaikanlage einen eigenen Gewerbebetrieb "Stromerzeugung" darstelle, der mit der Anschaffung der Anlage neu entstanden sei (Neugründung). Da die tatsächliche Anschaffung erst im Februar 2012 erfolgt sei, müsse der Kläger unter den für Neugründungen geltenden erhöhten Anforderungen nachweisen, dass eine Investitionsabsicht bereits am Schluss des Wirtschaftsjahres 2010 bestanden habe.
Entsprechende Nachweise legten die Kläger nicht vor.
Stattdessen wandten sie ein, aufgrund der Eingliederung der Photovoltaikanlage in das Autohaus sei nach wie vor von einem einheitlichen Gewerbebetrieb auszugehen mit der Folge, dass die vom FA verlangten Nachweise nicht erbracht werden müssten. Die Anlage befinde sich auf dem Dach des Betriebsgebäudes des Autohauses, der erzeugte Strom werde nicht in Gänze in das öffentliche Stromnetz eingespeist, sondern in einem Umfang von 21,3 % von der Kfz-Werkstatt des Autohauses verbraucht, und auch die Verwaltung bzw. buchhalterische Abwicklung der Anlage erfolge über das Autohaus. Außerdem werde das Autohaus im Rahmen der Verwendung des erzeugten Stroms für eigene Zwecke gegen zukünftige Strompreissteigerungen abgesichert. Zuletzt belege die Errichtung der Photovoltaikanlage (wohl im Sinne eines Werbeeffekts), dass der Betrieb des Klägers, der sich durch die umweltfreundliche Umrüstung herkömmlicher Fahrzeuge auf Autogas einen Namen gemacht habe, selbst zur Reduzierung von Treibhausgasen beitrage.
Dem folgte das FA nicht. Einsprüche und Klagen gegen die Bescheide über die Festsetzung der Einkommensteuer und des Gewerbesteuermessbetrags für 2010 blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) kam unter Zugrundelegung der Senatsrechtsprechung in den Urteilen vom 15. September 2010 X R 21/08 (BFH/NV 2011, 235) und vom 24. Oktober 2012 X R 36/10 (BFH/NV 2013, 252) "im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände des Streitfalls" zu der Überzeugung, dass der Betrieb der Photovoltaikanlage einen eigenständigen Gewerbebetrieb darstelle. Dabei hob es maßgeblich auf die Ungleichartigkeit der beiden Betätigungen (Erzeugung von Strom auf der einen Seite, Verkauf/Reparatur von Kfz auf der anderen Seite) sowie den nur untergeordneten Verbrauch des erzeugten Stroms im Autohaus ab (ob dies bei einem ‑‑hier unstreitig nicht gegebenen‑‑ vollständigen gewerblichen Eigenverbrauch des Stroms durch das Autohaus anders zu beurteilen wäre, ließ es ausdrücklich offen). Den von den Klägern bei der Gewinnermittlung für das Autohaus begehrten Investitionsabzugsbetrag sprach ihnen das FG nicht zu.
Da die Kläger zudem weiterhin keinerlei Nachweis für das Bestehen einer Investitionsabsicht bereits am Schluss des Wirtschaftsjahres 2010 erbracht hatten, gewährte ihnen die Vorinstanz auch in Bezug auf den Betrieb der Photovoltaikanlage als selbständigen Gewerbebetrieb keinen Investitionsabzugsbetrag.
Die Revision gegen das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2015, 2050 veröffentlichte Urteil betreffend die Einkommensteuer für 2010 und das gleichfalls am 1. Juli 2015 gesondert ergangene Urteil betreffend den Gewerbesteuermessbetrag für 2010 (5 K 843/14) ließ das FG nicht zu. Das FA hat sich zu den dagegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerden nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerden haben keinen Erfolg.
Sie sind ‑‑bei Zweifeln daran, ob die gesetzlichen Darlegungsanforderungen aus § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) überhaupt eingehalten sind‑‑ jedenfalls in der Sache unbegründet.
