BFH VII. Senat
FGO § 115 Abs 2 Nr 1, StBDV § 29
vorgehend Hessisches Finanzgericht , 14. April 2015, Az: 13 K 201/14
Leitsätze
1. NV: Der Frage, ob die Antwort eines Prüflings im Verfahren der Steuerberaterprüfung als falsch bewertet oder unbewertet bleiben dar, wenn sie nach fachwissenschaftlicher Sicht richtig ist, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
2. NV: Es ist höchstrichterlich geklärt, dass richtige Antworten oder Lösungen von einem Prüfer nicht als falsch bewertet werden dürfen.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 15. April 2015 13 K 201/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nahm an der Steuerberaterprüfung 2013 teil. Mit Bescheid vom 14. Januar 2014 teilte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Ministerium der Finanzen) dem Kläger mit, dass er die Gesamtnote von 4,83 erreicht habe und daher eine Teilnahme an der mündlichen Prüfung nicht möglich sei. Hiergegen erhob der Kläger Klage und beantragte zugleich die Durchführung des Überdenkungsverfahrens gemäß § 29 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften. Das Überdenkungsverfahren ergab keine Notenveränderung. Die Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.
Es urteilte, der angefochtene Bescheid verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Eine gerichtliche Kontrolle von Prüfungsentscheidungen sei auf Grund der sachgesetzlichen Eigentümlichkeiten der Prüfungsentscheidungen nur eingeschränkt möglich. Den Prüfern müsse ein Entscheidungsspielraum zugestanden werden. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtige Lösung dürfe nicht als falsch bewertet werden. Der dem Prüfling zu gewährende Antwortspielraum könne indes nicht dazu führen, dass der Prüfer jede noch eben vertretbare Antwort stets als richtig zu bewerten habe. Der gerichtlichen Kontrolle unterliege nicht, wie der Prüfer die Qualität der Argumentation gewertet habe. Mit dem Grundsatz der Chancengleichheit wäre es unvereinbar, wenn einzelne Kandidaten, indem sie eine gerichtliche Überprüfung anstrebten, die Chancen einer vom Vergleichsrahmen unabhängigen Bewertung erhielten. Unter Beachtung dieser Grundsätze sei die Klage unbegründet. In der weiteren Begründung hat sich das FG mit den Einwendungen des Klägers, die sämtliche Aufsichtsarbeiten betreffen, auseinandergesetzt und im Ergebnis die Bewertung der einzelnen Prüfer und das Ergebnis des Überdenkungsverfahrens unbeanstandet gelassen. Insgesamt kam das FG zu dem Ergebnis, dass es bei der Gesamtnote von 4,83 bleibe.
Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑), zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO), wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) und wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob eine Antwort eines Prüflings im Prüfverfahren als falsch bewertet werden oder unbewertet bleiben dürfe, wenn sie nach fachwissenschaftlicher Sicht richtig sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verpflichte Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes grundsätzlich auch Prüfungsentscheidungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig zu überprüfen. Dementsprechend unterlägen fachliche bzw. fachwissenschaftliche Fragen in der Prüfung einer uneingeschränkten richterlichen Kontrolle, die gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Sachverständigen wahrzunehmen sei. Bei fachlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen Prüfer und Prüfling dürfe eine vertretbare Antwort bzw. Lösung, die vom Prüfling mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründet worden sei, nicht als falsch oder unbrauchbar qualifiziert werden.
In seiner weiteren Begründung setzt sich der Kläger im Einzelnen mit den Bewertungen des Erst- und Zweitkorrektors auseinander. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass bei wohlwollender und angemessener Punktevergabe in Bezug auf die Klausuren AO/USt/ErbSt, Ertragsteuern und Bilanzen eine Note von 4,33 vergeben werden müsse. Die Argumente aus der Klagebegründung (gemeint ist wohl die Urteilsbegründung) träfen entweder nicht den Kern der Fragestellung oder bezögen sich auf die Argumentation der Stellungnahmen im Überdenkungsverfahren. Der BVerfG-Beschluss vom 17. April 1991 1 BvR 419/81 und 1 BvR 213/83 (Neue Juristische Wochenschrift 1991, 2005) habe ein neues Zeitalter des Prüfungsrechts eingeleitet. Der Fortbildung des Rechts komme im Prüfungsrecht besondere Bedeutung zu. Die Entscheidung des FG trage nicht zur einheitlichen Rechtsprechung bei. Sie sei darüber hinaus objektiv willkürlich bzw. greifbar gesetzwidrig. Daher liege der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie ein unheilbarer Verfahrensmangel vor. Zudem habe sich das FG nicht mit dem Hinweis auseinandergesetzt, die Bewertung des Erstprüfers sei inkonsistent und die Ausführungen des Zweitkorrektors ließen eine abstrakte Fehlgewichtung maßgeblicher Abwägungsgesichtspunkte erkennen.