1. Der in den inhaltsgleichen Begründungsschriften jeweils ausschließlich geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts liegt nicht vor.
a) Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO setzt voraus, dass über bisher ungeklärte Rechtsfragen "zur Fortbildung des Rechts" zu entscheiden ist. Dieser Zulassungsgrund konkretisiert den der Nr. 1 und gestattet eine Zulassung nur, wenn im Allgemeininteresse über bisher ungeklärte abstrakte Rechtsfragen zu entscheiden ist (vgl. Gräber/ Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 115 Rz 41).
b) Dies zugrunde gelegt, erweist sich die von den Klägern zur Beantwortung gestellte Frage,
"ob eine PV-Anlage, in der neben der Einspeisung des erzeugten Stroms ins öffentliche Netz auch ein nicht unwesentlicher Teil (über 10 %) des erzeugten Stroms im bereits vorhandenen Gewerbebetrieb verbraucht wird, zusammen mit diesem einen einheitlichen Gewerbebetrieb darstellt, wenn die erforderliche organisatorische und finanzielle Verflechtung gegeben ist oder ob eine PV-Anlage immer einen eigenständigen Gewerbebetrieb bildet, wenn nicht neben dem Selbstverbrauch noch andere Umstände hinzukommen, die einen einheitlichen Gewerbebetrieb rechtfertigen, der Selbstverbrauch allein also für die erforderliche wirtschaftliche Verflechtung nicht ausreichend wäre",
nicht als klärungsbedürftige abstrakte Rechtsfrage in diesem Sinne.Der Senat hat in seinen bereits von der Vorinstanz angeführten Urteilen in BFH/NV 2011, 235 (unter II.2.a. aa) und BFH/NV 2013, 252 (unter II.1.a) klargestellt, dass es für die Frage, ob mehrere gewerbliche Betätigungen, die ein und derselbe Unternehmer ausübt, zu einem einheitlichen Gewerbebetrieb zusammenzufassen sind, auch bei der nachträglichen Anschaffung bzw. dem Betrieb von Photovoltaikanlagen stets auf das Gesamtbild der Verhältnisse ankommt. Der von den Klägern ins Zentrum ihrer Nichtzulassungsbeschwerden gerückte Umstand, dass der von der Photovoltaikanlage erzeugte Strom zu einem nicht unerheblichen Anteil in dem vom Kläger betriebenen Autohaus genutzt wird, stellt nach dieser Judikatur unzweifelhaft ‑‑im Sinne von nicht weiter klärungsbedürftig‑‑ einen im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau aller Umstände zu berücksichtigenden Teilaspekt dar. Dementsprechend hat ihn auch das FG in seine Abwägung einbezogen (vgl. jeweils S. 11 der angegriffenen Urteile). Mehr war insoweit aus Rechtsgründen nicht erforderlich.
Dass die Vorinstanz dabei zu einer von der Sichtweise der Kläger abweichenden Überzeugung gelangt ist, kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage zielt in diesem Punkt auf die Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls. Damit fehlt es ihr aber an der erforderlichen Abstraktheit (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. November 2010 VIII B 159/09, BFH/NV 2011, 300, unter b, und vom 10. August 2011 V B 84/10, BFH/NV 2011, 2010, unter 2.c; s. auch Gräber/ Ratschow, a.a.O., § 115 Rz 41, vorletzter Absatz). Allenfalls dann, wenn sich die Gesamtwürdigung des FG als "greifbar gesetzwidrig", weil z.B. offenkundig von sachfremden Erwägungen getragen, darstellen würde (sog. qualifizierter Rechtsanwendungsfehler), läge ein die Revisionszulassung ermöglichender Unterfall der 2. Alternative des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO vor (allgemein dazu Gräber/Ratschow, a.a.O., § 115 Rz 68 ff.). Dies ist hier jedoch ersichtlich nicht der Fall.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
3. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.