Das Ministerium der Finanzen, vertreten durch die Steuerberaterkammer, ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der aufgeworfenen Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Im Übrigen sind die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht hinreichend dargelegt, wie dies § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.
1. Einer Rechtsfrage kommt nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie klärungsbedürftig ist. Das ist sie, wenn ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt, so dass mehrere Lösungen vertretbar sind (vgl. Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 115 Rz 28). An der zu fordernden Klärungsbedürftigkeit fehlt es jedoch, wenn sich die Beantwortung der Rechtsfrage ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in seiner Entscheidung getan hat, wenn die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231, und vom 31. Mai 2000 X B 111/99, BFH/NV 2000, 1461). Darüber hinaus ist eine Rechtsfrage auch dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (BFH-Beschluss vom 4. Mai 1999 IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bedarf es keiner Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage, ob eine Antwort eines Prüflings im Prüfverfahren als falsch bewertet werden oder unbewertet bleiben darf, wenn sie nach fachwissenschaftlicher Sicht richtig ist. Denn es liegt auf der Hand und entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass Richtiges nicht als falsch bewertet werden darf (Senatsentscheidungen vom 14. Juni 1999 VII B 246/98, BFH/NV 1999, 1520; vom 20. November 2003 VII B 214/03, BFH/NV 2004, 378, und vom 17. Dezember 2007 VII B 67/07, BFH/NV 2008, 995). In welchem Rahmen Prüfungsentscheidungen unter Berücksichtigung der Unterscheidung zwischen Fachfragen und prüfungsspezifischen Wertungen angefochten werden können, ist hinreichend geklärt.
2. Soweit der Kläger die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung begehrt, legt er eine Divergenz nicht dar. Macht der Beschwerdeführer geltend, dass eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO), so muss er in der Beschwerdebegründung darlegen, inwiefern über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen und welche sonstigen Gründe eine höchstrichterliche Entscheidung gebieten. Rügt er eine Abweichung von höchstrichterlichen Entscheidungen, so muss er tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen. (Senatsbeschlüsse vom 5. Juni 2014 VII B 49/13, BFH/NV 2014, 1756, und vom 7. Mai 2013 VII B 102/12, BFH/NV 2013, 1428). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht einmal ansatzweise gerecht; vielmehr behauptet der Kläger lediglich, dass die Entscheidung des FG nicht zur einheitlichen Rechtsprechung beitrage.
3. Die Zulassung der Revision ist auch nicht aufgrund schwerwiegender Rechtsfehler des FG geboten. Der BFH hat das Vorliegen solcher Fehler bejaht, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar sind (BFH-Beschlüsse vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25, und vom 30. August 2001 IV B 79-80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837). Die besonderen Umstände sind in der Beschwerdeschrift anzuführen. Unter Hinweis auf seine von den Bewertungen der Erst- und Zweitprüfer abweichenden Meinungen behauptet der Kläger lediglich, die angefochtene Entscheidung sei objektiv willkürlich bzw. greifbar gesetzwidrig, ohne schwerwiegende Rechtsfehler, die dem FG unterlaufen sein sollen, substantiiert zu belegen. Im Übrigen hat sich das FG in seiner Urteilsbegründung ausführlich mit den Einwendungen des Klägers auseinandergesetzt und dabei die Punktevergabe im Wesentlichen nachvollzogen und unbeanstandet gelassen. Aus diesem Grund erweist sich die Entscheidung frei von Willkür, so dass der behauptete Verfahrensmangel auch nicht vorliegt.
4. Mit der bloßen Behauptung, das FG habe sich nicht mit dem Hinweis auseinandergesetzt, die Bewertung des Erstprüfers sei inkonsistent und die Ausführungen des Zweitkorrektors ließen eine abstrakte Fehlgewichtung maßgeblicher Abwägungsgesichtspunkte erkennen, wird ein Verfahrensmangel ebenfalls nicht schlüssig dargelegt, zumal das FG die Bewertung und die Punktevergabe der Prüfer bei den einzelnen Wertungspunkten nachvollzogen hat. Worin die Inkonsistenz begründet sein soll und bei welchen Einzelbewertungen eine Fehlgewichtung von nicht näher benannten Abwägungsgesichtspunkten erkennbar geworden sei, führt der Kläger nicht aus.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.